4. Auftritt.

[45] Vorige. Friederike. Paula.


PAULA in der Mitteltür. Ha, ha, ha! Sieh nur, Mama! »Das häusliche Glück« – lebendes Bild, gestellt von Herrn und Frau Neumeister –[45]

FRIEDERIKE. Aber Paula!

NEUMEISTER leise. Die Mama! – Daß du ihr keine Silbe erzählst.

MARIANNE ebenso. Keine Silbe. Laut. Liebe Mama, das ist schön, daß du kommst. Leise zu Friederike. Ich hebe dir sehr Wichtiges mitzuteilen, wir gehen in mein Zimmer.

FRIEDERIKE leise. Gut!

NEUMEISTER. Na, liebe Schwiegermama, habe ich nicht recht gehabt mit Heringsdorf? Um zehn Jahre jünger.

FRIEDERIKE. Schmeichler.

MARIANNE leise zu Paula. Halte Leopold hier fest, ich muß mit Mama sprechen.

PAULA leise. Gut.

FRIEDERIKE. Marianne, was macht denn Euer Papagei?

MARIANNE. Er steht in meinem Zimmer. Er hat schon wieder einige neue Worte gelernt.

NEUMEISTER. Jetzt sagt er den ganzen Tag: »Gib mir ein Küßchen.«

FRIEDERIKE. Das muß ich einmal hören. Komm', Marianne.

NEUMEISTER ängstlich. Ich kann ihn ja holen.[46]

MARIANNE. Ach wozu – wir gehen hinüber. Nimmt die Mappe mit, Friederike und Marianne ab durch die Mitte.

NEUMEISTER sich ängstlich an Marianne und Friederike anschließend. Auch gut, wir gehen hinüber. Will nach.

PAULA Neumeister zurückhaltend. Leopold, bitte, einen Augenblick – ich muß dich etwas fragen.

NEUMEISTER. So, aber ich möchte – Will sich losmachen.

PAULA. Nein, es ist wichtig.

NEUMEISTER. Also ich bitte, schnell – was willst du?

PAULA. Seit wir von Heringsdorf zurück sind, habe ich so merkwürdige Anfälle –

NEUMEISTER ängstlich nach der Mitteltür blickend, zerstreut. So, so! Beiseite. Ich wette, Marianne erzählt ihrer Mutter die ganze Geschichte. –

PAULA. Aber du hörst mich gar nicht an.

NEUMEISTER wie oben. O ja – sprich nur!

PAULA. Fühle mal meinen Puls. Hält Neumeister den Arm hin. Bemerkst du nichts?

NEUMEISTER. Nein.[47]

PAULA. Siehst du, wenn ich des Morgens aufgestanden bin und meinen Kaffee getrunken habe –

NEUMEISTER. Na, was ist es denn dann?

PAULA. Dann ist es noch nichts, aber nach dem Frühstück gehe ich gewöhnlich eine Stunde im Garten spazieren –

NEUMEISTER. Wenn dir das nicht bekommt, dann bleibe eben in deinem Zimmer.

PAULA. Aber, Leopold, der Spaziergang tut mir gerade gut.

NEUMEISTER. Nun also – – Will fort.

PAULA hält Neumeister fest. Aber gestern ist mir etwas Eigentümliches passiert. Eben bei meinem Spaziergang im Garten wollte ich mir eine Rose abschneiden.

NEUMEISTER erschreckt. Eine Rose? Erinnert sich wieder an die Mappe. Beilage C. Laß mich, ich muß zu meiner Frau.

PAULA hält Neumeister fest. Da bekam ich plötzlich einen Schwindel und Herzklopfen, mir wurde ganz schwarz vor den Augen, als ob ich ohnmächtig werden sollte.

NEUMEISTER. Ohnmächtig – ich hole dir Tropfen! Reißt sich los, ohne auf Paula zu achten – ab durch die Mitte.

PAULA. Nein, jetzt nicht, bleibe hier, es kommt schon wieder. Ach, ach, ach! Sinkt, eine Ohnmacht fingierend, in einen Stuhl. Kleine Pause. Dann sieht sie sich vorsichtig um und bemerkt, daß sie allein ist;[48] – springt auf. Er ist mir wahrhaftig entwischt. Nun, ich habe meine Schuldigkeit getan. So ein herzloser Mensch. Hört Schritte von außen. Ach nein, ich habe ihm Unrecht getan, da kommt er wieder. Jetzt schnell wieder in Ohnmacht fallen. Wirft sich auf den Sessel und stöhnt. Ach, ach!


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 45-49.
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