1316. Das Drudendrücken.

[302] Mündlich. – Ein Beispiel des vielverbreiteten Aberglaubens für viele.


Ein Schuster zu Nürnberg hatte einen neuen Gesellen bekommen, das war ein frischer Bursche von kräftiger Gestalt und gutem Aussehen. Nun verstrichen etliche Wochen, da fing unser Schustergeselle sichtbar zu magern[302] an, also daß er für Alle, die ihn vorher gekannt, jämmerlich anzuschauen war. Besonders des Morgens schlich er matt und armselig in die Werkstätte zur Arbeit und bekam noch dazu Scheltworte von seinem Meister, oder Stichelreden von den Nebengesellen. Wie ihm nun das zu arg wurde, rückte er einmal heraus mit der Sprache und erzählte, wie er Nachts von einer Drude gedrückt werde und es hier im Hause nicht länger mehr aushalten könne. Der Obergesell, der dieß hörte, sagte, da wäre zu helfen, er wüßte ein unfehlbares Mittel, so und so, das müßte ihm Ruhe schaffen. Der Schustergesell that, wie ihm befohlen worden. Des Nachts nemlich stellte er sich schlafend und horchte, als es zwölfe geschlagen, ob sich die Drud einstellen werde. Auf einmal hörte er was vor der Thür rauschen, als wenn Papier zusammengedrückt würde, dann wars einen Augenblick still, plötzlich lautes Blasen durch's Schlüsselloch. Das war der Augenblick, in welchem die Drud zu kommen und mit einem Plumps sich auf ihn zu werfen pflegte. Diesmal kam ihr der Schustergesell zuvor und schleuderte blitzschnell sein Kopfkissen auf den Boden. Gleich machte er Licht, um die Hexe zu sehen, die auf dem Kopfkissen sitzen sollte. Da lag aber nichts, als ein winziges Strohhälmchen drauf, welches er zerknickte und zum Fenster hinaus warf. Des andern Morgens fand man die alte, häßliche Nachbarin des Schusters nackt mit gebrochenem Hals auf der Straße liegen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 302-303.
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