Das 24. Capitel.
Wer zu Gevattern stehen soll / der soll etwas zur Gevatterschafft borgen / so wird dem Pathgen hernach ins künfftige nichts versaget / sondern findet allezeit Credit.

[49] Soll ich meine Gedancken über diesen Punct entdecken / so erachte ich, daß solche Meynung entstanden sey entweder aus einer canalliösen Mägde-Politica, da vielleicht einmahl eine arme, aber sonst nasenweise Metze, ist zu Gevattern gebeten worden, welche entweder Mangel an Eingebinde, oder an der Kleidung gehabt haben mag; damit sie aber solch Bedürffniß desto eher von iemanden auf Credit erhalten möchte, hat sie nichts klügers zur Persvasion ersinnen können, als daß sie vorgegeben, sie thäte es ihrem Pathgen zum Besten, daß sie zur Gevatterschafft borgete, damit es ins künfftige auch guten [49] Credit möchte bekommen. Wer wolte denn solchergestalt an des Kindes Wohlfahrt einige Hinderniß geben? Ich gebe selbst eher die Hosen vom Leibe weg, daß ja, um meiner Undienstfertigkeit willen, nicht das liebe Kind verwahrloset würde. Oder aber, es ist dieser Glaubens-Punct immediate aus dem Witz der pfyloseviehischen Facultät der super-klugen Weiber entsprungen. Ob aber der wahre Grund dieses schönen Aberglaubens durch Disputationes ausgemacht sey, kan ich eigentlich nicht wissen; iedoch will ich meine ohnmaßgebliche Erinnerungen und hierüber noch habende Scrupel auch entdecken: Wenn ich nehmlich besorge, daß, woferne durch des Pathens Borgen dem Kinde etwas aufgeerbet werden könte, dieses vielmehr zu des Kindes grösten Schaden ausschlagen würde, weil durch des Pathens Borgen das Kind leicht würde verwahrloset werden, daß es sein Lebtage so arm bleiben müste / daß es immer von andern borgen müsse; ja wenn auch gleich dieses Ubel nicht daraus erwüchse, sondern der effect solches Borgens würcklich dahin gediehe / daß das Kind mit der Zeit in dem Puncte so glücklich wäre, (woferne es ein Glück zu nennen ist /) daß ihme niemand etwas versagte, so sage ich unverholen, daß ich wohl 10000. mahl gewünschet habe, daß ich mein Lebtage nicht 1. Thaler möchte Credit bekommen haben, so wäre ich nicht unschuldiger Weise in die Schulden gerathen, die ich, samt der Interesse, zu meinem Ruin habe bezahlen müssen. Es heist zwar im gemeinen Sprichwort; Credit sey besser,[50] als baar Geld. Alleine, ich frage einen jedweden auf sein Gewissen / der iemahls ist panckrot worden, ob ihn nicht habe der Credit zum Schelm gemacht? Denn Credit ist ein falscher Kerl, der einen gemeiniglich verläßt, wenn man seiner am nöthigsten bedarff, und kan ich den Credit nicht besser vergleichen, als mit dem Kratzen im bosen Grinde, so lange, als das Kratzen dauert, ists sehr annehmlich, so bald man aufhöret, kommen die Nachwehen und Schmertzen ohne Maassen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 49-51.
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