777. Bestrafte Unbarmherzigkeit.

[291] Mündlich.


In der Amtskellerei zu Lohr war eine Frau, welche die Armen, wenn sie an ihre Thüre kamen und bettelten, unbarmherzig und mit Scheltworten fortwies, und Keinem je ein Almosen verabreichte, sondern Alles, was von dem Tische abgetragen wurde, ihren Schweinen zu fressen gab. Wie nun dieselbige Frau gestorben war, da bemerkte man, daß, wenn sechs Schweine gefüttert wurden, immer noch ein siebentes dazu kam und mitfraß, und bald ward es im ganzen Städtchen ruchbar, daß die verstorbene Frau zur Strafe für ihre Unbarmherzigkeit mit ihren Schweinen fressen mußte. Auch sonst war es im Hause gar nicht heimlich und geheuer.[291] Die bestürzten Hausbewohner wandten sich an den alten Herrn Dechant, der sich auf das Besprechen der unsaubern Geister verstand. Von diesem wurde dann die »arme Seele« in die »Dunkel«1 bei Rechtenbach versprochen, und von dem Augenblick an war Ruhe im Hause.

1

Eine unheimliche Waldstrecke zwischen Lohr und Rechtenbach, wohin, der Volkssage nach, auch andere böse Geister und Gespenster gebannt sind.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 291-292.
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