Das 87. Capitel.
Wer am Grünen-Donnerstage fastet / der ist selbiges Jahr frey vor dem Fieber; wer es aber schon hat / dem vergehet es alsobald.

[137] Es sind mehr Hülffs-Mittel wider das Fieber, als Tage im Jahre; wenn es aber soll an ein Helffen gehen, so heist es doch wohl: Es hilfft, so viel es kan. Das ist gewiß, daß das Fasten und Hungern das beste und sicherste Mittel wider das Fieber ist; wie ich mich denn selbst vieler erinnere, die sich mit Hunger gantz glücklich davon befreyet haben. Und ob wohl der abergläubische Wahn gemeiniglich geheget wird, daß man drey Freytage nach einander biß Abends nach der Sonnen Untergang müsse fasten, und gantz nüchtern bleiben; so will ich doch einen ieglichen gantz gewiß versichern, daß an den Tagen nichts gelegen ist, und mag an statt des Freytags ein anderer seyn. Und sonderlich wirds am besten seyn an solchen Tagen, da einen am meisten hungert, denn das ist gewiß, daß, wenn einer zu der Zeit fasten[137] wolte, wenn er ohnedem einen Eckel vor dem Essen hat, so wirds nichts helffen; daß aber das Grüne-Donnerstags-Fasten in specie ein remedium wider das Fieber seyn soll, ist die lautre Unwahrheit, und die daran gläuben, sind billig mit unter die Tage-Wehler, an welchen GOtt einen Greuel hat, zu rechnen, und nimmt mich Wunder, daß solche abergläubische Leute nicht lieber die Sonnabende zu Heilung derer Kranckheiten nehmen, weil Christus viele Kranckheiten am Sabbath-Tage oder Sonnabend geheilet hat?

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 137-138.
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