9.

[315] Damit die Hexe außerdem gar nicht in den Stall finde, brennt man ihr die Augen aus, indem die Bäuerin heute Köcheln von neunerley Art backt. Velbuch.

All diesen Unbilden, welche bisher die Hexe erduldet hat, wird aber noch die Krone aufgesetzt durch ein förmliches Treibjagen, welches man gegen sie anstellt, wobey sie wörtlich mit Peitschen aus Haus und Dorf und Flur ausgehauen werden.

Im Allgemeinen ist die Zeit hiefür das Einfallen der Nacht, gewöhnlich von acht bis zehn Uhr; nach[315] germanischer Anschauung fängt ja der Tag mit der Nacht an. An wenigen Orten erfolgt es erst um Mitternacht, wie zu Muschenried.

Ich gebe hier zuerst die Sitte um Tiefenbach, weil sie die gewöhnliche ist, und lasse ihr die Abweichungen folgen.

Zu Tiefenbach sammeln sich die Bursche vor dem Dorfe auf einer Anhöhe nach Sonnenuntergang, aus jedem Hause wenigstens Einer, und peitschen eine Zeitlang nach Kräften kreuzweise im Takte; hierauf gehen sie peitschend durch das Dorf bis zum Galgenbügerl, wo früher der Galgen stand und die Hexen ihren Tanz haben; man richtet es hiebey so ein, daß man um Mitternacht dort ankömmt. Wehe dem Weibe, das sich hiebey blicken läßt! Mit dem Peitschen werden nun die Hexen vertrieben, woher der Gebrauch Hexenauspeitschen heißt.

Eben so ist es zu Treffelstein und Waldmünchen. Waren die Hexen auf diese Weise in letzterem Orte ausgeduscht und vertrieben, so versammelten sie sich gleichwohl anderswo, im Galgenholze bei Arnstein, zum Tanze.

Bey Waldthurn ziehen Abends die Knechte auf Anhöhen und Berge und knallen ins Thal hinab; so weit der Knall geht, können die Hexen nichts machen.

Zu Bärnau pleschen die Bursche, wenn es manlt, oder Zwielicht ist, vor jedem Hause, in welchem sie den Aufenthalt einer Hexe vermuthen; auf den Dörfern herum aber gehen sie nach dem Auspleschen noch auf[316] die Anhöhen, und pleschen auch hier eine geraume Zeit in stockfinsterer Nacht nach dem Viervierteltakte, je vier zusammen, einer nach dem andern, um die Hexen auch aus den Fluren zu verjagen.

Zu Letten bey Bärnau bleiben sie in Mitte des Dorfes und patschen von acht bis zehn Uhr mit langen dicken Peitschen, die recht schnalzen; darnach wird gesungen.

Während die Bursche in Neustadt auf den Anhöhen klatschen, bläst der Hirt auf seinem Horn. So weit es hallt, muß die Hexe sich entfernen, und wäre sie im Orte selber, auswandern. Dieses gibt Ruhe für das ganze Jahr.

Nicht weit davon zu Büchesreuth hat sich noch eine andere Sitte erhalten. Jeder Bauer läßt nämlich dort sein Vieh gesondert hüten auf einem eigenen, eingezäunten Weideplatze. Nach dem Hexenauspeitschen gehen nun die Hütbuben, oft zwanzig bis dreißig, von Haus zu Haus: der eine trägt einen Hafen, der andere eine Schüssel, der dritte eine Pfanne. Vor jedem Hause singen sie zusammen:


Eyer, Schmalz und Butter heraus,

Es kommt wieder Alles zehnfach ins Haus.


worauf sie von der Bäuerin Geschenke hieran, oder auch Geld erhalten. Durch das Loos wird alljährlich der Bauer bestimmt, bey welchem die Geschenke unentgeltlich zu einem Mahle bereitet werden.

In Hambach stellen sich die Buben haufenweis an[317] jeder Thor und peitschen bis Mitternacht, um die Hexen nicht herein zu lassen.

Dieses Hexenaustreiben wird so strenge beachtet, daß es weniger als Spiel, denn als Gebot erscheint; ja der Bauer ertheilt den Buben den ausdrücklichen Befehl hiezu. Kemnath.

Höher hinauf, in Gefrees und Warmensteinach, werden die Hexen nicht blos mit Peitschen verplatscht, sondern es wird auch gegen sie geschossen.

Große Sorge wird auf das Bereiten der Geisel verwendet, welche hiezu dienen soll; die Schnüre werden schon die ganze Woche hergerichtet, damit sie recht knallen und die Hexen schwer treffen. Zu Lixentöfering rupfen sie dem Hornvieh Haare aus dem Schweife und flechten sie in die Spitze der Geisel; zu Hambach binden sie Knöpfe hinein, damit sie den Hexen recht wehe thun. Diese Geisel hat übrigens eine höhere Bedeutung. Denn sie wird nach dem Peitschen abgenommen und an Mariä Himmelfahrt bey der Kräuterweih der Weihbüschel damit gebunden. Wird sie später wieder gebraucht, so folgt das Zugvieh leichter. Bärnau. Auch hier kommt die Palmkatze zum Zuge; denn es wird der »Palm« eingeflochten, ein Zweig der Palmweide, der am letzten Palmsonntage geweiht worden; die Betzerln kommen schon in der Fasten heraus. Neustadt.

Ist der Stall verhext, so liegt gewöhnlich vor der Stallthüre etwas vergraben, welches den Zauber hält; um Ruhe zu bekommen, muß man es herausnehmen. Dieses thun gewisse Leute, welche besondere Kenntniß besitzen[318] und ganz gut wissen, wo etwas vergraben ist. Auch läßt man die Franziskaner kommen, welche dem Vieh sogenanntes Niklobrod eingeben, den Stall mit geweihten Dingen, Kranewitter, und einem Gemenge aus Gras-Samen und Grasblumen, ausräuchern, dabey auch die kirchlichen Gebete anwenden. Schönau.

Das Vieh weiß gleich, wann die Hexe in den Stall kommt; es bläst, schnaubt, reißt sich los. Ebnat.

In manchem Hause leidet es nur Thiere von gewisser Farbe, und kömmt ein fremdartiges Thier zu diesen in den Stall, so fangen sie in der Nacht einen solchen Lärmen an, wie wenn sie rasend wären, und kommen nur zur Ruhe, wenn der fremde Gast entfernt ist. Ebnat. Dort ist auch ein Wirth, bey dem nur schwarzgescheckte Hennen bleiben, alle anderen stehen um.

Befinden sich kleinere Thiere im Stalle, wie Stallhasen, Katzen, Hühner, so sind sie heute noch ganz gesund und frisch, am Morgen aber liegen sie »bredlbroid« zusammengedrückt da; es hatte sie in der Nacht verdruckt. Aber auch dieses geschieht meistens nur den Jungen, und auch diesen nur dann, wenn die Alten abwesend sind.

Hunden und Schweinen widerfährt Gleiches. Ebnat.

Damit das Stallvieh recht gedeihe, ohne daß man es gerade gut zu mästen braucht, wird es mit einem Stück des Kleides von einem Armen Sünder tagtäglich abgewischt. Verkauft und nicht mehr in gleicher Weise behandelt, nimmt es aber wieder ab. Fronau.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 315-319.
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