Lebens-Geschicht der unglücklichen [146] Charlotte Sophie van Bredal.

Ich bin unter 11. Kindern meiner Eltern das jüngste, und deren erste und letzte Tochter, denn meine Vorgänger sind lauter Söhne gewesen, deren ich bey meiner Abreise noch 8. lebendig gesehen. Mein Vater trieb zwar die Handlung, hatte aber wenig Mittel, weßwegen er alles sehr genau einfädeln[146] muste, denn bey einer solchen starcken Familie wurden, wie leicht zu erachten, auch starcke Ausgaben erfodert, zumahlen da sich kein eintziger von meinen Brüdern zur Handlung appliciren, sondern ein jeder viel lieber ein Handwerck lernen wolte, weßwegen mein Vater fremder Leute Kinder zu Jungen und Handels-Dienern annehmen muste. Ich will mich aber hiebey nicht lange aufhalten, sondern nur von meiner eigenen Person erwehnen, daß, da ich kaum das 13te Jahr erreichte, mich einige Leute vor schön ausgeben wolten; dannenhero fanden sich fast täglich nicht nur die Söhne der reichsten Kauff-Leute, sondern auch weit Vornehmere, bey meinen Brüdern ein, um zu schauen, ob bey mir etwas schönes anzutreffen wäre. Ich weiß nicht, was dieser oder jener gefunden, doch bekam ich bald von diesem, bald von jenem, nicht nur die verliebtesten Briefe, sondern auch verschiedene Galanterie-Waaren.

Ich armes Kind wuste gar nicht, was dieses zu bedeuten haben solte, klagete es derowegen meiner Mutter, und zeigete ihr alles offenhertzig, welche darzu lächelte, und sagte: Meine Tochter! zerreiß die Narren-Briefe, die Geschencke aber kanst du als ein Andencken aufheben, damit es die Personen, so sie dir geschickt, nicht vor einen Hochmuth auslegen, inzwischen entziehe dich ihrer aller Gesellschafft, so viel du kanst, und mache dich mit niemanden familiair, er sey so reich als er immer wolle.

Ich folgte meiner Mutter Lehren, kam aber bald in das Geschrey, als ob ich mir auf meinen Spiegel etwas einbildete, und gewaltig eigensinnig wäre.[147] Dem ohngeacht gaben sich die reichsten und vornehmsten Junggesellen viele Mühe, sich in meine Gunst zu setzen, allein, ich fühlete damahls in meinem Hertzen noch nicht den geringsten Trieb zur Liebe, ob schon mein 15tes Lebens-Jahr bey nahe verstrichen war. Wie man mich aber um selbige Zeit schon vor mannbar halten wolte, so meldete sich eben dieser, bereits ziemlich bejahrte Kauffmann Dostart, bey meinem Vater, und hielt um mich an. Mein Vater mochte zwar wohl den grossen Unterscheid unserer Jahre betrachtet haben, indem ich die 1. vor der 5. er dieselbe aber bereits hinter derselben hatte, weil er aber ein sehr wohl bemittelter Mann, auch ohne Kinder und andere Erben war, so wurde mir gar bald angetragen, denselben zu meinem künfftigen Ehe-Manne zu erwählen.

Ich hätte des Todes seyn mögen über diese Anmuthung, indem ich mich selbst noch ein Kind zu seyn schätzte; wurde aber um so viel desto mehr bestürtzt, da meine Mutter selbst, dieses Seil mit zu ziehen, anfing, und mir nicht allein zu dieser Heyrath rieth, sondern auch die besten Lehren gab, wie ich mich künfftig hin im Ehe-Stande zu verhalten hätte. Bey so gestalten Sachen aber, war meine erste Ausrede, daß ich mich als ein Kind noch unmöglich zum Heyrathen resolviren könte, solte es aber ja mit der Zeit einmahl geschehen, so würde ich gewiß meine Freyheit nicht an einen solchen alten eigensinnigen Mann verkauffen, denn es fänden sich ja wohl noch jüngere und geschickte Manns-Personen, ob sie gleich nicht so viel Mittel hätten, als der alte Dostart. Das redete ich so in meiner Einfalt aus aufrichtigen[148] Hertzen her, da ich aber auf meiner Eltern ferneres Vorstellen und Zureden immer bey dieser Meinung blieb, wurde mein Vater endlich gestrenger, gab mir auch Dostarts wegen einmahl würcklich ein paar Ohrfeigen, wodurch sich denn die Liebe um so viel weniger wolte aufwecken lassen, hergegen ein würcklicher Haß bey mir gegen diesen Mann erwuchs. Bey dem allen aber liessen meine Eltern nicht ab, mir die Lust zum Heyrathen, und sonderlich zu diesem eckelhafften Manne einzuflössen, welchen letztern ich aber durchaus nicht leiden konte, weßwegen mein Vater endlich Mine machte, mich mit Gewalt zu dieser widerwärtigen Heyrath zu zwingen. Viele Leute hatten Mitleiden mit mir, da die Sache Stadt-kündig wurde; eines Tages aber, da ich mit zweyen von meinen Brüdern von einer Befreundin in ihren Garten eingeladen war, fand sich unter andern jungen Leuten beyderley Geschlechts, welche, um die Lust vollkommen zu machen, Music bestellet hatten, auch eines Kauffmanns Sohn dabey ein, den ich zwar öffters von ferne gesehen, aber Zeit-Lebens noch kein Wort mit ihm gesprochen hatte. Er hieß Emanuel van Steen, war sehr wohl gebildet und gut gewachsen, voritzo aber zeigte sein gantzes Wesen etwas melancholisches an, denn er machte sich gar kein Vergnügen aus der Music, sondern ließ die andern schertzen und tantzen, kam also mit meinem Humeur vollkommen überein, denn ich konte diesen Tag ohnmöglich lustig seyn. Um aber von der lustigen Compagnie, die so wohl ihn als mich zum öfftern vexirte, abzukommen, ging er auf jene Seite des[149] Gartens weit darvon spatziren herum, ich aber ging mit einem alten Befreundten auf dieser Seite, und redete von verschiedenen Sachen mit demselben, biß endlich meine Befreundtin den van Steen an der Hand zu mir geführet brachte, und sagte: Ich kan kein besser Werck stifften, als wenn ich jene bey ihrer Lust lasse, und diese beyden Mißvergnügten zusammen bringe, vielleicht kan eins das andere trösten. Demnach brachte sie uns zusa en in eine grüne Laube, blieb erstlich eine Weile da, ging aber, unter dem Vorwande einiger Verrichtungen, hinweg, und ließ mich mit dem van Steen gantz alleine sitzen. Dieser fing unter niedergeschlagenen Augen zu sprechen an: Mademoiselle, warum nehmen dann sie keinen Theil an den Lustbarkeiten bey der Music? Monsieur, antwortete ich, mir ist selbsten nicht bewust, warum ich heute keinen Appetit zu dergleichen Lustbarkeiten habe, da ich doch sonst keine Verächterin, sondern vielmehr eine grosse Liebhaberin der Music bin. Ich wolte, sagte er weiter, die Ursach dessen wohl errathen, kan aber versichern, daß derjenige Kummer, welcher Sie, mich gedoppelt quälet. Ich wüste eben nicht, versetzte ich, was mich vor ein besonderer Kummer quälete. Ich weiß es aber wohl, versetzte er, bitte nur, meine Frey müthigkeit nicht im üblen zu vermercken, wenn ich sage, daß wohl nichts anders, als die verdrüßliche Heyrath, welche sie gezwungener Weise mit dem Dostart eingehen sollen, Schuld daran ist, derowegen laboriren wir an einer Kranckheit, und zwar ich gedoppelt, weiln diejenige Person, welche ich mir ausersehen, nunmehro schon in eines andern Armen[150] liegt, und ich von meinen Eltern ebenfalls, so wie sie, bestürmet werde, eine zwar reiche, aber desto häßlichere Ehe-Gattin zu erwählen.

Wie nun ich mich ziemlich bey diesen Reden betroffen fand, so konte nicht gleich mit einer geschickten Antwort fertig werden, weßwegen er nochmahls zu fragen anfing: Habe ich nicht Recht, Mademoiselle, daß wir beyde fast einerley Schicksal haben? Mein Herr! gab ich zur Antwort, meine Noth haben sie wohl errathen, weil dieselbe kein Geheimniß mehr ist, wiewohl es soll mich keine menschliche Gewalt zu einer widerwärtigen Heyrath zwingen; von ihren Affairen aber habe nicht die geringste Wissenschafft. Er fing hierauf an, mir eine weitläufftige Erzählung von seiner Liebes-Geschicht mit der Helena Leards zu machen, welche ich aber nur kurtz fassen, und so viel davon melden will, daß er dieselbe, ob sie gleich nicht sonderlich schön von Gesicht, jedoch eines lebhafften Geistes und sonst guter Gestalt, vor andern Frauenzimmer geliebt, auch Hoffnung bekommen hätte, von ihr keinen Korb zu erhalten, allein, die Eltern auf beyden Seiten hätten in diese Heyrath nicht willigen wollen, und also wäre Helena vor wenig Wochen an einen Procurator verheyrathet worden. Er hingegen solte bloß nach dem Willen seiner Eltern die Catharina van Nerding heyrathen, welche ihm doch so starck zuwider wäre, als der blasse Tod.

Indem wir nun meine Befreundtin von ferne auf uns zukommen sahen, brach er seinen fernern Gespräche ab, und sagte nur noch dieses: Mademoiselle, die dritte Ursache meiner heutigen Unruhe[151] will ich ihnen, wo es mir erlaubt ist, Morgen schrifftlich melden, denn ich mercke, daß wenig Gelegenheit heute seyn wird, unsern Discours fortzuführen. Ich konte hierauf nicht antworten, weiln nicht allein meine Befreundtin, sondern auch andere von der Compagnie schon so nahe da waren, und zu nöthigen nicht abliessen, biß wir mit ihnen zur andern Gesellschafft gingen, welche das Tantzen bereits eingestellet hatte, und nur einer angenehmen Music zuhörete, worbey einige Arien gesungen wurden. Mit anbrechender Demmerung machte ich den Aufbruch, konte aber dem van Steen nicht abschlagen, mich in Begleitung meiner Brüder nach Hause zu führen, welche ihn auf morgenden Tag zu sich in unser Hauß nöthigten, weiln ohnedem unsere Eltern zu einem Hochzeit-Schmause fahren wolten. Van Steen stellete sich, versprochener massen, um gehörige Zeit ein, meine Brüder hatten unter sich und vor die darzu erbetenen Gäste ein Lust-Spiel angestellet, ehe sich aber van Steen in selbiges einließ, passete er die Gelegenheit ab, mir einen Brief in die Hände zu practiciren, dessen Inhalt dieser war: wie er als ein vollkommener aufrichtiger Mensch zwar nicht leugnen könte, daß er seit wenig Jahren seine Augen auf die Helena geworffen, allein, es wäre dieses zu einer solchen Zeit geschehen, da er nicht gewust, daß meine Gestalt und gantzes Wesen (seinen Schreiben nach) weit angenehmer, vollkommener und Liebens-würdiger sey, als der Helenæ. Hierbey that er mir einen förmlichen Liebes-Antrag, und versicherte, daferne ich mich wolte erbitten und bewegen lassen,[152] statt des alten Dostarts, ihn, den van Steen, zum Liebsten anzunehmen, er es mit guter Manier und Beyhülffe meiner eigenen Eltern, in kurtzen dahin bringen wolte, daß wir ein paar Ehe-Leute würden. Anderer beygefügten Schweicheleyen oder verliebten Thorheiten zu geschweigen, will nur dieses berühren, daß er einen starcken Eyd-Schwur angehängt habe, wie er nicht gesonnen, mich hinter das Licht zu führen, sondern lauter redliche Absichten hätte, indem er gestern gleich auf das erste mahl, als er mich gesehen, die Helena gantz vergessen, und nach fernerweit eingezogener Kundschafft wegen meiner Aufführung, vollkommen in mich verliebt worden.

Er war, wie schon gemeldet, ein schöner, artiger und wohl conduisirter Mensch von aussen anzusehen, darum fühlete ich von Stund an in meinem Hertzen viele zärtliche Regungen gegen ihm, so bald er dessen vergewissert war, addressirte er sich an meine Eltern, und da er noch mehr Vermögen als der alte Dostart zu hoffen, sein Vater auch ohnverhofft mit dem alten van Nerding zerfiel, und dieser mein Liebhaber, Emanuel, bey solcher Gelegenheit zu verstehen gegeben, daß er nunmehro keine andere als mich zur Ehe haben, wiedrigenfals in die weite Welt gehen, und nimmermehr wieder kommen wolte, wurden seine und meine Eltern mit einander einig, wir mit einander versprochen, und der alte Dostart bekam den Korb, unter dem Vorwande, daß ich ihn so wenig lieben, als mich mein Vater darzu zwingen könte.

Inmittelst war unser Hochzeit-Fest noch auf[153] etliche Wochen hinaus geschoben, mein Bräutigam hatte öffters Gelegenheit, etliche Stunden gantz alleine bey mir zu seyn, derowegen begunte er immer dreuster zu werden, muthete mir auch solche Dinge zu, von welchen ich zu der Zeit noch gantz und gar keine Wissenschafft hatte. Wenn ich ihm nun dieserwegen eine eintzige scheele Mine machte, kam er zuweilen in 8. Tagen nicht wieder, so lange biß ihm etwa der Rummel vergangen war, hernach stellete er sich aber desto freundlicher, that jedoch immer neue Ansuchung, ihm seinen lasterhafften Willen zu erfüllen, welches jedoch von mir durchaus nicht zu erlangen war, denn bey so gestalten Sachen kehrete ich mich wenig an sein Kommen und Hinweggehen, hätte auch fast lieber gesehen, er wäre gar nicht wieder gekommen. Mittlerweile nahete unser bestimmter Hochzeit-Tag heran, mein Bräutigam war 8. Tage, seinem Sagen nach, verreiset gewesen, kam aber des zweyten Abends vorhero wieder zu Hause, und in meines Vaters Hauß, da eben mein Vater ein paar gute Freunde bey sich hatte, und mit ihnen in der Charte spielete. Nachdem mich nun mein Schatz, vielleicht aus falschen Hertzen, ein wenig becomplimentiret, ließ er sich mit ins Spiel ein, bath sich aber aus, daß ich auch neben ihn sitzen, und seine Cassa führen möchte. Auf Befehl meines Vaters gehorsamete ich, er spielete biß ohngefähr halb 12. Uhr mit Lust, hernach zohe er seine Uhr heraus, wurde auf einmahl verdrüßlich, und sagte, daß es nunmehro Zeit wäre, nach Hause zu gehen, indem er sehr müde von der Reise sey. Ich vermerckte, daß er mit der Uhr ein Billet heraus[154] zog, und selbiges ohne sein Vermercken auf den Boden fallen ließ, weßwegen ich mein Schnupff-Tuch darauf warff, und beydes zugleich aufnahm. Mein Schatz wurde dieses nicht gewahr, sondern eilete hurtig fort, ich aber verfügte mich auch geschwind in meine Schlaff-Cammer, wickelte das versiegelt gewesene Billet auf, und fand darinnen folgende Worte, welche ich auswendig gelernet, auch nimmermehr vergessen werde:


Mein Allerliebster!


Vier Nächte habt ihr zu meinem grösten Vergnügen bey mir zugebracht, aber wo dann die 3. darauf folgenden? Bey eurer Liebsten nicht, das weiß ich gewiß, und wolte wohl errathen wo sonsten. Allein, ich will voritzo die Liebe mehr als die Eifersucht über mich herrschen lassen, und bitten, daß ihr mir die Gefälligkeit erzeiget, und puncto 12. Uhr zu mir kommet, denn die Thür ist offen, und alles wohl bestellet, weil mein Wiedersacher wenigstens in 3. Tagen nicht wieder kömmt. Vergnüget nur mich, und das, was ihr mir unter das Hertze verschafft habt, diese Nacht noch einmahl zu guter letzte, weil ich doch wohl glaube, daß ihr nachhero von eurer Liebste nicht viel werdet abkommen können. Setzet dem Stöhrer unseres Vergnügens noch ein rechtschaffenes Horn auf, ehe ihr selbst in die Sclaverey gerathet, welche ich so wohl als mein[155] eigenes Schicksal täglich beweine, denn ihr wisset, daß ich bin einmahl wie immer


Eure

Getreue.


Wiewohl ich nun von Liebes-Intriquen wenige oder gar keine Wissenschafft hatte, so verursachte mir doch dieses Schreiben ein schmertzhafftes Nachsinnen, da es aber schon ziemlich späte, legte ich mich gleich zu Bette, und war erstlich so glücklich, daß mir ein baldiger süsser Schlaff die unruhigen Gedancken vertrieb, hernach so unglücklich, daß die Hand einer Manns-Person zum ersten mahle meine Brust begriff, worauf so gleich ein Kuß folgte. Ich fuhr so gleich in die Höhe, u. fing an zu schreyen, konte aber vor Angst keinen lauten Thon von mir geben. Indem nahm mich jemand bey der Hand, u. sagte: Um Gottes willen, Mademoiselle, schreyen sie nicht, ich bin Dero allergetreuester Knecht, und habe mich in diese Gefahr bloß allein darum gewagt, ihnen ein Geheimniß zu eröffnen, worauf die Glückseeligkeit ihres gantzen Lebens beruhet. Nunmehro erkannte ich wohl an der Sprache, daß es niemand anders sey, als unser Handels-Diener Rackhuysen, riß derowegen meine Hand zurück, und sagte: Welcher Satan hat euch Verwegenen in meine Cammer geführet? Kein Satan, antworte er, sondern die Treue und Redlichkeit gegen ihre Person und gantze Familie; wo habe ich anders Gelegenheit finden können, mit ihnen ohne Verdacht in Geheim zu sprechen, und ihnen mit Wahrheit zu offenbaren: Daß ihr Liebster, mit dem sie[156] übermorgen copulirt werden sollen, der allerlasterhaffteste und lüderlichste Mensch von der Welt ist. Denn er hat nicht nur 4. gantzer Tage und Nacht bey der Helena versteckt gelegen, sondern nachhero noch 3. Nacht bey einer Jedermanns- zugebracht, und voritzo weiß ich gewiß, und will meinen Kopff zum Pfande setzen, daß er wiederum bey der Helena im Bette liegt, denn ihr Mann ist verreiset, und sie hat ihn zu sich bestellet.

Ey! sagte ich, lasset ihn liegen wo er will, und retirirt euch aus meiner Cammer. O Himmel! wiederredete er, wie können sie sich so gnädig vor einen unwürdigen und so undanckbar vor einen getreuen Men schen erzeigen? Ich weiß nicht alles, was er mehr vorbrachte, doch bey so viel durch einander her lauffenden Affecten wuste ich nicht, ob ich hörete oder nicht, biß Rackhuysen endlich vermeynete, ich thäte solches mit allem Fleisse, und mich nicht nur küssen, sondern sich auch mehrerer Freyheit gebrauchen wolte; Allein, ich fing plötzlich überlaut an zu schreyen, weßwegen er sich wieder durch das Fenster, da er herein gestiegen war, zurück begeben wolte, allein, er mochte mit seinen Kleidern inwendig an einem Hacken hangen bleiben, weßwegen mein Vater, der mit dem Capital-Schlüssel meine Cammer so gleich eröffnete, und nebst meiner Mutter mit dem Lichte hinein trat, ihn annoch antraffen, und nur froh waren, daß er, ohne den Halß zu brechen, auf der angelegten Leiter glücklich herunter kam. Ich erzählete meinen Eltern den Frevel dieses Menschen, so wohl als die gantze Geschicht meines Bräutigams, zeigte den gefundenen Brief, und[157] sagte: Liebster Vater! allem Ansehen nach, hat das Verhängniß beschlossen, mich Arme durch das Heyrathen unglücklich zu machen. Er laß den Brief mit ziemlicher Bestürtzung, wuste aber gar bald, ein ander Mittel zu erfinden, indem er sagte: Meine Tochter! das ist eine falsche Charte, euer Bräutigam ist unschuldig, aber Rackhuysen ist ein Schelm, und hat ohnfehlbar die gantze Sache auf die Art eingerichtet, auch diesen falschen Brieff gemacht, denn ich habe vermerckt, daß er sich vorigen Abend immer etwas um den van Steen zu thun gemacht hat, kehret euch an nichts, ich will genaue Kundschafft darauf legen, wo euer Bräutigam diese Nacht zugebracht hat, der frevele Rackhuysen aber soll, so bald der Tag anbricht, zum Hause hinaus.

Demnach wurde ich begütiget, und um desto sicherer zu schlaffen, muste sich meiner Mutter Aufwarte-Mägdgen zu mir in die Cammer legen. Früh Morgens vor Tage, hatte sich Rackhuysen mit allen seinen Sachen schon aus dem Staube gemacht, worüber mein Vater sich etwas verdrüßlich stellete, allein, es mochte eben sein harter Ernst nicht seyn, mitlerweile machte er mir weiß, er hätte gleich auf der Stunde nach meines Bräutigams Behausung geschickt, und erfahren, daß derselbe unschuldig, auch gerades Wegs nach Hause gegangen, und von unserm Jungen in seinem Bette vest schlaffend angetroffen worden. Ich glaubte meinem Vater zu Gefallen alles, was er mir vorredete, erfuhr aber wenige Zeit hernach besser, daß mein Vater so gleich 3. Schild-Wächter ausgeschickt,[158] welche den van Steen selbiges Morgens früh bey anbrechenden Tage, aus der Helenæ Behausung hatten heraus kommen sehen.

Inzwischen stellete sich van Steen, des, auf diese fatale Nacht folgenden Tages, gleich nach der Mittags-Mahlzeit bey uns ein. Mein Vater empfing ihn sehr freundlich, um keinen Spuck in die Hochzeit, welche Morgen vor sich gehen solte, zu machen, oder weil er glaubte, daß wenn wir nur erstlich beysammen wären, van Steen seine Extra-Gänge von selbsten unterlassen würde. Mir begegnete van Steen ungemein zärtlich und verliebt, weßwegen ich fast selbst auf die Gedancken gerieth: daß er unschuldig wäre, und ihm also das vermeyntlich angethane Unrecht in meinem Hertzen abbath, auch ihn von nun an recht vollkommen zu lieben anfing, und solchergestalt trat ich folgendes Tages ziemlich ruhig und vergnügt in den Eh-Stands-Orden, wurde auch nachhero so wohl von meinen Schwieger-Eltern, als dem Scheine nach, von meinem Manne recht hertzlich geliebt, ja die erstern betheureten hoch, daß es ihnen nunmehro tausendmahl angenehmer wäre, mich an statt der Helena zur Schwieger-Tochter zu haben, mein Mann aber begegnete mir im Anfange etliche Monate dergestalt liebreich, daß ich nicht in dem geringsten Stücke über ihn zu klagen hatte, auch war er bey unserer neu angelegten Handelschafft dergestallt fleißig, daß seine, so wohl als meine Eltern nebst mir ein vollkommenes Vergnügen darüber fanden. Allein, ehe noch das erste Jahr verging, legte er sich auf die schlimme Seite, fing an murrisch und verdrüßlich[159] zu werden, bekümmerte sich um die Handlung so wenig als um den Haußhalt, ging fleißig zum Truncke und in die Spiel-Häuser, kam entweder gar nicht, oder doch des Nachts sehr betruncken nach Hause, und brach die Ursach vom Zaune, Zanck und Streit anzufangen. Ich begegnete seinem wunderlichen Humeur mit aller Höflichkeit, kam aber doch öffters plötzlich mit ihm unvermuthet in hefftigen Wort-Streit, so, daß er mich dann und wann im Eifer sehr übel tractirete, weiln aber, wie bekandt, in unserm Lande ein Frauenzimmer grosses Recht hat, schlugen sich zu vielen mahlen beyderseits Eltern darzwischen, und versöhneten uns wieder mit einander, damit die Sache nicht zu Weitläufftigkeiten und übler Nachrede ausschlagen möchte.

Mir war nichts weniger in die Gedancken gekommen, als daß die Helena die eintzige Ursach in meinem Unglück wäre, allein, nach gerade kam ich darhinter, daß er diese Bestie, welche ihm vielleicht einen Liebes-Trunck gegeben haben mochte, annoch bey allen Gelegenheiten aufs zärtlichste caressirte, und so offt es sich schickte, Nacht-Visiten bey derselben abstattete, so lange biß ihn endlich ihr Mann bey derselben ertappet, und ehe es Tag wurde, sehr zerschlagen und verwundet nach Hause bringen ließ.

Mein Mann machte mir weiß: Daß er unter eine Compagnie falscher Spieler gerathen, und von ihnen so übel zugerichtet worden wäre; welches ich denn anfänglich glaubete, allein, die wahrhaffte Historie wurde bald Stadt-kundig, welches sich denn seine und meine Eltern, sonderlich aber ich,[160] uns sehr zu Gemüthe zogen, jedoch ich ließ mich nicht gegen ihn mercken, das ich dieses vor eine gerechte Straffe erkennete, sondern begegnete ihm mit aller Freundlichkeit, in Hoffnung, daß er sich von nun an bessern würde, welches er denn auch allem Ansehen nach that, und eine lange Zeit gar nicht aus dem Hause ging. Da ihm aber nach und nach der Appetit zur lustigen Compagnie und andere Ausschweiffungen wieder ankam, ging er wieder Tag vor Tag aus, kam aber mehrentheils sehr mißvergnügt nach Hause, indem er wegen gemeldter Historie fast in allen Compagnien aufgezogen und geschraubt worden, derowegen mochte er mehrentheils dieserwegen auf die Desperation gerathen, mit einem andern Kauffmanne in Compagnie und selbsten die Reise nach Ost-Indien anzutreten, in Hoffnung, daß währender Zeit seines Abseyns, seine Geschichten würden vergessen und den Leuten neuere Mähren in den Mund gelegt werden.

So wohl seine als meine Eltern waren mit dieser Resolution hertzlich zufrieden, und ohngeacht ich die letzte war, so davon Wissenschafft bekam, gab ich doch nicht allein meinen Willen drein, sondern ließ mich auch bereden, mit ihm zu reisen, weiln er vorgab, daß er ohne mich nicht leben könte. Die Haupt-Ursache war, ihn von der aus Geilheit und sonsten allerley Boßheit zusammengesetzten Helena abzubringen, alles vergangene zu vergessen, und nunmehro unser Ehe-Band desto vester und angenehmer zu verknüpffen. Allein, wir hatten, nachdem wir zu Schiffe gegangen, kaum die äuserste Spitze von Europa, nehmlich das Capo[161] de S. Vincente aus den Augen verlohren, da wir von einem Saléeischen See-Räuber (ich weiß nicht unter was vor Vorwand, denn die Holländer stunden dazumahl mit dem Kayser von Maracco gantz wohl) attaquiret und zu Sclaven gemacht wurden. Mein Mann stellete sich bey diesem Unglück sehr kläglich, ich aber wurde darüber gar ohnmächtig, und kam nicht eher zu mir selber, biß ich mich Tags darauf in der Gesellschafft einiger Mohren-Weiber befand.

Wie mir da zu Muthe gewesen, werdet ihr, mein Herr van Blac, selbsten zu beurtheilen wissen, allein, ich hatte nicht viel Zeit, meinem Schicksale nachzudencken, indem ich in Gesellschaft einiger Mohren-Weiber alsofort nach Mequinez an den Kayserl. Hof geschafft wurde, auch mir gefallen lassen muste, Tag und Nacht zu reisen. Man brachte mich bald darauf zu dem Kayser Muley Ismaël, welchem der Räuber mit meiner Person ein Present gemacht hatte, und welches auch sehr wohl von ihm aufgenommen wurde, denn er hatte, wie mir nachhero gesagt worden, so gleich befohlen, mich unter die Zahl seiner Kebs-Weiber zu versetzen. Es wurde mir ein properes Apartement nebst verschiedenen Cabinetten und Cammern angewiesen, die Tractamenten waren königlich, von Aufwärtern aber hatte ich mehr um mich, als ich gebrauchte, und um mich leiden konte.

Der Kayser that mir in den ersten Tagen (seiner Meynung nach, und wie ich von andern hörete) die besondere Gnade, mich in meinen Apartement, welches ich, so propre es auch war, dennoch vor[162] einen verfluchten Käffig hielt, persönlich zu besuchen, fand mich aber in der grösten Betrübniß, er küssete meine Hände und die Stirne mit Gewalt, den Mund aber verührete er nicht, sondern ließ nur sein Schnupff-Tuch zurücke, welches er mir über die Schulter legte, und sogleich wieder fort ging. Ich wuste damahls noch nicht, was dieses zu bedeuten hatte, legte selbiges auf den Tisch, und danckte dem Himmel, daß der alte Greiß wieder fort gegangen war; indem bekam ich die Visite von einer andern seiner Kebs-Weiber, welche eine gebohrne Französin war, und sich in der Welt ziemlich herum getummelt haben mochte. Diese gratulirte mir gleich Anfangs zu der Ehre, daß ich diese Nacht zum ersten mahle bey dem Kayser schlaffen solte. Ich gab zur Antwort, daß ich davon nichts wüste, auch mich ni ermehr darzu verstehen würde, wenn es gleich mein Leben kosten solte. Ach mein Hertz, sagte diese, läugnet nur gegen mich nichts, denn ich weiß es schon, und sehe zu allem Uberflusse, daß des Kaysers Schnupff-Tuch auf eurem Tische liegt, welches die Haupt-Marque ist, daß ihr diese Nacht an seiner Seite liegen müsset. Verflucht wäre diese Marque, versetzte ich, mich bringet niemand dahin, und solte ich mich ehe in Oele sieden lassen. Ja! war ihre Gegenrede, anfänglich war ich auch der Meynung, allein, nachhero bin ich doch überwunden worden.

Unter diesem unsern Gespräche kam ein Officier von den Verschnittenen, überbrachte mir ein sauberes Kästlein, nebst der Ordre, daß ich mich diese Nacht gefast halten solte, zu dem Kayser abgeholet[163] zu werden. Ich wuste vor Erschrecken keine Antwort zu geben, der Verschnittene aber mochte glauben, daß ich wegen der besondern Ehre und Gnade dergestalt bestürtzt wäre, ging also ohngesäumt seiner Wege.

Habe ich es nicht gesagt, sprach die Französin, daß es seine Richtigkeit hätte, und also ko en würde? Ihr seyd glücklicher als ich, denn ich habe viel länger auf diese Gnade warten müssen. Verflucht ist diese Gnade, war meine Antwort, und ehe ich mich darzu bequeme, soll, noch ehe man mich aus diesen Zimmer bringt, ein Messer in meinem Hertzen stecken. O! schrye die Französin, wer wolte so wunderlich seyn in der Welt, es erfordert der Menschen Schuldigkeit, sich in ihr Verhängniß schicken zu lernen. Was sich nicht will ändern lassen, muß man mit Gedult umfassen. Einmahl vor allemahl haben wir, so lange dieser alte Kayser lebt, keine Erlösung zu hoffen, denn er ist viel zu eigensinnig, daß er eine von seinen Kebs-Weibern in Freyheit stellete, und warum solte ich nicht mich überwinden können, binnen 6. 8. oder wohl mehr Monaten, einmahl bey einem solchen alten Manne zu liegen, welcher nicht einmahl mehr thun kan, was er gerne will.

Ich hörete aus diesen und noch mehr andern Worten, welche ich mich zu sagen schäme, nur allzuwohl, weß Geistes Kind diese Französische Dame, und daß sie gar keine Kost-Verächterin wäre, es möchte gleich Christe, Heyde, Jude oder Türcke über sie kommen, denn sie hatte den guten Glauben, daß alle solche Leute ebenfalls Menschen wären wie wir.[164]

Inzwischen überredete sie mich, mein überschickt bekommenes Kästlein zu eröffnen, worinnen sich denn 3000. Stück Zechinen nebst verschiedenen Kleinodien und allerhand Geschmeide befanden, welches alles ihr denn mehr als mir in die Augen leuchtete, so, daß sie sagte: Madame! ich nähme nur 100. Zechinen, und schlieffe diese Nacht vor euch bey dem Kayser. Mir kam gleich ein glücklicher Einfall in den Kopff, derowegen sagte ich: Madame, nicht hundert, sondern tausend will ich euch zahlen, woferne ihr mich durch eine kluge List von meinem Tode wenigstens noch auf einige Zeit befreyen wollet; denn, wie schon gesagt, lebendiger und gutwilliger Weise lasse ich mich nimmermehr an eines Unchristen Seite legen, sondern will mich viel lieber enthaupten lassen, so wie er es bereits vielen andern vor mir gemacht hat.

Ich höre, sehe und spüre wohl, sagte die Französin, daß ihr so eigensinnig als schöne seyd, ich hätte mich vor 6. Jahren auch nicht darzu verstanden, wenn mir mein Leben nicht allzu lieb gewesen wäre, allein, da ich es ein und etliche mahl gezwungener Weise habe thun müssen, so ist nunmehro nichts weiter daraus zu machen, und da ich zumahlen seit länger als einem Jahre her von dem Kayser fast gäntzlich zurück gesetzt worden bin, will ich euch zum Vergnügen, ihm aber zum Possen einmahl einen lustigen Streich spielen, und diese Nacht, statt eurer mit verhülleten Haupte, wie gewöhnlich ist, zu ihm gehen, denn die Mahometaner pflegen des Nachts das Werck der Liebe nicht bey brennendem Lichte zu verrichten. Es gehet auch die Sache darum[165] vortrefflich wohl an, weil wir beyde, durch unsere Cammer-Thüren alle Augenblicke zusammen kommen, und uns solchergestalt in den Personen leicht verwechseln können. Ich wuste vor innerlichen Freuden nicht, was ich auf diesen Antrag sagen solte, sondern ging nur hin, zahlete ihr 1000. Zechinen, und versprach noch ein mehreres zu thun, wenn sie meine Stelle vertreten und alles wohl ausrichten würde. Sie nahm zwar den Beutel mit dem Golde an, bath mich aber, denselben so lange in meiner Verwahrung zu behalten, biß sie mit anbrechendem Tage glücklich wieder zurück käme, im übrigen würde es Zeit seyn, daß wir in eine Cammer gingen, und die Kleider mit einander verwechselten, denn die Verschnittenen würden bald kommen, und mich abholen wollen. Es geschahe auch! denn wir waren kaum fertig, als sich diese Unholden vor der Thür meldeten, an statt meiner aber die Französin, welche sich la Galere nennete, zum Kayser führeten.

In meine Augen kam diese gantze Nacht kein Schlaf, denn ich meynete immer, der Betrug würde offenbar werden, allein, so bald als der Tag anbrechen wolte, kam la Galere wieder zurück, und erzählete mit grösten Freuden, daß der Betrug glücklich abgelauffen, und der Kayser sehr vergnügt gewesen wäre; die übrigen Umstände, welche ich mich selbst von ihr anzuhören schämete, will ich vor euren züchtigen Ohren verschweigen.

Sie, la Galere, hatte schon vorigen Abend eine ziemliche Quantität von dem schönsten Griechischen Weine (der mir zum Present geschickt worden) zu[166] sich genommen, bath sich derowegen nach wohl ausgerichteter Sache noch ein eintzig Gläßgen aus, tranck aber eine gantze Bouteille. Ich gönnte ihr so wohl dieses als andere lieber, als mir selbst, da ich aber merckte, daß sie den Schwindel bekam, brachte ich sie selbst zu Bette, und legte mich auch zur Ruhe. Mein Schlaff währete fast bis gegen Mittag, da mir denn meine zugegebene Mohren-Sclavin berichtete, daß ein Officier nebst 2. Verschnittenen bereits über 2. Stunden vor der Thür gewartet hätten, um mir ein Geschenck von dem Kayser zu überbringen; Derowegen kleidete ich mich hurtig an, ließ den Officier herein kommen, welcher mir den Morgen-Gruß vom Kayser überbrachte, anbey vermeldete, daß der Kayser sehr wohl mit mir zufrieden wäre, und mir nicht nur zur Erfrischung allerhand Delicatessen, sondern auch noch ein besonderes Kästlein schickte. Dieses letztere lieferte er mir selbst in meine Hände, ich aber gab ihm benebst einem Geschencke von 50. Zechinen seine Abfertigung. Um die Victualien bekümmerte ich mich wenig, weiln ohnedem alles bekam, was ich nur foderte, da aber das versiegelte Kästlein eröffnete, fand ich abermahls nebst 3000. Zechinen, ein kostbares Halß- und Arm-Geschmeide, wie auch einen Finger-Ring darinnen, welcher wegen der darein versetzten Diamanten wenigsten 1000. Zechinen werth ist.

Bey meinem damahligen grossen Unglück konte ich mich dennoch des Lachens nicht erwehren, daß eine andere die schändliche Arbeit verrichtet, ich aber den starcken Profit davon gezogen hätte. La Galere[167] erfuhr von diesem allen nichts, weil sie viel zu lange geschlaffen hatte, jedennoch, weil ich glaubte, daß es vielleicht die Noth erfordern möchte, sie noch öffters solchergestalt in meinem Nahmen zu verschicken, machte ich ihr, da sie wieder zu mir kam, noch ein starckes Present an Gelde, Galanterie-Waaren und andern Delicatessen, über dieses nahm ich sie zu meiner vertrautesten Freundin an, und wir sassen beständig beysammen, indem ich zur selben Zeit noch mit niemand Holländisch, mit dieser aber Französisch sprechen konte.

Ich müste mehr als 24. Stunden Zeit haben, wenn ich meine Geschichte mit allen behörigen Umständen erzählen solte, derowegen will nur so viel sagen, daß die la Galere meine Person und die gantze Tragœdie dergestalt wohl gespielet hat, daß weder der Kayser, noch die Verschnittenen, nicht das geringste davon gemerckt, und obschon ich den grösten Gewinst davon hatte, so ließ ich sie doch nicht leer ausgehen, sondern gab ihr, was billig war, habe auch niemahls vermerckt, daß sie übel mit mir zufrieden gewesen wäre.

Ein eintziges mahl, da der Kayser einige von seinen Kebs-Weibern in den Garten beruffen ließ, bekam er einen plötzlichen Appetit, mich in ein geheimes Cabinet zu führen, jedoch da ich ihm mit einer ernsthafften Mine versicherte, daß ich es verschworen hätte, und mich eher umbringen lassen wolte, als bey hellen lichten Tage dergleichen zu thun, küßte er mich auf den Mund, und gab sich zufrieden. Dieses ist auch der erste und letzte Kuß gewesen, den ich von ihm empfangen, und gezwungener Weise[168] habe leiden müssen, folgende Nacht aber muste meine la Galere wieder fort, und er mochte viel wissen, was er hatte, denn man sagte mir, daß er allezeit sehr betruncken zu Bette ginge.

Mittlerweile hatte ich zwar erfahren, daß man einen jungen Holländer dem Kayser zum Sclaven und Pagen vorgestellet, ich konte aber nicht so glücklich werden, euch, mein werther Herr van Blac, zu Gesichte zu bekommen, biß ich, eben zu der Zeit, da ihr eure großmüthige Rede vor dem Kayser ablegtet, nebst noch 5. andern der vornehmsten Kebs-Weiber des Kaysers, die wir zusammen in das Neben-Zimmer beruffen worden, euch nicht allein zu hören, sondern auch das erste mahl zu sehen das Glück hatte.

So bald der Kayser mit dem Kisler-Aga und andern Ministern in das Neben-Zimmer eintrat, fragte er, was uns bedeuchte bey diesem verwegenen Christen? Indem nun ich vermerckte, daß er diesen Tag wenig oder gar keine Galle im Magen hatte, wagte ich es plötzlich, fiel ihm zu Fusse, und sagte: Großmächtigster Kayser! ich bitte um Gnade vor diesen elenden Fremdling, in Betrachtung dessen, daß er eine Europäische Standes-Person und mein Lands-Mann ist. Die andern 5. Kebs-Weiber fielen ebenfalls neben mir nieder, und stimmeten meinen Bitten bey, ob sie schon keine Holländerinnen, aber doch auch aus Europa gebürtig waren.

Der Himmel mochte das Hertz dieses sonst ungemein grausam gewesenen Tyrannen voritzo besonders dahin lencken, daß er mir zum Zeichen der[169] Erhörung meiner Bitte, seinen in Händen habenden Stab aufs Haupt legte, die Hand reichte, mithin aufzustehen nöthigte. Nach diesen wurde zwar noch eine Probe eurer Beständigkeit gemacht, welche ich mit zitterenden Hertzen ansahe, denn mir war immer bange, ihr würdet euch durch das Schrecken vor dem Tode, auf andere Gedancken bringen lassen, allein, meine Freude war hernach desto grösser, da ich verspürete, und augenscheinlich sahe, daß ihr in eurer Resolution unbeweglich waret. Da nun mein Hertze im voraus andeutete, daß ihr ohnfehlbar, das, mir vom Himmel zugeschickte Rüst- und Werck-Zeug, seyn würdet, meine Person, Ehre und Leben zu erretten, und mich aus diesem verfluchten Lande hinweg zu führen, machte ich mir den Kummer eben nicht gar zu groß, da ich nur erstlich erfuhr, in was vor ein Gefängniß man euch brachte, indem ich die stärckste Hoffnung hatte, euch mit nächsten daraus zu erlösen.

Ihr wisset, (sagte hier die Madame van Bredal,) die Anstalten, die ich hierzu gemacht, aus unsern vorigen Gesprächen vielleicht schon zur Gnüge, derowegen will, weil es ohnedem sehr spät ist, vor dieses mahl den Schluß meiner Erzählung machen, jedoch werdet ihr Morgen, wenn Dostart kömmt, vielleicht schon ein mehreres von meinem Verhängnisse zu vernehmen kriegen, hiermit nahm sie gute Nacht von mir, legte sich in ihr Cabinet, ich aber mich hinter die Spanische Wand schlaffen.

Folgendes Morgens kam Dostart zu bestimmter Zeit, der Caffée stund schon parat, ich aber hielt mich in ihrem Cabinet versteckt und verborgen auf.[170] Er begegnete ihr ungemein höflich und freundlich, worauf sie gar bald mit einander ins Gespräch geriethen, da sie ihm denn alle ihre Begebenheiten, seit der Abreise von Holland, wie sie in die Sclaverey gerathen, wie es ihr darinnen ergangen, und endlich, auf was vor Art sie aus derselben befreyet worden, auch wie sie nicht nur so glücklich gewesen, ein ziemliches Vermögen, sondern, welches das Haupt-Stück, ihre Ehre unverletzt wieder mit zurück zu bringen. Hierbey vergaß sie denn auch nicht, ihm meine gantze Geschicht und die ihr geleisteten Dienste bey der Befreyung zu melden. Dostart, welchem ich durch einen Ritz in die Augen sehen konte, war hierüber sehr Verwunderungsvoll, stattete bey der van Bredal nochmahls seine Gratulation ab, fing aber hernach also zu reden an: Madame, es ist an dem, daß sie in ihren besten Jahren die bösesten Fata gehabt, ihre Schönheit und Tugend hätte freylich ein besseres Schicksal verdienet, aber dem Himmel sey gedanckt, daß nur das schlimmste vorbey ist, aus dem übrigen wolte ich ihnen wohl rathen, sich keinen besondern Kummer zuziehen, denn – – – –

Wie er nun solchergestalt in seinen Reden auf einmahl inne hielt, sagte die van Bredal: Nun so sagen sie mir doch, mein Herr Dostart, was ich ohngefähr, wenn ich in mein Vaterland komme, vor mir finden werde. Madame, gab er zur Antwort, ich will ihnen aufrichtig sagen, was so wohl Freunde als Feinde von ihrer und ihres Mannes Geschichten judiciren. Es ist gleich Anfangs jedermann bekannt gewesen, daß ihr Mann, der van[171] Steen, von Jugend auf mit der Helena ein geheimes Liebes-Verständniß, und zwar dergestalt gehabt, daß beyden ohnmöglich gewesen, von einander zu lassen, ohngeacht sich beyde nachhero mit andern Personen verheyrathen musten.

Dem van Steen hielt es die gantze Welt vor übel, daß er, ohngeacht er an euch eine weit schönere, tugendhafftere und Liebens-würdigere Frau bekommen, als die Helena war, er dennoch diese weit höher als euch schätzte. Von seinen Ausschweiffungen und gefährlichen Unternehmungen werdet ihr zwar wohl vieles, aber doch wohl nicht so viel, als ich, wissen. Allein, davon will ich voritzo nichts mehr gedencken, sondern nur so viel sagen, daß die allermeisten Leute, so um den gantzen Handel gewust, glauben, er habe euch, als seine Frau, auf Anstifften der Helenæ, gutwillig unter die Barbarn verkaufft, und sich nur pro forma mit gefangen nehmen lassen, weil zu seiner baldigen Wieder-Erlösung schon vorhero gute Anstalten gemacht gewesen. Ihr waret mit eurem Manne kaum etliche Monat hinweg, als euer Unglück in Leuwarden schon Stadt-kundig wurde, eures Mannes Compagnon reisete also nach, um so wohl ihn als euch loß zu kauffen, und dieser war kaum wenig Wochen hinweg, als der Helenæ Mann, da er eines Tages sehr früh eine Reise angetreten, unterwegs vom Pferde gefallen, und gleich auf der Stelle todt geblieben war. Es wurde zwar ausgestreuet, als ob ihn ein plötzlicher und hefftiger Schlag-Fluß gerühret hätte, allein, die Klügsten glaubten, und zwar nicht ohne Grund, daß ihm Helena selbst ein subtiles Gifft beygebracht,[172] indem er seit der Zeit, da er nicht nur euren Mann, sondern auch noch andere zu verdächtigen Zeiten bey ihr angetroffen, sehr unvergnügt mit ihr gelebt hatte.

Dem sey nun wie ihm sey, weil der Helena nichts besonderes zu erweisen stund, so wurde auch keine Untersuchung angestellet, sie war dem Scheine nach sehr betrübt über diesen Unglücks-Fall, ließ sich aber bald durch solche Tröster trösten, die nur ihren Zuspruch des Nachts bey ihr thaten. Kaum war ihr Trauer-Jahr verflossen, als euer Mann, aus der Gefangen schafft erlöset, wieder zurück kam, und selbst public machte, daß ihr unter die Zahl der Kebs-Weiber des Kaysers von Marocco wäret versetzt worden, weßwegen er nun zwar sehr kläglich that, doch nachhero deßhalber viele Zeugen abhören ließ, welche alle einhellig aussagten, daß an eure Rantzion nicht zu gedencken wäre, und wenn man auch etliche Millionen daran wenden wolte, und solchergestalt bekam der van Steen, euer Mann, bald die Erlaubniß, sich wiederum anderwerts zu verheyrathen. Man hatte noch nicht eben erfahren, daß er nach seiner Zurückkunfft bey der Helena aus- oder eingegangen wäre, als es plötzlich ruchtbar wurde, daß er mit derselben Verlöbniß gehalten, sich auch, ohne viel Zeit zu verlieren, in aller Stille mit derselben trauen ließ.

Kurtz zu sagen, van Steen lebte vergnügt mit seiner neuen Ehe-Gattin, und da er einsmahls in einer Compagnie, wo ich auch eben gegenwärtig, gefragt wurde: Was er denn aber machen wolte, wenn nun seine erste Frau ein Mittel fände, denen[173] Barbarn zu entwischen und wieder zu ihm käme? gab er zur Antwort: Ich will ihr ihre Befreyung hertzlich gern gönnen, wolte auch mit einem guten Stück Gelde darzu behülfflich seyn, wenn dieselbe auszuwürcken stünde, allein, in mein Ehe-Bette soll sie nicht wieder kommen, und wenn sie ein gantzes Orlogs-Schiff mit Golde, Perlen und Edelgesteinen mitbrächte, denn wer wolte mir zumuthen: eine von den Barbarn geschändete Person wieder anzunehmen, ohngeacht ich sie, vor der Zeit, und sonderlich, so lange sie meine Ehe-Frau gewesen, hertzlich geliebt habe.

Wie dieses, Madame! eure Eltern wieder erfuhren, zohen sie es sich dergestalt zu Gemüthe, daß sie Bettlägerig wurden, und binnen 4. Wochen alle beyde sturben. Inzwischen ist euch doch euer Erbtheil bis auf eine gewisse Zeit ausgesetzt, und ein Curator darüber bestellet worden, welches ihr, so bald als ihr kommet, werdet heben können, inzwischen halte das vor euer gröstes Glück, daß ihr mit dem van Steen, welcher euerer Person niemahls würdig gewesen, keine Kinder gezeugt habt.

Hiermit beschloß Dostart seine Erzählung, und fragte nur noch dieses: Was meynet ihr nun, Madame, bey diesen Geschichten, und wie wollet ihr die Sachen mit eurem ungetreuen Manne anstellen? Die van Bredal hatte die meiste Zeit unter seinem Erzählen geweinet, konte derowegen auch itzo vor Thränen noch nicht gleich antwortten, doch endlich sagte sie: Was will ich anders machen, als meine Sache dem Himmel befehlen, ich will den van Steen gantz nicht in seinem Vergnügen stöhren,[174] wenn er nur mir mein weniges eingebrachtes Gut wieder zurück giebt, will er solches auch nicht thun, so ist es mein geringster Kummer, denn es wird sich schon so viel finden, daß ich nach hero an einem andern guten Orte, als eine einsame Wittbe, reputirlich biß an mein Ende leben kan. Nein, Madame! versetzte Dostart hierauf, das sind nicht die rechten Wege, sondern van Steen muß erstlich besser vexirt werden, das ist wohl gewiß, daß er sich von seiner Helena nicht trennen und euch wieder annehmen wird, allein, was wäre euch auch mit einem solchen ungetreuen und lasterhafften Menschen gedienet, der seine Extra Gänge niemahls unterlassen kan, und bey welchen ihr eures Lebens so wenig sicher seyn, als Vergnügen mit ihm haben würdet. Darum ist meine Meynung, daß die Sachen so gespielet werden, daß ihr ordentlich von ihm geschieden werdet, und dabey ebenfalls die Freyheit erlanget, zu heyrathen, wem ihr wollet. Hiernächst wird er euch nicht allein euer eingebrachtes Gut wieder zurück geben, sondern annoch mit einem Stücke Gelde heraus rücken müssen, denn er allein ist ja Schuld, daß ihr in die Sclaverey gerathen; warum hat er euch nicht zu Hause in Sicherheit gelassen. Ich wolte tausend Thaler darauf verwetten, die Sache binnen wenig Monaten auf solchen Fuß zu setzen, bin auch bereit, alle Kosten, so auf diesen Process lauffen möchten, herzuschiessen, und nichts wieder zurück zu verlangen, daferne er Fehl schlagen solte, jedoch müste vorhero wissen, ob, wenn ihr erstlich von dem van Steen geschieden, ich hernach euer Hertz erlangen, und euch[175] in mein Ehe- Bette zu führen, das Glück haben solte, welches Glück ihr mir vor einigen Jahren nicht gegönnet, binnen der Zeit aber wohl 1000. mahl vergnügter gelebt hättet. Jedoch wer weiß, ob nicht der Himmel dieses alles darum geschehen lassen, daß wir dennoch ein paar Ehe-Leute werden, und vergnügt mir einander leben sollen, denn ich kan euch versichern, Madame! daß mich das Glück, Zeit eures Abwesens, wenigstens um 10000. Thlr. reicher gemacht hat, mein voriger Zustand aber ist euch von Jugend auf bekandt gewesen. Die van Bredal wurde über diesen Antrag ungemein bestürtzt, ich aber hätte im Cabinet vor Gifft und Galle bersten mögen, wolte mich aber doch nicht regen, sondern hörete, daß die van Bredal also antwortete: Mein Herr! ich bin ihnen sehr verbunden vor die gute Zuneigung, indem ich von Jugend auf vermerckt, daß sie ein guter Freund von meinem Vater gewesen sind. Können sie nun etwas zu meinem Vortheil stifften, wird es mir höchst angenehm seyn, jedoch in Kosten will ich sie nicht setzen, sondern, wo es ja zum Processe, zwischen mir und meinem gewesenen Manne, kommen solte, alles selbst herschiessen, auch vor ihre Mühe besonders erkäntlich seyn; allein, ob ich mich, wenn ich auch gleich nach der Scheidung, die Erlaubniß erhalten, mich zum andern mahle zu verheyrathen, hierzu resolviren könte, solches glaube ich schwerlich, sondern halte davor, daß ich nicht besser thun werde, als an einem frembden Orte mein Leben in stiller Ruhe zuzubringen,

Das wäre ewig Schade, versetzte Dostart hierauf,[176] wenn ihr, dem ungetreuen Steen zu Gefallen, eure besten Jahre solchergestalt zubringen woltet, vielmehr thut ihr besser, wenn ihr durch eine anderweite profitable Heyrath, ihm einen Wurm in das Hertz setzet, denn es ist gar nicht zu zweiffeln, daß er in wenig Jahren empfinden wird, was er sich vor eine Ehe-Gattin ausgesucht, und was er in eurer Person von sich gestossen und verlohren. Mein Herr! sagte hierauf die van Bredal, hiervon wird sich nachhero ein mehreres sprechen lassen, wenn ich erstlich in meiner Vater-Stadt angelangt bin, voritzo bedaure nichts mehr, als daß mich nicht im Stande befinde, euch zu einer guten Mittags-Mahlzeit einzuladen, denn weil ich, die gantze Nacht über, sehr schwach gewesen bin, mein Reise-Gefährte aber in seinen Affairen ausgegangen, und anderswo speisen wird, habe nichts als ein wenig Suppe vor mich bestellen lassen, will mir aber die Ehre auf ein ander mahl ausgebeten haben.

Ich, sagte hier Mons. van Blac, war erfreuet, diese Worte zu hören; Dostart hätte zwar wohl mit gantz geringen Tractamenten vorlieb genommen, wenn nicht die van Bredal, unter Vorschützung gewaltiger Kopff-Schmertzen, die fernern Complimenten vergessen, und ihrem Mägdgen geruffen hätte. Er bath sich demnach das Vergnügen aus, sie bald wieder besuchen zu dürffen, und nahm seinen höflichen Abschied, erlösete mich mithin aus meiner kleinen Gefangenschafft. Mir war, ich weiß selbsten nicht wie, zu Muthe, und weiß auch nicht, was ich der van Bredal, auf eine und andere an mich gethane Fragen, geantwortet habe;[177] konte aber meine Verwirrung nicht besser verbergen, als daß ich mich von ihr auf eine kurtze Zeit beurlaubte, unter dem Vorwande: zu sehen, ob die Wirthin die Mahlzeit bald auftragen wolte, indem mich sehr hungerte.

Diese war gleich bereit, wir setzten uns zu Tische, und speiseten. Die van Bredal war betrübt, und ließ öffters Thränen fallen, ich aber blieb ebenfalls in meiner entstandenen Verwirrung, so, daß vielleicht wenig Worte würden seyn gewechselt worden, wenn nicht ein fremder Knabe angekommen wäre, und der van Bredal, einen versiegelten Brief überbracht, denselben aber niemand anders, als ihr selbst, in die Hände geben wollen. Sie ging in gröster Verwunderung hin, und ließ sich denselben geben, hieß den Bringer desselben warten, und sagte zu mir: Wo wird der Brief anders her kommen, als vom Dostart? Da sie denselben aber erbrochen, und gelesen, schüttelte sie den Kopff, und reichte mir den Brief, mit Bitte, ihn gleichfals zu lesen, wie mich nun dessen auf vielfältiges Nöthigen nicht entbrechen konte, so fand ihn, meines Behalts, ohngefähr also gesetzt:


Madame!


Es ist zwar nicht zu zweiffeln, daß Dieselben annoch vielleicht einen alten Groll in Dero Hertzen gegen meine Person tragen könten, allein, weiln das, was vor einigen Jahren zwischen uns vorgegangen, aus keinem Frevel, sondern, Seiten meiner, aus einer besondern Treue und allzu hefftiger Liebe gegen Dero schöne Person, geschehen; so bitte[178] gehorsamst, daß mir diesen Nachmittag, um eine selbst beliebige Stunde, möchte erlaubt werden, auf kurtze Zeit meine Aufwartung bey Ihnen zu machen, um nicht nur meinen ehemahls begangenen Fehler zu depreciren, sondern ausserdem, einige geheime Nachrichten zu geben, woran Ihnen allerdings sehr viel gelegen seyn möchte. Könte es seyn, daß wir beyde allein und ohne andere Zuhörer wären, so würde vielleicht desto dreuster heraus sagen können, wer der Urheber Ihres bißherigen Ungemachs gewesen, und wie Sie vor der Hand, Dero Affairen, itzigen Umständen nach etwa einzurichten, am besten thäten. In Erwartung einiger Antworts-Zeilen bin


Madame

le vôtre

Rackhuysen.


Ich gab nach Verlesung des Briefs denselben mit einer lächlenden Mine wieder zurück, sagte aber kein Wort darzu, weßwegen sie von selbsten anfing, und im Fortgehen sprach: Ich werde mich dieser Visite entschlagen, und vorgeben, daß ich heute Zuspruch von Frauenzimmer hätte. Madam! rieff ich ihr nach, bedencken sie wohl, was sie thun, bey ihren delicaten Affairen müssen sie itzo viel anhören, so wohl von ein und andern Umständen, als von guten, Rathschlägen, damit sie hernach sich desto besser darnach richten, und das beste auslesen können. Es ist wohl wahr, replicirte sie, ging hierauf ins Cabinet, und schrieb folgende Antworts-Zeilen zurück:


[179] Monsieur!


Mir soll eben nicht zuwider seyn, wenn Sie diesen Mittag um 3. Uhr mich besuchen wollen, indem niemand als meine Magd zugegen seyn wird, welche von meinen Unglücks-Fällen ohnedem nichts weiß, um 5. Uhr habe mich aber versprochen, einem gewissen Frauenzimmer, mit welchem ich vor wenig Tagen bekannt worden, eine Visite zu geben. Wäre Dero Brief ein paar Stunden eher kommen, so hätte diese biß Morgen verschieben können; übrigens bin


vôtre Amie.


Ich muste diese ihre Antwort, ehe sie selbige dem Knaben zurück gab, auch erstlich lesen, worauf sie zu sagen anfing! Ihr werdet doch, Mons. van Blac, nur die Gefälligkeit erweisen, und diesen Mittag abermahls ein oder längstens zwey Stunden ein Gefangener seyn? Madame! antwortete ich, es kan ihnen doch wenigen Vortheil bringen, wenn ich gleich alles, was ihnen gesagt wird, mit anhöre, derowegen wolte lieber ausbitten, mir zu erlauben, daß ein wenig dürffte Spatziren ausgehen. Wenn ihr ausgehen wollet, sagte sie, so gehe ich auch aus dem Hause, der Kerl mag kommen oder nicht, denn sein Reden wird mir ohnedem wenig nützen, da ich schon mehr erfahren habe, als mir lieb ist.

Indem ich nun merckte, daß sie von neuen zu weinen anfangen wolte, erzeigte ich mich gefälliger, und sagte: Madame! ich will ihnen gehorsamen, und zu Hause bleiben, weiln vermercke, daß ihnen etwas daran gelegen, und gewiß, es kan nicht undienlich[180] seyn, wenn sie anhören, was auch dieser vorgiebt. Der Wirthin Ankunfft verstöhrete uns in unserm Gespräch, und wir liessen uns gefallen, nach eingenommener Mittags-Mahlzeit mit in ihren Garten zu spatziren, allwo wir uns biß gegen 3. Uhren aufhielten, hernach wiederum in unser Zimmer gingen, und ich mich, so bald die Magd den Herrn Rackhuysen meldete, ins Cabinet versteckte.

Dieser Monsieur stellete sich anfänglich sehr submiss, deprecirte sein ehemahliges Verbrechen in einer sehr langen Oration, welche er ohnfehlbar Abends vorhero aufgeschrieben, und die gantze Nacht, auch wohl den gantzen Vormittag, selbige auswendig zu lernen, angewendet haben mochte. Nachhero erzählete er eben diejenigen Geschichte, welche Dostart erzählet hatte, jedoch mit vielen Zusätzen, welche nun wohl wahr, oder erdichtet seyn konten. Endlich machte er auch seinen Schluß auf die Art, wie Dostart, und schlug vor, daß, wenn die Madame van Bredal sich obligiren wolte, ihn, der sie von Jugend auf Hertz-inniglich geliebt, zu heyrathen, so wäre er im Stande, nicht allein die Ehe-Scheidung mit ihrem ohnedem schon verheyratheten Manne, sondern auch ihr vollkommenes Glück auf dieser Welt zu befördern, indem er nicht allein in Ost-Indien ein grosses Gut erworben hätte, sondern ihm auch Zeit seiner Abwesenheit eine Erbschafft von 12. biß 16000. Thlr. zugefallen wäre, als welches letztere er nur erstlich itzo allhier in Lissabon erfahren.

Die van Bredal gab ihm noch eine weit kaltsinnigere[181] Antwort als dem alten Dostart, weßwegen er mit allerhand hochtrabenden, theils auch niederträchtigen verliebten Worten und Narrens-Possen aufgezogen kam, welche ich dergestalt belachte, daß mich fast selbst darüber vergaß, endlich aber mir die 2 Susannen Brüder in meinen Gedancken vorstellete deren Personen voritzo allhier Dostart und Rackhuysen accurat præsentirten.

Indem ich aber in diesen Gedancken verwickelt war, entstund ein kleiner Tumult, weßwegen ich durch den Ritz guckte, und wahrnahm, daß Mons. Rackhuysen die Dame par forçe küssen wolte, sie wehrete sich nach ihren äusersten Vermögen, allein, er ward ihrer mächtig, und warff sie auf einen im Winckel stehenden Schlaf-Stuhl, kehrete sich daran nicht, daß sie ihn mit den Nägeln ins Gesicht und ziemlich blutrünstig gekratzt hatte, sondern wolte über das Küssen noch etwas mehreres versuchen, indem er ihr den Mund mit seinem Schnupff-Tuche zuhielte, und die tröstlichen Worte darzu gebrauchte: Stille, Madame, was die Barbarn von ihnen genossen haben, können sie ja auch wohl einem Christen gönnen. Nunmehro merckte ich erst, daß das arme Ding nicht um Hülffe schreyen konte, weil ihr der Mund zugehalten wurde, und daß sie in Ausbleibung meiner Hülffe fast verzweifeln und ohnmächtig werden wolte, (denn ich konte durch den Ritz zwar etwas, doch nicht alles absehen,) derowegen sprang ich plötzlich aus dem Cabinet heraus, ergriff meinen an der Seite stehenden Degen, und hatte dem lustigen Bruder damit schon 2. Streiche über den Rücken gegeben, als er[182] noch immer im Begriff war, der Dame den Rock aufzuheben, da er aber den dritten und etwas stärckern Hieb in die eine Waade (denn auf den entblösten Kopff durffte ich nicht hacken, weil ich sonsten die Dame selbst mit verwundet hätte,) empfing, ließ er von der hitzigen Arbeit ab, drehete sich herum, und langete nach seinem auf dem Stuhle liegenden Degen, jedoch, ehe er selbigen erreichen konte, bekam er noch 2. Hiebe über den Kopff, und wurde von mir mit der blossen Hand zu Boden gestossen, da ich ihm denn die Klinge auf die Brust setzte, und fragte: ob er etwa in dieser Welt noch etwas zu erinnern hätte? Nichts! war seine Antwort, als daß ich um Gnade bitte, und meinen Fehltritt mit baaren Gelde zu bezahlen verspreche.

Die van Bredal hatte sich inzwischen wieder erholt, und diese Worte verstanden, weßwegen sie hurtig vom Stuhle aufsprang, und schrye: Verflucht ist dein Geld, du verfluchter Ehrenschänder, denn das ist nun das andere mahl, daß du mich listiger und gewaltsamer Weise um meine Ehre zu bringen gesucht, aber es wird doch auch allhier in der Fremde noch Recht und Gerechtigkeit zu finden seyn. Hiermit wolte sie die Wirthin ruffen, und nach der Wache schicken, allein, ich nahm beyde Degen in meine Hand, hielt die erzürnte Frau zurücke, und bath, daß sie sich nur besänfftigen möchte, indem dergleichen Sachen (wie ich ihr heimlich ins Ohr sagte,) nur Weitläufftigkeiten verursachten, wir aber schlechte Ehre davon hätten. Sie ging derowegen zurück, und schloß sich in ihr Cabinet; Rackhuysen vergoß so viel Blut, daß es schon fast[183] biß an die Thür gelauffen war, konte sich auch vor Mattigkeit nicht aufrichten, weßwegen ich ihm aufhalff, und in den Schlaff-Stuhl setzte, allwo er kurtz vorhero seine Lust zu büssen gedacht hatte. Der Magd hatte ich sogleich befohlen, nach einem Chirurgo zu gehen, welcher, indem er da war, ihm das Blut stillete, die Wunden verband, und mir berichtete, daß dieselben eben so gefährlich nicht wären, sondern in 3. biß 4 Wochen geheilet werden könten. Ich ließ ihn in unserm Gast Hofe auf eine besondere Stube bringen, bath den Chirurgum, bey ihm zu bleiben, weil ihm seine Mühe wohl bezahlt werden solte, bestellete auch sonsten noch jemand zu seiner Aufwartung, und ging hernach etwas im Garten spatzieren herum. Etwa eine Stunde hernach schickte Rackhuysen, und ließ mich bitten, zu ihm zu kommen; derowegen nahm kein Bedencken, solches zu thun. Er lag im Bette, sahe sehr blaß aus, reichte mir aber doch die Hand, und sagte: Monsieur, ihr habt mich heute so gezeichnet, daß ich mein Lebetage daran dencken kan, aber ich werde dergleichen Thorheiten Zeit Lebens nicht wieder begehen, würde auch heute nicht darein verfallen seyn, wenn ich nicht ein Glaß Wein zu viel im Kopffe gehabt hätte, vergebet mir meinen Fehler, denn ich will mich davor erkäntlich erzeigen, und bittet eure Liebste, daß sie mir denselben nur auch vergeben möge, denn ich will gern Zeit-Lebens nicht wieder vor ihre Augen kommen, ohngeacht ich sie von Jugend auf mehr als meine Seele geliebt, ihrer Gegen-Gunst aber niemahls habe theilhafftig werden können. Vielleicht hätte ich itzo ihre Person mit Güte gantz und gar gewinnen[184] können, allein, der Satan hat mich zu Gewaltthätigkeiten verleitet.

Mein Herr, gab ich zur Antwort, vergebet mir das, was ich an euch gethan habe, um meiner Landsmännin und Reise-Gefährtin Ehre zu beschützen und zu retten, welche der Himmel selbst in der Barbarey beschützet und gerettet hat. Ihr nennet sie zwar itzo meine Liebste, allein ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll, indem sie bereits an einen Ehe-Mann verbunden ist, und ich ihr nachsagen muß, daß sie ihre Keuschheit, Zucht und Tugend jederzeit mehr als zu genau in Acht genommen hat, eure andern Reden verstehe ich nicht, will mich auch um meiner Reise-Gefährtin Geschichte so genau nicht bekümmern, im übrigen nur bitten, daß ihr euren Fehler bereuen möget, wie ich denn denselben bey ihr bestens zu excusiren suchen werde, wovor ich aber in Zukunfft keine andere Erkänntlichkeit, als eine redliche Freundschafft von euch verlange, daferne wir ja etwa weiter mit einander zusammen kommen solten.

Er gab mir die Hand darauf, bath mich inständig, dem alten Dostart von dieser Rencontre nur nichts wissen zu lassen, und Morgen einen eintzigen Gang nach seinem Logis zu thun, um seinen Diener anhero zu führen, damit er demselben ein und andere Befehle, seine Handlungs-Affairen betreffend, ertheilen könte, um nicht in allzu grossen Schaden zu kommen. Ich versprach ihm, alle Gefälligkeiten, so er von mir verlangte, zu erweisen; wünschte ihm gute Nacht, und begab mich in aller Stille an gehörigen Ort, weil ich glaubte, daß meine Reise-Gefährtin[185] vor Verdruß schon eingeschlaffen seyn würde. Allein, ich traff dieselbe annoch gantz munter, jedoch in gröster Betrübniß an, indem sie sehr weinete, darbey über grosse Schmertzen in allen Gliedern klagte. Ich hörete, daß sie auf dem Eiffer und Erschröcken nichts eingenommen hatte, schickte derowegen die bey ihrem Bette sitzende Magd zur Apotheque, um ein Schreck-Pulver zu holen. Mittlerweile fing sie an: Ists nicht wahr, Mons. van Blac, daß ich die unglückseligste Person von der Welt bin? sehet, so wird meine Tugend bestürmt, auch an solchen Orten, wo ich mich sicher zu seyn schätze. Madame! gab ich zur Antwort, wird die Tugend gleich bestürmt, so ist sie derowegen doch nicht so gleich zu überwältigen, dergleichen Stürme bringen mehr Ehre als Schande, wenigstens bey vernünfftigen Leuten. Ach! fuhr sie zu reden fort, was soll ich in Holland machen, wenn ich keinen bessern Trost darinnen zu finden weiß. Wollen sie denn nicht, war meine Antwort, dem guten Rathe folgen, den ihnen heute Herr Dostart gegeben, und sich dabey selbst zu den allerstärcksten Gefälligkeiten anheischig gemacht hat? sie schienen ja nicht abgeneigt, weil die angenehme Resolution drauf erfolgte. Mein Herr! hiervon wird sich ein mehreres sprechen lassen, wenn ich erstlich in meiner Vater-Stadt angelangt bin, etc. Madame, ich vor meine Person will ihnen ferner nicht verhinderlich seyn, sondern viel lieber einen andern Weg erwählen, als zu Dero Verdruß bey ihnen bleiben. Ja, ja! sagte sie, ich habe es wohl gedacht, daß ich noch nicht genung gekränckt wäre,[186] nun aber, da auch ihr anfangen wollet, mir Hertzeleyd zuzufügen, sehe ich wohl, daß mich die gantze redliche Welt verlassen will. Unter diesen Worten ließ sie ihr Haupt zurück sincken, fing von neuen an bitterlich zu weinen, ja es schien gar, als wenn ihr eine Ohnmacht zustossen wolte, indem sie so blaß als eine Leiche ward. Weil nun nichts anders, als frisches Wasser bey der Hand wuste, lieff ich gleich hin, tauchte ein Schnupff-Tuch ein, und bestrich ihr Gesicht und Hände damit, wodurch sie in etwas wieder zu sich selber kam, auch etwas von der Artzeney einnahm, welche die Magd eben herzu brachte. Sie drehete sich auf die andere Seite herum, und stellete sich, als ob sie schlaffen wolte, jedoch die Magd und ich traueten dem Land-Frieden nicht, sondern befürchteten, daß sie etwa eine würckliche Ohnmacht bekommen möchte, allein, sie schlieff bald gantz sanfft ein, weßwegen sich denn die Magd zu unterst des Bettes auf die Erde niederlegte, und als ein Ratz zu schnarchen anfing, ich aber blieb vor dem Bette sitzen, und wachte. Etwa um Mitternachts-Zeit fuhr sie, als von einem schweren Traume erschreckt, zusammen, warff sich herum, und sagte, da sie mich erblickte: Seyd ihr noch da, Falscher? warum gebet ihr euch einer Unglückseeligen wegen so viel Mühe, eure eigene Ruhe zu unterbrechen? Madame! antwortete ich, meine Ruhe kan durch nichts stärcker unterbrochen werden, als wenn ich weiß, daß sie unruhig sind, und sich kranck befinden. Sie seuffzete hierüber, und that die Augen wieder zu, da ich aber gewahr wurde, daß ihr dem ohngeacht dis Thränen heraus drangen, und[187] über die Wangen lieffen, wischete ich ihr dieselben mit einem Tuche sanffte ab, wurde zwar bey dieser Arbeit selbsten sehr wehmüthig, wuste aber nicht, wo ich auf einmahl die Courage her bekam, ihr einen derben Kuß auf den Mund zu drücken, worüber sie auffuhr, und sagte: Verwegener! was soll das bedeuten? Ich war gleich mit der Antwort fertig, und betheurete sehr: daß es nicht aus Geilheit und Unzucht, sondern vielmehr aus Wehmuth und reiner Liebe geschehen wäre, könte aber anbey nicht läugnen, daß, wenn sie ja mit ihrem ersten Manne nicht wieder vereiniget, sondern von ihm geschieden werden solte, ich mir auf dieser Welt kein grösser Vergnügen wünschen wolte, als mit ihr vereheliget, und so wohl dem Dostart als allen andern Manns-Personen vorgezogen zu werden, wie ich denn schon so viel Mittel zusammen zu bringen gedächte, einen honorablen Dienst, wenn es auch gleich ausser unserm Vaterlande wäre, zu erlangen und sie reputirlich zu ernähren. Sie schwieg hierauf eine lange Weile stille, da ich aber endlich ihre Hand küssete und fragte, ob sie mich denn hierauf gar keiner Antwort würdigen wolte? ermunterte sie sich, und gab mir diese: Mons. van Blac, in meinem itzigen Zustande, da ich mich noch vor eine Verehligte halten muß, wäre es eine grosse Leichtfertigkeit von mir, wenn ich mich mit euch oder jemand anders in verbothene Vertraulichkeit oder zum voraus in ein geheimes Liebes-Verständniß einlassen wolte; seyd demnach damit zufrieden, wenn ich euch so viel verspreche, daß, woferne ich von meinem ungetreuen Ehe-Manne[188] nicht wieder angenommen werden, und nach erlangter Freyheit auf die Gedancken gerathen solte, zur andern Ehe zu schreiten, ich euch, wegen eurer genug geprüfeten Redlichkeit, allein, oder keine Manns-Person auf dieser Welt, an meine Seite will kommen lassen.

Mit dieser gütigen Resolution war ich vor dieses mahl vollkommen vergnügt, küssete ihre Hand, und auf vielfältiges Vorstellen, daß das Küssen, so wie wir es verrichteten, zu keiner gar zu grossen Sünde zu machen sey, bekam ich auch dann und wann Erlaubniß, ihren Mund zu küssen, mittlerweile aber, da wir noch von diesen und jenem sprachen, verstrich die Nacht über Vermuthen, und der helle Tag begunte anzubrechen, weswegen ich sie nöthigte, noch einige Stunden zu ruhen, welches ich auf meinem Bette gleichfalls thun, und hernach alles, was sonst nöthig wäre, besorgen wolte. Sie hielt es selbst vor rathsam, derowegen, wünschte ich ihr wohl zu ruhen, und legte mich auf mein Bette.

Allein, (war hier Mons. van Blacs Zwischen-Rede) da ich eben der Ruhe erwähne, so mercke wohl, daß es voritzo, sonderlich vor den werthesten Alt-Vater, nicht dienlich seyn möchte, derselben länger zu entbähren, zumahlen da es ohnfehlbar schon über Mitternacht seyn wird, derowegen will den Rest meiner Geschichte morgenden Abend, wo es gefällig, vollends erzählen.

Wir jungen Leute hätten zwar gern biß zu Anbruch des Tages zugehöret, denn van Blac wuste seine Sachen alle gantz fein vorzubringen, allein, um des Alt-Vaters Willen, machten wir Schicht,[189] brachten den folgenden Tag mit Besorgung alles dessen hin, was Sorge und Aufsicht erforderte; Abends aber freueten wir uns recht, anzuhören den

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 3, Nordhausen 1736, S. 146-190.
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