Das 4. Capitel.
Die beste Probe / ob ein Patiente beschryen sey / oder nicht / soll seyn / wenn man Frauen-Flachs / Szysche /oder Ruff-Kraut / kochet / und damit den Patienten badet / das Bad unter das Bett setzet / so laufft es zusammen / wenn er beschryen ist; ist er aber nicht beschryen / so laufft das Bad auch nicht zusammen.

[18] Dieses scheinet die gefährlichste Bombe zu seyn, damit mich die in Aberglauben- ersoffene Bade-Mütter zu beängstigen vermeynen. Aber, weil diese nur mit Wasser und Dunst gefüllet ist, weiche ich ihnen auf keinen Schritt, sondern ich dringe vielmehr ihnen auf den Leib, mit Offenbahrung aller ihrer Heimlichkeiten, die[18] sie theils selbst nicht verstehen, und damit jedermann mit Händen greiffen kan, daß es mit dem Beschreyen, und allen darauf gemachten Proben, Narredey sey; so ist zu wissen, daß die gantze Sache folgendermassen beschaffen ist: Wenn zuweilen Kinder, oder auch grosse erwachsene Leute, hinfällig und matt sind, und unter dem gemeinen Volcke nicht stracks iemand so klug ist, der aus ein- und andern Umständen könte urtheilen / was dem Patienten fehle; sie dehnen sich, wie die faulen Schaaf-Hunde, sind verdrüßlich, einen Bissen Brodt ins Maul zu stecken / nehmen dabey am Leibe ab, und so fort; da kommen denn Nasen weise Weiber, welche sich nimmermehr nachreden liessen, ob wären sie der Sache nicht klug genug, diese sehen nicht aus dem (wiewohl ebenfalls betrüglichen) Urin-Glase, sondern stracks im ersten Anblick aus dem Gesichte, daß ein solcher Mensch beschryen sey. Und wenn es etwas gefährlich zu seyn scheinet, und sie vermuthen, daß das Kind oder der Patiente gar sterben dürffte / sagen sie, es sey gegen die Erde, oder auf den Tod beschryen, und würde alle Noth haben, daß es davon zu bringen sey. Hilff, GOtt! was Raths? Frau Maria, Ursel oder Martha, wie die alte Planeten-Leserin heist, hat die Kranckheit errathen, so wird sie auch wohl Hülffe davor wissen. Ach ja, spricht sie bald, was wäre sonst mein Thun, wenn ich davor nicht rathen könte? ich habe wohl andere unter mir gehabt. Gebt mir nur einen feinen grossen Topff her, und holet stillschweigend eine Wasser-Kanne voll[19] Wasser aus einem Flusse, es muß aber dem Strohm nicht entgegen, sondern dem Strohme nach geschöpffet werden, sonst wäre unser Thun alle vergeblich. Weil nun der Topff und das Wasser geholet wird, laufft die kluge Frau immittelst zu einer alten Wurtzel-Krämerin, denn in denen Apothecken kan sie es, ihrem Vorgeben nach, so gut nicht bekommen, als bey einer solchen alten Vettel, wie sie selbst ist, weil sie ihre Kräuter und Wurtzeln alle in gewissen Stunden holet; da nimmt sie vor wenige Pfennige Frauen-Flachs, lateinisch Linaria genannt, thut es in Topff, kochet es mit dem so genannten stillschweigenden Wasser, alsdenn wird der Patiente mit diesem Wasser gebadet, oder nur die Arme und Beine damit wohl abgewaschen, und hernach unter des Patienten Bette gesetzt; wenn es nun eine Zeit gestanden, alsdenn thut sich Frau Maria oder Ursel ihre Wunder-Cur mit Verwunderung hervor, wenn irgend das Bad zusammen gelauffen oder gelievert ist. Ey, was Lob hat Frau Maria verdienet! da heists: Was haben wir denn zum besten? wir müssen Frau Marien mit essen lassen, und sie fragen, was sie zu Lohne haben will? denn sie hats wohl verdienet. Ja, wenn die ehrliche Frau gethan hätte, so hätte kein Mensch gewust, was dem Patienten fehlete, und hätte wohl gar leicht des Todes seyn können. Je wenn doch ietzt der Doctor da wäre, der will immer nichts aufs Beschreyen halten ietzt sähe er es doch mit Augen. Ach dencket, ihr Leute! siehet das Bad nicht aus! ist es doch, als wenn man Milch[20] zu Käsen geläbt hätte. Also verwundert man sich sehr darüber, denn die alte Vettel giebt vor, wenn man nicht beschryen wäre, so gelievert das Bad nicht. Ich will aber, nach meinem besten Wissen, und mit meinem guten Gewissen, einem iedweden ehrlichen Christen alles, wie ichs nach unterschiedlicher und gantz genauer Untersuchung befunden habe, eröffnen, wie es zugehe, daß zuweilen ein solch Kräuter-Bad zusammen lauffe oder gelievere, zuweilen aber nicht, und verhält sich folgendermassen: Es trägt sich zuweilen zu, daß einem Menschen eine Kranckheit anhänget, es wird am gantzen Leibe eine Mattigkeit gespüret, die Glieder werden schwer, und der Mensch nimmt ab, und so fort; darneben aber ist doch der Appetit zu essen offt noch da, aber es gedeyet die Speise nicht zur Nahrung und Zunehmen des Leibes. Ubrigens aber spüret der Patiente in keinem Glied absonderliche und empfindliche Schmertzen, daß solchergestalt ein Unerfahrnes nicht zu sagen weiß, was es vor Bewandniß mit einem solchen Patienten habe. Es kömmt aber diese Beschwerung ursprünglich aus dem Magen her, wenn nehmlich in dem Magen eine allzuhäufige Säure prædominiret, und offt einen übermäßigen Appetit zu essen macht, so geschichts, daß diese Herbigkeit und Schärffe nach und nach mit dem in den Magen von denen Speisen abgesonderten Chylo oder Nahrungs-Safft, ins Geblüth gehet, und die gantze masiam sanguineam zach und dicke macht, davon werden hernach alle Glieder träge und faul. Und weil nun das[21] Geblüt mit dergleichen Schärffe belästiget ist, so wirffet die Natur unvermerckt durch die Schweiß Löcher solche Schärffe mit aus. Wenn denn die subtilsten humores weg dunsten / so bleibet die scharffe und saure Materie auf der Haut vertrocknet kleben. Wenn nun ein solcher Patiente mit Milch gebadt oder gewaschen würde, so würde diese eben so zusammen lauffen / als ob man Laab aus einem Kälber-Magen hinein gethan hätte. Und auf eben diese Art verursachet die von der Haut abgewaschene Säure in dem mit Frauen-Flachs gekochten Wasser eine præcipitation, oder coagulation und Gelieverung. Auch thut dieses der Frauen-Flachs nicht alleine, sondern es gebrauchen auf gleiche Weise die Weiber an etlichen Orten auch andere Kräuter, die eben die operation haben, wie der Frauen-Flachs. Zum Exempel, um Dreßden nehmen sie ein Kraut, welches sie allda Szische nennen, dessen eigentlicher Nahme Zeisig-Kraut, lateinisch Sideritis, ist, und an andern Orten, als in Thüringen, Beruff-Kraut genennet wird. Und könte ich noch viele Kräuter von gleicher Würckung melden, wenn nicht ohnedem dieses Capitel über Vermuthen länger, als andere, worden wäre. Siehet demnach ein jedes hieraus klar, daß solche Beschwerlichkeit des Leibes ihren natürlichen Ursprung hat, und daß die Zusammenlauffung des Kräuter-Bades herkomme von der durch den Schweiß auf die Haut gelegte Schärffe. Und dieses begiebt sicht so wohl bey Kindern, als auch grossen Leuten: Wie denn schon im andern Capitel[22] erwehnet worden ist, daß die an denen Kindern zuweilen befindliche saltzige Stirnen nichts anders ist / als ein dergleichen angetrockneter Schweiß; welches die abergläubischen Weiber doch vor ein gewisses Zeichen des Beschreyens angeben wollen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 18-23.
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