390. Die St. Leonhardskirche bei Lauingen.

[396] Die vor. Schrift S. 92.


Unweit Lauingen, von der Stadt durch die Donau getrennt, liegt in einsamer Abgeschiedenheit, umgeben von Obstgärten, die St. Leonhardskirche. Wir folgen bei Beschreibung ihrer Geschichte einer Schrifttafel, welche seit alter Zeit in der Kirche hing, von Zeit zu Zeit wieder erneuert wurde und ihre gegenwärtige Gestalt der Aufmerksamkeit des Freiherrn J.W.v. Syrgenstein verdankt.

Der erste, der die Idee zu dieser Kapelle faßte, war Meister Balthasar, ein Orgel- und Lautenmacher, welcher dreimal in Rom war; das erste Mal als er dreißig Jahre alt, dann als er fünfzig zählte, wo Gnaden- und als er fünf und siebenzig zählte, wo Jubeljahr war. Er war auch zweimal zu Köln bei der heil. drei Königen- und St. Ursula-Gesellschaft, dann auch oft bei St. Leonhard in Bayern. Allzeit hat er von eigenen Mitteln gezehrt und machte diese Reisen nicht um eitler Ehre, sondern um seines Seelenheiles willen.

Ihm erschien in Traume St Leonhard und zeigte ihm die Stadt und den Ort mit der rechten Hand und sagte: »da sollst du mir eine Kapelle bauen.« Doch als er solches den Leuten erzählte, verspotteten sie ihn, weßwegen er das Bauen unterließ und sich begnügte, am bezeichneten Orte ein Bildstöcklein aufstellen zu lassen. Doch als er vier Jahre hernach in große Noth kam, gelobte er, wenn ihm aus selber geholfen, die Kapelle also zu bauen, wie ihm zweimal geträumt, und alsbald ist ihm geholfen. Er fing nun sogleich zu bauen an, und als beim Bau viele und große Wunder geschahen, wurden so viele Opfergaben vom Volke gespendet, daß die Kapelle leicht vollendet werden konnte.

Angefangen wurde der Bau um den St. Kreuztag. 1440 und eingeweiht drei Tage vor Galli 1444. Bischof Johannes von Augsburg versprach Allen Ablaß, die Almosen hieher geben würden und Kardinal Wilhelm mit noch. 13 Kardinälen ertheilte unter Papst Sixtus IV. dieser Kapelle ebenfalls Ablaß.

Ueberaus fleißig wurde von der Stadt und deren Umgegend diese Kapelle so lange besucht, bis die Reformation ihre Erfolge auch in der Gegend fand, dann wurde sie fast gänzlich ruinirt und ihre Geräthschaften[397] und Ornate zu profanen Zwecken verwendet; – aber dennoch wurde sie, – man schien Ehrfurcht vor diesem Zeugnisse der Frömmigkeit der Vorältern zu haben, – nicht völlig zerstört. Als aber der unselige dreißigjährige Krieg seinen Fortgang hatte, kam 1646, nachdem früher schon zweimal die Schweden übel gehaust, die französische Armee an die Donau, legte Garnison nach Lauingen und zerstörte weit und breit Alles, was die Schweden verschont hatten. Sie vermehrten die Befestigungen der Stadt, verderbten dabei alle Baumgärten durch Umhauen der Bäume und Herausstechen des zum Schanzen verwendeten Grasbodens. Unter andern schönen Gebäuden wurde auch die St. Leonhardskirche zerstört bis auf die vier Hauptmauern, in deren Inneres ein Roßstall eingebaut wurde. So blieb alles bis zum Jahr 1664, wo bei einer abzulegenden Spitalrechnung auch dieser Kapelle gedacht und beschlossen wurde, sie wieder herstellen zu lassen; hiezu wurde auch gleich eine namhafte Summe angewiesen. So wurde mit Beisteuer der Bürgerschaft und Umgegend der Bau also hergestellt, wie er noch jetzt zu sehen.

Um die Kirche herum ist eine sehr schwere Wagenkette befestigt und es heißt: ein Fuhrmann der in Gefahr kam, nicht nur ein herrliches Gespann Pferde, sondern auch das geladene große Gut zu verlieren, habe sie, als er durch Fürbitte St. Leonhards der Gefahr entgangen, hieher machen lassen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 396-398.
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