Das 100. Capitel.
Wenn eine ledige Weibs Person in der Christ-Nacht heisses Bley ins Wasser giesset / bekömmt es die Gestalt als wie das Handwercks-Geräthe dessen, der sie heyrathen wird.

[153] Die grosse Begierde, so das weibliche Geschlecht zum Männer-nehmen hat, lehret sie allerhand Narren-Possen vornehmen, daran sie mercken wollen, was sie vor einen Mann bekommen werden; und ist das Bley-Giessen nicht das geringste ihrer gewöhnlichen Proben, um hierdurch zu erfahren, was der künfftige Liebste vor einer Profession zu gethan sey. Wie schändlich aber manche sich hiermit selbst betrogen hat, brauchet wenig Beweises. Nur ein Exempel zu gedencken, so war vor diesem in Leipzig eine Magd, welche in einen Apothecker-Gesellen verliebt war, und weil sie etliche 100. Thaler in Vermögen hatte, genosse sie von ihme auch ein u. andere caressen, dahero sie sich ihn gäntzlich einbildete zur Ehe zu kriegen; dennoch aber machte sie in der Christ-Nacht præparatoria zum Bleygiessen; wie ich dieses merckte, sagte ich zu ihr: Sie müste ein Loch durch ein Karten-Blat stechen, und das Bley dadurch giessen, so würde es nach ihrem Wunsch fallen. Dieses that sie sammt der Köchin, und bekamen beyde einerley Arten von Figuren, nehmlich, theils rund, und das musten Pillen heissen, theils an einem Ende rund, und an andern länglich zugespitzt, das musten destillir-Kolben seyn; etliche[153] waren krumm, und dieses heissen Retotten. Dieses bestärckte nicht alleine die so genannte Junge-Magd, daß sie ihren Apothecker-Gesellen würde bekommen, sondern sie brachte die Köchin auch auf diese Meynung, ob würde sie auch einen Apothecker kriegen. Aber es wurde aus beyden nichts; denn die Magd bekam einen Bareth-Kramer, und die Köchin einen Fuhrmann. Also siehet man, wie doch gantz ohne einigen Grund solche Gauckel-Possen und abgöttische Fratzen sind, und finden dennoch bey einer so grossen Menge Menschen statt, worüber sich billich ein vernünfftiger Mensch verwundern muß. Ich meines Orts werde mich nimmermehr bereden lassen, solchen Thorheiten nachzuhängen; denn, wer leicht gläubt, wird leicht betrogen. Wohl aber werde ich glauben, was in GOttes Wort gegründet ist, und solchen anhängen biß an mein seeliges


ENDE

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 153-154.
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