Monument Moors des Räubers

[98] Vollendet!

Heil dir! Vollendet!

Majestätischer Sünder!

Deine furchtbare Rolle vollbracht.


Hoher Gefallener!

Deines Geschlechts Beginner und Ender!

Seltner Sohn ihrer schröcklichsten Laune,

Erhabner Verstoß der Mutter Natur!


Durch wolkigte Nacht ein prächtiger Blitz!

Hui! hinter ihm schlagen die Pforten zusammen!

Geizig schlingt ihn der Rachen der Nacht!

Zucken die Völker

Unter seiner verderbenden Pracht!

Aber Heil dir! vollendet!

Majestätischer Sünder!

Deine furchtbare Rolle vollbracht!


Modre – verstieb

In der Wiege des offnen Himmels!

Fürchterlich jedem Sünder zur Schau,

Wo dem Thron gegenüber

Heißer Ruhmsucht furchtbare Schranke steigt![98]


Siehe! der Ewigkeit übergibt dich die Schande!

Zu den Sternen des Ruhms

Klimmst du auf den Schultern der Schande!

Einst wird unter dir auch die Schande zerstieben,

Und dich reicht – die Bewunderung.


Nassen Auges an deinem schauernden Grabe

Männer vorüber –

Freue dich der Träne der Männer,

Des Gerichteten Geist!

Nassen Auges an deinem schauernden Grabe

Jüngst ein Mädchen vorüber,

Hörte die furchtbare Kunde

Deiner Taten vom steinernen Herold,

Und das Mädchen – freue dich! freue dich!

Wischte die Träne nicht ab.

Ferne stand ich – sah die Perle fallen,

Und ich rief ihr: Amalia!


Jünglinge! Jünglinge!

Mit des Genies gefährlichem Ätherstrahl

Lernt behutsamer spielen.

Störrig knirscht in den Zügel das Sonnenroß,

Wie's am Seile des Meisters

Erd und Himmel in sanfterem Schwunge wiegt,

Flammts am kindischen Zaume

Erd und Himmel in lodernden Brand!

Unterging in den Trümmern

Der mutwillige Phaethon.


Kind des himmlischen Genius,

Glühendes, tatenlechzendes Herz!

Reizet dich das Mal meines Räubers?

War wie du glühenden, tatenlechzenden Herzens,

War wie du des himmlischen Genius Kind.

Aber du lächelst und gehst –[99]


Dein Blick durchfliegt den Raum der Weltgeschichte,

Moorn den Räuber findest du nicht –

Steh und lächle nicht, Jüngling!

Seine Sünde lebt – lebt seine Schande,

Räuber Moor nur – ihr Name nicht.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 98-100.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (1776-1788)
Gedichte
Sämtliche Gedichte und Balladen
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Don Karlos: Text - Erläuterungen - Materialien. Empfohlen für das 10.-13. Schuljahr: Ein dramatisches Gedicht
Sämtliche Werke, Band 3 von insgesamt 5 Bänden, Ln, Gedichte: Nachdruck der Ausgabe letzter Hand unter Hinzuziehung der Erstdrucke und Handschriften

Buchempfehlung

Reuter, Christian

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Die Fortsetzung der Spottschrift »L'Honnête Femme Oder die Ehrliche Frau zu Plissline« widmet sich in neuen Episoden dem kleinbürgerlichen Leben der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«.

46 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon