1184. Sankt Georgenberg.

[203] Mündlich.


Weit auf und ab im Wertachthale schaut die Kirche vom Sankt Georgenberge bei Kaufbeuren, wo schon die Römer eine Niederlassung hatten, an deren Stelle eine mittelalterliche Burg gestanden sein soll, von der jetzt aber nichts mehr zu sehen ist. Von dieser Burgruine geht folgende Sage. Lange Zeit, nachdem die Burg zerfallen, sei ein unterirdischer Gang sichtbar gewesen, der in die Gewölbe der Burg geführt, wo ungeheure Schätze aufgehäuft lagen, von einer Jungfrau bewacht, daher dieser Gang im Munde des Volkes das »Jungfernloch« hieß. Einstmals seien etliche Hirten beim Eingange zusammengekommen und da hätten sie einen aus ihrer Mitte hineingeschickt. Nach langem, langem Wandern sei er in ein prächtig beleuchtetes Gewölbe gekommen, auf dessen Boden lauter Kisten mit funkelndem Gelde gestanden, indeß auf einem goldenen Stuhle eine schöne Jungfrau saß, die sich über seine Ankunft zu freuen schien. Sie habe mit der Rechten gewinkt, er solle nur nehmen, was er wünsche; der Hirtenknabe aber habe nur um so viel gebeten, daß er sich eine neue Geisel kaufen könnte und habe auch nicht mehr mitgenommen, worüber die Jungfrau laut geweint habe. Als er wieder herausgekommen, hätten die andern Hirten ihn ausgescholten, daß er nicht mehr mitgenommen. Dann hätten sie einen ältern hineingeschickt und damit er wieder sicher herausfände,[203] alle ihre Geiseln aneinander gebunden. Wenn er alle Taschen roll habe, sollte er dann ein Zeichen geben. Die Hirten warteten lange, da habe die Geisel das Zeichen gegeben. Wie sie erwartungsvoll hineingeblickt hätten sie nichts gefunden als einen Bocksfuß, der Hirte aber sei nicht mehr herausgekommen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 203-204.
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