Das 9. Capitel.
Es ist nicht gut / daß man die kleinen Kinder kleine Krebßgen nennet / denn sie verbutten hernach gantz.

[30] Aus Curiosität fragte ich ohnlängst ein super-klug Weib, was es doch wohl vor eine Bewandniß[30] haben müsse, daß die Kinder abnähmen, wenn man sie kleine Krebßgen hiesse? diese gab mir mit einer sehr verächtlichen Mine zur Antwort: Sie wolle es ja nimmermehr hoffen, daß ich so alt worden wäre / und hätte nicht selbst so viel Verstand dieses auszusinnen. Ich würde ja wissen, daß der Krebs ein Thier wäre / das von Natur zurück kröche! da stand ich einfältiger Tropff, wie ein begossener Hund / gantz verschämt, und wurde vor auslachens werth gehalten, daß ich so alber Zeug nicht selbst bedencken können. Also habe ich allerdings Ursach, meinen Schimpff auszuwetzen, und denen Rockenreuterinnen zu weisen, daß sie auch fehlen. Und sage ich demnach, daß, wenn die Benennung solte denen Kindern eine Eigenschafft derer Dinge / nach welchen man sie nennete, zu wege bringen, so wolte ich sie kleine Krebßgen heissen, denn die kleinen Krebßgen wachsen bald groß, und wenn einem Krebs die Scheeren abgerissen werden, so wachsen ihm bald andere. Die Krebse bekommen offt neue Schaalen oder Haut; sie kriechen nicht allein hinter sich, sondern auch vor sich. Sind demnach gewandte Thiere, und kan dero Eigenschafft denen Kindern nicht schädlich, sondern vielmehr nützlich seyn. Uberdiß möchten doch die abergläubischen Weiber auch überlegen, daß in einer Sache selbst mehr Krafft und Eigenschafft stecken müsse, als in der blossen Benennung. Da nun die Krebse eine solche rückgängige und verkehrte Eigenschafft haben sollen, warum essen denn die Weiber die Krebse so gern, auch wohl[31] zu der Zeit, da sie Kinder zu stillen haben, und warum sind sie nicht auch in Sorgen, daß ihnen hiervon die Milch in Brüsten rückgängig werden möchte? es lehret aber die tägliche Erfahrung, daß die Krebse und dero Schaalen, wie auch Krebs-Augen die Milch vermehren / und nicht schädlich sind. Ist demnach der Weiber Weißheit in diesem Punct auch von schlechter Ankunfft, und auf einen Krebsgängigen Grund gesetzet.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 30-32.
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