Das 31. Capitel.
Wenn die ersten Kinder der Eltern Nahmen bekommen / so sterben sie noch eher als die Eltern.

[62] Hier bey diesem Punct wollen die alten Weiber par force klüger seyn, als alle Könige und Fürsten, welche insgemein ihre erst-gebohrne Cron- und Stuhl-Erben nach ihrem Nahmen nennen lassen, gleichwie wir ein offenbares Exempel haben an denen 3. Chur-Fürsten, Christ mildester Gedächtniß, Hertzog Johann Georg dem andern, dritten und vierdten, die alle dreye ihre Herren Väter überlebet haben, ob sie gleich die erst-gebohrnen Söhne gewesen; anderer dergleichen Exempel, geliebter Kürtze wegen, zu geschweigen. Und wie es mit denen Söhnen falsch ist, so ists mit denen Töchtern gleichfalls nicht richtig. Es sind aber die abergläubischen Weiber (denn denen Christlichen und vernünfftigen Frauenzimmer[62] gehet dieses nicht an,) in ihrer Boßheit so hartnäckig, daß sie dennoch recht behalten wollen, wenn sie auch gleich überwiesen genung sind. Denn, als ich ohnlängst einer Compagnie solcher schönen Glaubens-Genossen zuhörete, und eben in diesem ietzt untersuchten schönen Glaubens-Artickul ihnen widersprach, auch zum Beweiß ebenfalls nur angezogene drey Churfürsten von Sachsen anführete / saß eine alte Planeten-Leserin auf der Seite, und wolte mit ihrer thörichten Klugheit denen andern zu Hülffe kommen, kehrete demnach die gantze Sache um, und gab vor, wenn die ersten Kinder der Eltern Nahmen bekämen, würden sie so alt als die Eltern, oder überlebten sie doch zum wenigsten. Allein, ich stellete eben diese 3. Churfürsten ihr wieder zum Gegen-Beweiß vor, daß keiner von diesen dreyen seines Herrn Vaters Alter erreicht hätte, und sey Hertzog Johann Georg der andere nicht so alt worden, als sein Herr Vater, Hertzog Johann Georg der erste, gewesen, Hertzog Johann Georg der dritte habe das Alter seines Herrn Vaters, des andern, nicht erreicht, und sein Herr Sohn, der vierdte, habe dessen Alter nicht erlanget; auch gab ich ihr meinen eignen ältesten Bruder, der auch meines Vaters Nahmen geführet, zum Gegen-Beweiß an, welcher zwar ins männliche Alter gekommen, daß er sein Ehren-Amt besessen, muste aber doch die Schuld der Natur eher bezahlen, als mein Vater. Durch diesen Beweiß muste zwar die alte Wahrsagerin verschämt sitzen, die andern aber meynten, daß dieses wieder[63] Wasser auff ihre Mühle wäre. Ich hoffe aber / wer nur ein wenig nachsinnen kan, der würde begreiffen können, daß dieser / und alle andere solche Glaubens-Gründe, nicht einen Pfifferling werth sind.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 62-64.
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