977. Der Kaiserzug auf der Karleburg.

[47] Mündlich.


Es ruht kein Stein mehr auf dem andern, wo einst die stolze Karleburg prangte; nur eine kahle Wand erinnert noch daran, daß sich Kaiser Karl der Große bei seinen Mainfahrten hier aufhielt und seine Schätze verwahrte. Jedes Jahr in der schönen Vollmondnacht im Mai erhebt sich die zerstörte Burg aus der Erde und strahlt in alter Pracht. Dann kommt der Kaiser mit allen seinen Mannen den Main herabgefahren und in vollem Prunke geht der Kaiserzug mit der Mitternachtsglocke nach der alten Burg. Da sitzt nun der Kaiser auf seinem Throne, von seinem Hofstaate umgeben und hält Gericht über seine Vasallen. Doch wenn der Hahn kräht, bricht der Zug wieder auf, die Gestalten verschwinden, die Burg ist wieder versunken, und nur die kahle Wand bleibt stehen, ein trauriges Denkmal entschwundener Herrlichkeit.

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Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 47.
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