Das 10. Capitel.
Es ist nicht gut / wenn man über Land reiset / u. läufft einem ein Haase übern Weg.

[32] Wenn der Haase gebraten in der Schüssel aufn Tisch stünde, wäre es freylich besser. Nein, nein, es ist nicht so zu verstehen, werden mir viele, auch wohl sonst gar kluge Leute, einwenden; sondern es ist gewiß nicht gut, und hat man sich zu versichern, daß / wenn iemand über Land reiset, und laufft einem ein Haase übern Weg, so wird man gewiß ein Unglück haben; worauf ich aber auch mit ja antworte, denn dieses ist eben das Unglück, daß man das Wildpret, welches besser in der Küchen zu nutzen wäre, so ungehindert muß ins freye Feld lauffen lassen. Ich setze auch den Fall, daß sich ein oder das andre mahl begeben habe, daß selbigen Tages, da man verreiset ist / und ein Haase über den Weg gelauffen, einem ein Unfall begegnet sey woher will man denn eben behaupten, ob habe der Haase das Unglück[32] bedeutet; denn der Unfall würde doch nicht nachgeblieben seyn, wenn gleich kein Haase sich hätte sehen lassen. Und kan ichs selbst mit Wahrheit bezeugen, daß mir es vielfältig mahl begegnet ist, daß auf meinen Reisen solche Lang-Ohren qver über die Straffe marchiret sind; ich kan mich aber nicht erinnern, daß mir es ein eintzig mahl ein Unglück bedeutet habe. Ist demnach diese Meynung nichts anders, als ein aus Spaß gemachter Aberglaube, und kömmt eben so heraus, als wenn man sagt; Es ist nicht gut, wenn man am Leibe flickt. Freylich ists nicht gut, sonst brauchte es keines Flickens.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 32-33.
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