744. Der Grabenreuter zu Würzburg.

[267] Mündlich. (W.M.v.d. Vor.)


Still, hert, ihr Leit, was ich eich sag',

Ihr kennt en Geist a seha;

Ihr derft nor heir an Channestag

Hi auf en Graba geha,

Doch an en Baum muß mer si stell,

We mer von Geist was seha sell.


Wenn's Elfa schlegt dort auf der Uhr,

Hert mer's auf e mol trappe,

Von Kronich (Krahnen) fengt e o sei Tur,

Sitzt auf en schwarze Rappe,

Und unter'n Arm tregt er sein Kopf,

Sei Hand di helt ihn fest bei'n Schopf.


So reit er nauf in volle Trapp,

Von weitem hert mer'n schnaufa;

Und runter wieder, doch sei Rapp

Kann runterwärts nit laufa.

Do geats so langsam, o Herr Je,

Mer ment, von Blei wern jetzt sei Bee.


So reit er auf und ab, bis Ens

Die Kercha-Uhrn thun schlaga;

Und immer, immer kummt no kens,

Will sei Erlesung waga,

Denn Feier speit sei schwarzer Rapp,

Wenn nauf er sprengt in volle Trapp.


Di G'schichte wißt ihr doch no nit,

Worum der um muß geha;

Merkt no a bißle auf, i bitt,

Sunst kennt ihr's nit versteha.

Di G'schichte o is ferchterli,

Korz will i's mach, sunst ferch i mi.


Es hat e mol a reicher Mann,

Verkauft sei Sache alle,

Das ziege er nach Holland kann,

Weil's hier ihn nix mehr g'falle.

Und auf a Schiff er Alles brengt,

Und scho es End' der Reis' bedenkt.
[267]

Der Schiffmann hat en umgebracht,

Und hat en nei in Graba,

Kee Mensch hat's g'seha in der Nacht,

Kaum war er todt, begraba,

Und mit sein Schiff und mit en Geld

Is gleich er nei di neia Welt.


Doch drinna hat kee Glick er g'hatt,

Sei Geld war bal bei'n Teifel;

Nach Wörzborg wieder reist er grad,

Worum, do is kee Zweifel.

Weil sei Gewisse ihn so schwer,

Daß er's kann aushalt nemmermehr.


Und auf en Rappe hi er kummt,

Nacht war's scho, hi zu'n Graba;

Und wie die Glocka Zehna brummt,

Muß ihn der Teifel haba:

Er schiaßt si selber dorch die Stern,

Und aus sein Kopf fehrt raus sei Hern.


Und jedesmol an Channestag,

Wu is der Mord dort g'scheha,

Do muß sei Geist – wie i euch sag' –

Um auf en Graba geha.

En Grabareiter heßt mer'n jetzt,

Hat viel Leit scho in Schrecka g'setzt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 267-268.
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