§. 7. Todes-Anzeichen.

[259] Es ist fester Glaube des Volkes, daß, wer bald sterben soll, sich vorerst in der Verwandtschaft anmelde.

Dieses Anmelden heißt »oigna«, oder eignen, und ist verschieden von dem Anmelden eines Unglückes, wovon der Betreffende plötzlich eine Ahnung, ein Vorgefühl empfängt, was fürgehen, firgain, benannt ist. Bärnau.

Dieses Tod-Anmelden tritt an die Stelle des früheren Wissens; denn vor Christi Geburt wußten die Leute, wie lange sie lebten. Da machte ein Bauer einen Zaun von Schmellern, und der Herr Jesus ging vorbey und frug ihn: »Was machst du da?« – »Einen Zaun.« – »Der wird nicht lange halten?« – »So lange als ich lebe, hält er schon!« – Der Herr aber sprach: »Du sollst es wissen, und keiner mehr!« Gefrees.

Oft mahnt es auch Einen auf dem Wege, als ob ihm der und der begegnen müßte. Der Gemeynte erscheint auch sicher und grüßt. Aber nicht er selber ist[259] es, sondern sein Schatten, und er ist entweder schon gestorben, oder wird bald sterben.

Gar Mancher schaut auch ohne Absicht in einen alten, ungebrauchten Brunnen und wundert sich über den metallischen Glanz der Oberfläche des Wassers; da erblickt er auf einmal in dem Spiegel Gebilde von Freunden und Verwandten; es bedeutet deren baldiges Erscheinen vor Gott. Falkenstein.

Es gibt auch Menschen, welche die Gabe besitzen, jene, die bald dem Tode verfallen, als Leiche zu sehen.

Besonders sind aber jene Personen, welche mit Arbeiten für Gestorbene sich beschäftigen, geeigenschaftet, zuerst die Kunde von einem baldigen Ableben zu erhalten. Der Todengräber zu Tirschenreuth wußte immer genau, wann Jemand zum Sterben kommen sollte; es rührten sich einige Tage zuvor Pickeln und Schaufel in seiner Kammer – und jenem zu Ebnat warf es das Seil über die Stube hin.

Der erstere war so gefürchtet, daß sich Kinder an ihn hinanzugehen nicht getrauten.

In gleicher Wissenschaft stehen auch die Schreiner, ja sie können unterscheiden, ob ein Kind oder Erwachsenes das Nächste seyn wird, wofür sie einen Sarg zu machen haben werden. Raffelt es nämlich im Bratrohr, so stirbt ein Kind: denn die Särge der Kleinen werden im Bratrohre getrocknet. Rühren sich aber die Bretter, die für große Särge bestimmt sind, oder der Hobel, der zur Anfertigung der Truhen dient, oder die Säge klingt, so muß ein Erwachsenes sterben. Bärnau.[260] Ebnat etc. Die Seele des Verstorbenen klopft an seine Thüre, ihm anzuzeigen, daß er einen Sarg zu machen habe. Neukirchen.

Auch weiß der Todengräber, wenn beym Einlassen des Sarges Steine nachrollen – und der Schreiner beym Zunageln des Sarges, wenn ein gewisser Ton sich vernehmbar macht, daß dem Toden bald ein Verwandter nachfolgen werde. Ebnat. Tiefenbach.

Solcher Anzeigen, Onzoigns unten, Oanzoaigns oben am Böhmerwalde, daß dem Toden bald Jemand aus der Freundschaft nachfolgen wird, sind überhaupt auch sehr viele, so lange die Leiche noch nicht begraben ist. Dazu gehören:


Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 259-261.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Aus der Oberpfalz
Aus der Oberpfalz: Sitten und Sagen
Das Schönwerth-Lesebuch. Volkskundliches aus der Oberpfalz im 19. Jahrhundert
Sagen und Märchen aus der Oberpfalz
Sitten und Sagen aus der Oberpfalz: Aus dem Volksleben

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon