931. Der Roßsprung bei Speier.

[2] Mündlich.


Einmal ritten zwei Ritter zum Thore der Stadt Speier hinaus, die Köpfe warm von einem Gelage, dem sie beigewohnt hatten. Da sagte der eine, Fritz von Rinkenberg, in plötzlicher Aufwallung jugendlicher Ungeduld: Ist es doch, als seien unsere Rosse schon tagelang auf den Beinen! Das mag ich nicht leiden! Wohlan, wir wollen, um die trägen Thiere fühlen zu lassen, daß sie Ritter tragen, und um nicht selbst einzuschlafen, ein Wettrennen beginnen. Was gilt's, mein Rappe ist schneller, als dein Schimmel? Sieh, diese Kette, den Preis meines Sieges beim letzten Wormser Turnier, ist dein, wenn du mir vorkommst. Hans von Otterstadt, sein Begleiter, ließ sich den Vorschlag gefallen. Nachdem er auch seinen Theil in die Wette gegeben hatte, nahm das Rennen den Anfang. Dumpf grollte die Erde unter den mächtigen Hufschlägen der flüchtigen Renner; Staub wirbelte empor, einer Wetterwolke vergleichbar, aus welcher der Schlag der Hufe Blitze entsendete. Immer schneller flogen die Ritter dahin, doch Keinem gelang es, dem andern voraus zu kommen. Endlich gerieth der ehrgeizige Rinkenberg, der seines Sieges gewiß war, in Wuth und suchte durch die Schärfe seines Sporns den Rappen zum schnellsten Laufe anzutreiben, so daß Schaum und Blut sich am Bauche des Thieres mischten, das vom Schmerze zur Verzweiflung gebracht, seine letzten Kräfte zu Einem Satze zusammenraffte. Aber dann stürzte es mit größter Wucht auf den Boden, so daß es wie dürres Holz zusammenknackte, um nie mehr aufzustehen. Der Ritter hauchte neben dem todten Rosse mit zerschmettertem Gehirne ebenfalls den Geist aus. Seitdem hört man zuweilen auf der Stelle, wo der Ritter und sein Rappe fielen, das Röcheln eines verscheidenden Menschen und das Schnauben eines sterbenden Rosses. Die Stelle aber, wo dieß geschah, heißt heute noch der Roßsprung.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 2-3.
Lizenz:
Kategorien: