6.

[208] Zwei Bauern aus Kohnsen kamen Nachts zwischen 11 und 12 Uhr vom Bartshäuser Thurme. Als sie am Berge waren, sahen sie oberhalb der Höfe im Felde den Landmesser, wie er mit einer glühenden Meßstange quer über maß; nachdem er da angekommen war, wo die Grenze (wanne) ist, blieb er stehen. Die beiden waren beherzt und gingen gerade auf ihn zu. Als sie bei ihm waren, fragten sie ihn, was er da zu thun habe und was er messe. Der Landmesser antwortete: es stände da ein Grenzstein unrichtig, den er bei seinen Lebzeiten dahin gesetzt habe; nun müsse er dafür in alle Ewigkeit messen, so lange der Stein noch an der unrechten Stelle stände. Dann fragte er sie, ob sie den Stein am anderen Tage an seine rechte Stelle setzen wollten, indem er ihnen dieselbe genau bezeichnete. Sie versprachen ihm[208] auch am folgenden Tage den Stein daselbst einzugraben. Der Landmesser sagte noch: »in der nächsten Nacht komme ich wieder und messe; steht dann der Stein an der rechten Stelle, so bin ich erlöst und komme nicht wieder; versprecht es mir und gebt mir die Hand darauf, daß ihr den Stein dahin setzen wollt.« Sie versprachen es nochmals und hielten ihm den Gehstock hin; er griff darnach, und gleich war der Stock ab. Am anderen Tage gingen die beiden Männer hin und gruben den Stein an der rechten Stelle ein. In der darauf folgenden Nacht achteten sie dann auf, ob der Landmesser wieder käme. Er kam auch richtig wieder und maß mit seiner funkelnden Stange alles nach; dann verschwand er und ließ sich nie wieder sehen.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 208-209.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.