Das 56. Capitel.
Wessen Schatten auf den Weyhnacht Heil. Abend /bey eingebrachten Lichte / keinen Kopff hat / der stirbt in selbigen Jahre.

[93] Das glaube ich. Und wer ohne Kopff zu Bette gehet /der ist des Teufels. Aber wo giebts denn dergleichen Krüpel? Vielleicht bey dem wütenden Heer? Natürlicher Weise sind aller Menschen Schatten zu allen Zeiten vollkommen, und ist das Vorgeben, daß eines Menschen Schatten am Weyhnacht Heil. Abend ohne Kopff erscheinen solle, eine offenbare Lüge. Das ist ja wahr, daß man mit zwey Lichtern gar leichte machen kan, daß eines Menschen Schatten ohne Kopff erscheinet, aber das kan man alle Tage thun und darff nicht eben am Weyhnacht-Abend geschehen. Und da es nun eine Sache ist, die sich durchs gantze Jahr zutragen kan, so darff sich keiner die Sorge machen, dessen Schatten am Christ-Abend, durch ohngefähr hierzu beqvem gesetzte zwey Lichter, ohne Kopff erscheinet, ob sey dieses eine gewisse Bedeutung seines Todes. Hingegen rathe ichs auch keinem, dessen Schatten gleich zweyköpffig erscheinen solte, (wie denn dergleichen Schatten eben auch durch zwey Lichter gemacht werden kan,) daß er um deßwillen vor dem Tode auf ein Jahr sicher zu seyn sich einbilden möge.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 93-94.
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