Im Walde

[351] Windes Rauschen, Gottes Flügel,

Tief in kühler Waldesnacht;

Wie der Held in Rosses Bügel

Schwingt sich des Gedankens Macht.

Wie die alten Tannen sausen,

Hört man Geistes Wogen brausen.


Herrlich ist der Flamme Leuchten

In des Morgenglanzes Rot,

Oder die das Feld befeuchten,

Blitze, schwanger oft von Tod.

Rasch die Flamme zuckt und lodert,

Wie zu Gott hinaufgefodert.


Ewig's Rauschen sanfter Quellen

Zaubert Blumen aus dem Schmerz;

Trauer, doch in linden Wellen,

Schlägt uns lockend an das Herz;

Fernab hin der Geist gezogen,

Die uns locken, durch die Wogen.[351]


Drang des Lebens aus der Hülle,

Kampf der starken Triebe wild,

Wird zur schönsten Liebesfülle,

Durch des Geistes Hauch gestillt.

Schöpferischer Lüfte Wehen

Fühlt man durch die Seele gehen.


Windes Rauschen, Gottes Flügel,

Tief in dunkler Waldesnacht!

Freigegeben alle Zügel,

Schwingt sich des Gedankens Macht,

Hört in Lüften ohne Grausen

Den Gesang der Geister brausen.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 351-352.
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