Das 28. Capitel.
Wenn die Kinder sollen leben bleiben / und das gewöhnliche Alter erreichen / so soll man die Söhne Adam / und die Töchter Eva nennen lassen.

[57] Es trägt sich zu weilen in der Ehe zu, daß die erzielten Ehe-Pläntzgen / die Kinder, bald durch einen frühzeitigen Tod wieder hinweg geraubet werden, und manche Eltern nicht so glücklich sind, die in ihre Ehe erzeugten Kinder groß[57] zu ziehen. Wem nun dieses Creutz betrifft, dem wird von der super-klugen und überweisen Weiber-Gesellschafft folgender Rath gegeben: Man solle nur die Kinder Adam oder Eva nennen, so bleiben sie lebendig; Die Ursach aber, aus was vor einer Krafft solches komme, wissen sie selbst nicht zu sagen / sondern verlassen sich auf deren ihren philosophischen Verstand, die solch Mittel zum ersten erfunden haben, sprechende: Die alten Vorfahren wären auch keine Narren gewesen / die dieses zum ersten erfunden hätten. Ich antworte: Unsere Vorfahren sind freylich keine Narren gewesen / aber es sind unter denenselben gleichwohl auch Narren und abgöttische Männer und Weiber gewesen, als wie es noch heut zu Tage unter denen gottesfürchtigen und festgläubigen Christen auch heydnische, abergläubische Affen giebet, welche ihr Vertrauen mehr auf ein äusserlich Schein-Wesen, das doch an sich selbst nichts ist, setzen, als daß sie alle Sachen ihrem Hülff-reichen Schöpffer in kindlicher Zuversicht überlassen solten. Und weil sie mir keine rationes vorzustellen vermögen, warum der Nahme Adam bey denen Knäbgen, und Eva bey denen Mägdgen, die Krafft haben solte /daß sie alte Leute würden, so will ich die Thorheit, welche ich vermuthe die Weiber auf diesen Aberglauben verleitet zu haben, ohngefehr eröffnen. Sie haben vielleicht vermeynet / weil Adam und Eva, als die ersten Menschen, wären diejenigen gewesen, von welchen alle andere Menschen herstammen sollen, so hätten sie nicht stracks nach der Schöpffung[58] wieder sterben dürffen, sondern nothwendig zu solcher Fortpflantzung ein langes Leben behalten müssen; so ferne nun ietziger Zeit die Kinder noch mit solchen Nahmen benennet würden, so werde GOtt gleichsam erinnert, daß er sie, wie jene erste Menschen, auch lange leben lassen werde. Aber, gleichwie der allwissende GOtt, bey welchen kein Unterscheid der Zeit ist, und der ohne dem von Anfang biß zu Ende, alles gegenwärtig siehet, keiner Erinnerung bedarff; also kan dieses vermeynte Erinnern nichts helffen, sondern, woferne eine Erinnerung in diesen Punct statt findet, ist vielmehr zu besorgen, daß GOtt an den Sünden-Fall Adams und Eva erinnert werden dürffte /als wodurch der Tod und Sterben über alle Menschen ist gebracht worden, und gemahnet mich nicht anders / als hätte einer etliche Kinder nach einander groß gezogen, die alle grimmiger und mörderischer Art wären; damit aber die Nachkommende nicht auch solcher bösen Art werden möchten, würde ihme der Rath gegeben, er solle das Kind, daß er noch zeugen würde, lassen Cain nennen, weil der erste Mörder also geheissen hätte, und würde um dieses Nahmens willen das Kind sanftmüthiger werden; Oder, wenn irgend das Alterthum des Nahmens Adams und Evä /weil solcher von Anbeginn der Welt bekannt gewesen, etwas bey der Sache thun kan, so wundert mich, daß solche abergläubische Leute ihre Kinder nicht Affen oder Meer-Katzen nennen lassen, weil doch das Affen-Geschlechte eher gewesen, als Adam und Eva.[59] Aber kurtz von der Sache zu reden, wer durch dergleichen Mittel denen Kindern das Leben zu verlängern suchet, der giebt zu erkennen, daß er sein Vertrauen nicht auf GOtt, sondern auf abgöttische Mittel setzet; über daß so laufft es wider die tägliche Erfahrung, weil ich selbst mit Kindern zu Grabe gegangen bin, die Adam und Eva geheissen haben. Und gleiches Gelichters wird auch der folgende Glaubens-Articul geartet seyn.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 57-60.
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