Das 94. Capitel.
Bey dem Schlaffen-gehen soll man nichts auf dem Tische liegen lassen.

[148] Warum aber nicht? Antwort: Es kan sonst das älteste oder das jüngste im Hause nicht schlaffen. Ob nun zwar diese Meynung mit unter die Aberglauben gerathen ist, weil insgemein davor gehalten wird, es habe dasjenige, was des Abends auf dem Tische liegen bleibet, schlechterdings die Krafft, das älteste oder das jüngste aus der Ruhe zu bringen; so ist dennoch auch mehr[148] zu rathen, als abzuwehren, daß alle Abend der Tisch abgeräumet werde, weil es eine Verrichtung ist, welche billig zu einer guten und ordentlichen Haußhaltung mit gehöret. Nicht, als ob ich vor wahr hielte, daß hierdurch das Kind oder der Haußwirth besser ruhen werde: Denn dieses ist schlechterdings nicht wahr; sondern weil es nicht fein stehet, daß alles auf dem Tische in Unordnung liegen bleibet, wiewohl es auch zuweilen geschicht, daß aus Vergessenheit etwas auf dem Tische liegen bleibet, woran dem Wirthe wohl was sonderlichs gelegen ist, und wenn er sich im Bette darauf besinnet, macht es ihm Sorge /und benimmt ihm solchergestalt den Schlaff. Dahero wäre ich auch diesen Punct gern gar vorbey gegangen, wenn nicht mit geglaubet würde, das jüngste oder älteste könne nicht ruhen. Denn was das jüngste soll mit den auf dem Tisch liegenden Sachen zu thun haben, daß es nicht ruhen könne, kan ich nicht ersinnen, es müste denn von der Kinder Puppen-Werck herrühren.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 148-149.
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