Das 95. Capitel.
Wenn eine Sechswöchnerin zur Kirche gehet / kan sie mercken / ob sie ins künfftige werde einen Sohn oder Tochter / oder gar kein Kind mehr bekommen.

[149] Wenn der Kirch-Gängerin eine Manns-Person begegnet, soll sie einen Sohn, wenn ihr aber eine Weibs-Person begegnet, eine Tochter ins künfftige wieder bekommen; begegnet ihr aber niemand, soll sie auch kein Kind mehr bekommen; [149] item, wenn ihr zwey Personen zugleich begegnen, soll sie Zwillinge kriegen. Was aber von dieser Sache zu halten sey, kan ein Vernünfftiger leicht errathen, und trifft so gewiß ein, als wie das ietzt sehr im Schwange gehende punctiren. Wie offt wird sichs zutragen, daß niemand einer solchen zur Kirche gehenden Wöchnerin begegnet, und sie dennoch wieder schwanger wird, und Kinder gebieret? Ja es geschicht offt, daß ihrer dreye biß viere mit einander gehend ihr begegnen, und sie bekömmt wohl gar kein Kind mehr, oder doch nur eines / auch wohl nicht einmahl des Geschlechts, wie die gewesen, welche ihr begegnet sind, daß also dieses kindische Weiber-Fürgeben vor ungewiß ist. Ernsthaffte und verständige Weiber werden auch ohnedem dieses nur als einen Schertz annehmen; die albern abergläubischen aber setzen grosse Hoffnung auf solche Possen, und wenn es ohngefehr etwan einmahl zutrifft, wie sie sich haben eingebildet / ey da sind sie hernach in ihren Gedancken der Sache so gewiß, daß sie zur andern Zeit wohl gar Wetten drüber anstellen / es werde so oder so werden.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 149-150.
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