Das 78. Capitel.
Es ist nicht gut / wenn man die Spinnen umbringet.

[125] Manch Weib oder abergläubische Magd nähme nicht viel, und brächte eine Spinne um; und habe ich offt gesehen, daß die Spinnen ihnen sind über die Hände gelauffen, ja sie haben ihnen[125] gar über die Nase gesponnen, und dennoch haben sie die lieben Spinnen ohne Schaden passiren lassen, auch noch überdiß vor sie gebeten, wenn iemand anders sie umbringen wollen, und gesagt / sie brächten Glück. So gar sehr sind die abergläubische Närrinnen in solchen thörichten Possen ersoffen. Ich will ihnen aber sagen, woher die albere Meynung entsprungen sey: Es ist nicht gut, wenn man die Spinnen umbringet, das ist wahr, und GOtt selbst lässet es nicht ungestraftt, denn wer Menschen-Blut vergeust, des Blut soll wieder vergossen werden; die Spinnen aber, (nehmlich diejenigen, die Wolle oder Flachs spinnen,) sind Menschen; wer demnach die Spinnen umbringen wolte, der würde der Obrigkeitlichen Rache nicht entgehen. Und solcher gestalt ist es freylich nicht gut, wenn man die Spinnen umbringet; aber die Spinnen, welche als ein Ungeziefer die Logiamenter mit ihren Geweben verunzieren, mag man ohne einig Bedencken umbringen. Wiewohl ich auch einige gelehrte Männer kenne, welche solch Ungeziefer hegen, und keine Spinnewebe in ihren Studir-Stuben oder an deren Fenstern abkehren lassen /vorgebend, daß sich die einwollende Fliegen, welche ihnen die Bücher besudelten, in solchen Geweben fingen; aber ich halte es um deßwillen nicht mit ihnen, denn es siehet beydes nicht gar fein aus, und können die Bücher wohl auf andere Art vor denen Fliegen verwahret werden.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 125-126.
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