Das 26. Capitel.
Die Kinder soll man nicht alt Männgen oder alt Weibgen nennen / sie verbutten sonst / und bekommen Runtzeln an der Stirn.

[53] Kommen die Runtzeln an der Stirne daher, so hat man sich freylich wohl zu hüten, daß man denen Kindern nicht so alte Nahmen gebe. Denn wenn ich bedencke, wie Eva ihr erstes Söhngen nennete, da sie ihn kaum gebohren hatte, so giebt mirs fast der Augenschein, daß wohl an dieser Sache was seyn wird / denn sie hieß ihn den Mann, etc. was wurde aber aus diesem kleinen Mann? Antwort: Ein Kerl mit einer runtzelichen Stirn, ein sauer-töpfigter Bruder-Mörder. Da siehet man, wie der Weiber ihr ungegründetes Vorgeben wohl gegründet ist; iedoch baue ich noch nicht darauf, weil auch damit noch nichts gewisses erwiesen ist. Denn erstlich ist noch nicht ausgemacht, ob die Runtzeln die Länge, oder die Qvere stehen werden. Ich vermuthe[53] zwar, daß alle zugleich verstanden werden, als wie bey sehr alten Leuten insgemein zu sehen; auf dergleichen Art aber wird Cain wohl nicht seyn beruntzelt gewesen, sondern es wird sich mehrentheils die linea Saturnina über der Nasen in mürrische Falten gelegt, und die Augen-Brähmen werden sich über die Augen zum Schatten begeben haben, daß dadurch die übrigen Linien vielmehr ausgedehnet und unsichtbar gemacht, oder in eine Confusion gebracht worden seyn werden; auch hat Eva ihren ersten Sohn Cain nicht einen alten Mann genennet, sondern sie erzehlet nur ihrem Adam in Freudigkeit, wie sie nun hätte den verheissenen Weibes-Saamen, der der Schlangen den Kopff zertreten würde, welches Lutherus verdeutscht hat: Den Mann, den HErrn. Aber die gute Eva fande sich schändlich betrogen, ja, wenn Abel wäre die Schlange gewesen, so hätte Cain können im Ansehen bleiben; aber so kam die That Cains, so er an seinem frommen Bruder Abel begieng, nicht Helden-müthig, sondern Hunde-wütig heraus. Und solchergestalt haben die Weiber in diesem Aberglauben an beschriebener Geschicht gar schlechten Beweiß; derowegen kan ich sie billig nicht ohne angefochten lassen, sondern fordere sie abermahl heraus, daß sie erweisen mögen, warum es schädlich sey, wenn man die Kinder alter Mann oder alt Weibgen nenne. Wenn die Kinder im Alter erst runtzliche Stirnen bekommen, so bat es nichts zu bedeuten, wenn sie aber als Kinder runtzlich werden, woher wollen denn die Weiber[54] erweisen, daß eben die Ursach daher komme, weil sie alt Weibgen sind geheissen worden? Hier zu Lande höret man leider! die Kinder von denen Eltern mehr Donner-Aaß, Raben-Aaß / junge Teufel und mit dergleichen grausamen Nahmen mehr benennen, als alt Männgen oder alt Weibgen; ob aber diese letzte Benennung schädlicher sey, als jene / kan ich mir nimmer mehr einbilden, sondern halte davor, daß es gar nichts zu bedeuten habe, wenn man zuweilen im Schertz die Kinder altes Männgen oder Weibgen heist.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 53-55.
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