512. Die Wolfsindis-Kapelle zu Reisbach.

[51] Kal. f. kathol. Christen 1852. S. 69.


Unweit des Marktes Reisbach, im Landgerichtsbezirke Dingolfing, erhebt sich auf einer kleinen Anhöhe ein freundliches Kirchlein zu Ehren der heiligen Jungfrau und Martyrin Wolfsindis oder Wolfsine. Die Verehrung dieser Heiligen in der Gemeinde Reisbach und der Umgegend erstreckt sich in die graueste Vorzeit zurück. Ueber ihr Leben und ihren Tod schweigt jedoch die Geschichte; nur die bis auf unsere Tage im Munde des Volkes lebendige Sage weiß Aufschluß zu geben. Die[51] heilige Wolfsindis soll die Tochter eines Gaugrafen auf dem Schlosse Warth gewesen sein. Obgleich im Heidenthum erzogen, gelang es ihr doch heimlich in der christlichen Glaubenslehre Unterricht zu erhalten. Sie bekehrte sich zum Christenthum, wurde aber deßhalb von ihrem ergrimmten Vater grausam getödtet. Sie wurde nämlich an die Schweife wildgemachter Ochsen gebunden, darnach gen Reisbach hinabgeschleift, wo die Bestien an der nahe am Markte hinziehenden Hügelkette stehen geblieben seien. Ihre Gebeine wurden später von frommen Händen gesammelt und in der Pfarrkirche St. Michael begraben, wo die Martyrin als Schutzpatronin bis auf unsere Zeiten verehrt wurde. An der Stelle, wo ihr unschuldiges Blut geflossen, sprudelt eine mächtige Quelle, deren Heilkraft von Alters her viele Gläubige herbeizog.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 51-52.
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