Das 8. Capitel.
Es ist nicht gut / wenn man über das Kehrig gehet.

[29] Ich will es wohl glauben; denn wenn es gut wäre / so würde man das Kehrig gar nicht hinweg räumen /sondern nur um deßhalben lassen liegen, daß man darüber gehen könne. Zum andern ists auch um folgender Ursach willen nicht gut, daß man darüber gehet, denn man trägt es solcher gestalt gar leicht wieder an die reinen und schon gekehrten Stellen. Nein, sagen die Weiber, wir haben eine Special-Ursach, warum es nicht gut ist, nehmlich wer über das Kehrig gehet, der hat kein Glück. Es ist gut / ihr klugen Weiber, aber wie? man wird ja wohl um deßwillen, daß man über das Kehrig gegangen, kein Glück haben, sonst würde abermahl folgen, daß es rathsam sey das Kehrig liegen zu lassen, und darüber zu gehen, damit man Glück hätte; dennoch aber sage ich, wer über das Kehrig gehet, kan um deswillen Glück haben, nehmlich / wer über Kehrig gehet, und wird gewahr, daß ein güldener Ring, ein Ohren-Geheng, oder ander kostbar Kleinod in Kehrig lieget, der hat ja Glück, daß er solches findet, und dieses Glück ist daher gekommen, weil er darüber gegangen, und es gewahr worden; ergo ist der Weiber-Glaube ein Aberglaube.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 29-30.
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