Das 86. Capitel.
Wenn eine Henne krähet / wie ein Hahn / so bedeutet es ein Unglück.

[136] Es ist bekannt, daß zuweilen die Hüner krähen, wie ein Hahn, und gemeiniglich, wenn sie voll Futter haben, und fett worden sind. Wenn denn dieses Krähen von einer Henne gemerckt wird, so wird es insgemein vor ein Prognosticon eines künfftigen Unglücks gehalten, und der Prophetin der Halß abgeschnitten. Ist eben nicht übel gethan; nur daß die dabey geführte Meynung unrecht ist: Denn daß die Henne durch ihr Krähen ein groß Unglück bezeigen solle, ist falsch, und bestehet das gantze Unglück im folgenden: Wenn die Hüner in vollem Futter stehen, und fett werden, legen sie keine Eyer mehr, sondern werden frech, und krähen / wie die Hähne,[136] und endlich, wenn man sie lange gehen lässet, wird aus ihrer Fettigkeit eine Kranckheit, und sterben wohl gar. Ist dahero nicht besser gethan, als daß man ihnen bey Zeiten die Hälse breche, und ist sonst kein ander Unglück zu besorgen, als daß man nun ins künfftige wenig Eyer mehr von solchen Hünern bekomme, und solchergestalt ihnen das Futter umsonst geben werde.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 136-137.
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