Siebenter Auftritt.

[81] Frau Knips und die Vorigen.


FRAU KNIPS dem Sultan zu Füssen.

Zu Deinen Füssen, Herr – bitt ich um Gnade –

DER SULTAN.

Hum!

Ein schönes Mensch bei meiner Seele!

Poz Weis und Roth! Das ist ein hübsch Gesicht

Alles geformt nach dem schönsten Modele –

Auf, schöne Frau, und wein' Sie nicht.

Was will Sie denn?

FRAU KNIPS.

Ach, ach! Erbarmen!

Das Schicksal hat aus meinen Armen

Meinen Sohn und Tochter fortgerissen,

Ich weis nicht, ob Sie es schon wissen

Daß ich aus'm Schif fiel mit meinem Buben,[81]

Den neben mir die Wellen begruben.

Bums war er fort. Da schwom ich allein,

Da drang ein großer mächtiger Wallfisch

Mit ofnem Rachen auf mich ein,

Und wie das Wetter hat er mich, risch

Herruntergeschlukt, da lag ich nun gottesjämmerlich

Eingewikkelt in seinen Kaldaunen

Wie Jonas, der berühmte Prophete,

Drei Tage lang, 's ist zum Erstaunen!

In seinem Ranzen gebindelt und drehte

Mich, wie um ein Bratspies rund herum.

Mir wurde der Kopf ganz dämisch und dumm,

Und wurde bald kalt, und wurde bald warm

Bis endlich das Monstrum mich durch den Mastdarm

Wieder in's Leben spazieren lies.

Da schwamm ich hierher, ein Neger wies

Mich zu Eurer Gnaden, da bin ich nun hier,

Und hörte, daß mein liebwerther Mann

Auch hier sei angeschwommen, und schier

Begab ich mich her – und bitte recht sehr,

Mich wieder zu meinem Mann zu führen.

'S sind nun schon drei Tag, mein Herr, und noch mehr!

Das meinen Leib kein Mann thät anrühren.

Läg' recht gern wieder bei meinem Mann,

Weil ich unmöglich mehr fasten kan.

Thu' Euer Gnaden recht herzlich bitten.[82]

DER SULTAN.

Betaur' Dich recht herzlich, Dein lieber Mann,

Mein liebes Kind, der ist verschnitten,

Und nicht mehr bei Dir schlafen kan,

Doch biet ich Dir meine Dienste an.

FRAU KNIPS.

O zu viel Gnade, gnädger Herr Sultan,

Steh jezt den Augenblik zu Befehlen,

Was soll ich mich sperr'n, was soll ich's verheelen,

Daß nach den Fleischtöpfen Egypts gelüst.

DAS MÄDEL.

Siehst Du nun Sultan, was für'n Esel Du bist!

Erst willst Du allein bei mir Dich legen,

Nun zappelst schon wieder 'ner andern entgegen

Bist doch ein wahrer Ziegenbok

Die Augen will ich Dir auskrazen.

DER SULTAN.

Stok!

Kein Wörtchen mehr – Du Weibsstük, sonst geht es nicht gut –

FRAU KNIPS.

Was seh ich bist Du's mein liebes Blut

Mein Töchterchen? – sieh die Freudenzähren

Die ich hier wein, mein liebstes Kind.[83]

DAS MÄDEL.

Ei was, Sie kan Sich zum Teufel scheren,

Wär Sie nicht gekommen, so läge das Rind

Schon bei mir im Bett, nu kan ich passen.

FRAU KNIPS.

Was hör' ich, ich möcht' vor Scham erblassen,

Hab' ich Dich darum mit Schmerzen geboren

Daß Du solst ein Hure werden –

Ich unglüklichs Weib, ich bin verloren

Die unglüklichste aller Mütter auf Erden –

O Sultan, laß Dich mein Fleh'n rühren –

Verschon' ihre Unschuld – und still Deine Lust

Lieber an ihrer Mutter Brust.

Ich hab' kein Jungferschaft mehr zu verlieren –

Wie könt' Euer Gnaden die Unschuld verfüren!

DER SULTAN.

Hast recht, ja Deine Trähnen mich rühren –


Zum Mädel.


Du kanst nur gehn, mag Dich nicht verfüren,

Will mich schon mit der Mamma divertiren.

DAS MÄDEL.

Ein Wunder, daß mich der Schlag nicht thut rühren,

Ich hust' aus meine Jungferschaft, und meine Unschuld dazu.

FRAU KNIPS.

Du unverschämte Hure Du![84]

DAS MÄDEL.

Abscheuliche Mutter schimpfe nur zu

Eine rechte Rabenmutter bist Du!

Dein Kind um ihr Vergnügen zu bringen

Alles allein nur wollen verschlingen:

Was für ein Vielfras von einem Weibe!

Hast selber keine Scham im Leibe,

Und mokirst Dich doch über mich.

Vor Aerger gleich bersten möchte ich

Machst's just, wie die Genies in Deutschland,

Die halten sich auf über den Wienland,

Daß er hat komsche Erzähhlungen geschrieben,

In denen ein Bischen von küssen, und lieben

Geschrieben steht; mokiren sich sehr

Ueber seine Schlüpfrigkeit, die doch sehr feine,

Und mit dem Mantel der Grazie bedekt ist:

Aber die Kerls zu dieser Frist

Treiben das Ding weit weiter und höh'r.

Statt nur schlüpfrig zu sein, werden sie Schweine

Und wenn wir bei Wieland von 'nem Mädel schön

Den Busen erblikken und ihre Beine:

So lassen sie uns den bloßen Hintern sehn13.[85]

Und sprechen doch von Zucht und Ehren,

Und wollen ihm die christliche Moral lehren,

Stellen den großen Mann öffentlich zur Schau,

Brüsten sich stolz, als wie ein Pfau

Ob ihrer Reinheit – Da Wieland doch nur

In seinen Gedichten der Menschennatur

Ihre Schwachheit uns deutlich will lehren.

Denkt nicht daran, unverdorbenen Seelen

Die Wollust und Unkeuschheit zu empfehlen.

Aber sie thun alle Sitten umkehren,

Sehn alles mit schiefen Augen an,

Und haben recht ihre Freude daran

Daß's Ding so schief sieht; und haben lange Zeit.

Eh sie des Wielands Unsterblichkeit

Erlangen, der mit sokratischen Scherz

Und Lucianischen Geist, Weisheit in's Herz

Seiner Leser giest,14 die Hunde die![86]

Und bilden sich ein, sie haben Genie.

Just so macht's auch die Frau Mama

Mokirt sich über ihre Tochter da,

Daß sie will schlafen bei einem Mann,

Da sie's doch selber nicht lassen kan.

Aber es ist nichts, als giftiger Neid.

O über die verderbte Zeit!

Seitdem die Genies im Lande regieren,

Und 's Ruder auf dem Pindus führen,

Liegt Zucht und Ehre unter der Bank.

Und doch reden die Kerls vom gewaltgen Drang

Der Seelenfreuden, und ihren Gefühlen,

Thun der Tugend auf der Nase spielen,

Geben ihr den Staupbesen, und stehen, und schrein:

Die Unschuld nur, die Tugend allein

Macht uns die Welt zum Wohnplaz der Lust.

Und doch hat die Tugend, mit Ehren zu melden,

Von alle diesen bramarbasirenden Helden,

In ihrem Leben nichts gewust.

DER SULTAN.

Da hat das Weibsstük nun eben nicht unrecht,

'S ist, hol mich der Teufel, von den Kerls sehr schlecht[87]

Daß sie die Tugend beständig im Munde führen,

Und sie doch auf allen Ekken blamiren.

Wollen an Wieland den Sittenrichter machen,

Und schreien über ihn mit ofnem Rachen,

Daß er den Agathon geschrieben hat.

Und ist doch meiner Treu ein Buch

Das zu schreiben in der That

Keiner von ihnen in zwanzig Jahren genug

Verstand hat, aber das ärgert sie eben.

Die Kerls bringen in ihrem ganzen Leben

Nicht so viel Verstand zusamm'n, als nur auf einer Seite

Im Agathon steht – Versteh'n 's nicht die armseeligen Leute;

Und kritisiren, was sie nicht verstehn.

So machen sie 's all, die Kunstrichterchen,

Sie mögen Bibliotheken, oder Journale

Schreiben, ihre ganze Kritik besteht darin

Daß sie die grösten Männer an einen Pfale

Stellen, und allen ihren Ruhm morden dahin.

Und oben drein, wie die Straßenjungen, sie

Mit Drek beschmeissen. Du schöne Gabe, o Genie!

Wie wirst Du gemisbraucht. O Apollo, wach' auf!

Wink Deinen Donner am Himmel herauf,

Und schmeis die Kerls wie Drek zusamm'n,

Durch die das Verderben auf den Pindus kam.

Sie machen die Musen zu Gassenhuren,

Beizen alle Grazien von ihnen hinweg;

Verstümmeln sie zu Karrikaturen[88]

Und lästern ihre Gottheit kek.

Schik die Pest unter sie, unter die Hunde,

Und richte die ganze Zunft zu Grunde15.

Doch wieder zu kommen auf unsern vor'gen Text


Zur Frau Knips.


So muß ich Euch nur sagen, Madame,

Ihr habt mich ganz und gar behext

Ich lüstre recht nach 'nem Duodrame

Mit Dir, mein Liebchen – Mamsell kan passen

Mach mich nicht mit der Sünde befassen,

Zu verfumfein ihre Jungferschaft.

DAS MÄDEL.

Nu das ist wahr, recht meisterhaft,

Du Hundekerl, weist Du Schwüre zu brechen.

Aber wart Du nur, ich werde mich rächen

So wol an Dir, Du Bestia,

Als auch an der werthe Frau Mama;

Es ist doch abscheulich in meinen Jahren

So henkermäßig mit mir zu verfahren,

Ein altes Weib lieber zu haben,

Als ein jung Mädel von Reizesgaben

Die noch kein Männeraug entweiht –

Wenn Sie nicht übel nehmen wollen,

So zeigen Eure Herlichkeit

Einen ganz abscheulichen Geschmak.[89]

DER SULTAN zur Frau Knips.

Madam, ein Prischen Schnupftabak

Daß ich kan Kontenanze halten

Bei der Tochter heillosen Geschwäz.

Mit Einem Wort – Sie können sich trollen

Mamsell – und gehn wohin Sie wollen,

Sie haben Sich über nichts anfzuhalten –

Ich will, und das ist ein Gesez.

Von jeher, als ich zu lieben anfing

War mir die Liebe zum Mädchen immer

Eine lumpichte Liebe, ein fades Ding

Von einem Roman, die Mädel sind

Nur immer halbe Frauenzimmer;

Sie haben kein Feuer, sie haben kein Leben,

Wissen nicht zu nehmen, wissen nicht zu geben.

Kurzum Kupido ist nie mehr blind,

Als wenn er 'nen Kerl zu 'nem Mädel entzünd't.

Das ist ein wahr Quarkroman –

Was fängt mit solchen unreifen Dingern an?

Ihre Umarmungen machen einen frieren –

Sie thun nur, als ob sie karessiren.

Es schmekt nichts fader, wie ihr Genus.

Ein Stük Holz küssen, oder 'nen Mädchenmund

Ist einerlei – Verstehen's nicht das wahre Küssen,

Sie küssen mit mehr Empfindung 'nen Hund

Als einen Kerl – aber zu küssen ein Weibchen zart –

O all ihr Götter, um wegzufließen

Ist so ein Kuß, die Gegenwart[90]

Der Gottheit kan nicht so seelig machen,

Als wenn man voll vom gewaltgen Feuer

Eines Weibskusses auf dem Nachen

Der Liebe, im Taumel der Lust

Herrumrudert, gelehnt an ihrer Brust

Ihr Busen einem entgegenschlägt

Und auch die kleinste Ader bewegt

Man sieht das Paradies offen stehen,

Und, ach! ein einz'ger Händedruk

Von einem Weibe, zeucht hin zum Himmel,

Man fühlt durch den Leib einen gewalt'gen Ruk

Sieht um sich her in frohen Gewimmel,

Die Englein tanzen, die Weste wehen,

Den Hauch der Lieb um einen herum,

Und wo das trunkne Auge hinblikt,

Ist allenthalben Elysium.

Ach eine Weiberumarmung verzükt

Die frohe Seele in Abrahams Schooße,

Und in gefühlte und namenlose

Wonne der Seele schwellt unser Herz

Ach! kein Lust auf der ganzen Erde

Gränzt an den Himmelvollen Schmerz

Wenn so ein Weib mit süßer Geberde,

Die Wange errötend, es schmachtend gesteht,

Daß uns zur Liebe ihr Busen sich bläht.

O Weiber nur, ja Weiber allein,

Tröpfeln der Liebe Nektarwein

In'n Becher unsres Lebens hinnein.

Darum, Mamsel, Sie können nur gehen,[91]

Seitdem ich Ihre Frau Mutter gesehen

Mag ich sie nicht mehr, und Sie Madam

Bereite Sie sich zum Duodram.

Ich gehe jezt hin, mich ein wenig zu baden,

Und dann will ich in Deinem Arm

An Deiner Brust von Wonne warm

Mich all' mein'r Entzükkung trunken entladen.


Sultan ab.


Quelle:
Johann Friedrich Schink: Marionettentheater. Heidelberg 1925, S. 81-92.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Leo Armenius

Leo Armenius

Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.

98 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon