Das 23. Capitel.
Die Nägel an der kleinen Kinder Händen müssen zu erst von der Mutter abgebissen werden / damit sie nicht stehlen lernen.

[48] Das möget ihr lieben Müttergen wohl in Acht nehmen, daß ihr nicht irgend eure Kinder verwahrloset /wenn ihr ihnen die Nägelgen abschnittet / und wenn ich meinen Rath darff mit darzu geben, so beisset denen Kindern die Finger, oder lieber die Hände gar mit ab; und wenn ihr irgend nicht wohl das Blut sehen könnet, so macht es, als wie man zu thun pfleget /wenn man einem Maulwurff die Pfoten abbeisset, nehmlich, man wickelt die Pfötgen in ein Schnupfftuch / und beisset durch das Tuch durch, und wenn ihr wollet, könnet ihr die Händgen eben auch abbeissen, wie die Maulwurffs-Pfötgen, und mit an das Pater noster hängen; ich versichere euch, (weil ihr doch lieber närrischen Mitteln als rathsamen nachhänget,) daß eure Kinder solchergestalt nicht werden stehlen. Und diesen Rath gebe ich nur denen thörichten und abergläubischen Müttern und Ammen. Die Christliche und GOtt- gelassene Kinder-Mütter aber wissen besser, was bey denen Kindern zu thun sey / daß sie nicht stehlen lernen, nehmlich: Sie lernen ihnen die Zehen Gebote GOttes fleissig,[48] leiden nicht, daß die Kinder parthiren lernen, und wenn sie mercken, daß ein Kind iemanden etwas entwendet hat, straften sie es ernstlich drum, und ziehen es zu allen Guten auf. Ich will nicht zweifeln, daß manche ihrem Kinde die Nägel zum ersten mahl abgebissen, und hat doch wohl einen Dieb erzogen. Daher ist darauf nicht zu trauen, sondern eine gute Zucht, Vermahnung, Warnung und Sraffe thut das beste; vor allen aber GOttes gnädige Regierung, welche durch fleisig und gläubig Gebet zu erlangen ist.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 48-49.
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