484. Heinrich von Kempten1.

[14] Von KarlSimrock.


Der erste der Ottonen

War ein gestrenger Mann.

Der Keinen pflag zu schonen,

Dem er in Zorn entbrann.

Hat er ihm Tod geschworen

Bei seinem rothen Bart,

So war der Mann verloren,

Sein Blut ward nicht gespart.


Ich hab euch von dem Kaiser

Ein andermal erzählt,

Wie Gott zum Unterweiser

Den Kaufmann ihm erwählt,

Deß Güt' ihn übergütet

Aus lauterm Herzensborn.

Nun hört, wie ihn behütet

Ein Ritter hat vor Zorn.


In Bamberg auf dem Schlosse

Der werthe Kaiser lag,

Manch fürstlicher Genosse

Mit ihm am Ostertag.

Das erste Fest der Wonne

Beging er hochgemuth

Daselbst die liebe Sonne

Drei Freudensprünge thut.


Im Münster ward gesungen

Ihm und der Fürsten viel,

Zur Andacht war erklungen

Orgel und Saitenspiel.

Derweil im Kaisersaale

Stand Tisch an Tisch gereiht,

Zum wonniglichen Mahle

Schon Salz und Brod bereit.


Auch sah man Trinkgefäße

Rothgolden aufgestellt,

Daß bald der Kaiser säße

Davor und mancher Held.

Die Pfannen in der Küche,

Sie brieten all im Saus

Und köstliche Gerüche

Durchwirbelten das Haus.


Da kam der edeln Knaben

Neugierig einer her,

Sein Vater war von Schwaben

Ein Herzog hoch und hehr.

Da blühte seinem Erben

So zart das Angesicht,

Ein Rosenstrauch im Scherben

Treibt zartre Blüthen nicht.
[14]

Von Tische ging zu Tische

Der feine Knabe jung,

Er sah nicht Fleisch noch Fische,

Doch mürbes Brod genung.

Nach einem Weck zu tasten

Begann das gute Kind,

Wie immer langem Fasten

Die Kleinen abhold sind.


Die Semmel brach der Knabe

In weißer Hand entzwei.

Da kam mit seinem Stabe

Der Truchseß auch herbei:

Als der den Junker essen

Sah seines Herren Brod,

Ihm schien die That vermessen

Und seiner Tischzucht Noth.


Um Kleines sich ereifern

Mißziemt dem jungen Mann:

Wie häßlich steht dem reifern

Erst eitler Jähzorn an!

Der Truchseß schwang den Stecken

Und traf des Knaben Haupt,

Daß er im ersten Schrecken

Hinsank des Sinns beraubt.


Der Schrecken war nicht eitel,

Vom Blute sah man roth

Des Knaben Stirn und Scheitel;

Das schuf noch große Noth.

Die Augen aufgeschlagen

Hat er doch gleich zur Stund:

Er saß und gab die Klagen

Mit lautem Schluchzen kund.


Das sah ein edler Degen,

Heinrich der werthe Held

Von Kempten, der zu pflegen

Den Knaben war bestellt.

Daß den so ohn Erbarmen

Des Kaisers Truchseß schlug,

Das war ihm um den Armen

Im Herzen leid genug.


»Wie habt ihr nun gebrochen,

Herr Truchseß, eure Zucht?

Was habt ihr wohl gerochen

An dieser edeln Frucht?

Gar ohne sein Verschulden

Schlugt ihr den Herren mein.«

»Das mögt ihr schweigend dulden,«

Fiel ihm der Truchseß ein.


»Es ist wohl meines Amtes,

Halt ich den Unfug fern;

Ihr lobt es, ihr verdammt es,

Das hör ich eben gern.

Ich fürcht euch, wie die Falken

Sich ducken vor dem Huhn;

Und schlüg ich dreißig Schalken,

Was wollet ihr mir thun?«


»Das sollt ihr bald ermessen,

Ihr seid ein loser Wicht

Und aller Zucht vergessen;

Ich trag es länger nicht.

Daß ihr dies Kind zu bläuen

Gewagt, das edle Reis,

Das sollt ihr mir bereuen,

Wenn ich noch Knüttel weiß.«


Einen Prügel in der Hatze

Ergriff der Degen frei

Und schlug ihn, daß die Glatze

Ihm platzte wie ein Ei.

Gespalten wie ein Scherben

War Schädel ihm und Kopf,

Er tanzte noch im Sterben

Umkreisend wie ein Topf.


Von blutvermischtem Hirne

War all der Estrich roth,

Mit ausgehöhlter Stirne

Hinsank der Arme todt.

Da hub sich Weherufen:

Sie heulten und sie schrien,

Als vor des Saales Stufen

Der Kaiser jetzt erschien.
[15]

Da sah das Blut vergossen

Herr Ott und sprach erschreckt:

»Weß Blut ist hier geflossen,

Das meinen Saal befleckt?

Wen hat man mir erschlagen,

Den ihr beklagt so schwer?«

Da mußten sie ihm sagen,

Daß es sein Truchseß wär.


Der Kaiser rief ingrimmig:

»Wer übt so großen Mord?«

Sie sprachen all einstimmig:

»Von Kempten Heinrich dort.«

Der Kaiser rief: »Vollbrachte

Der solchen Greuel hier

Ritt er zu früh, ich achte,

Von Schwabenland zu mir.


Bescheidet mir den Schächer

Her vor mein Angesicht,

Ich bin der Frevel Rächer;

Das wußt er wohl noch nicht.«

Da luden sie den Degen

Vor den erzürnten Herrn.

Der rief ihm laut entgegen

Als er ihn sah von fern:


»Wer hieß euch also schalten,

Daß hier mein Truchseß sank

Ins Blut, das Haupt zerspalten?

Das habt euch übeln Dank.

Der Frieden ist gebrochen

Hier in des Kaisers Saal,

Die Unthat wird gerochen

An Haut und Haar zumal.«


»Nicht also,« rief von Schwaben

Der unverzagte Held,

»Es ward, der unbegraben

Hier liegt, mit Recht gefällt.

Er hatt es wohl verschuldet

Mit eignem Friedensbruch:

Drum hört mich und geduldet

So lang euch mit dem Spruch.


Bei dem, der heut zum Leben

Vom Tod erstanden ist

Am dritten Tag, zu geben

Geruht mir gleiche Frist.

Am heil'gen Ostertage

Versagt mir nicht die Huld,

So stell ich mich der Klage

Und büße meine Schuld.«


Da sprach aus grimmem Herzen

Der Kaiser unerfreut:

»Es litt des Todes Schmerzen

Hier auch mein Truchseß heut.

Es kam ihm nicht zu Gute

Der Tag noch dieser Ort:

Hier liegt er in dem Blute

Und du gestehst den Mord.


Ich habe dich begriffen,

Dein Richter auf der That,

Ein Anwalt käm mit Kniffen

Und Pfiffen hier zu spat.

Ich lache solcher Possen,

Bei meinem rothen Bart!

Du hast sein Blut vergossen

Und deins wird nicht gespart.«


Da solchen Eid geschworen

Im Zorn des Kaisers Mund,

»Mein Leben ist verloren,«

Gedacht er, »hier zur Stund:

Was er bei seinem Barte

Verheißt, das muß geschehn.

Ich brech ihn aus der Schwarte,

Sonst kann ich nicht entgehn.«


Er sprach: »Ich muß mich wehren,

Ihr hört wohl, daß es gilt:

Den Kaiser Sanftmuth lehren,

Das ist mein bester Schild.«

Vor seinen Herrn geschwinde

Der schnelle Recke sprang,

Dem faßt' er ungelinde

Den Bart so roth und lang.
[16]

Er riß ihn bei dem langen

Wohl über einen Tisch,

Daß klirrend niedersprangen

Mit Braten oder Fisch

Die Schüsseln und die Häfen

Von Silber und von Gold,

Die Krone von den Schläfen

Dem Kaiser war gerollt.


Er lag auf seinem Herren

Und hielt ihn unter sich:

Das Raufen und das Zerren

Verstand er meisterlich.

Er brach ihm aus dem Kinne

Des rothen Bartes viel:

Im kaiserlichen Sinne

Mißfiel dem Herrn das Spiel.


Ein Messer lang gewachsen,

Dazu auch wohl gewetzt,

Als er dem edeln Sachsen,

Das an den Hals gesetzt,

Er rief: »Nun gib mir Bürgen,

Daß ich geborgen bin;

Mit Stechen oder Würgen

Fährt sonst dein Leben hin.


Du mußt hier widersprechen

Dem Eid, den du gethan,

Des Truchseß Tod zu rächen;

Wo nicht, den Tod empfahn.«

Er faßt' ihn um den Kragen

Und drückt' ihn also fest,

Er hätt ihm vor den Tagen

Den Athem schier entpreßt.


Die Fürsten und die Grafen

Sehn ihres Kaisers Noth,

Wie seinen Zorn zu strafen

Mit Zorn ihm ward gedroht.

Sie laufen und sie dringen

Herbei wohl allzumal,

Dem Kaiser beizuspringen,

Zu wenden seine Qual.


Doch Heinrich rief: »Berühre

Mich Keiner: thät es Wer,

Der Kaiser gleich erführe

Die Schärfe dieser Wehr.

Dem Ersten dann geschliffen

Wär sie, der näher kommt:

Herbei, mich angegriffen

Wem Leben nicht mehr frommt!«


Da däucht es alle weiser,

Sie mischten sich nicht drein;

Auch winkte viel der Kaiser

Sie sollten ruhig sein.

Der Kemptner rief: »Nun gebet

Mir Sicherheit alsbald,

Damit ihr länger lebet,

Ihr werdet sonst nicht alt.«


Das Weigern war vergebens:

Der Kaiser hob zum Eid

Drei Finger: seines Lebens

Gab er ihm Sicherheit.

Bei kaiserlichen Ehren

Gelobt' ihm auch sein Mund,

Daß er von dannen kehren

Ihn ließe wohl gesund.


Geborgen war sein Leben:

Den Kaiser Otto ließ

Der Ritter sich erheben,

Als er ihm das verhieß.

Er gab ihm frei die Kehle

Und seines Bartes Flachs;

Still, mit gedämpfter Seele

Stand auf der edle Sachs.


Zu seinem Hochsitz ging er

Dem Stuhl von reicher Art,

Mit dem Kamme seiner Finger

Strich er sich Haar und Bart.

Die Krone hob er wieder

Auf das gesalbte Haupt,

Saß auf dem Stuhle nieder

Und sprach, noch machtberaubt:
[17]

»Was ich euch zugestanden

Aus Zwang, es bleibt dabei,

Des Schwertes und der Banden

Laß ich den Schächer frei.

Doch fahret eurer Wege

Und kommt mir nimmermehr

Hinfort in mein Gehege

Ihr büßt es anders schwer.


Zu einem Ingesinde

Seid ihr mir doch zu dreist,

Mit Fäusten zu geschwinde,

Wie es sich nun erweist.

Und sollt es Wer nicht wissen,

Der siehts am Bart mir an,

Daß ich wohl füglich missen,

So schnellen Kräusler kann.


Mich mag ein Andrer scheren,

Das wisset ohne Scherz;

Eu'r Messer sonst in Ehren,

Nur braucht es anderwärts.

Ich mag es nicht erleiden:

Zu wohl ward ich gewahr,

Es kann gar unsanft schneiden

Den Kön'gen Haut und Haar.


Von dieser Tafelrunde

Seid ihr hinfort verbannt:

Ihr sollt zu dieser Stunde

Uns räumen Hof und Land.«

Alsbald von allen Mannen

Des Kaisers Urlaub nahm

Der Held, und fuhr von dannen,

Froh, daß er so entkam.


Gen Schwaben kehrt er wieder,

Wo er ein Lehn besaß

Von einem Abte bieder,

Von Kempten, wie ich las.

Mit Wiesen und mit Feldern

Belieh ihn reich das Stift,

Mit Gütern und mit Geldern,

So sagt die alte Schrift.


Darauf nach manchem Jahre

Geschahs und manchem Tag,

Daß der mit rothem Haare

Jenseits der Berge lag.

Vor einer starken Veste,

Die scharf zur Wehr ihm stand:

Das Heer der deutschen Gäste

Zerrann im welschen Land.


Da ließ er aller Enden

Kund thun im deutschen Reich,

Ihm sollten Hülfe senden

Die Fürsten alsogleich.

Die Lehn von ihm besäßen,

Die bat er und entbot,

Daß sie ihm nicht vergäßen

Des Beistands in der Noth.


Der Boten Einer dräute

Von Kempten auch dem Abt,

Den manches Lehn erfreute

Vom Reich an ihn vergabt.

Die würden ihm genommen,

So er mit Ritterschaft

Nicht eifrig wär zu kommen

Und hülf aus aller Kraft.


Der Abt ließ seine Mannen

Entbieten unverweilt,

Daß männiglich von dannen

Zu ziehen wär beeilt.

Da sollte sich nicht sparen

Herr Heinrich auch, sein Mann,

Mit ihm nach Welschland fahren

Der ganzen Schaar voran.


Herr Heinrich sprach: »Ich wage

Mich vor den Kaiser nicht,

Der mir vor manchem Tage

Verbot sein Angesicht.

Bis ich mich ihm versöhne

Erlasset mir den Zug;

Zwei send ich meiner Söhne,

Die sind auch kühn genug.«
[18]

Da sprach der Abt: »Verzichten

Um eurer Kinder Streit

Will ich auf Euch mit Nichten,

Der mir viel nutzer seid.

Mich zwingt auf euch zu zählen

Die Noth, es muß geschehn;

Wo nicht, ihr habt zu wählen,

Verwirkt ihr euer Lehn.«


Der Ritter sprach: »In Treuen,

Da ihr mir also droht,

Will ich den Zorn nicht scheuen

Des Kaisers, noch den Tod.

Eh Ihr mich mit Unhulden

Von Haus und Hof vertreibt,

Will ich das Schlimmste dulden,

Nur daß mein Lehn mir bleibt.«


Da zog der werthe Degen

Gen Welschland mit dem Herrn;

Kühn war er und verwegen,

Hielt alle Furcht sich fern.

Nur barg er vor dem Kaiser

Sich um die alte Schuld:

Das that er als ein Weiser,

Da ihm gebrach die Huld.


Abseits war aufgeschlagen

Vom Heer des Ritters Zelt,

Darein ließ er sich tragen

Ein Bad, das nahm der Held.

Es war ihm sich zu stärken

Wohl Noth nach langer Fahrt;

Im Zuber sollt er merken,

Was Niemand sonst gewahrt.


Der Kaiser wollte dingen

Mit denen aus der Stadt,

Ob sie sein Heer empfingen,

Des langen Streites satt.

Mit wenigem Geleite

Ritt er getrost dahin;

Zog er doch nicht zum Streite,

Auf Frieden stand sein Sinn.


Da hatten ihm die Argen

Auf Mein und Mord gedacht,

In einem Strauchwerk bargen

Sie sich mit Uebermacht.

Und als der Kaiser nahte

Der Veste Wall und Thor,

Sie sprangen zum Verrathe

Strauchdieben gleich hervor.


Dem kaiserlichen Manne

War alle Hilfe fern;

Herr Heinrich in der Wanne

Ersah die Noth des Herrn.

Des Waschens und des Reibens

Gedacht er nicht erst lang,

Hier war nicht seines Bleibens,

Dem Bad er rasch entsprang.


Wie bald hat er ergriffen

Den guten Schildesrand,

Ein Waffen scharf geschliffen

Gerissen von der Wand.

So kam er hingelaufen

Zum Kaiser nackt und bloß

Und hieb ihn aus dem Haufen,

Wie stark der war und groß.


Er konnte wohl mit Streichen

Sich wehren also nackt.

So weit er mochte reichen

Fiel mancher Feind zerhackt.

Zu beiden Seiten schossen

Verräther in den Staub:

Die gerne Blut vergossen

Gab er dem Tod zum Raub.


Er nahm mit schnellen Hieben

Sie so in seine Zucht;

Die lieber leben blieben,

Die wandten sich zur Flucht.

Erledigt war Herr Otte

Und wußte nicht von Wem,

Ihm ward der Schächer Rotte

Nun nicht mehr unbequem.
[19]

Gleich lief auf seinem Pfade

Zurück der werthe Held,

Er sehnte nach dem Bade

Sich wieder in sein Zelt.

Er schwang sich in den Zuber,

Ins Wasser, das noch warm;

So stille da gehub er

Als wild im Feindesschwarm.


Der Kaiser unterdessen

Kam zu der Fürsten Schaar;

Wie mocht er da vergessen

Des, der sein Retter war?

»Müßt ich sein Schuldner bleiben,

Das trüg ich ewig Scham,

Wie soll ich ihn beschreiben,

Der nackend helfen kam?


An hohem Wuchs und Stärke,

Wer wär dem Kühnen gleich?

Wer wär zum Kriegeswerke

So rasch im ganzen Reich?

Mein Herz ist ihm verpflichtet

Bis an den jüngsten Tag.

Wer ist, der mir berichtet,

Wo ich ihn finden mag?«


Nun war der Abt zugegen

Der wußte wohl Bescheid,

Sein Dienstmann sei der Degen,

Der seinen Herrn befreit.

Er sprach: »Ich könnt ihn bringen,

Der euch erlöset hat;

Doch erst mit euch zu dingen

Mahnt mich ein weiser Rath.


Auf seinem Rücken lastet

Von Alters schwere Schuld,

Daß ihr mit Recht ihn haßtet

Und ihm entzogt die Huld.

Wenn ihm nun Gnade würde,

Daß ihr ihn heute frei

Und ledig sprächt der Bürde,

Ich schafft ihn bald herbei.«


Er sprach: »Ihr dürft ihm sagen,

Er soll willkommen sein,

Und hätt er mir erschlagen

Den lieben Vater mein.

Bringt ihr ihn her zur Stelle,

Euch bürgt mein Kaiserwort,

Kein Freund und kein Geselle

Wird mir so werth hinfort.«


Der Abt von Kempten nannte

Den Namen unentstellt.

»Den ich einst von mir bannte,

Der kühne Schwabenheld,

Ist der ins Land gekommen,

Wie gern vernehm ich das!

Schon längst ist mir benommen

Auf ihn der alte Haß.


Ich dacht in meinem Sinne

Wohl oft: Wär Er bei mir,

Er hälf uns bald gewinnen

Die stolze Veste hier.

Daß er mich heut befreite,

Was hab ichs nicht erdacht?

Wer liefe nackt zum Streite

Wohl sonst mit Uebermacht?


Kein Andrer dürft es wagen,

Als dessen starke Faust

In Kaisers Bart geschlagen

Mich hat gerauft, gezaust?

Dafür will ich ihn schrecken,

Wenn ihr ihn zu mir führt

Und ihn ein wenig necken,

Wie mir und ihm gebührt.«


Er hieß ihn eilends bringen,

Und als Herr Heinrich kam,

Er stellt in allen Dingen

Sich ihm von Herzen gram.

Er fuhr ihn an: »Nun saget,

Ist euch das Leben leid,

Daß ihr es thöricht waget

Und hergekommen seid?
[20]

Ihr seids doch, der am Kinne

Mich ohne Messer schor;

Man wirds am Wachsthum inne

Noch heut, das sich verlor.

Mitsammt den Wurzeln risset

Ihr mir die Granen aus;

Ihr wart von Sinnen, wisset,

Sonst bliebet ihr zu Haus.«


»Genade,« sprach der Degen,

»Genöthigt ward ich her,

Mein Herr ist hier zugegen:

Der zwang mich in sein Heer.

Ich bin nicht gern gekommen,

Auf Ehr und Seligkeit!

Mein Lehn wär mir genommen,

Ritt ich nicht her zum Streit.«


Der Kaiser sprach mit Lachen:

»Ihr kühner Degen werth,

Ihr habt an diesen Sachen

Die Unschuld wohl bewährt.

Ich will auch fahren lassen

Auf solchen Mann den Groll,

Und den nicht länger hassen,

Den ich verehren soll.


Ich danke dir mein Leben,

Du edler Held erwählt,

Doch war dir längst vergeben,

Es sei dir nicht verhehlt.

Vom jähen Zorn, dem blinden,

Seit du mich hast geheilt,

Kein Urtheil wieder finden

Sah man mich übereilt.


Du bist mich zu verpflichten

Stets bei mir eingekehrt:

Einst lehrtest du mich richten,

Heut rettet mich dein Schwert.

Komm her und laß dir danken

Mit Kuß und Bruderschaft:

In dieser Arme Schranken

Sei deines Kerkers Haft.«


Er schloß den Degen bieder

Behend an seinen Mund,

Er küßt' ihm Stirn und Lider

Und that ihm Freundschaft kund.

Auch ließ er von der Seite

Nicht mehr den Vielgetreun,

Im Rath und auch im Streite

Wollt er sich sein erfreun.


Dies Lied hab ich gesungen,

Das einst ein Dichter sprach:

Und ist ihm baß gelungen,

Es bringt mir keine Schmach:

Konrad von Würzburg heißt er,

Der uns die Mär erhielt;

Er war ein guter Meister,

Den Ruhm hat er erzielt.

1

Bei Simrock: »Otto mit dem Barte.«

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 14-21.
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