Dritter Akt


[139] Wie vorhin – aber sehr viel Unordnung im Zimmer. Urban, Haeser und viele ältere und jüngere Herren – auch ältere und jüngere Damen. Alle in sehr grosser Aufregung.


URBAN. Meine Damen und Herren! Zunächst wollen wir nicht den Kopf verlieren.

HAESER. Es war ja ganz selbstverständlich, dass unsre grossen Erfolge schliesslich auch den Oppositionsgeist rege machen mussten.

JUNGE DAME. Dass aber auch bei allen Völkern plötzlich der Patriotismus erwacht – das ist doch gradezu gemein.[139]

ALTER HERR. In Paris, Lissabon, Konstantinopel, Berlin, Moskau – überall haben wir jetzt Patriotenvereine.

URBAN. Aber alle diese Patriotenvereine sind ja nicht einig. Wir aber sind einig, denn es gibt nur einen einzigen Europa-Bund.

HAESER. Und deswegen wollen wir den Patrioten zuvorkommen.

URBAN. Wir wollen 8 Tage früher den Kongress zusammenberufen.

ALTE DAME. Dann ist ja wohl das Beste, Herr Direktor, wenn wir sofort nach München fahren.

URBAN. Fahren Sie! Fahren Sie, meine Gnädige! Sofort!

HAESER. Und jetzt wollen wir nicht den Kopf verlieren.

URBAN. Wir sind es, auf deren Seite das Vernünftige steht. Keinem Menschen fällt es heute noch ein, an der Vernünftigkeit des Europa-Bundes zu zweifeln.

ALTER HERR. Nur der Rechtsanwalt Langenbeck zweifelt daran.

URBAN steigt auf einen Stuhl. Was gehen uns die Rechtsanwälte an? Es lebe Europa! Alle brüllen »Es lebe Europa« – und dann wüst durcheinander »nach München! nach München!«.


Vorhang!


Quelle:
Paul Scheerbart: Gesammelte Arbeiten für das Theater. Band 1, München 1977, S. 139-140.
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