528. Die Juden zu Deggendorf.

[66] Von AndreSummer.1Adlzreiter l. III., 54. Chur-Bairen I., 321. Hormayr Taschenbuch 1832, S. 145. Soltau hist. Volksl. S. 51. Körner hist. Volksl. S. 227. J. Sartorius memoria mirab. Dei zu Deckendorff. Straubing 1710. S. 58 ff. Ertl Churb. Atlas l., 56.


Alß man zelt dreytzehenhundert Jar,

und Siben und dreyssig das ist war,

hat sich ein sach begeben:

Zu Degckendorff im Bayerland,

manichen Bidermann bekand

das solt jhr mercken eben.[66]

Da sassen der Juden vil mit Hauß,

die lebten streffigklichen,

die machten zam ein Bund durchauß,

wie sie gantz mörderlichen,

zuwegen brechten Christi Leib,

das heilige Sacramente,

zu singen ich das schreib.


Ein anschlag hetten sie gemacht,

Ein Christen Weib zuwegen bracht,

mit der han sie pactiret:

Sie soll hin gen an alle sag,

Noch heuer gen dem Ostertag,

mit Geld han sie es verfieret.

Mit jhr han sie es beschlossen woll,

sie soll jns gstollen bringen,

Das wolten sie jhr bezallen wol,

Solches thet jhr auch gelingen,

den wahrn Fronleichnam sie ja bracht,

und nam darfur das Gelde,

wol auff die Osternacht.


Als d'Juden das zu handen bracht,

Namen sie drüber ein bedacht,

und ob sie kunden Spüren:

Ob Christus in wesentlicher gstalt,

jhm Sacrament wer oder gmaldt,

der Teuffel thet sie verfuren.

Das sie alß balt mit einer All,

mit grimmen drein gestochen,

das blut ran drauß auff dises mal,

Alß sie peinlich han gsprochen,

darzu erschin ein Kindlein klein,

auff disem Sacramente,

und wich von keiner pein.


Erst faßten sie auff diß ein zorn,

Ein Jud mit einem hagendorn,

wolt das haben zerissen:

Wie vast er auff dem Brote umbstrich,

das Kind dennoch darvo nit wich,

über das warn sie geflissen.

Ein Ofen heitzten sie mit Fewer,

Wolten das thun verprennen,

und warffens drein so ungehewer,

und thetten nit erkhennen,

Daß Gott nit schadet heiß noch kalt,

noch ander pein nun mehre,

dem Allmechtigen gwaldt.


An dem sie auch nit gnügig warn,

kein boßheyt theten sie nit sparn,

Gott hat vor jhn kein friden:

Her trugen da der Juden gnoß,

Hämer zangen enn Anpoß,

und wolten diß brot zerschmiden.

Gott aber jn eins kindleins weiß,

stund von dem Brot nit ferne,

Ein Judt nam es jn seinen Mund,

der Christen Himel speise,

Maria kam mit grosser klag,

o we meins lieben Kindes

wol hie auff disen tag.


Dardurch der Juden Mordt brach auß,

Ein wachter der gieng für das hauß,

er höret seltzame Mehre:

Hin gieng der wachter also trat,

und sagts den Herren in dem Raht,

daß sie erschracken sehre,

Fünfftzig Mannen zur selbigen Stund,

Die schwuren balt zusamen,

Auffs heylig Creutz ein vesten pundt,

Im dorff Schäching mit namen,

ja wann man bey sant Martin leyt,

so sey ein yeder wol gerist,

zu rechen die schmachheit.


Und als sie erheben wolt die gfar,

Herr Hartmann nam gar eben war,

Freyherr vom Degenberge:

Dem thet auch solchs auff d'Juden andt,

Pfleger in der Statt und auff dem Landt,

Daussen zu Natternberge.[67]

Der kam gerüst mit seiner wehr,

für Degkendorfer Pforten,

hinein begert er also sehr,

und sprach mit solchen Worten,

Ihr lieben Burger last mich ein,

ich hilff euch d'Juden dempfen,

beide groß und auch klein.


Alß bald die Juden das vernamen,

das jn vil frembter Geste kamen,

Sie griffen zu der wehre:

Und wolten reten sie mit gwaldt,

Ihr fürgenommer hinderhalt,

der felet jhn gar sehre.

Sie waren überlegen weit,

Hartman kam wol zu steuer,

und halff den burgern diser zeit,

Sie steckten an mit Fewer,

der Juden hauß gar unerlogn,

da kam diß Himmel Brote

wol auß dem Fewer gflogn.


Und schwebet ob den Leuten umb,

Ailff Patickel jn einer summ,

wurden alda vernummen:

Ein Junger Priester Außerkorn,

wol auß dem Benedicter ordn,

von Nideraltach herkomen

dem sich das Sacrament mit fleiß,

in seine Hend ergabe,

das selbig setzt er Gott zu ehr,

wol in das heilig Grabe

zu Degckendorff wol in der Stat,

da es dann manicher Sünder

biß her offt gesehen hatt.


Und welcher meint es sey ein mehr,

der kom dahin an all beschwer,

Besech dz heilig Brote:

Und nemb daselbst besser urkhund,

und ruf Gott an zur selbigen stund,

An disem Heyligen ohrte.

Das jm verzigen werd sein sünd,

alhie in zeit der gnaden,

Maria mit jrem lieben Kind,

behüt vor ewigem Schaden,

Andre Summer der Sünden Höld,

sambt all mit Brüdern unn Schwestern,

das sie Gott wern heim gstelt.

1

Sonst auch Sommer, s. Uhland deutsche Volkslieder II., 1017.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 66-68.
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