4.

[207] Ein Vogelbecker Bauer war mit einem Holzschlitten ausgegangen, um aus dem zu Hohnstedt gehörigen Stölterkampe Holz zu stehlen. Wie er nun ängstlich umherschaute, ob er auch[207] nicht von irgend einem Menschen gesehen würde, und auch nach dem Stollenbusche seine Blicke wandte, bemerkte er dort eine große, weiße Gestalt, die auf seinem eigenen Acker wiederholt um den Grenzstein herumging. Es war gerade Mittag, und die Sonne schien hell auf die mit Schnee bedeckten Felder. Die weiße Gestalt wandte sich endlich dem Rismannsborne (einer Hungerquelle) zu. Als der Bauer dieß sah, ließ er seinen Schlitten stehen und ging zu dem Grenzstein, um welchen die Gestalt herumgegangen war, bemerkte aber im Schnee nicht die geringste Spur von Fußstapfen; wohl aber sah er, indem er der Gestalt nachging, daß diese noch an allen Grenzsteinen hin wandelte. Es war ein aschfarbener Mann, mit einem weißen Hemde angethan und mit einer hohen, weißen Mütze auf dem Kopfe, um welche ein kleines schwarzes Band gewickelt war. In ihm erkannte er einen bekannten Mann aus Vogelbeck, der vor nicht gar langer Zeit gestorben war.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 207-208.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.