810. Der Ritter vom Huneberg.

[333] K. Geib die Sagen u. Gesch. des Rheinlandes S. 42.


Wenige bemooste Steine zeigen den Ort, wo vor Zeiten die Burg Huneberg auf der Haardt, so genannt von den Hunnen, oder auch von Hünen, das ist Riesen, gestanden ist. Auf dieser Burg wohnte ein Ritter Namens Schott, der war arm an Gütern, aber tapfer und frohen Muthes. Nur Eines fehlte zu seinem Glücke: eine Gefährtin in seiner Waldeinsamkeit. Weil aber die Töchter der Nachbarschaft reich und stolz waren, unterstand sich der arme Junker nicht, um die Hand eines adligen Fräuleins zu werben.

Einmal zog er frühmorgens hinaus in den Wald. Es war ein schöner Tag, die Sonne vergoldete das thaufrische Laub der Gebüsche und die Vöglein begannen in den stillen Thälern ihre Lieder. Als so der Ritter seines Weges zog, sah er auf einmal ein kleines Männlein von wunderlichem Aussehen in dem Gesträuche sitzen. »Schenkt mir einen Bissen Brod,« sagte das Zwerglein, »mich hungert sehr.« Der Ritter langte in seine Waidtasche, nahm von seinem Brod und Käs und reichte es dem Alten. Das Zwerglein bedankte sich fein und zog freundlich schmunzelnd von dannen.

Einige Tage darnach zog der Junker wieder in den Wald. Da vernahm er auf einmal eine klagende Stimme, die um Hilfe rief. Sogleich ging er dem Rufe nach und sah unter einem Baume einen schönen Knaben sitzen; der bat ihn gar inständig, er sollte ihn doch nach Hause tragen, weil er sich im Walde verirret habe und vor den Wölfen fürchte. Flugs hob der gute Ritter das Kind auf den Rücken und eilte lustig mit ihm von dannen nach einer ungefähr bezeichneten Richtung. Endlich kamen sie an ein schönes Schloß, das von einem Teiche umflossen war. »Wir sind am Ziele,« rief der Kleine und sprang munter von dem Rücken des Junkers zur Erde. Es plumpte, als wenn ein schwerer Stein niedergefallen wäre, der Ritter schaute sich um und erblickte mit Staunen das Zwerglein, das er vor etlichen Tagen hungrig getroffen hatte. »Du wirst deinen Lohn finden,« rief der Kleine, »geh nur in's Haus da über die hölzerne Brücke.« Mit diesen Worten verschwand der Zwerg, der Ritter aber ging neugierig und unverdrossen in das Schloß. Eine wunderschöne[334] Jungfrau trat ihm entgegen. Die wohnte allein auf dem Schlosse mit ihrer hochbetagten Mutter. Sie hießen den Fremdling herzlich willkommen und labten ihn gastlich mit Trank und Speise. Dem Junker aber ging das Herz auf bei dem Anblicke der schönen, züchtigen Maid und er fragte sie bald nach ihrem Stand und Herkommen. Da erzählte die Mutter, daß sie die Wittwe eines Edlen von Schwanau sei, der auf dem Kreuzzuge Friederichs geblieben. Darauf begehrte der Junker die Hand des Fräuleins und erhielt sie. Die Mutter aber fügte eine Bitte hinzu. »Wisset,« sagte sie, »edler Ritter, daß eine Weissagung in unserm Hause besteht. Die letzte Erbin dieses Stammes soll großes Glück erlangen, wenn sie auch in der Ehe den Namen ihres Geschlechtes trägt.« Gern fügte sich der Junker dem Antrage der Mutter und führte die Jungfrau als Braut von hinnen. Das Geschlecht der von Huneberg und Schwanau ist erloschen, man weiß nicht einmal mehr, wo das Schloß Schwanau gestanden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 333-335.
Lizenz:
Kategorien: