Das 71. Capitel.
Wenn sich die Katzen in einem Hause beissen / wo iemand kranck liegt / so stirbt der Patiente bald.

[115] Daß dieses Vorgehen wider die Wahrheit streite, braucht wenig Beweiß; wiewohl einige Gelehrte die Ursach erzehlen wollen, warum[115] sich die Katzen gern in denen Wohnungen der Sterbenden einfänden. Aber ob ich gleich dieses nicht widerspreche, so ist dennoch gantz keine Folge zu machen, daß ein Patiente bald sterben werde, wenn sich die Katzen vor seinen Gemach beissen. Denn es beissen sich die Katzen ja an viel tausend Orten, wo keine Patienten sind, warum solten sie denn bey eines Patienten Gemach eine andere Bedeutung mit ihrem Geschrey und Beissen machen, als wenn es wo anders geschicht? Wenn ein zaghaffter Patiente diese Thorheit glauben wolte, und bissen sich vor seinem Zimmer die Katzen, ich frage einen ieden / wie solte einem solchen Patienten zu Muthe seyn? Ich glaube, daß dieses eine so hefftige Alteration und Gemüths-Kränckung bey ihm erwecken würde, daß er gar leichte des Todes drüber seyn könne, und dieses nicht um seiner an sich habenden Kranckheit / vielweniger um der Katzen Geschrey willen, sondern schlechterdings würde die närrische abergläubische Einbildung ihme eine Beförderung des Todes seyn. Dahero man sich vor solchen Narren-Possen wohl Ursach zu hüten hat.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 115-116.
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