1156. Die Wolfshenker.

[182] Histor. Notiz. Mitgeth. von J. Ruttor. S. Bechsteins deutsches Sagenbuch S. 703.


Im Jahre 1685 bekamen die Ansbacher den Spitznamen »Wolfshenker.« Es starb nämlich Michael Leicht, ältester Bürgermeister und Kastenpfleger in Ansbach, und sah, wie das gemeine Volk glaubte, von seinem Dachfenster aus seinem Leichenbegängnisse nach und wurde in einen Wolf verwandelt. Dieser Wolfmensch lief nun über ein Vierteljahr lang wüthig in der Umgegend von Windsbach, zwei Meilen von Ansbach, herum, zerriß und fraß vier Kinder, verwundete mehrere Leute, und setzte Alles in Furcht und Schrecken, so daß sich Niemand mehr allein und ohne Gewehr über Feld zu gehen getraute. Es wurde von Jägern und Bauern lange, obwohl vergebens, nach ihm gestreift, bis er endlich bei Verfolgung eines Hahns selbst in einen leeren Brunnen fiel, worin er von den herzugelaufenen Landleuten mit Prügeln und Steinen getödtet wurde. Er wurde nun am 10. Oktober nach Ansbach gebracht, ihm die Schnauze abgehauen und dafür ein Schönbart oder Larve angelegt, eine Perücke aufgesetzt und ein Rock von gewichster Leinwand angethan; und so wurde dieser Wolfmensch auf dem Nürnberger Berge vor Ansbach (bei der heutigen Windmühle oder dem Langischen Heimwege) an einem Schnellgalgen gehenkt. Die Haut hatte man ihm zuvor abgezogen und ausgestopft und in die[182] Ansbacher Kunstkammer gebracht. Hierüber kamen damals folgende Reime auf:


Ich Wolf, ein grimmig Thier und Fresser vieler Kinder,

Die ich weit mehr geacht', als fette Schaf' und Rinder.

Ein Hahn, der bracht' mich um; ein Bronnen war mein Tod;

Nun häng' am Galgen ich, zu aller Leute Spott.

Als Geist und Wolf zugleich thät ich die Menschen plagen,

Wie recht geschiehet mir, daß jetzt die Leute sagen:

Ha! du verfluchter Geist bist in den Wolf gefahren,

Hängst nun am Galgen hier, geziert mit Menschenhaaren.

Dieß ist der rechte Lohn und wohlverdiente Gab',

So du verdienet hast; der Galgen ist dein Grab.

Hab' dieses Trankgeld dir, weil du fraßt Menschenkinder,

Wie ein wuthgrimmig Thier und rechter Menschenschinder.

Nun mußt am Galgen du stets hangen für und für,

Zu aller Leute Spott und aller Schinder Zier.

Geiz, Wucher, Eigennutz, Untreu' in Amteswegen,

Bringt wahrlich schlechten Lohn, bringt weit mehr Fluch als Segen.

Drum liebe Gott, mein Christ! sei redlich, fromm und schlecht,

Weil du auf Erden bist, mit Kurzem: thue recht!

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 182-183.
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