Das 74. Capitel.
Wenn sich die Katze putzet / kömmt ein Gast.

[119] Das lasse mir einer eine subtile Erfindung seyn, dadurch die Katze zu einen Propheten[119] gemacht werden kan. Aber was wundere ich mich über die Katze? Im vorigen Capitel sahen wir einen leblosen Span oder Splitter; und davon ich gemeldet habe, wie daß die Weiber gemeiniglich die Stube scheuern und aufputzen, wenn sie Gäste vermuthen, dahero sich auch die Splitter von denen Thielen ablösen, und hernach desto mehr Anzeigung des bald kommenden Gasts geben sollen; also machen es die klugen Katzen auch, und putzen sich vorher, wenn ein Gast kommen soll. Schicken sich demnach solche kluge Thiere gar wohl zu denen klugen Weibern / welche aus übermäßiger Klugheit hinter die kleinen Töpffe hofiren, daß die grossen nicht umfallen. Die klugen Weiber observiren auch nicht nur alleine an der Katzen Putzen schlechterdings einen Gast, sondern auch, was es vor einer seyn werde; denn wenn sich die Katze mit der Pfote biß über die Ohren streichet, so sagen sie: Die Katze putzt sich biß über die Ohren, es kömmt ein Gast mit Stieffeln und Sporen. Ja, reime dich, oder ich freß dich! Daß ich euch poetische Damens aber nicht irre mache, so will ich euch zu Liebe noch ein paar solche Reinigen mittheilen, die eben auch so klingen, und euch allen noch nie bekannt sind, nehmlich, wenn die Katze sich unter dem Schwantze leckt, so beist es: Die Katze leckt sich unterm Zahl, es kömmt ein Gast, ist nackt und kahl. Die Katze putzet sich unter den Füssen, der Gast der kommt, ist sehr zerrissen. Item: Wenn die Katze eine Positur macht, wie ein Dudel-Sack, so beist es: Die Katze machet eine Sackpfeiffen, der Gast[120] wird unsre Jungfer begreiffen. (NB. das wird wohl ein Freyer seyn.) Verlast euch nur drauf, denn weil sichs reimet, so muß es auch eintreffen; und wenn ein aus dem Felde kommender nacketer und zerrissener Reuter, der Stiefeln und Sporen trägt, zu euch einqvartieret wird, der sich mit eurer Tochter in heimliche Bekanntschafft einlässet, so habt ihr einen Gast, an welchem alle vorgemeldte Qvalitäten zugleich zu finden sind. Dahero möget ihr von euern prophetischen Katzen halten, was ihr wollet, ich halte es nicht mit euch. Wenn sich aber die Katzen über die Ohren putzen, rühret solches, meines Erachtens, daher, wenn sie vorher mit dem Kopffe in einem Suppen Brey-oder mit Speise gefülleten Topffe gesteckt, u. sich damit besudelt haben, so setzen sie sich hernach in die Stube, und putzen sich wieder ab mit ihren geleckten Pfoten, biß sie fühlen, daß ihnen nichts mehr in denen Haaren auf dem Kopffe klebt. Wisset ihr aber eure Meynung besser zu behaupten, so thuts.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 119-121.
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