772. Der verschwundene Schatz.

[288] Mündlich.


Des Erzählers Großmutter, die in den dreißiger Jahren zu Frammersbach in einem Alter von nahe an hundert Jahren gestorben ist, hat selbem, da er noch Knabe war, mehr als einmal erzählt, und die Wahrheit ihrer Erzählung betheuert: »Ich war eine arme Wittwe und hatte große Noth meine unmündigen Kinder mit Brod zu versorgen.« Ich wohnte damals unten im Dorfe bei der »Mang,« der »Tränke« gegenüber. Da sah ich einmal des Nachts einen Haufen Kohlen, und sogleich fiel mir die Geschichte von dem Fuhrmann am steinernen Heiligen und der Gedanke ein, das könnte ein Schatz sein, und mir möchte dadurch mit Gottes Hülfe aus aller Noth geholfen werden. Ich ging hinaus und auf die Kohlen zu, die mir hell und freundlich entgegen glimmerten. Da sagte ich, im Begriffe, sie in meine Schürze einzufassen: »In Gottes Namen!« und wie ich das sagte, entschwanden mir die Kohlen vor meinen Augen. Ich erkannte daran, daß der liebe Gott für mich keinen Reichthum bestimmt[288] hatte, und vom »bösen Feind« wollte ich Nichts haben. Doch ging ich, weil es so Gottes Wille war, getröstet heim, und bin mein Leben lang arm geblieben.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 288-289.
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