Zweite Szene

[560] Gegend an der Donau.

Die Räuber, gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.


MOOR. Hier muß ich liegen bleiben. Wirft sich auf die Erde. Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken wie eine Scherbe. Schweizer verliert sich unvermerkt. Ich wollt euch bitten, mir eine Handvoll Wassers aus diesem Strome zu holen, aber ihr seid alle matt bis in den Tod.

SCHWARZ. Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.

MOOR. Seht doch, wie schön das Getreide steht! – Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen. – Der Weinstock voll Hoffnung.

GRIMM. Es gibt ein fruchtbares Jahr.

MOOR. Meinst du? – Und so würde doch ein Schweiß in der Welt bezahlt. – Einer? – – Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zugrund schlagen.

SCHWARZ. Das ist leicht möglich. Es kann alles zugrund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.

MOOR. Das sag ich ja. Es wird alles zugrund gehn. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? – Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?

SCHWARZ. Ich kenne sie nicht.

MOOR. Du hast gut gesagt, und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! – Bruder – ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen, und ihre Riesenprojekte – ihre Götterplane und ihre Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit; – dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut – ein anderer der Nase seines Esels – ein dritter seinen eigenen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und – seinen Himmel setzt, einen Treffer zu haschen, und – Nullen sind der Auszug – am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kitzelt.[560]

SCHWARZ. Wie herrlich die Sonne dort untergeht!

MOOR in den Anblick verschwemmt. So stirbt ein Held! – Anbetenswürdig.

GRIMM. Du scheinst tief gerührt.

MOOR. Da ich noch ein Bube war – wars mein Lieblingsgedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie. – Mit verbißnem Schmerz. Es war ein Bubengedanke!

GRIMM. Das will ich hoffen.

MOOR drückt den Hut übers Gesicht. Es war eine Zeit – Laßt mich allein, Kameraden.

SCHWARZ. Moor! Moor! Was zum Henker? – wie er seine Farbe verändert!

GRIMM. Alle Teufel! was hat er? wird ihm übel?

MOOR. Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte –

GRIMM. Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bubenjahren hofmeistern lassen?

MOOR legt sein Haupt auf Grimms Brust. Bruder! Bruder!

GRIMM. Wie? sei doch kein Kind – ich bitte dich –

MOOR. Wär ichs – wär ichs wieder!

GRIMM. Pfui! Pfui!

SCHWARZ. Heitre dich auf. Sieh diese malerische Landschaft – den lieblichen Abend.

MOOR. Ja, Freunde, diese Welt ist so schön.

SCHWARZ. Nun, das war wohl gesprochen.

MOOR. Diese Erde so herrlich.

GRIMM. Recht – recht – so hör ichs gerne.

MOOR zurückgesunken. Und ich so häßlich auf dieser schönen Welt – und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.

GRIMM. O weh, o weh!

MOOR. Meine Unschuld! Meine Unschuld! – Seht! es ist alles hinausgegangen, sich im friedlichen Strahl des Frühlings zu sonnen – warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? – daß alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! – die ganze Welt eine Familie und ein Vater dort oben – Mein Vater nicht – Ich allein der Verstoßene, ich allein ausgemustert[561] aus den Reihen der Reinen – mir nicht der süße Name Kind – nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick – nimmer nimmer des Busenfreundes Umarmung! Wild zurückfahrend. Umlagert von Mördern – von Nattern umzischt – angeschmiedet an das Laster mit eisernen Banden – hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr – mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abbadona!

SCHWARZ zu den übrigen. Unbegreiflich! Ich hab ihn nie so gesehen.

MOOR mit Wehmut. Daß ich wiederkehren dürfte in meiner Mutter Leib! daß ich ein Bettler geboren werden dürfte! – nein! ich wollte nicht mehr o Himmel – daß ich werden dürfte wie dieser Taglöhner einer! – O ich wollte mich abmüden, daß mir das Blut von den Schläfen rollte – mir die Wollust eines einzigen Mittagschlafs zu erkaufen – die Seligkeit einer einzigen Träne.

GRIMM zu den andern. Nur Geduld! der Paroxysmus ist schon im Fallen.

MOOR. Es war eine Zeit, wo sie mir so gern flossen – o ihr Tage des Friedens! Du Schloß meines Vaters – ihr grünen, schwärmerischen Täler! O all ihr Elysiumszenen meiner Kindheit! – Werdet ihr nimmer zurückkehren – nimmer mit köstlichen Säuseln meinen brennenden Busen kühlen? – Traure mit mir, Natur – Sie werden nimmer zurückkehren, nimmer mit köstlichen Säuseln meinen brennenden Busen kühlen. – Dahin! dahin! unwiederbringlich! –


Schweizer mit Wasser im Hut.


SCHWEIZER. Sauf zu, Hautpmann – hier ist Wasser genug, und frisch wie Eis.

SCHWARZ. Du blutest ja – was hat du gemacht?

SCHWEIZER. Narr, einen Spaß, der mich bald zwei Beine und einen Hals gekostet hätte. Wie ich so auf dem Sandhügel am Fluß hintrolle, glitsch, so rutscht der Plunder unter mir ab und ich zehn rheinländische Schuhe lang hinunter – da lag ich, und wie ich mir eben meine fünf Sinne wieder zurechtsetze, treff ich dir das klarste Wasser im Kies. Genug diesmal für den Tanz, dacht ich, dem Hauptmann wirds wohl schmecken.

MOOR gibt ihm den Hut zurück und wischt ihm sein Gesicht ab. Sonst sieht man ja die Narben nicht, die die böhmischen Reuter in deine[562] Stirne gezeichnet haben – dein Wasser war gut, Schweizer – diese Narben stehen dir schön.

SCHWEIZER. Pah! hat noch Platz genug für ihrer dreißig.

MOOR. Ja, Kinder – es war ein heißer Nachmittag – und nur einen Mann verloren – mein Roller starb einen schönen Tod. Man würde einen Marmor auf seine Gebeine setzen, wenn er nicht mir gestorben wäre. Nehmet vorlieb mit diesem. Er wischt sich die Augen. Wieviel warens doch von den Feinden, die auf dem Platz blieben?

SCHWEIZER. Hundertundsechzig Husaren – dreiundneunzig Dragoner, gegen vierzig Jäger – dreihundert in allem.

MOOR. Dreihundert für einen! – Jeder von euch hat Anspruch an diesen Scheitel! Er entblößt das Haupt. Hier heb ich meinen Dolch auf! So wahr meine Seele lebt! Ich will euch niemals verlassen.

SCHWEIZER. Schwöre nicht! du weißt nicht, ob du nicht noch glücklich werden, und bereuen wirst.

MOOR. Bei den Gebeinen meines Rollers! Ich will euch niemals verlassen.


Kosinsky kommt.


KOSINSKY vor sich. In dieser Revier herum, sagen sie, werd ich ihn antreffen – he, holla! was sind das für Gesichter? – Solltens –? wie, wenns diese – sie sinds, sinds! – ich will sie anreden.

SCHWARZ. Gebt acht! wer kommt da?

KOSINSKY. Meine Herrn, verzeihen Sie! Ich weiß nicht, geh ich recht, oder unrecht?

MOOR. Und wer müssen wir sein, wenn Sie recht gehn?

KOSINSKY. Männer!

SCHWEIZER. Ob wir das auch gezeigt haben, Hauptmann?

KOSINSKY. Männer such ich, die dem Tod ins Gesicht sehen, und die Gefahr wie eine zahme Schlange um sich spielen lassen, die Freiheit höher schätzen als Ehre und Leben, deren bloßer Name, willkommen dem Armen und Unterdrückten, die Beherztesten feig und Tyrannen bleich macht.

SCHWEIZER zum Hauptmann. Der Bursche gefällt mir. – Höre, guter Freund! Du hast deine Leute gefunden.

KOSINSKY. Das denk ich, und will hoffen, bald meine Brüder. – So könnt ihr mich dann zu meinem rechten Manne weisen, denn ich such euren Hauptmann, den großen Grafen von Moor.[563]

SCHWEIZER gibt ihm die Hand, mit Wärme. Lieber Junge! wir duzen einander.

MOOR näherkommend. Kennen Sie auch den Hauptmann?

KOSINSKY. Du bists – in dieser Miene – wer sollte dich ansehn und einen andern suchen? Starrt ihn lang an. Ich habe mir immer gewünscht, den Mann mit dem vernichtenden Blicke zu sehen, wie er saß auf den Ruinen von Karthago – itzt wünsch ich es nicht mehr.

SCHWEIZER. Blitzbub!

MOOR. Und was führt Sie zu mir?

KOSINSKY. O Hauptmann! mein mehr als grausames Schicksal – ich habe Schiffbruch gelitten auf der ungestümen See dieser Welt, die Hoffnungen meines Lebens hab ich müssen sehen in den Grund sinken, und blieb mir nichts übrig als die marternde Erinnerung ihres Verlustes, die mich wahnsinnig machen würde, wenn ich sie nicht durch anderwärtige Tätigkeit zu ersticken suchte.

MOOR. Schon wieder ein Kläger wider die Gottheit! – Nur weiter.

KOSINSKY. Ich wurde Soldat; das Unglück verfolgte mich auch da – ich machte eine Fahrt nach Ostindien mit, mein Schiff scheiterte an Klippen – nichts als fehlgeschlagene Plane! Ich höre endlich weit und breit erzählen von deinen Taten, Mordbrennereien, wie sie sie nannten, und bin hieher gereist dreißig Meilen weit, mit dem festen Entschluß, unter dir zu dienen, wenn du meine Dienste annehmen willst – Ich bitte dich, würdiger Haupt mann, schlage mirs nicht ab!

SCHWEIZER mit einem Sprung. Heisa! Heisa! So ist ja unser Roller zehnhundertfach vergütet! Ein ganzer Mordbruder für unsere Bande!

MOOR. Wie ist dein Name?

KOSINSKY. Kosinsky.

MOOR. Wie Kosinsky, weißt du auch, daß du ein leichtsinniger Knabe bist, und über den großen Schritt deines Lebens weggaukelst wie ein unbesonnenes Mädchen – Hier wirst du nicht Bälle werfen oder Kegelkugeln schieben, wie du dir einbildest.

KOSINSKY. Ich weiß, was du sagen willst – ich bin vierundzwanzig Jahr alt, aber ich habe Degen blinken gesehen, und Kugeln um mich surren gehört.[564]

MOOR. So, junger Herr? – und hast du dein Fechten nur darum gelernt, arme Reisende um einen Reichstaler niederzustoßen, oder Weiber hinterrücks in den Bauch zu stechen? Geh, geh! du bist deiner Amme entlaufen, weil sie dir mit der Rute gedroht hat.

SCHWEIZER. Was zum Henker, Hauptmann! was denkst du? willst du diesen Herkules fortschicken? Sieht er nicht gerade so drein, als wollt er den Marschall von Sachsen mit einem Rührlöffel über den Ganges jagen?

MOOR. Weil dir deine Lappereien mißglücken, kommst du, und willst ein Schelm, ein Meuchelmörder werden? – Mord, Knabe, verstehst du das Wort auch? du magst ruhig schlafen gegangen sein, wenn du Mohnköpfe abgeschlagen hast, aber einen Mord auf der Seele zu tragen –

KOSINSKY. Jeden Mord, den du mich begehen heißt, will ich verantworten.

MOOR. Was? Bist du so klug? Willst du dich anmaßen, einen Mann mit Schmeicheleien zu fangen? Woher weißt du, daß ich nicht böse Träume habe, oder auf dem Todbett nicht werde blaß werden? Wieviel hast du schon getan, wobei du an Verantwortung gedacht hast?

KOSINSKY. Wahrlich! noch sehr wenig, aber doch diese Reise zu dir, edler Graf!

MOOR. Hat dir dein Hofmeister die Geschichte des Robins in die Hände gespielt, – man sollte dergleichen unvorsichtige Kanaillen auf die Galeere schmieden – die deine kindische Phantasie erhitzte, und dich mit der tollen Sucht zum großen Mann ansteckte? Kützelt dich nach Namen und Ehre? willst du Unsterblichkeit mit Mordbrennereien erkaufen? Merk dirs, ehrgeiziger Jüngling! Für Mordbrenner grünet kein Lorbeer! Auf Banditensiege ist kein Triumph gesetzt – aber Fluch, Gefahr, Tod, Schande – siehst du auch das Hochgericht dort auf dem Hügel?

SPIEGELBERG unwillig auf und ab gehend. Ei wie dumm! wie abscheulich, wie unverzeihlich dumm! das ist die Manier nicht! Ich habs anderst gemacht.

KOSINSKY. Was soll der fürchten, der den Tod nicht fürchtet?

MOOR. Brav! Unvergleichlich! Du hast dich wacker in den Schulen[565] gehalten, du hast deinen Seneca meisterlich auswendig gelernt. – Aber lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirst du die leidende Natur nicht beschwätzen, damit wirst du die Pfeile des Schmerzens nimmermehr stumpf machen. – Besinne dich recht, mein Sohn! Er nimmt seine Hand. Denk, ich rate dir als ein Vater – lern erst die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hineinspringst! Wenn du noch in der Welt eine einzige Freude zu erhaschen weißt – es könnten Augenblicke kommen, wo du – aufwachst – und dann – möcht es zu spät sein. Du trittst hier gleichsam aus dem Kreise der Menschheit – entweder mußt du ein höherer Mensch sein, oder du bist ein Teufel – Noch einmal, mein Sohn! wenn dir noch ein Funken von Hoffnung irgend anderswo glimmt, so verlaß diesen schröcklichen Bund, den nur Verzweiflung eingeht, wenn ihn nicht eine höhere Weisheit gestiftet hat – man kann sich täuschen – Glaube mir, man kann das für Stärke des Geistes halten, was doch am Ende Verzweiflung ist – Glaub mir, mir! und mach dich eilig hinweg.

KOSINSKY. Nein! ich fliehe itzt nicht mehr. Wenn dich meine Bitten nicht rühren, so höre die Geschichte meines Unglücks. – Du wirst mir dann selbst den Dolch in die Hände zwingen, du wirst – lagert euch hier auf dem Boden, und hört mir aufmerksam zu!

MOOR. Ich will sie hören.

KOSINSKY. Wisset also, ich bin ein böhmischer Edelmann, und wurde durch den frühen Tod meines Vaters Herr eines ansehnlichen Ritterguts. Die Gegend war paradiesisch – denn sie enthielt einen Engel – ein Mädchen, geschmückt mit allen Reizen der blühenden Jugend, und keusch wie das Licht des Himmels. Doch, wem sag ich das? Es schallt an euren Ohren vorüber – ihr habt niemals geliebt, seid niemals geliebt worden –

SCHWEIZER. Sachte, sachte! Unser Hauptmann wird feuerrot.

MOOR. Hör auf! ich wills ein andermal hören – morgen, nächstens, oder – wenn ich Blut gesehen habe.

KOSINSKY. Blut, Blut – höre nur weiter! Blut, sag ich dir, wird deine ganze Seele füllen. Sie war bürgerlicher Geburt, eine Deutsche – aber ihr Anblick schmelzte die Vorurteile des Adels hinweg. Mit der schüchternsten Bescheidenheit nahm sie den Trauring von[566] meiner Hand, und übermorgen sollte ich meine Amalia vor den Altar führen.


Moor steht schnell auf.


KOSINSKY. Mitten im Taumel der auf mich wartenden Seligkeit, unter den Zurüstungen zur Vermählung – werd ich durch einen Expressen nach Hof zitiert. Ich stellte mich. Man zeigte mir Briefe, die ich geschrieben haben sollte, voll verräterischen Inhalts. Ich errötete über der Bosheit – man nahm mir den Degen ab, warf mich ins Gefängnis, alle meine Sinnen waren hinweg.

SCHWEIZER. Und unterdessen – nur weiter! Ich rieche den Braten schon.

KOSINSKY. Hier lag ich einen Monat lang und wußte nicht, wie mir geschah. Mir bangte für meine Amalia, die meines Schicksals wegen jede Minute einen Tod würde zu leiden haben. Endlich erschien der erste Minister des Hofes, wünschte mir zur Entdeckung meiner Unschuld Glück, mit zuckersüßen Worten, liest mir den Brief der Freiheit vor, gibt mir meinen Degen wieder. Itzt im Triumphe nach meinem Schloß, in die Arme meiner Amalia zu fliegen, – sie war verschwunden. In der Mitternacht sei sie weggebracht worden, wüßte niemand, wohin; und seitdem mit keinem Aug mehr gesehen. Hui! schoß mirs auf wie der Blitz, ich flieg nach der Stadt, sondiere am Hof – alle Augen wurzelten auf mir, niemand wollte Bescheid geben – endlich entdeck ich sie durch ein verborgenes Gitter im Palast – sie warf mir ein Billettchen zu.

SCHWEIZER. Hab ichs nicht gesagt?

KOSINSKY. Hölle, Tod und Teufel! da stands! man hatte ihr die Wahl gelassen, ob sie mich lieber sterben sehen, oder die Mätresse des Fürsten werden wollte. Im Kampf zwischen Ehre und Liebe entschied sie für das zweite, und Lachend. ich war gerettet.

SCHWEIZER. Was tatst du da?

KOSINSKY. Da stand ich, wie von tausend Donnern getroffen! – Blut! war mein erster Gedanke, Blut! mein letzter. Schaum auf dem Munde renn ich nach Haus, wähle mir einen dreispitzigen Degen, und damit in aller Jast in des Ministers Haus, denn nur er – er nur war der höllische Kuppler gewesen. Man muß mich von der Gasse bemerkt haben, denn wie ich hinauftrete, waren alle Zimmer verschlossen.[567] Ich suche, ich frage: Er sei zum Fürsten gefahren, war die Antwort. Ich mache mich geradenwegs dahin, man wollte nichts von ihm wissen. Ich gehe zurück, sprenge die Türen ein, find ihn, wollte eben – aber da sprangen fünf bis sechs Bediente aus dem Hinterhalt, und entwanden mir den Degen.

SCHWEIZER stampft auf den Boden. Und er kriegte nichts, und du zogst leer ab?

KOSINSKY. Ich ward ergriffen, angeklagt, peinlich prozessiert, infam – merkts euch! – aus besonderer Gnade infam aus den Grenzen gejagt, meine Güter fielen als Präsent dem Minister zu, meine Amalia bleibt in den Klauen des Tigers, verseufzt und vertrauert ihr Leben, während daß meine Rache fasten, und sich unter das Joch des Despotismus krümmen muß.

SCHWEIZER aufstehend, seinen Degen wetzend. Das ist Wasser auf unsere Mühle, Hauptmann! Da gibts was anzuzünden!

MOOR der bisher in heftigen Bewegungen hin- und hergegangen, springt rasch auf, zu den Räubern. Ich muß sie sehen. – Auf! rafft zusammen – du bleibst, Kosinsky – packt eilig zusammen!

DIE RÄUBER. Wohin? Was?

MOOR. Wohin? wer fragt wohin? Heftig zu Schweizern. Verräter, du willst mich zurückhalten? Aber bei der Hoffnung des Himmels! –

SCHWEIZER. Verräter ich? – geh in die Hölle, ich folge dir!

MOOR fällt ihm um den Hals. Bruderherz! du folgst mir – sie weint, sie vertrauert ihr Leben. Auf! Hurtig! Alle! nach Franken! in acht Tagen müssen wir dort sein. Sie gehen ab.[568]

Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 560-569.
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