Das 41. Capitel.
Wenn eine schwangere Frau vor dem Brodt-Schrancke stehen bleibt und isset / so bekömmt das Kind / mit dem sie schwanger gehet / die Mit-Esser.

[75] Ich will hier nicht disputiren, ob es auch gewiß sey, daß etliche Kinder mit solchen Würmern in der Haut geplagt werden, die man insgemein die Mit-Esser, auch an vielen Orten die zehrenden Elben, zu nennen pfleget; sintemahl vornehme, gelehrte Männer in Untersuchung solcher Würmgen sehr weit gekommen zu seyn scheinen. Ich kan aber auch nicht umhin, frey zu bekennen, daß ohnerachtet ich mich offt bemühet, auch einige Gewißheit hiervon zu erblicken, ich doch niemahls etwas unbetrügliches vor meine Augen bekommen konnen; sondern ich habe vielmehr bey genauer Untersuchung observiret / daß die so genannten Mit-Esser, welche auf ein wenig Reiben mit Honig und Weitzen-Mehl zu der Zeit, wenn das Kind im warmen Bade lieget oder sitzet, in einer Minuten sollen aus der Haut gefahren seyn, nichts anders gewesen, als die subtilen Härlein, (derer die Kinder auf denen Aermgen, Achseln und Rücken voll sind,) an welche sich im Reiben das Weitzen-Mehl angekleistert hat, daß sie gestalt worden, als wie die Maden /und habe ich niemahls können gewahr werden, daß eines einen Augenblick gelebt hätte, ob gleich die grossen Weiber noch so ein groß Wesen davon machen wollen. Es sey nun aber, wie es wolle, so thut mirs hie nichts. Wäre es nun nicht also, daß dergleichen Mit-Esser bey denen Kindern gefunden würden, so kan ja auch nicht wahr seyn, daß durch[76] der Mutter Essen vor dem Brodt-Schrancke solche erreget werden solten. Ists aber Gegentheils wahr, daß es solche verzehrende Würmgen bey denen Kindern giebt, und was hiervon curieuse und gelehrte Männer observiret und aufgezeichnet haben, so dienet es mir eben auch zu einem Beweiß wider die abergläubischen Weiber. Denn da erwehnte gelehrte Männer und Medici zur Gnüge untersucht und erwiesen haben, woher solche Würmgen ihren Ursprung nehmen, so kan derer Ursprung nicht von der Mutter Essen vor dem Brodt-Schrancke herkommen. Zu dem so laufft es auch wider die gesunde Vernunfft, daß der Ort, wo die Mutter isset, eine Ursach werden könne, daß ihre Leibes-Frucht mit Würmern in der Haut solte beladen werden. Denn die Brodt-Schräncke stehen bald so, bald anders, nachdem es die Beqvemlichkeit des Logiaments an die Hand giebt. Also ist der Ort und Platz ungewiß, und kan solchergestalt keine Ursach machen; soll aber die Ursach aus dem Schrancke kommen, so müste es bloß um des Brodts oder Speise willen seyn, die darinnen verwahret würde, sonst würden alle andere Schräncke auch solche Würckung haben müssen. Soll aber das Brodt oder Speise solche Würckung haben, so muß folgen, daß das Brodt auch ausser dem Schrancke aller Orten, wo ein schwanger Weib isser / solche Würckung habe, und solchem nach wären alle Kinder mit denen Mit-Essern beschweret; daß solchem aber nicht so ist, lehret die tägliche Erfahrung, und ist derowegen dieser Glaubens-Punct gleich denen andern wurmicht.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 75-77.
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