Das 96. Capitel.
Wer früh nüchtern nieset kriegt selbigen Tag etwas geschencket, oder bekömmt den Schnupffen.

[150] Dieses kan wohl eintreffen; denn weil das Niesen ein Anzeichen des Schnupffens ist, so wird insgemein auf solch natürlich Niesen, das nicht mit Fleiß durch Schnupff-Tobac erreget worden ist der Schnupffen folgen. Zum andern begiebt sichs auch täglich, daß einer dem andern etwas giebt, und solte es auch nur ein Apffel, Birn oder dergleichen schlecht. Ding[150] seyn, daß demnach das erste gemeiniglich, samt den letzten erfolget. Mag also einer früh nüchtern, oder Nachmittage voller und satterweise niesen, so wird gewöhnlicher massen der Schnupffen darauf erfolgen. Was aber das Geschencke anlanget, so ist darauf wegen des Niesens gar nicht zu reflectiren. Denn was ohnedem alltäglich sich zuträgt, kan ja nicht durch eine gewisse Begebenheit vorbedeutet werden, und kömmt so einfältig heraus, als wenn ich spräche: Ich habe heute früh als ich bin aufgestanden, gehustet, ich werde entweder den Husten kriegen, oder trincke heute Bier. Eben so alber und lächerig ist das Vorgeben mit dem nüchtern Niesen auch.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 150-151.
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