Das 5. Capitel.
Wer viel Geld einzunehmen hat / der soll Kreyde darzu legen / so können böse Leute nichts davon wieder holen.

[23] Es ist an vielen Orten die Klage und gemeine Sage /daß es gewisse böse Leute gebe, welche die verdammte Kunst könten, daß, so sie einem Geld auszahleten / sie es nach und nach heimlich wieder holeten. Wodurch mancher ehrlicher Mann in unüberwindlichen Schaden gesetzt würde, (ohne daß er ergründen könne, aus was Ursachen, oder wie es zugehe) ja, es will an einigen Orten diese Beschwerung so gemeine werden, daß ich viel hundert Personen /die dessen Gewißheit behaupten wollen, aufzubringen wenig Mühe bedürffte, unter denen auch wohl welche von Condition und kluger Vernunfft sich finden. Dahero ich billich an der Wahrheit solcher Begebenheiten nicht zweiffeln solte. Wie ich denn auch nicht gäntzlich in Abrede seyn will / daß nicht GOtt zu weilen aus verborgenen Ursachen zulasse, daß durch die Kinder der Finsterniß, und durch Mitwürckung des Satans, als eines Tausend-Künstlers, dergleichen verborgene Dieberey[23] vorgehen könne. Jedoch ist mein ohnmaßgeblicher Rath, daß ein iedweder in dieser Meynung behutsamer gehe, daß ja nicht irgend eine ehrliche Person hierdurch unschuldiger Weise in bösen Verdacht gezogen werde. Denn der Teufel ist ein böser Schalck, der gar zu gerne siehet, wenn es geschehen kan, daß einem ehrlichen Menschen ein Schand-Fleck seines sonst guten Leumunds, angehenget wird. Und stehe ich meines Orts in denen Gedancken, daß unter zwantzig solchen obgemeldten Begebenheiten kaum zwey die Wahrheit zum Grunde haben. Die übrigen achtzehn aber, wenn man alles wohl untersuchete würden auf einen Irrthum oder andre natürliche Ursachen ankommen. Und ohnerachtet ich hierwider viel anzuführen getrauete / und die gantze Sache ziemlich verdächtig machen könnte, so will ich euch doch eben hierbey nicht aufhalten, sondern komme auf das vorgesetzte Propos, nehmlich die Kreyde / welche leider! hier zu einen Hülff-reichen Gott oder Göttin / weil es Generis Fœminini, von unbesonnen Leuten, gemacht wird; aber, o grosse Thorheit! meynet man denn, weil die Kreyde weiß ist, es werde der sonst schwartze Teufel darvor sich fürchten, weil viel Narren an Walburgs-Abend Creutze damit an die Thüren zu schreiben pflegen? Ach nein, den listigen Drachen dürffet ihr (so ferne ihr nicht desto mehr wollet von ihm betrogen werden) vor so einfältig und ohnmächtig nicht ansehen, er fraget nach keinen Widerstand, als nach dem, der von dem all mächtigen GOtt ihme gethan[24] wird; daß aber GOtt in ein Bißgen weisse Erde mehr Krafft, als in ein andächtig Vater-Unser gelegt habe, soll mich kein Engel vom Himmel bereden. Jedoch will ich auch melden, was ich vermuthe, daß der Kreide ihr Nutzen bey dem Gelde sey. Es ist allerdings gut, daß stets Kreide, Rödel / oder Wasserbley bey dem Geldeliege / dessen Hülffe geschiehet von allen dreyen auf eine Weise, nehmlich also: Wer Geld einnimmt, der thue erstlich vor allen Dingen die Augen recht auf, daß nicht Zwey- vor Vier-Groschen-Stücken, und grosse Groschen vor Zwey-Groschen-Stücken, oder sonst falsch Geld vor voll und gut, mit eingezehlet werde, wie denn mir selbst nicht nur ein hundert mahl begegnet ist, daß ich eine Post-Geld wohl 3mahl überzehlet, und habe zum vierdten mahl doch gefunden, oder es haben mir andere Leute gewiesen, (denn 4. Augen mehr observiren können, als zwey) daß ich mich geirret habe; hernach lege man Kreide / Wasserbley oder Rödel (das erste ist am beqvemsten) dabey, und schreibe fein fleißig und gewiß an, 1.) wie viel man des Geldes in sichere Hände empfangen, 2.) was für Sorten, 3.) von wem, 4.) wenn? alsdenn verwahre man das Geld an einem solchen Ort, daß nicht irgend ein ehebrecherisch, versoffen, oder vernascht Weib einen Schlüssel darzu finde, oder ein liederlicher Sohn, oder stoltze, faule, verhurte listige Tochter, oder auch diebisch Gesinde, heimlich etwas davon entwenden können. Endlich nehme man wieder Kreide, und schreibe fleißig auf, 1.) was man vom Gelde wieder[25] weggiebt 2.) wenn man es weggegeben / 3.) an wem es gezahlet, 4.) und wofür es geschehen sey /und sehe abermahl recht zu, daß man nicht mehr aufzehle als es seyn soll, denn Irren ist menschlich, und ist sehr leichte versehen. Auf diese Art rathe ich einem iedweden, Kreyde zu seinen Gelde zu legen, und versichere dabey, daß, wenn er mit Ernst dem lieben GOtt sich und sein gantzes Vermögen täglich empfiehlet / daß der Drach ihm in Ewigkeit keinen Dreyer weg holen wird, probatum est.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 23-26.
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