Das 57. Capitel.
In denen zwölff Christ-Nächten / nehmlich von Weyhnachten biß Heil. Drey-König Tag / soll man keine Erbsen / Linsen / oder andere Hülsen-Früchte essen / man bekömmt sonst selbiges Jahr die Krätze oder Schwären.

[94] Ihr Gläubigen solcher Fratzen, ich will euch erstlich eine Frage vorlegen, die löset mir auf, oder gebt mir gnügliche Antwort darauf, so will ich euerm Vorgeben auch Glauben zu stellen. Ihr wisset, daß wir nur noch vor 4. biß 5. Jahren den Julianischen oder alten Calender gebraucht haben, ietzt aber haben wir den so genannten verbesserten Calender. Nach diesem Stylo haben wir ietzt 11. Tage eher Weyhnachten, als nach dem alten, und sind dadurch nunmehr mit deren Papisten, was die Zeit anlanget, einig. Da wir den alten Calender noch hatten, fienget ihr am ersten Christ-Tage an, keine Hülsen-Früchte zu essen, zu welcher Zeit die Papisten ihre Zwölff-Nächte bald zu Ende gebracht hatten, und diese / nehmlich die Papisten /fiengen an ihrem ersten Weyhnacht-Feyertage auch an, die Hülsen-Früchte zu meiden / und waren zu der Zeit bald fertig, da ihr erst anhubet, und da ihr anhubt, die Hülsen-Früchte zu meiden, huben jene wie der an / solche zu essen. Nun sagt mir: Hieltet ihr, oder die Papisten die rechte Zeit? Woltet ihr sagen /ihr hättet die rechte Zeit gehalten, so[95] frage ich: Warum haltet ihr denn ietzt die Zeit mit den Papisten? Woltet ihr aber sagen, die neue Zeit sey recht; so saget mir doch auch, warum ihr denn so viel Secula her euch nach der alten Zeit gerichtet habt? Denn es kömmt ietzt auf die Zeit, und nicht auf die Religion an, weil ihr euch doch immer noch zu der reinen Lutherischen Religion bekennet; sonst möchtet ihr sagen, wie die Religion oder Glaube sey, darnach richtete sich auch die Zeit und dero Würckung, aber Krätze ist Krätze, und Schwären sind Schwären /ohne Religion, sie mag an einen Juden / Papisten, Calvinisten oder Lutheraner kommen. Dahero könnet ihr keine Entschuldigung einwenden, ihr seyd aber dennoch in der Thorheit und närrischen Einbildung dermassen noch zum Theil ersoffen, daß ihr (damit ihr ja nicht irren wollet) die alte und neue Zeit zusammen nehmet, und esset also in 23. Tagen keine Hülsen-Früchte. Die aber solches thun, geben nur ihre Thorheit desto mehr an den Tag. Denn alles, was man ohne Grund thut, das ist vergeblich. Uber dieses, so sagt mir / ob niemand keine Schwären oder Krätze bekömmt, als wer in Zwölff-Nächten hat Erbsen gessen? Ich glaube allerdings ja; denn die Erfahrung bezeugts. Was ist denn aber vor ein Unterscheid unter einem solchen, und unter einem, der Erbsen gegessen hat? Ihr müsset gestehen, daß kein Unterscheid sey: Ergò, so könnet ihr mir auch die Gewähre nicht geben / daß diejenige Krätze oder Schwären, so der bekömmt, der Erbsen gegessen hat, eben ihren Ursprung vom Erbsen-Essen haben[96] müsse, weil der, welcher keine gegessen hat, eben auch solchem Unheil unterworffen ist. Ehe ihr mir nun auf meine Fragen gnüglich antwortet, ehe glaube ich auch nicht, daß Erbsen und Linsen in den Zwölff-Nächten schädlicher, als zu anderer Zeit, seyn können.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 94-97.
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