4.

[19] Als Mittel dagegen wurden auf öffentlichen Plätzen der Ortschaften große Feuer gebrannt, die Luft zu reinigen, die Gassen mit Mist belegt, wie zu Amberg, weil dieser das Gift anzieht. Die Schweine waren hier die Lehrmeister: dieses Thier bekommt nämlich vor dem Menschen die Pest, und gräbt sich dagegen in den Mist ein. Daher gruben auch die Menschen ihre Kranken bis an den Hals in die Düngerstätten. – Zu Hambach starben an der Pest alle Leute bis auf ein altes Ehepaar, welches sich dadurch rettete, daß es den Leibstuhl immer offen in der Stube stehen ließ.

Während in Riedenburg die Pest war, legten sie neugebackenes Brod auf den Strassen aus, und die Pest zog sich hinein und machte die Rinde ganz blau. Doch hielt sie sich noch in den Häusern unter der Nagelplatte; als man daher einmal ein Zimmer neu herstellte und die alten Nägel ausriß, brach sie wieder aus.[19]

Um in den Zimmer die Luft zu reinigen, hing man zerschnittene Zwiebel auf, welche gleichfalls das Gift aufsaugen. Amberg.

Das Volk weiß ausserdem von gewissen Kräutern, daß sie gegen die Pest helfen, wie Kunerlkraut, thymus serp. – Katzenschwanz oder Schafgarbe – Bibernell, tormentilla erecta – Bimâln oder Chamille – Schwarzwurz – Wachholder – das Pestkraut. Letzteres ist das bedeutendste, die Einbeere, paris quadrifol. Sie hilft dem, der sie bey sich trägt. Wer sie abreißt, muß sie ansprechen:


Pestbir, du edles Kraut,

Wer hat dich daher gebaut?

Gott V.S. u. hl. G. Amen.


In Ungarn ritt Einer, das Pestkraut auf dem Hute, des Weges; es wütete dort gerade die Pest. Ein Kranker, der zum Fenster hinaussah, bemerkte, wie ein großer Schwarm Pestfliegen um den Reiter im Kreise herumflog, ohne an ihn zu kommen. Da rief er den Fremden an und frug ihn um die Ursache der sonderbaren Erscheinung. Er kaufte ihm darauf das Pestkraut, drey Blätter mit einer Beere, um theueres Geld ab. Als aber der Reiter ohne sein Schutzmittel zu Pferde stieg, fiel er tod davon herab. Waldkirch.

Als zu München lange genug die Pest geherrscht hatte, flog ein Vogel über die Stadt mit einem Zweige in den Krallen und rief immer: »Bibernell, Bibernell!« Zuletzt ließ er den Zweig fallen. Die Leute hoben ihn auf, suchten die Pflanze in Wald und Wiese, tranken[20] den Thee und wurden frey. – Gleiches erzählt man von Neustadt a.d.W.N. Dort hauste die Pest, und es war keine Hilfe: daher bauten sie zu Ehren des hl. Felix eine Kirche, und um die zwölfte Stunde flog eine wilde Aente über die Stadt mit dem Rufe: Esset Bimaln! Das thaten sie und genasen. Zur Erinnerung an den Sterb bewahrten sie den Pestwagen auf.

Als einmal eine starke Pest wütete, saß ein Vögelchen auf einem Kraut und sagte immer fort: »Eßt Bibernell, dann sterbt ihr nicht so schnell!« Damit flog es fort und die Menschen pflückten den Samen des Krautes und tranken den Absud, und blieben gesund. Waldkirch.

Von gleicher Wichtigkeit ist der Wachholder: bey Waldheim starben alle Leute an der Pest bis auf einen Jüngling, welcher sein Lager unter diesem Strauche aufschlug und von den Beeren lebte: davon heißt es dort noch jetzt: in der Kramelstaude.

Wer ferner die Wurzel der Herbstzeitlose bey sich trägt, bleibt frey von Pest und jeder ansteckenden Krankheit. Roding.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 3, Augsburg 1857/58/59, S. 19-21.
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