Anhang

Der [488] Pag. 182.

versprochenen

Lebens-Beschreibung

des

DON CYRILLO

DE

VALARO,

aus seinem Lateinischen Manuscript ins deutsche übersetzt.

[489] D.C. de Valaro.

Ich, Don Cyrillo de Valaro, bin im Jahr nach Christi Gebuhrt 1475 den 9. Aug. von meiner Mutter Blanca de Cordoua im Feld-Lager unter einem Gezelt zur Welt gebracht worden. Denn mein Vater Don Dionysio de Valaro, welcher in des neuen Castilianischen Königs Ferdinandi Kriegs-Dienste, als Obrister über ein Regiment Fuß-Volck getreten war, hatte meine Mutter mit sich geführet, da er gegen den Portugisischen König Alphonsum mit zu Felde gehen muste. Dieser Alphonsus hatte sich mit der Joanna Henrici des IV. Königs in Castilien Tochter, welche doch von jedermann vor ein Bastard gehalten wurde, verlobet, und dieserwegen nicht allein den Titul und Wapen von Castilien angenommen, mithin unserm Ferdinando die Crone disputirlich gemacht, sondern sich bereits vieler Städte bemächtiget, weilen ihn, so wohl König Ludwig der XI. aus Franckreich, als auch viele Grandes aus Castilien starck zu secundiren versprochen. Nachdem aber die Portugiesen im folgenden 1476ten Jahre bey Toro ziemlich geklopfft worden, und mein Vater vermerckte: Daß es wegen des vielen hin und her marschirens nicht wohl gethan sey, uns länger bey sich zu behalten, schaffte er meine Mutter und mich zurück nach Madrit, er selbst aber kam nicht ehe wieder zu uns, biß die Portugiesen 1479. bey Albuhera totaliter geschlagen, und zum Frieden gezwungen worden, worbey Alphonsus nicht allein auf Castilien, sondern auch auf seine Braut renuncirte,[490] Johanna aber, der man jedoch unsern Castilischen Printzen Johannem, ob selbiger gleich noch ein kleines Kind war, zum Ehe-Gemahl versprach, gieng aus Verdruß in ein Closter, weil sie vielleicht gemuthmasset, daß sie nur vexiret würde.

Ich weiß mich, so wahr ich lebe, noch einigermassen der Freude und des Vergnügens, doch als im Traume, zu erinnern, welches ich als ein 4. jähriger Knabe über die glückliche Zurückkunfft meines lieben Vaters empfand, allein wir konten dessen erfreulicher Gegenwart sehr kurtze Zeit geniessen, denn er muste wenige Wochen hernach dem Könige, welcher ihn nicht allein zum General bey der Armee, sondern auch zu seinem Geheimbden Etaats-Ministre mit ernennet, bald nach Arragonien folgen, weiln der König, wegen des Absterbens seines höchst seel. Herrn Vaters, in diesem seinen Erb-Reiche die Regierung gleichfalls antrat. Doch im folgenden Jahre kam mein Vater nebst dem Könige abermals glücklich wieder zurück, und erfreuete dadurch mich und meine Mutter aufs neue, welche ihm mittler Zeit noch einen jungen Sohn gebohren hatte.

Er hatte damals angefangen seine Haußhaltung nach der schönsten Beqvemlichkeit einzurichten, und weil ihm nicht so wohl der Krieg, als des Königs Gnade zu ziemlichen Baarschafften verholffen, verschiedene Land Güter angekaufft; indem er auf selbigen sein gröstes Vergnügen zu empfinden verhoffte. Allein da mein Vater in der besten Ruhe zu sitzen gedachte, nahm der König Anno 1481. einen Zug wider die Granadischen Mauros vor, und mein[491] Vater muste ihm im folgenden 1482ten Jahre mit 10000. neugeworbenen Leuten nachfolgen. Also verließ er uns abermals zu unsern grösten Mißvergnügen, hatte aber vorhero noch Zeit gehabt, meiner Mutter Einkünffte und das, was zu seiner Kinder Standesmäßiger Erziehung erfodert wurde, aufs beste zu besorgen. Im Jahre 1483. war es zwischen den Castilianern und Mohren, bey Malacca zu einem scharffen Treffen gekommen, worbey die Erstern ziemlich gedränget, und mein Vater fast tödtlich verwundet worden, doch hatte er sich einigermassen wieder erholet, und kam bald darauff nach Hause, um sich völlig ausheilen zu lassen.

Der König und die Königin liessen ihm beyderseits das Glück ihres hohen Besuchs geniessen, beschenckten ihn auch mit einer starcken Summe Geldes, und einem vortrefflichen Land-Gute, mich aber nahm der König, vor seinen jungen Printzen Johannem, der noch 3. Jahr jünger war als ich, zum Pagen und Spiel-Gesellen mit nach Hofe, und versprach, mich bey ihm auf Lebens-Zeit zu versorgen. Ob ich nun gleich nur in mein zehentes Jahr gieng, so hatte mich doch meine Mutter dermassen gut erzogen, und durch geschickte Leute erziehen lassen, daß ich mich gleich von der ersten Stunde an, nicht allein bey den Königl. Kindern, sondern auch bey dem Könige und der Königin selbst, ungemein beliebt machen konte. Und da sich eine besondere natürliche Fertigkeit bey mir gezeiget, hatte der König allen Sprach- und Exercitien-Meistern ernstlichen Befehl ertheilet, an meine Person so wohl, als an seinen eigenen Sohn, den allerbesten Fleiß zu wenden,[492] welches denn nebst meiner eigenen Lust und Beliebung so viel fruchtete: Daß mich ein jeder vor den Geschicktesten unter allen meinen Cammeraden halten wolte.

Mittlerweile war mein Vater aufs neue wieder zu Felde gegangen, und hatte, nicht allein wegen seiner Verwundung, an denen Mohren in etlichen Scharmützeln ziemliche Rache ausgeübt, sondern auch vor den König viele Städte und Plätze einnehmen helffen, bey welcher Gelegenheit er auch zu seinem Theile viele Schätze erobert, und dieselben nach Hause geschickt hatte. Allein im Jahr 1491 da die Stadt Granada mit 50000. Mann zu Fuß, und 12000. zu Roß angegriffen, und der König Boabdiles zur Ubergabe gezwungen wurde, verlohr mein getreuer und Heldenmüthiger Vater, sein edles Leben darbey, und zwar im allerletzten Sturme auf den erstiegenen Mauern.

Der König bekam die Briefe von dieser glücklichen Eroberung gleich über der Tafel zu lesen, und rieff mit vollen Freuden aus: GOTT und allen Heiligen sey gedanckt! Nunmehro ist die Herrschafft der Maurer, welche über 700. Jahr in Spanien gewähret, glücklich zu Grunde gerichtet. Derowegen entstunde unter allen, so wohl hohen als niedrigen Bedienten, ein allgemeines jubiliren, da er aber die Liste von den ertödteten und verwundeten hohen Kriegs-Bedienten zur Hand nahm, und unter andern lase: Daß Don Dionysio de Valaro, als ein Held mit dem Degen in der Faust, auf der Mauer gestorben sey, vergiengen mir auf einmahl alle meine 5. Sinne dermassen, daß ich hinter dem[493] Cron-Printzen ohnmächtig zur Erden niedersincken muste.

Es hatte dem mittleydigen Könige gereuet, daß er sich nicht vorhero nach mir umgesehen, ehe er diese klägliche Zeitung, welche ihm selbst sehr zu Hertzen gieng, laut verlesen. Jedoch so bald mich die andern Bedienten hinweg und in mein Bette getragen, auch in etwas wieder erfrischet hatten, besuchte mich nicht allein der Cron-Printz mit seiner 13. jährigen Schwester Johanna, sondern die Königin selbst mit ihrem vornehmsten Frauenzimmer. Dem ohngeacht konte ich mein Gemüthe, wegen des jämmerlichen Verlusts meines so lieben und getreuen Vaters, nicht so gleich besänfftigen, sondern vergoß etliche Tage nach einander die bittersten Thränen, biß mich endlich der König vor sich kommen ließ und folgendermassen anredete: Mein Sohn Cyrillo de Valaro, wilstu meiner fernern Gnade geniessen, so hemme dein Betrübniß wenigstens dem äuserlichen Scheine nach, und bedencke dieses: Daß ich an dem Don Dionysio de Valaro, wo nicht mehr, doch eben so viel als du verlohren, denn er ist mein getreuer Diener gewesen, der keinem seines gleichen den Vorzug gelassen, ich aber stelle mich selbst gegen dich an seine Stelle und will dein Versorger seyn, hiermit sey dir sein erledigtes Regiment geschenckt, worüber ich dich gleich jetzo zum Obristen bestellen und zum Ritter schlagen will, jedoch sollstu nicht ehe zu Felde gehen, sondern bey meinem Cron-Printz bleiben, bis ich euch beyde ehestens selbst mit mir nehme. Ich that hierauff dem Könige zur Danckbarkeit einen Fußfall, und empfohl mich seiner beständigen[494] Gnade, welcher mir sogleich die Hand darreichte, die ich in Unterthänigkeit küssete, und von ihm selbst auf der Stelle zum Ritter geschlagen wurde, worbey ich die gantz besondere Gnade hatte, daß mir die Princeßin Johanna das Schwerdt umgürtete, und der Cron-Printz den rechten Sporn anlegte.

Solchergestallt wurde mein Schmertzen durch Königliche besondere Gnade, und durch vernünfftige Vorstellungen, nach und nach mit der Zeit ziemlich gelindert, meine Mutter aber, nebst meinem eintzigen Bruder und zweyen Schwestern, konten sich nicht so bald beruhigen, und weil die erstere durchaus nicht wieder Heyrathen wolte, begab sie sich mit meinem Geschwister aus der Residentz-Stadt hinweg auf das Beste unserer Land-Güter, um daselbst ruhig zu leben, und ihre Kinder mit aller Vorsicht zu erziehen.

Immittelst ließ ich mir die Ubung in den Waffen, wie auch in den Kriegs- und andern nützlichen Künsten dermassen angelegen seyn, daß sich in meinem 18den Jahre kein eintziger Ritter am Spanischen Hofe schämen durffte mit mir umzugehen, und da bey damahligen ziemlich ruhigen Zeiten der König vielfältige Ritter- und Lust-Spiele anstellete, fand ich mich sehr eiffrig und fleißig darbey ein, kam auch fast niemals ohne ansehnlichsten Gewinst darvon.

Am Geburts-Tage der Princeßin Johanna wurde bey Hofe ein prächtiges Festin gegeben, und fast die halbe Nacht mit Tantzen zugebracht, indem aber ich, nach dem Abschiede aller andern, mich ebenfalls[495] in mein Zimmer begeben wolte, fand ich auf der Treppe ein kleines Päcklein, welches in ein seidenes Tüchlein eingewickelt und mit Gold-Faden umwunden war. Ich machte mir kein Bedencken diese so schlecht verwahrte Sache zu eröffnen, und fand darinnen, etliche Elen grün mit Gold durchwürcktes Band, nebst dem Bildnisse einer artigen Schäferin, deren Gesicht auf die Helffte mit einem grünen Schleyer verdeckt war, weil sie vielleicht nicht von allen und jeden erkañt werden wolte. Uber dieses lag ein kleiner Zettel mit folgenden Zeilen darbey:


Geliebter Ritter!


Ihr verlanget von mir mein Bildniß nebst einer Liberey, welches beydes hiermit aus gewogenen Hertzen übersende. Seyd damit bey morgenden Turnier glücklicher, als voriges mahl, damit ich eurentwegen von andern Damen keine Stichel-Reden anhören darff, sondern das Vergnügen habe, eure sonst gewöhnliche Geschicklichkeit mit dem besten Preise belohnt zu sehen. Lebet wohl und gedencket eurer


Freundin.


Meine damahlige Schalckhafftigkeit widerrieth mir denjenigen auszuforschen, dem dieses Paquet eigentlich zukommen solte, bewegte mich im Gegentheil diese Liberey, nebst dem artigen Bildnisse der Schäferin, bey morgenden Lantzenbrechen selbst auf meinem Helme zu führen. Wie gedacht, so[496] gemacht, denn am folgenden Morgen band ich die grüne Liberey nebst dem Bildnisse auf meinen Helm, legte einen gantz neuen Himmelblauen mit goldenen Sternlein beworffenen Harnisch an, und erschien also gantz unerkannt in den Schrancken mit meinem Schilde, worinnen ein junger Adler auf einem ertödten alten Adler mit ausgebreiteten Flügeln sitzend, und nach der Sonne sehend, zur Devise gemahlt war. Die aus dem Horatio genommene Beyschrifft lautete also:


Non possunt aquilæ generare columbam.


Deutsch:

Es bleibet bey dem alten Glauben,

Die Adler hecken keine Tauben.


Kaum hatte ich Zeit und Gelegenheit gehabt meine Kräffte an 4. Rittern zu probiren, worvon 3. wanckend gemacht, den 4ten aber gäntzlich aus dem Sattel gehoben und in den Sand gesetzt, als mir ein unbeckandter Schild-Knabe einen kleinen Zettel einhändigte, auf welchen folgende Zeilen zu lesen waren.


Verwegener Ritter,


Entweder nehmet sogleich dasjenige Bildniß und Liberey, welches ihr unrechtmäßiger Weise auf eurem Helme führet, herunter, und liefert es durch Uberbringern dieses seinem Eigenthums Herrn ein, oder seyd gewärtig, daß nicht allein euern bereits ziemlich erworbenen Ruhm, bey diesem Luft-Rennen nach allen Kräfften verdunckeln, sondern euch Morgen früh auf[497] Leib und Leben ausfodern wird: Der Verehrer der schönen Schäferin.


Auf diese trotzige Schrifft gab ich dem Schild-Knaben mündlich zur Antwort: Sage demjenigen, der dich zu mir geschickt: Woferne er seine Anfoderung etwas höflicher an mich gethan, hätte ich ihm mit Vergnügen willfahren wollen. Allein seiner unbesonnenen Drohungen wegen, wolte ich vor heute durchaus meinen eigenen Willen haben.

Der Schild Knabe gieng also fort, und ich hatte die Lust denjenigen Ritter zu bemercken, welchem er die Antwort überbrachte. Selbiger, so bald er mich kaum ein wenig müßig erblickt, kam gantz hochmüthig heran getrabet, und gab mir mit gantz hönischen Stellungen zu verstehen: Daß er Belieben habe mit mir ein- oder etliche Lantzen zu brechen. Er trug einen Feuerfarbenen silber gestreifften Harnisch, und führete einen blaß blauen Feder-Stutz auf seinem Helme, welcher mit schwartz und gelben Bande umwunden war. In seinem Schilde aber zeigte sich das Gemählde des Apollinis, der sich einer jungen Nymphe, Isse genannt, zu gefallen, in einen Schäfer verstellet, mit den Bey-Worten: Similis simili gaudet, als wolte er deutlich dieses zu verstehen geben:


Isse meine Schäferin

Machts, daß ich ein Schäfer bin.


Ich vermerckte sogleich bey Erblickung dieser Devise, daß der arme Ritter nicht allzuwohl unter dem Helme verwahret seyn müsse. Denn wie schlecht reimete sich doch der Feuerfarbene Harnisch nebst dem blaulichen Feder-Stutze, auch gelb und[498] schwartzen Bande zu der Schäferischen Liebes-Grille? Indem mir aber das fernere Nachsinnen durch meines Gegners Anrennen unterbrochen wurde, empfing ich ihn mit meiner hurtig eingelegten Lantze zum ersten mahle dermassen, daß er auf beyden Seiten Bügel los wurde, und sich kaum mit Ergreiffung seines Pferdes Mähne im Sattel erhalten konte. Dem ohngeacht versuchte er das andere Rennen, wurde aber von meinem hefftigen Lantzen-Stosse so gewaltig aus dem Sattel gehoben, daß er halb ohnmächtig vom Platze getragen werden muste. Solchergestalt war der verliebte Feuerfarbene Schäfer vor dieses mahl abgefertiget, und weil ich mich die übrige Zeit gegen andere noch ziemlich hurtig hielt, wurde mir bey Endigung des Turniers von den Kampf-Richtern der andere Preiß zuerkannt, welches ein vortrefflicher Maurischer Säbel war, dessen güldenes Gefässe mit den kostbarsten Edel-Steinen prangete. Die Printzeßin Johanna hielt mir denselben mit einer lächlenden Geberde schon entgegen, da ich noch wohl 20. Schritte biß zu ihrem auferbaueten Throne zu thun hatte, indem ich aber auf der untersten Staffel desselben nieder kniete, und meinen Helm abnahm, mithin mein blosses Gesichte zeigte, stutzte nicht allein die Princeßin nebst ihren andern Frauenzimmer gewaltig, sondern Dero liebstes Fräulein, die Donna Eleonora de Sylva, sanck gar in einer Ohnmacht darnieder. Die Wenigsten mochten wohl errathen können, woher ihr dieser jählinge Zufall kam, und ich selbst wuste nicht, was es eigentlich zu bedeuten hatte, machte mich aber in noch währenden[499] Auflauffe, nachdem ich meinen Gewinst empfangen, ohne von andern Rittern erkannt zu werden, gantz hurtig zurücke.

Zwey Tage hernach wurde mir von vorigen Schild-Knaben ein Cartell folgendes Innhalts eingehändiget:


Unredlicher Ritter,


So kan man euch mit gröstem Rechte nennen, indem ihr nicht allein einem andern, der Besser ist als ihr, dasjenige Kleinod listiger Weise geraubt, welches er als seinen kostbarsten Schatz geachtet, sondern euch überdieses frevelhafft unterstanden habt, solches zu seinem Verdruß und Spott öffentlich auf dem Helme zu führen. Jedoch man muß die Boßheit und den Unverstand solcher Gelb Schnäbel bey zeiten dämpffen, und euch lehren, wie ihr mit würdigen Leuten umgehen müsset. Es ist zwar leichtlich zu erachten, daß ihr euch wegen des letztern ohngefähr erlangten Preises beym Lantzenbrechen, das Glücke zur Braut bekommen zu haben, einbildet. Allein wo ihr das Hertz habt, Morgen mit Aufgang der Sonnen, nebst nur einem eintzigen Beystande, auf der grossen Wiese zwischen Madrit und Aranjuez zu erscheinen; wird sich die Mühe geben, euch den Unterscheid zwischen einem lustbaren Lantzen-brechen und ernstlichen Schwerdt-Kampffe zu lehren, und den Kindischen Frevel zu bestraffen,


euer abgesagter Feind.
[500]

Der Uberbringer dieses, wolte durchaus nicht bekennen, wie sein Herr mit Nahmen hiesse, derowegen gab ihm nur an denselben folgende wenige Zeilen zurück:


Frecher Ritter!


Woferne ihr nur halb so viel Verstand und Klugheit, als Prahlerey und Hochmuth besasset, würdet ihr rechtschaffenen Leuten wenigstens nur etwas glimpflicher zu begegnen wissen. Doch weil ich mich viel lieber mit dem Schwerdt, als der Feder gegen euch verantworten, und solchergestalt keine Ursach geben will, mich vor einen zaghafften Schäfer-Courtisan zu halten, so verspreche Morgen die bestimmte Zeit und Ort in acht zu nehmen, daselbst soll sich zeigen daß mein abgesagter Feind ein Lügner, ich aber sey


Don Cyrillo de Valaro.


Demnach begab ich mich noch selbigen Abend nebst dem Don Alphonso de Cordua, meiner Mutter Bruders Sohne, den ich zum Beystande erwählet hatte, aus Madrit in das allernächst der grossen Wiese gelegene Dorff, allwo wir über Nacht verblieben, und noch vor Aufgang der Sonnen die grosse Wiese betraten. Mein Gegner, den ich an seinen Feuerfarbenen Harnisch erkannte, erschien zu bestimmter Zeit, und konte mich ebenfalls um so viel desto eher erkennen, weil ich das grüne Band, nebst dem Bilde der Schäferin, ihm zum Trotz abermahls wieder auf den Helm gebunden[501] hatte. Er gab mir seinen Verdruß, und die Geringschätzung meiner Person, mit den allerhochmüthigsten Stellungen zu erkennen, jedoch ich kehrete mich an nichts, sondern fieng den verzweiffeltesten Schwerdt-Kampf mit meinem annoch unbekandten Feinde an, und brachte ihn binnen einer halben Stunde durch verschiedene schwere Verwundungen dahin, daß er abermahls halb todt und gäntzlich Krafftlos zur Erden sincken muste. Indem ich aber hinzu trat und seinen Helm öffnete, erkannte ich ihn vor den Sohn eines vornehmen Königlichen Etaats-Bedienten, Nahmens Don Sebastian de Urrez, der sich auf die Gnade, so der König seinem Vater erzeigte, ungewöhnlich viel einbildete, sonsten aber mehr mit Geld und Gütern, als Adelichen Tugenden, Tapffer- und Geschicklichkeit hervor zu thun wuste. Mir war bekannt, daß ausser einigen, welche seines Vaters Hülffe bedurfften, sonst niemand von rechtschaffenen Rittern leicht mit ihm umzugehen pflegte, derowege wandte mich mit einer verächtlichen Mine von ihm hinweg, uñ sagte zu den Umstehenden: Daß es mir hertzlich leyd sey, meinen allerersten ernstlichen Kampff mit einem Hasen-Kopffe gethan zu haben, weßwegen ich wünschen möchte, daß niemand etwas darvon erführe, setzte mich auch nebst meinem Secundanten Don Alfonso, der seinen Gegner ebenfalls sehr blutig abgespeiset hatte, sogleich zu Pferde, und ritten zurück nach Madrit.

Der alte Urrez hatte nicht bloß dieses Kampffs, sondern seines Sohnes hefftiger Verwundung wegen, alle Mühe angewandt mich bey dem Könige[502] in Ungnade zu setzen, jedoch seinen Zweck nicht erreichen können, denn wenig Tage hernach, da ich in dem Königl. Vor-Gemach aufwartete, rief mich derselbe in sein Zimmer, und gab mir mit wenig Worten zu verstehen: Wie ihm meine Herzhafftigkeit zwar im geringsten nicht mißfiele, allein er sähe lieber, wenn ich mich vor unnöthigen Händeln hütete, und vielleicht in kurtzen desto tapfferer gegen die Feinde des Königs bezeugte. Ob ich nun gleich versprach, mich in allen Stücken nach Ihro Majest. allergnädigsten Befehlen zu richten; so konte doch nicht unterlassen, bey dem bald darauff angestellten Stier-Gefechte, so wohl als andere Ritter, einen Wage-Hals mit abzugeben, dabey denn einen nicht geringen Ruhm erlangete, weil drey unbändige Büffel durch meine Faust erlegt wurden, doch da ich von dem Letzten einen ziemlichen Schlag an die rechte Hüfften bekommen hatte, nöthigte mich die Geschwulst, nebst dem geronnenen Geblüte, etliche Tage das Bette zu hüten. Binnen selbiger Zeit lieff ein Schreiben folgendes Innhalts bey mir ein:


Don Cyrillo de Valaro.


Warum wendet ihr keinen bessern Fleiß an, euch wiederum öffentlich frisch und gesund zu zeigen: Denn glaubet sicherlich, man hat zweyerley Ursachen, eurer Aufführung wegen schwere Rechenschafft zu fordern, erstlich daß ihr euch unterstanden, beym letztern Turnier eine frembde Liberey zu führen, und vors andere, daß ihr kein Bedencken getragen, eben dieselbe beym Stier-Gefechte[503] leichtsinniger Weise zurück zu lassen. Uberlegt wohl, auf was vor Art ihr euch redlicher Weise verantworten wollet, und wisset, daß dennoch mit euren itzigen schmertzhafften Zustande einiges Mittleyden hat


Donna Eleonora de Sylva.


Ich wuste erstlich nicht zu begreiffen, was dieses Fräulein vor Ursach hätte, mich, meiner Aufführung wegen zur Rede zu setzen; biß mir endlich mein Leib-Diener aus dem Traume halff. Denn dieser hatte von der Donna Eleonora vertrauten Aufwärterin so viel vernommen, daß Don Sebastian de Urrez bey selbigen Fräulein bishero in ziemlich guten Credit gestanden, nunmehro aber denselben auf einmahl gäntzlich verlohren hätte, indem er sie wahnsinniger Weise einer groben Untreue und Falschheit beschuldigte. Also könte ich mir leichtlich die Rechnung machen, daß Eleonora, um sich rechtschaffen an ihm zu rächen, mit meiner Person entweder eine Schertz- oder Ernsthaffte Liebes-Intrigue anzuspinnen suchte.

Diese Muthmassungen schlugen keines weges fehl, denn da ich nach völlig erlangter Gesundheit im königlichen Lust Garten zu Buen-Retiro Gelegenheit nahm mit der Eleonora ohne beyseyn anderer Leute zu sprechen, wolte sie sich zwar anfänglich ziemlich kaltsinnig und verdrießlich stellen, daß ich mir ohne ihre Erlaubniß die Freyheit genommen, Dero Liberey und Bildniß zu führen; Jedoch so bald ich nur einige trifftige Entschuldigungen nebst[504] der Schmeicheley vorgebracht, wie ich solche Sachen als ein besonderes Heiligthum zu verehren, und keinem Ritter, wer der auch sey, nicht anders als mit Verlust meines Lebens, zurück zu geben gesonnen wäre, fragte sie mit einer etwas gelaßnern Stellung: Wie aber, wenn ich dasjenige, was Don Sebastian nachläßiger Weise verlohren, ihr aber zufälliger Weise gefunden, und ohne meine Vergünstigung euch zugeeignet habt, selbst zurück begehre? So muß ich zwar, gab ich zur Antwort, aus schuldigen Respect eurem Befehle und Verlangen ein Genügen leisten, jedoch darbey erkennen, daß ihr noch grausamer seyd als das Glücke selbst, über dessen Verfolgung sich sonsten die Unglückseeligen eintzig und allein zu beklagen pflegen. Es ist nicht zu vermuthen, sagte sie hierauff, daß euch hierdurch eine besondere Glückseeligkeit zuwachsen würde, wenn gleich dergleichen Kleinigkeiten in euren Händen blieben. Und vielleicht darum, versetzte ich, weil Don Sebastian eintzig und allein bey eurer schönen Person glückseelig seyn und bleiben soll? Unter diesen Worten trat der Donna Eleonora das Blut ziemlich in die Wangen, so daß sie eine kleine Weile inne hielt, endlich aber sagte: Seyd versichert Don Valaro daß Urrez Zeit seines Lebens weniger Gunst-Bezeugungen von mir zu hoffen hat, als der allergeringste Edelmann, denn ob ich mich gleich vor einiger Zeit durch gewisse Personen, die ich nicht nennen will, bereden lassen, vor ihn einige Achtbarkeit, oder wohl gar einige Liebe zu hegen, so ist mir doch nunmehro seine ungeschickte und pöbelhaffte Aufführung besser bekannt und zum rechten Eckel[505] und Abscheu worden. Ich weiß ihm, sprach ich darauff, weder böses noch guts nachzusagen, ausser dem, daß ihn wenig rechtschaffene Ritter ihres Umgangs gewürdiget. Allein er ist nicht darum zu verdencken, daß er dergleichen Schmach jederzeit wenig geachtet, indem ihn das Vergnügen, sich von dem allerschönsten Fräulein am gantzen Hofe geliebt zu sehen, dieserhalb sattsam trösten können.

Donna Eleonora vermerckte vielleicht, daß sie ihre gegen sich selbst rebellirenden Affecten in die Länge nicht würde zwingen können, denn sie muste sich freylich in ihr Hertz hinein schämen, daß selbiges bißhero einem solchen übel berüchtigten Ritter offen gestanden, der sich bloß mit seinem Weibischen Gesichte, oder etwa mit Geschencken und sclavischen Bedienungen bey ihr eingeschmeichelt haben mochte; Derowegen sagte sie mit einer etwas verdrießlichen Stimme: Don Cyrillo, lasset uns von diesem Gespräch abbrechen, denn ich mag den verächtlichen Sebastian de Urrez nicht mehr erwehnen hören, von euch aber will ich ausbitten, mir die nichtswürdigen Dinge zurück zu senden, damit ich in Verbrennung derselben, zugleich das Angedencken meines abgeschmackten bißherigen Liebhabers vertilgen kan. Was soll denn, versetzte ich, das unschuldige Band und das artige Bildniß den Frevel eines nichtswürdigen Menschen büssen, gewißlich diese Sachen werden noch in der Asche ihren hohen Werth behalten, indem sie von so schönen Händen gekommen, um aber das verdrießliche Angedencken auszurotten, so erzeiget mir die Gnade und gönnet[506] meinem Hertzen die erledigte Stelle in dem eurigen, glaubet anbey gewiß, daß mein gantzes Wesen sich jederzeit dahin bestreben wird, eurer unschätzbaren Gegen-Gunst würdiger zu seyn als der liederliche Urrez.

Donna Eleonora mochte sich ohnfehlbar verwundern, daß ich als ein junger 18. jähriger Ritter allbereit so dreuste und alt-klug als der erfahrenste Liebhaber reden konte, replicirte aber dieses: Don Cyrillo, eure besondere Tapfer- und Geschicklichkeit, hat sich zwar zu fast aller Menschen Verwunderung schon sattsam spüren lassen, indem ihr in Schertz- und Ernsthafften Kämpffen Menschen und Thiere überwunden, aber mein Hertz muß sich dennoch nicht so leicht überwinden lassen, sondern vielmehr der Liebe auf ewig absagen, weil es das erste mahl unglücklich im wählen gewesen, derowegen verschonet mich in Zukunfft mit dergleichen verliebten Anfällen, erfüllet vielmehr mein Begehren mit baldiger Ubersendung der verlangten Sachen.

Ich hätte wider diesen Ausspruch gern noch ein und andere Vorstellungen gethan, allein die Ankunfft einiger Ritter und Damen verhinderte mich vor dieses mahl. So bald ich nach diesem allein in meiner Kammer war, merckete mein Verstand mehr als zu deutlich, daß der gantze Mensch von den Annehmlichkeiten der Donna Eleonora bezaubert wäre, ja mein Hertze empfand eine dermassen hefftige Liebe gegen dieselbe, daß ich diejenigen Stunden vor die allertraurigsten und verdrießlichsten hielt, welche ich ohne sie zu sehen hinbringen muste. Derowegen nahm meine Zuflucht zur Feder, und[507] schrieb einen der allerverliebtesten Briefe an meinen Leitstern, worinnen ich hauptsächlich bat, nicht allein mich zu ihrem Liebhaber auf und anzunehmen, sondern auch die Liberey nebst Dero Bildnisse zum ersten Zeichen ihrer Gegen-Gunst in meinen Händen zu lassen.

Zwey gantzer Tage lang ließ sie mich hierauff zwischen Furcht und Hoffnung zappeln, biß ich endlich die halb erfreuliche und halb traurige Antwort erhielt: Ich möchte zwar behalten, was ich durch Glück und Tapfferkeit mir zugeeignet hätte, doch mit dem Bedinge: Daß ich solches niemahls wiederum öffentlich zeigen, sondern vor jedermann geheim halten solle. Uber dieses solte mir auch erlaubt seyn, sie morgenden Mittag in ihren Zimmer zu sprechen, allein abermahls mit der schweren Bedingung: Daß ich kein eintziges Wort von Liebes-Sachen vorbrächte.

Dieses Letztere machte mir den Kopff dermassen wüste, daß ich mir weder zu rathen noch zu helffen wuste, und an der Eroberung dieses Felsen-Hertzens schon zu zweiffeln begunte, ehe noch ein recht ernstlicher Sturm darauff gewagt war. Allein meine Liebe hatte dermahlen mehr Glücke als ich wünschen mögen, denn auf den ersten Besuch, worbey sich mein Gemüthe sehr genau nach Eleonorens Befehlen richtete, bekam ich die Erlaubniß ihr täglich nach der Mittags-Mahlzeit aufzuwarten, und die Zeit mit dem Bret-Spiele zu verkürtzen. Da aber meine ungewöhnliche Blödigkeit nebst ihrem ernstlich wiederholten Befehle das verliebte Vorbringen lange genung zurück gehalten hatten, gab[508] ich die feurige Eleonora endlich selbst Gelegenheit, daß ich meine hefftigen Seuffzer und Klagen kniend vor derselben ausstieß, und mich selbst zu erstechen drohete, woferne sie meine alleräuserste Liebe nicht mit gewünschter Gegen-Gunst beseeligte.

Demnach schiene sie auf einmahl anders Sinnes zu werden, und kurtz zu sagen, wir wurden von derselben Stunde an solche vertraute Freunde miteinander, daß nichts als die Priesterliche Einsegnung fehlte, uns beyde zu dem allervergnügtesten Paare ehelicher Personen zu machen. Immittelst hielten wir unsere Liebe dennoch dermassen heimlich, daß zwar der gantze Hof von unserer sonderbaren Freundschafft zu sagen wuste, die Wenigsten aber glaubten, daß unter uns an noch sehr jungen Leuten allbereits ein würckliches Liebes-Verbündniß errichtet sey.

Es war niemand vorhanden der eins oder das andere zu verhindern trachtete, denn mein eintziger Feind Don Sebastian de Urrez hatte sich, so bald er wieder genesen, auf die Reise in frembde Länder begeben. Also lebte ich mit meiner Eleonora über ein Jahr lang im süßesten Vergnügen, und machte mich anbey dem Könige und dessen Familie dermassen beliebt, daß es das Ansehen hatte, als ob ich dem Glücke gäntzlich im Schoosse sässe.

Mittlerweile da König Carl der VIII. in Franckreich, im Jahr 1494. den Krieges-Zug wider Neapolis vorgenommen hatte, fanden sich verschiedene junge vornehme Neapolitanische Herren am Castilianischen Hofe ein. Einer von selbigen hatte die Donna Eleonora de Sylva kaum zum erstenmahle[509] erblickt, als ihn dero Schönheit noch geschwinder als mich zum verliebten Narren gemacht hatte. Ich vermerckte mehr als zu frühe, daß er sich aufs eiffrigste angelegen seyn ließ, mich bey ihr aus dem Sattel zu heben, und sich an meine Stelle hinein zu schwingen, jedoch weil ich mich der Treue meiner Geliebten höchst versichert schätzte, über dieses der Höflichkeit wegen einem Fremden etwas nachzusehen verbunden war, ließ sich mein vergnügtes Hertze dieserwegen von keinem besondern Kummer anfechten. Allein mit der Zeit begunte der hoffärtige Neapolitaner meine Höflichkeit vor eine niederträchtige Zaghafftigkeit zu halten, machte sich also immer dreuster und riß eines Tages der Eleonora einen Blumen-Strauß aus den Händen, welchen sie mir, indem ich hurtig vorbey gieng, darreichen wolte. Ich konte damahls weiter nichts thun, als ihm meinen dieserhalb geschöpfften Verdruß mit den Augen zu melden, indem ich dem Könige eiligst nachfolgen muste, allein noch selbigen Abend kam es unter uns beyden erstlich zu einem höhnischen, bald aber zum schimpfflichsten Wort-Wechsel, so daß ich mich genöthiget fand, meinen Mit-Buhler kommenden Morgen auf ein paar spitzige Lantzen und wohlgeschliffenes Schwerdt hinaus zu fordern. Dieser stellete sich hierüber höchst vergnügt an, und und vermeinte mit einem solchen zarten Ritter, der ich zu seyn schiene, gar bald fertig zu werden, ohngeacht der Prahler die Jünglings-Jahre selbst noch nicht gantz überlebt hatte; Allein noch vor Mitter-Nacht ließ mir der König durch einen Officier von der Leib-Wacht befehlen, bey Verlust aller seiner Königl. Gnade u. meines[510] zeitlichen Glücks, mich durchaus mit dem Neapolitaner, welches ein vornehmer Printz unter verdeckten Nahmen wäre, in keinen Zwey-Kampf einzulassen, weiln der König unsere nichtswürdige Streit-Sache ehester Tages selbst beylegen wolte.

Ich hätte hierüber rasend werden mögen, muste aber dennoch gehorsamen, weil der Officier Ordre hatte, mich bey dem geringsten widerwärtigen Bezeigen sogleich in Verhafft zu nehmen. Eleonora bemühete sich, so bald ich ihr mein Leyd klagte, durch allerhand Schmeicheleyen dasselbe zu vernichten, indem sie mich ihrer vollkommenen Treue gäntzlich versicherte, anbey aber hertzlich bat, ihr nicht zu verargen, daß sie auf der Königin Befehl, gewisser Staats-Ursachen wegen, dem Neapolitaner dann und wann einen Zutritt nebst einigen geringen Liebes-Freyheiten erlauben müste, inzwischen würde sich schon mit der Zeit noch Gelegenheit finden, deßfalls Rache an meinem Mit-Buhler auszuüben, wie sie denn nicht zweiffelte, daß er sich vor mir fürchte, und dieserwegen selbst unter der Hand das Königl. Verboth auswürcken lassen.

Ich ließ mich endlich, wiewohl mit grosser Mühe, in etwas besänfftigen, allein es hatte keinen langen Bestand, denn da der König die Untersuchung unserer Streit-Sache verzögerte u. ich dem Neapolitaner allen Zutritt bey Eleonoren aufs möglichste verhinderte, geriethen wir unverhofft aufs neue zusammen, da der Neapolitaner Eleonoren im Königlichen Lust-Garten an der Hand spatzieren führete, und ich ihm vorwarff: Wie er sich deñoch besser[511] anzustellen wisse, ein Frauenzimmer, als eine Lantze oder blosses Schwerdt an der Hand zu führen. Er betheurete hierauff hoch, meine frevele Reden sogleich mit seinem Seiten-Gewehr zu bestraffen, wenn er nicht befürchtete den Burg-Frieden im Königl. Garten zu brechen; Allein ich gab mit einem höhnischen Gelächter zu verstehen: Wie es nur bey ihm stünde, mir durch eine kleine Pforte auf einen sehr bequemen Fecht-Platz zu folgen, der nur etwa 100. Schritte von dannen sey, und gar nicht zur Burg gehöre.

Alsobald machte der Neapolitaner Eleonoren, die vor Angst an allen Gliedern zitterte, einen Reverentz, und folgte mir auf einen gleichen Platz ausserhalb des Gartens, allwo wir Augenblicklich vom Leder zohen, um einander etliche blutige Characters auf die Cörper zu zeichnen.

Der erste Hieb gerieth mir dermassen glücklich, daß ich meinem Feinde sogleich die wallenden Adern am Vorder-Haupt eröffnete, weil ihm nun solchergestalt das häuffig herabfliessende Blut die Augen ziemlich verdunckelte, hieb er dermassen blind auf mich loß, daß ich ebenfalls eine kleine Wunde über den rechten Arm bekam, jedoch da er von mir in der Geschwindigkeit noch zwey starcke Hiebe empfangen davon der eine in die Schulter, und der andere in den Hals gedrungen war, sanck mein feindseeliger Neapolitaner ohnmächtig zu Boden. Ich sahe nach Leuten, die ihn verbinden und hinweg tragen möchten, befand mich aber im Augenblick von der Königl. Leibwacht umringet, die mir mein Quartier in demjenigen Thurme, wo noch andere Ubertreter[512] der Königl. Gebote logirten, ohne alle Weitläufftigkeit zeigeten. Hieselbst war mir nicht erlaubt an jemanden zu schreiben, vielweniger einen guten Freund zu sprechen, jedoch wurde mit den köstlichsten Speisen und Geträncke zum Uberflusse versorgt, und meine geringe Wunde von einem Chirurgo alltäglich zweymal verbunden, welche sich binnen 12. Tagen zu völliger Heilung schloß.

Eines Abends, da der Chirurgus ohne beyseyn der Wacht mich verbunden, und allbereit hinweg gegangen war, kam er eiligst wieder zurück und sagte: Mein Herr! jetzt ist es Zeit, euch durch eine schleunige Flucht selbst zu befreyen, denn ausserdem, daß kein eintziger Mann von der Wacht vorhanden, so stehen alle Thüren eures Gefängnisses offen, darum eilet und folget mir! Ich besonne nicht lange, ob etwa dieser Handel mit fleiß also angestellet wäre oder nicht, sondern warff augenblicklich meine völlige Kleidung über mich, und machte mich nebst dem Chirurgo in gröster Geschwindigkeit auf den Weg, beschenckte denselben mit einer Hand voll Gold-Cronen, und kam ohne eintzigen Anstoß in des Don Gonsalvo Ferdinando de Cordua, als meiner Mutter leiblichen Bruders Behausung an, dessen Sohn Don Alphonso mir nicht allein den sichersten heimlichen Auffenthalt versprach, sondern sich zugleich erboth, alles auszuforschen, was von meiner Flucht bey Hofe gesprochen würde.

Da es nun das Ansehen hatte, als ob der König dieserwegen noch hefftiger auf mich erbittert worden, indem er meine gehabte Wacht selbst gefangen zu setzen, und mich auf allen Strassen und im gantzen[513] Lande aufzusuchen befohlen; vermerckte ich mehr als zu wohl, daß in Castilien meines bleibens nicht sey, ließ mir derowegen von meiner Mutter eine zulängliche Summe Reise-Gelder übersenden, und practicierte mich, nach verlauff etlicher Tage, heimlich durch nach Portugal, allwo ich in dem nächsten Hafen zu Schiffe und nach Engelland übergieng, um daselbst unter König Henrico VII. der, der gemeinen Sage nach, mit den Schotten und einigen Rebellen Krieg anfangen wolte, mich in den Waffen zu üben. Allein meine Hoffnung betrog mich ziemlicher massen, indem dieses Kriegs-Feuer bey zeiten in seiner Asche erstickt wurde. Ich hatte zwar das Glück dem Könige aufzuwarten, und nicht allein seines mächtigen Schutzes, sondern auch künfftiger Beförderung vertröstet zu werden, konte aber leicht errathen, daß das Letztere nur leere Worte wären, und weil mir ausserdem der Englische Hof allzuwenig lebhafft vorkam, so hielt mich nur einige Monate daselbst auf, besahe hierauff die vornehmsten Städte des Reichs, gieng nach diesen wiederum zu Schiffe, und reisete durch die Niederlande an den Hof Kaysers Maximiliani, allwo zur selbigen Zeit alles Vergnügen, so sich ein junger Ritter wünschen konte, im grösten Uberflusse blühete. Ich erstaunete über die gantz seltsame Schönheit des Käyserlichen Printzens Philippi, und weiln bald darauff erfuhr, daß derselbe ehestens, mit der Castilianischen Princeßin Johanna vermählet werden solte, so preisete ich dieselbe allbereit in meinen Gedancken vor die allerglücklichste Princeßin, wiewohl mich die hernach folgenden Zeiten und Begebenheiten gantz anders belehreten.[514]

Inzwischen versuchte mein äuserstes, mich in dieses Printzen Gunst und Gnade zu setzen, weil ich die sichere Rechnung machen konte, daß mein König mich auf dessen Vorspruch bald wiederum zu Gnaden annehmen würde. Das Glücke war mir hierbey ungemein günstig, indem ich in verschiedenen Ritter-Spielen sehr kostbare Gewinste, und in Betrachtung meiner Jugend, vor andern grossen Ruhm erbeutete. Bey so gestallten Sachen aber fanden sich gar bald einige, die solches mit scheelen Augen ansahen, unter denen sonderlich ein Savoyischer Ritter war, der sich besonders Tapffer zu seyn einbildete, und immer nach und nach Gelegenheit suchte, mit mir im Ernste anzubinden. Er fand dieselbe endlich noch ehe als er vermeinte, wurde aber, in Gegenwart mehr als tausend Personen, fast tödtlich verwundet vom Platze getragen, dahingegen ich an meinen drey leichten Wunden nicht einmahl das Bette hüten durffte, sondern mich täglich bey Hofe öffentlich zeigen konte. Wenig Wochen darnach wurde ein Gallier fast mit gleicher Müntze von mir bezahlet, weil er die Spanischen Nationen mit ehrenrührigen Worten, und zwar in meinem Beyseyn angriff. Doch eben diese beyden Unglücks-Consorten hetzten den dritten Feind auf mich, welches ebenfalls ein Neapolitaner war, der nicht so wohl den Savoyer und Gallier, sondern vielmehr seinen in Madrit verunglückten Lands-Mann an mir rächen wolte.

Er machte ein ungemeines Wesen von sich, bath unseres Zwey-Kampffs wegen bey dem Käyser selbst, nicht allein die Vergünstigung, sondern auch[515] frey und sicher Geleite aus, in so ferne er mich entleibte, welches ihm der Käyser zwar anfänglich abschlug, jedoch endlich auf mein unterthänigstes Ansuchen zugestunde.

Demnach wurden alle Anstallten zu unserm Mord-Spiele gemacht, welchem der Käyser nebst dessen gantzer Hofstatt zusehen wolte. Wir erschienen also beyderseits zu gehöriger Zeit auf dem bestimmten Platze, mit Wehr, Waffen und Pferden aus dermassen wohl versehen, brachen unsere Lantzen ohne besondern Vortheil, griffen hierauff zun Schwerdtern, worbey ich gleich anfänglich spürete: Daß mein Gegner kein ungeübter Ritter sey, indem er mir dermassen hefftig zusetzte, daß ich eine ziemliche Weile nichts zu thun hatte, als seine geschwinden Streiche abzuwenden. Allein er war sehr starck und ungeschickt, mattete sich also in einer viertheils Stunde also hefftig ab, daß er lieber gesehen, wenn ich ihm erlaubt hätte, etwas auszuruhen. Jedoch ich muste mich dieses meines Vortheils auch bedienen, zumahlen sich an meiner rechten Hüffte die erste Verwundung zeigte, derowegen fieng ich an, meine besten Kräfte zu gebrauchen, brachte auch die nachdrücklichsten Streiche auf seiner Sturm-Hauben an, worunter mir einer also Mißrieth, daß seinem Pferde der Kopf gespalten, u. er herunter zu fallen genöthiget wurde. Ich stieg demnach gleichfalls ab, ließ ihn erstlich wieder aufstehen, und traten also den Kampf zu Fusse, als gantz von neuen wieder an. Hierbey dreheten wir uns dermassen offt und wunderlich herum, daß es das Ansehen hatte als ob wir zugleich tantzen und auch fechten müsten, mittlerweile[516] aber drunge allen beyden das Blut ziemlicher massen aus den zerkerbten Harnischen heraus, jedoch mein Gegner fand sich am meisten entkräfftet, weßwegen er auf einige Minuten Stillstand begehrte, ich vergönnete ihm selbigen, und schöpffte darbey selbst neue Kräffte, zumahlen da ich sahe, daß mir der Käyserl. Printz ein besonderes Zeichen seiner Gnade sehen ließ. So bald demnach mein Feind sein Schwerdt wiederum in die Höhe schwunge, ließ ich mich nicht träge finden, sondern versetzte ihm einen solchen gewaltsamen Hieb in das Haupt daß er zu taumeln anfieng, und als ich den Streich wiederholet, endlich todt zur Erden stürtzte. Ich warff mein Schwerdt zurück, nahete mich hinzu, um durch Abreissung des Helms ihm einige Lufft zu schaffen, da aber das Haupt fast biß auf die Augen gespalten war, konte man gar leicht begreiffen, wo die Seele ihre Ausfahrth genommen hatte, derowegen überließ ihn der Besorgung seiner Diener, setzte mich zu Pferde und ritte nach meinem Quartiere, allwo ich meine empfangenen Wunden, deren ich zwey ziemlich tieffe und 6. etwas geringere aufzuweisen hatte, behörig verbinden ließ.

Dieser Glücks-Streich brachte mir nicht allein am gantzen Käyserl. Hofe grosse Achtbarkeit, sondern des Käyserl. Printzens völlige Gunst zuwege, so daß er mich in die Zahl seiner Leib-Ritter aufnahm, und jährlich mit einer starcken Geld-Pension versahe. Hierbey erhielt ich Erlaubniß, nicht allein die vornehmsten teutschen Fürsten-Höfe, sondern auch die Königreiche Böhmen, Ungarn und Pohlen zu besuchen, worüber mir die Zeit geschwinder[517] hinlieff als ich gemeinet hatte, indem ich nicht ehe am Käyserl. Hofe zurück kam, als da die Princeßin Margaretha unserm Castilianischen Cron-Printzen Johanni als Braut zugeführet werden solte. Da nun der Käyserl. Printz Philippus dieser seiner Schwester das Geleite nach Castilien gab, bekam ich bey solcher Gelegenheit mein geliebtes Vaterland, nebst meiner allerliebsten Eleonora wieder zu sehen, indem mich König Ferdinandus, auf Vorbitte der Käyserl. und seiner eigenen Kinder, zu Gnaden annahm, und den ehemals begangenen Fehler gäntzlich zu vergessen versprach.

Es ist nicht zu beschreiben was die Donna Eleonora vor eine ungewöhnliche Freude bezeigte, da ich den ersten Besuch wiederum bey ihr ablegte, hiernächst wuste sie mich mit gantz neuen und sonderbaren Liebkosungen dermassen zu bestricken, daß meine ziemlich erkaltete Liebe weit feuriger als jemahls zu werden begunte, und ob mir gleich meine besten Freunde dero bißherige Aufführung ziemlich verdächtig machten, und mich von ihr abzuziehen trachteten; indem dieselbe nicht allein mit dem Neapolitaner, der sich, nach Heilung seiner von mir empfangenen Wunden, noch über ein Jahr lang in Madrit aufgehalten, eine allzugenaue Vertraulichkeit solte gepflogen, sondern nächst diesem auch allen andern Frembdlingen verdächtige Zugänge erlaubt haben; so war doch nichts vermögend mich aus ihren Banden zu reissen, denn so offt ich ihr nur von dergleichen verdrießlichen Dingen etwas erwehnete, wuste sie von ihrer verfolgten Unschuld ein solches Wesen zu ma chen, und ihre Keuschheit so wohl mit[518] grossen Betheurungen als heissen Thränen dermassen zu verfechten, daß ich ihr in allen Stücken völligen Glauben beymessen, und mich glücklich schätzen muste, wenn sich ihr in Harnisch gebrachtes Gemüthe durch meine kniende Abbitte und äusersten Liebes-Bezeugungen nur wiederum besänfftigen ließ.

Da nun solchergestalt alle Wurtzeln der Eifersucht von mir gantz frühzeitig abgehauen wurden, und sich unsere Hertzen aufs neue vollkommen vereinigt hatten, über dieses meine Person am gantzen Hofe immer in grössere Achtbarkeit kam, so bedünckte mich, daß das Mißvergnügen noch weiter von mir entfernet wäre, als der Himmel von der Erde. Nachdem aber die, wegen des Cron-Printzens Vermählung, angestelleten Ritter-Spiele und andere vielfältige Lustbarkeiten zum Ende gebracht, gab mir der König ein neues Regiment Fuß-Volck, und damit meine Waffen nicht verrosten möchten, schickte er mich nebst noch mehrern gegen die um Granada auf dem Gebürge wohnenden Maurer zu Felde, welche damahls allerhand lose Streiche machten, und eine förmliche Empörung versuchen wolten. Dieses war mein allergröstes Vergnügen, alldieweilen hiermit Gelegenheit hatte meines lieben Vaters frühzeitigen Tod an dieser verfluchten Nation zu rächen, und gewiß, sie haben meinen Grimm sonderlich im 1500ten und folgenden Jahre, da ihre Empörung am hefftigsten war, dermassen empfunden, daß dem Könige nicht gereuen durffte mich dahin geschickt zu haben.

Immittelst war Ferdinandus mit Ludovico[519] XII. Könige in Franckreich, über das Königreich Neapolis, welches sie doch vor kurtzer Zeit unter sich getheilet, und den König Friedericum dessen entsetzt hatten, in Streit gerathen, und mein Vetter Gonsalvus Ferdinandus de Cordua, der die Spanischen Truppen im Neapolitanischen en Chef kommandierte, war im Jahr 1502. so unglücklich gewesen, alles zu verliehren, bis auf die eintzige Festung Barletta. Demnach schrieb er um schleunigen Succurs, und bat den König, unter andern mich, als seiner Schwester Sohn mit dahin zu senden. Der König willfahrete mir und ihm in diesen Stücke, also gieng ich fast zu Ende des Jahres zu ihm über. Ich wurde von meinem Vetter, den ich in vielen Jahren nicht gesehen, ungemein liebreich empfangen, und da ich ihm die erfreuliche Zeitung von den bald nachkommenden frischen Völckern überbrachte, wurde er desto erfreuter, und zweyffelte im geringsten nicht, die Scharte an denen Frantzosen glücklich auszuwetzen, wie er sich denn in seinem Hoffnungs vollen Vorsatze nicht betrogen fand, denn wir schlugen die Frantzosen im folgenden 1503ten Jahre erstlich bey Cereniola, rückten hierauff vor die Haupt-Stadt Neapolis, welche glücklich erobert wurde, lieferten ihnen noch eine uns vortheilhaffte Schlacht bey dem Flusse Garigliano, und brachten, nachdem auch die Festung Cajeta eingenommen war, das gantze Königreich Neapolis, unter Ferdinandi Botmäßigkeit, so daß alle Frantzosen mit grösten Schimpf daraus vertrieben waren. Im folgenden Jahre wolte zwar König Ludovicus uns mit einer weit stärckern Macht angreiffen,[520] allein mein Vetter hatte sich, vermöge seiner besondern Klugheit, in solche Verfassung gesetzt, daß ihm nichts abzugewinnen war. Demnach machten die Frantzosen mit unserm Könige Friede und Bündniß, ja weil Ferdinandi Gemahlin Isabella eben in selbigem Jahre gestorben war, nahm derselbe bald hernach eine Frantzösische Dame zur neuen Gemahlin, und wolte seinen Schwieger-Sohn Philippum verhindern, das, durch den Tod des Cron-Printzen auf die Princeßin Johannam gefallene, Castilien in Besitz zu nehmen. Allein Philippus drunge durch, und Ferdinandus muste nach Arrogonien weichen.

Mittlerweile hatte sich mein Vetter Gonsalvus zu Neapolis in grosses Ansehen gesetzt, regierte daselbst, jedoch zu Ferdinendi grösten Nutzen, als ein würcklicher König, indem alle Unterthanen Furcht und Liebe vor ihm hegten. Allein so bald Ferdinandus dieses etwas genauer überlegte, entstund der Argwohn bey ihm: Ob vielleicht mein Vetter dahin trachtete, dieses Königreich dem Philippo zuzuschantzen, oder sich wohl gar selbst dessen Krone auf seinen Kopf zu setzen? Derowegen kam er unvermuthet in eigener Person nach Neapolis, stellete sich zwar gegen Gonsalvum ungemein gnädig, hielt auch dessen gemachte Reichs-Anstalten vor genehm, allein dieser verschlagene Mann merckte deñoch, daß des Königs Freundlichkeit nicht von Hertzen gienge, dem ohngeacht verließ er sich auf sein gut Gewissen, und reisete, ohne einige Schwürigkeit zu machen, mit dem Könige nach Arrogonien, allwo er vor seine treu geleisteten Dienste, mehr Hohn und[521] Spott, als Danck und Ruhm zum Lohne empfieng. Meine Person, die Ferdinando ebenfalls verdächtig vorkam, muste meines Vetters Unfall zugleich mit tragen, jedoch da ich in Aragonien ausser des Königs Gunst nichts zu suchen, sondern mein Väter- und Mütterliches Erbtheil in Castilien zu fordern hatte, nahm ich daselbst meinen Abschied, und reisete zu Philippo, bey dessen Gemahlin die Donna Eleonora de Sylva aufs neue in Dienste getreten, und eine von ihren vornehmsten Etaats-Fräuleins war.

Philippus gab mir sogleich eine Cammer-Herrens-Stelle, nebst starcken jährlichen Einkünfften, also heyrathete ich wenig Monathe hernach die Donna Eleonora, allein ob sich hiermit gleich ein besonders schöner, weiblicher Cörper an den Meinigen fügte, so fand ich doch in der genausten Umarmung bey weiten nicht dasjenige Vergnügen, wovon die Naturkündiger so vieles Geschrey machen, und beklagte heimlich, daß ich auf dergleichen ungewisse Ergötzlichkeit, mit so vieljähriger Beständigkeit gewartet, und den ehemaligen Zuredungen meiner vertrauten Freunde nicht mehrern Glauben gegeben hatte.

Jedoch ich nahm mir sogleich vor, dergleichen unglückliches Verhängniß mit möglichster Gelassenheit zu verschmertzen, auch meiner Gemahlin den allzuzeitlich gegen sie gefasseten Eckel auf alle Weise zu verbergen, immittelst mein Gemüthe nebst eiffrigen Dienstleistungen gegen das Königliche Haus, mit andern vergönnten Lustbarkeiten zu ergötzen.[522]

Das Glücke aber, welches mir biß in mein dreissigstes Jahr noch so ziemlich günstig geschienen, mochte nunmehro auf einmahl beschlossen haben, den Rücken gegen mich zu wenden. Denn mein König und mächtiger Versorger starb im folgenden 1506ten Jahre, die Königin Johanna, welche schon seit einigen Jahren an derjenigen Ehe-Stands-Kranckheit laborirte, die ich in meinen Adern fühlete, jedoch nicht eben dergleichen Artzeney, als ich, gebrauchen wolte oder konte, wurde, weil man so gar ihren Verstand verrückt glaubte, vor untüchtig zum regieren erkannt, derowegen entstunden starcke Verwirrungen unter Grossen des Reichs, biß endlich Ferdinandus aus Arragonien kam, und sich mit zurücksetzung des 6. jährigen Cron-Printzens Caroli, die Regierung des Castilianischen Reichs auf Lebens-Zeit wiederum zueignete.

Ich weiß nicht ob mich mein Eigensinn oder ein allzu schlechtes Vertrauen abhielt, bey diesem meinem alten, und nunmehro recht verneuerten Herrn, um die Bekräfftigung meiner Ehren-Stelle und damit verknüpffter Besoldung anzuhalten, wie doch viele meines gleichen thaten, zumahlen da er sich sehr gnädig gegen mich bezeigte, und selbiges nicht undeutlich selbst zu verstehen gab; Jedoch ich stellete mich in diesen meinen besten Jahren älter, schwächer und kräncklicher an als ich war, bath mir also keine andere Gnade aus, als daß mir die übrige Zeit meines Lebens auf meinen Väterlichen Land-Gütern in Ruhe hinzubringen erlaubt seyn möchte, welches mir denn auch ohne alle Weitläufftigkeiten zugelassen wurde.[523]

Meine Gemahlin schien hiermit sehr übel zu frieden zu seyn, weil sie ohnfehlbar gewisser Ursachen wegen viellieber bey Hofe geblieben wäre, jedoch, sie sahe sich halb gezwungen, meinem Willen zu folgen, gab sich derowegen gantz gedultig drein. Ich fand meine Mutter nebst der jüngsten Schwester auf meinem besten Ritter-Gute, welche die Haußhaltung daselbst in schönster Ordnung führeten. Mein jüngster Bruder hatte so wohl als die älteste Schwester eine vortheilhaffte und vergnügte Heyrath getroffen, und wohneten der erste zwey, und die letztere drey Meilen von uns. Ich verheyrathete demnach, gleich in den ersten Tagen meiner Dahinkunfft, die jüngste Schwester an einen reichen und qualificierten Edelmann, der vor etlichen Jahren unter meinem Regiment als Hauptmann gestanden hatte, und unser Gräntz-Nachbar war, die Mutter aber behielt ich mit grösten Vergnügen bey mir, allein zu meinem noch grössern Schmertzen starb dieselbe ein halbes Jahr darauf plötzlich, nachdem ich ihr die Freude gemacht, nicht allein meinen Schwestern ein mehreres Erbtheil auszuzahlen, als sie mit Recht verlangen konten, sondern auch dem Bruder die Helffte aller meiner erblichen Ritter-Güter zu übergeben, als wodurch diese Geschwister bewogen wurden, mich nicht allein als Bruder, sondern als einen Vater zu ehren und zu lieben.

Nunmehro war die Besorgung der Ländereyen auf drey nahe beysammen gelegenen Ritter-Gütern mein allervergnügtester Zeitvertreib, nächst[524] dem ergötzte mich in Durchlesung der Geschichte, so in unsern und andern Ländern vorgegangen waren, damit mich aber niemand vor einen Geitzhalß oder Grillenfänger ansehen möchte, so besuchte meine Nachbaren fleißig, und ermangelte nicht, dieselben zum öfftern zu mir zu bitten, woher denn kam, daß zum wenigsten alle Monat eine starcke Zusammenkunfft vieler vornehmer Personen beyderley Geschlechts bey mir anzutreffen war.

Mit meiner Gemahlin lebte ich ungemein ruhig und verträglich, und ohngeacht wir beyderseits wohl merckten, daß eins gegen das andere etwas besonders müste auf dem Hertzen liegen haben, so wurde doch alle Gelegenheit vermieden, einander zu kräncken. Am allermeisten aber muste bewundern, daß die sonst so lustige Donna Eleonora nunmehro ihren angenehmsten Zeitvertreib in geistlichen Büchern und in dem Umgange mit heiligen Leuten beyderley Geschlechts suchte, dahero ich immer befürchtete, sie möchte auf die Gedancken gerathen, sich von mir zu scheiden, und in ein Kloster zu gehen, wie sie denn sich von freyen Stücken gewöhnete, wöchentlich nur zwey mahl bey mir zu schlaffen, worbey ich gleichwohl merckte, daß sie zur selbigen Zeit im Wercke der Liebe gantz unersättlich war, dem ohngeacht wolten sich von unserern ehelichen Beywohnungen gar keine Früchte zeigen, welche ich doch endlich ohne allen Verdruß hätte um mich dulden wollen.

Eines Tages, da ich mit meiner Gemahlin auf dem Felde herum spatzieren fuhr, begegnete uns ein Weib, welches nebst einem ohngefähr 12. biß 13.[525] jährigen Knaben, in die nächst gelegene Stadt Weintrauben zu verkauffen tragen wolte. Meine Gemahlin bekam Lust, diese Früchte zu versuchen, derowegen ließ ich stille halten, um etwas darvon zu kaufen. Mittlerweile sagte meine Gemahlin heimlich zu mir: Sehet doch, mein Schatz, den wohlgebildeten Knaben an, der vielleicht sehr armer Eltern Kind ist, und sich dennoch wohl besser zu unserm Bedienten schicken solte, als etliche, die des Brodts nicht würdig sind. Ich nehme ihn, versetzte ich, so gleich zu eurem Pagen an, so ferne es seine Mutter und er selbst zufrieden ist. Hierüber wurde meine Gemahlin alsofort vor Freuden Blut-roth, sprach auch nicht allein die Mutter, sondern den Knaben selbst um den Dienst an, schloß den gantzen Handel mit wenig Worten, so, daß der Knabe so gleich mit seinem Frucht-Korbe uns auf unser Schloß folgen muste.

Ich muste selbst gestehen, daß meine Gemahlin an diesen Knaben, welcher sich Caspar Palino nennete, keine üble Wahl getroffen hatte, denn so bald er sein roth mit Silber verbrämtes Kleid angezogen, wuste er sich dermassen geschickt und höfflich aufzuführen, daß ich ihn selbst gern um mich leiden mochte, und allen meinen andern Bedienten befahl, diesem Knaben, bey Verlust meiner Gnade, nicht den geringsten Verdruß anzuthun, weßwegen sich denn meine Gemahlin gegen mich ungemein erkänntlich bezeugte.

Wenige Wochen hernach, da ich mit verschiedenen Gästen und guten Freunden das Mittags-Mahl einnahm, entstund ein grausames Lermen[526] in meinem Hofe, da nun dieserwegen ein jeder an die Fenster lieff, wurden wir gewahr, daß meine Jagd-Hunde eine Bettel-Frau, nebst einer etwa 9. jährigen Tochter zwar umgerissen, jedoch wenig beschädigt hatten. Meine Gemahlin lieff aus mitleidigen Antriebe so gleich hinunter, und ließ die mehr von Schrecken als Schmertzen ohnmächtigen Armen ins Hauß tragen und erquicken, kam hernach zurück, und sagte: Ach mein Schatz! was vor ein wunderschönes Kind ersiehet man an diesem Bettel-Mägdlein, vergönnet mir, wo ihr anders die geringste Liebe vor mich habt, daß ich selbiges so wohl als den artigen Caspar auferziehen mag.

Ich nahm mir kein Bedencken, ihr solches zu erlauben, da denn in kurtzen das Bettel-Mägdlein dermassen heraus geputzt wurde, auch sich solchergestallt in den Staat zu schicken wuste, als ob es darzu gebohren und auferzogen wäre. Demnach konte sich die Donna Eleonora alltäglich so vieles Vergnügen mit demselben machen, als ob dieses Mägdlein ihr liebliches Kind sey, ausserdem aber bekümmerte sie sich wenig oder gar nichts um ihre Haußhaltungs-Geschäffte, sondern wendete die meiste Zeit auf einen strengen GOttes-Dienst, den sie nebst einer heiligen Frauen oder so genannten Beata zum öfftern in einem verschlossenen Zimmer verrichtete.

Diese Beata lebte sonst gewöhnlich in dem Hospital der Heil. Mutter GOttes in Madrid, hatte, meiner Gemahlin Vorgeben nach, einen Propheten-Geist, solte viele Wunder gethan haben, und noch thun können, über dieses fast täglicher Erscheinungen[527] der Mutter GOttes, der Engel und anderer Heiligen gewürdiget werden. Sie kam gemeiniglich Abends in der Demmerung mit verhüllten Gesichte, und brachte sehr öffters eine ebenfalls verhüllete junge Weibs-Person mit, die sie vor ihre Tochter ausgab. Ein eintziges mahl wurde mir vergönnet, ihr blosses Angesicht zu sehen, da ich denn bey der Alten ein ausserordentlich häßliches Gesichte, die Junge aber ziemlich wohlgebildet wahrnahm, jedoch nachhero bekümmerte ich mich fast gantz und gar nicht mehr um ihren Aus- und Eingang, sondern ließ es immerhin geschehen, daß diese Leute, welche ich so wohl als meine Gemahlin vor scheinheilige Narren hielt, öffters etliche Tage und Wochen aneinander in einem verschlossenen Zi er sich aufgehalten, u. mit den köstlichsten Speisen und Geträncke versorget wurden. Ich muste auch nicht ohne Ursach ein Auge zudrücken, weil zu befürchten war, meine Gemahlin möchte dereinst beym Sterbe-Fall ihr grosses Vermögen mir entziehen, und ihren Freunden zuwenden.

Solchergestalt lebte nun biß ins vierdte Jahr mit der Donna Eleonora, wiewohl nicht sonderlich vergnügt, doch auch nicht gäntzlich unvergnügt, biß endlich folgende Begebenheit meine bißherige Gemüths-Gelassenheit völlig vertrieb, und mein Hertz mit lauter Rach-Begierde und rasenden Eiffer anfüllte: Meiner Gemahlin vertrautes Cammer-Mägdgen, Apollonia, wurde von ihren Mit-Bedienten vor eine Geschwängerte ausgeschryen, und ohngeacht ihr dicker Leib der Sache selbst einen starcken Beweißthum gab, so verließ sie sich doch beständig[528] aufs Läugnen, biß ich endlich durch erleidliches Gefängniß, die Wahrheit nebst ihrem eigenen Geständnisse, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde sey, zu erforschen Anstalt machen ließ. Dem ohngeacht blieb sie beständig verstockt, allein, am 4ten Tage ihrer Gefangenschafft meldete der Keckermeister in aller Frühe, daß Apollonia vergangene Nacht plötzlich gestorben sey, nachdem sie vorhero Dinte, Feder und Pappier gefordert, einen Brief geschrieben, und ihn um aller Heiligen Willen gebeten, denselben mit gröster Behutsamkeit, damit es meine Gemahlin nicht erführe, an mich zu übergeben. Ich erbrach den Brief mit zitternden Händen, weil mir mein Hertz allbereit eine gräßliche Nachricht prophezeyete, und fand ohngefähr folgende Worte darinnen:


Gestrenger Herr!


Vernehmet hiermit von einer sterbenden ein Geheimniß, welches sie bey Verlust ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen kan. Eure Gemahlin, die Donna Eleonora, ist eine der allerlasterhafftesten Weibes-Bilder auf der gantzen Welt. Ihre Jungfrauschafft hat sie schon, ehe ihr dieselbe geliebt, dem Don Sebastian de Urrez Preiß gegeben, und so zu reden, vor einen kostbarn Haupt-Schmuck verkaufft. Mit dem euch wohlbekandten Neapolitaner hat sie in eurer Abwesenheit den Knaben Caspar Palino gezeuget, welcher ihr voritzo als Page aufwartet, und das vermeynte Bettel-Mägdlein [529] Euphrosine ist ebenfalls ihre leibliche Tochter, die sie zu der Zeit, als ihr gegen die Maurer zu Felde laget, von ihrem Beicht-Vater empfangen, und heimlich zur Welt gebohren hat. Lasset eures Verwalters Menellez Frau auf die Folter legen, so wird sie vielleicht bekennen, wie es bey der Geburth und Auferziehung dieser unehelichen Kinder hergegangen. Eure Mutter, die ihr gleich anfänglich zuwider war, habe ich auf ihren Befehl mit einem subtilen Gifft aus der Zahl der Lebendigen schaffen müssen, euch selbst aber, ist eben dergleichen Verhängniß bestimmet, so bald ihr nur eure bißherige Gelindigkeit in eine strengere Herrschafft verwandeln werdet. Wie aber ihre Geilheit von Jugend auf gantz unersättlich gewesen, so ist auch die Zahl derjenigen Manns-Personen allerley Standes, worunter sich öffters so gar die allergeringsten Bedienten gefunden, nicht auszusprechen, die ihre Brunst so wohl bey Tage als Nacht Wechsels-Weise abkühlen müssen, indem sie den öfftern Wechsel in diesen Sachen jederzeit von ihr allergröstes Vergnügen gehalten. Glaubet ja nicht, mein Herr, daß die so genannte Beata eine heilige Frau sey, denn sie ist in Wahrheit eine der allerliederlichsten Kupplerinnen in gantz Madrit, unter derjenigen Person aber, die vor ihre Tochter ausgegeben wird, ist allezeit ein verkappter Münch, oder ein anderer junger Mensch[530] versteckt, der eure Gemahlin, so offt ihr die Lust bey Tage ankömmt, vergnügen, und des Nachts an ihrer Seite liegen muß, und eben dieses ist die sonderbare Andacht, so dieselbe in dem verschlossenen Zimmer verrichtet. Ich fühle, daß mein Ende heran nahet, derowegen muß die übrigen Schand-Thaten unberühret lassen, welche jedoch von des Menellez Frau offenbarer werden können, denn ich muß, die vielleicht noch sehr wenigen Augenblicke meines Lebens, zur Busse und Gebet anwenden, um dadurch von GOtt zu erlangen, daß er mich grosse Sünderin seiner Barmhertzigkeit geniessen lasse. Was ich aber allhier von eurer Gemahlin geschrieben habe, will ich in jenem Leben verantworten, und derselben von gantzen Hertzen vergeben, daß sie gestern Abend die Cornelia zu mir geschickt, die mich nebst meiner Leibes-Frucht, vermittelst eines vergiffteten Apffels, unvermerckt aus der Welt schaffen sollen, welches ich nicht ehe als eine Stunde nach Geniessung desselben empfunden und geglaubet habe. Don Vincentio de Garziano, welcher der Donna Eleonora seit 4 Monaten daher von der Beata zum Liebhaber zugeführet worden, hat wider meiner Gebietherin Wissen und Willen seinen Muthwillen auch an mir ausgeübt, und mich mit einer unglückseeligen Leibes-Frucht belästiget. Vergebet mir, gnädigster Herr, meine Boßheiten[531] und Fehler, so wie ich von GOTT Vergebung zu erhalten verhoffe, lasset meinen armseeligen Leib in keine ungeweyhete Erde begraben, und etliche Seel-Messen vor mich und meine Leibes-Frucht lesen, damit ihr in Zukunfft von unsern Geistern nicht verunruhiget werdet. GOTT, der meine Seele zu trösten nunmehro einen Anfang machet, wird euch davor nach ausgestandenen Trübsalen und Kümmernissen wiederum zeitlich und ewig zu erfreuen wissen. Ich sterbe mit grösten Schmertzen als eine bußfertige Christin und eure

unwürdige Dienerin

Apollonia.


Erwege selbst, du! der du dieses liesest, wie mir nach Verlesung dieses Briefes müsse zu Muthe gewesen seyn, denn ich weiß weiter nichts zu sagen, als daß ich binnen zwey guten Stunden nicht gewußt habe, ob ich noch auf Erden oder in der Hölle sey, denn mein Gemüthe wurde von gantz ungewöhnlichen Bewegungen dermassen gefoltert und zermartert, daß ich vor Angst und Bangigkeit nicht zu bleiben wuste, jedoch, da aus den vielen Hin- und Hergehen der Bedienten muthmassete, daß Eleonora erwacht seyn müsse, brachte ich dasselbe in behörige Ordnung, nahm eine verstellte gelassene Gebärde an, und besuchte sie in ihrem Zimmer, ich war würcklich selbst der erste, der ihr von dem Tode der Apolloniæ die Zeitung brachte, welche sie mit mäßiger Verwunderung anhörte, und darbey[532] sagte: Der Schand-Balg hat sich ohnfehlbar selbst mit Giffte hingerichtet, um des Schimpffs und der Straffe zu entgehen, man muß es untersuchen, und das Aas auf den Schind-Anger begraben lassen. Allein, ich gab zur Antwort: Wir werden besser thun, wenn wir die gantze Sache vertuschen, und vorgeben, daß sie eines natürlichen Todes gestorben sey, damit den Leuten, und sonderlich der heiligen Inquisition, nicht Gelegenheit gegeben wird, vieles Wesen davon zu machen, ich werde den Pater Laurentium zu mir ruffen lassen, und ihm eine Summe Geldes geben, daß er nach seiner besondern Klugheit alles unterdrücke, den unglückseeligen Cörper auf den Kirchhof begraben lasse, und etliche Seel-Messen vor denselben lese. Ihr aber, mein Schatz! sagte ich ferner, werdet, so es euch gefällig ist, die Güte haben, und nebst mir immittelst zu einem unserer Nachbarn reisen, und zwar, wohin euch beliebt, damit unsere Gemüther, nicht etwa dieser verdrüßlichen Begebenheit wegen, einige Unlust an sich nehmen, sondern derselben bey lustiger Gesellschafft steuren können.

Es schien, als ob ihr diese meine Reden gantz besonders angenehm wären, auf mein ferneres Fragen aber, wohin sie vor dieses mahl hin zu reisen beliebte? schlug sie so gleich Don Fabio de Canaria vor, welcher 3. Meilen von uns wohnete, keine Gemahlin hatte, sondern sich mit etlichen Huren behalff, sonsten aber ein wohlgestaltet, geschickter und kluger Edelmann war. Ich stutzte ein klein wenig über diesen Vorschlag, Eleonora aber, welche[533] solches so gleich merckte, sagte: Mein Schatz, ich verlange nicht ohne Ursache, diesen übel-berüchtigten Edelmann einmahl zu besuchen, um welchen es Schade ist, daß er in so offenbarer Schande und Lastern lebt, vielleicht aber können wir ihn durch treuhertzige Zuredungen auf andere Wege leiten, uñ dahin bereden, daß er sich eine Gemahlin aussuchet, mithin den Lastern absaget. Ihr habt recht, gab ich zur Antwort, ja ich glaube, daß niemand auf der Welt, als ihr, geschickter seyn wird, diesen Cavalier zu bekehren, von dessen Lebens-Art, ausser der schändlichen Geilheit, ich sonst sehr viel halte, besinnet euch derowegen auf gute Vermahnungen, ich will indessen meine nöthigsten Geschäffte besorgen, und so dann gleich Anstalt zu unserer Reise machen lassen. Hierauf ließ ich den Kercker-Meister zu mir kommen, und erkauffte ihn mit 200. Cronen, wegen des Briefs und Apolloniens weitern Geschichten, zum äusersten Stillschweigen, welches er mir mit einem theuren Eyde angelobte. Mit dem Pater Laurentio, der mein Beicht-Vater und Pfarrer war, wurde durch Geld alles geschlichtet, was des todten Cörpers halber zu veranstalten war. Nach diesen befahl meinem allergetreusten Leib-Diener, daß er binnen der Zeit unserer Abwesenheit eine kleine schmale Thür aus einem Neben-Zimmer in dasjenige Gemach durchbrechen, und mit Bretern wohl verwahren solte, allwo die Beata nebst ihrer Tochter von meiner Gemahlin gewöhnlich verborgen gehalten wurde, und zwar solchergestalt, daß Niemand von dem andern Gesinde etwas davon erführe,[534] auch in dem Gemach selbst an den Tapeten nichts zu mercken seyn möchte. Mittlerweile erblickte ich durch mein Fenster, daß die Beata nebst ihrer verstellten Tochter durch die Hinter-Thür meines Gartens abgefertiget und fortgeschickt wurden, weßwegen ich meinen Leib-Diener nochmahls alles ordentlich zeigte, und ihn meiner Meynung vollkommen verständigte, nach eingenommener Mittags-Mahlzeit aber, mit Eleonoren zu Don Fabio de Canaria reisete.

Nunmehro waren meine Augen weit heller als sonsten, denn ich sahe mehr als zu klärlich mit was vor feurigen Blicken und geilen Gebährden Eleonora und Fabio einander begegneten, so daß ich leichtlich schliessen konte: wie sie schon vor dem müsten eine genauere Bekanndtschafft untereinander gepflogen haben, anbey aber wuste mich dermassen behutsam aufzuführen, daß beyde Verliebten nicht das geringste von meinen Gedancken errathen oder mercken konten. Im gegentheil gab ihnen die schönste Gelegenheit allein zusammen zu bleiben, und sich in ihrer verdammten Geilheit zu vergnügen, als womit ich Eleonoren ausserordentlich sicher machte, dem Fabio aber ebenfalls die Meynung beybrachte: ich wolte oder könte vielleicht nicht Eifersüchtig werden. Allein dieser Vogel war es eben nicht allein, den ich zu fangen mir vorgenommen hatte. Er hatte noch viele andere Edelleute zu sich einladen lassen, unter denen auch mein Bruder nebst seiner Gemahlin war, diesem vertrauete ich bey einem einsamen Spazier-Gange im Garten, was mir vor ein schwerer Stein auf dem Hertzen[535] läge, welcher denn dieserwegen eben so hefftige Gemüths-Bewegungen als ich selbst empfand, jedoch wir verstelleten uns nach genommener Abrede aufs Beste, und schienen so wohl als alle andern, drey Tage nach einander rechtschaffen lustig zu seyn. Am vierdten Tage aber reiseten wir wiederum aus einander, nachdem mein Bruder versprochen, alsofort bey mir zu erscheinen, so bald ich ihm deßfalls nur einen Boten gesendet hätte. Zwey Tage nach unserer Heimkunfft, kam die verhüllte Beata nebst ihrer vermeynten Tochter in aller Frühe gewandelt, und wurde von Eleonoren mit gröstem vergnügen empfangen. Mein Hertz im Leibe entbrannte vom Eiffer und Rache, nachdem ich aber die Arbeit meines Leib-Dieners mit Fleiß betrachtet, und die verborgene Thür nach meinem Sinne vollkommen wohl gemacht befunden, ließ ich meinen Bruder zu mir entbiethen, welcher sich denn noch vor Abends einstellete. Meine Gemahlin war bey der Abend-Mahlzeit ausserordentlich wohl aufgeräumt, und schertzte wieder ihre Gewohnheit sehr lange mit uns, da wir aber nach der Mahlzeit einige Rechnungen durchzugehen vornahmen, sagte sie: Meine Herren, ich weiß doch, daß euch meine Gegenwart bey dergleichen ernstlichen Zeitvertreibe beschwerlich fällt, derowegen will mit eurer gütigen Erlaubniß Abschied nehmen, meine Andacht verrichten, hiernach schlafen gehen, weil ich ohnedem heute ausserordentlich müde bin. Wir fertigten sie von beyden Seiten mit unverdächtiger Freundlichkeit ab, blieben noch eine kurtze Zeit beysammen sitzen, begaben uns hernach mit zweyen Blend-Laternen und[536] blossen Seiten-Gewehren, gantz behutsam und stille in dasjenige Zimmer, wo die neue Thür anzutreffen war, allwo man auch durch die kleinen Löcher, welche so wohl durch die Breter als Tapeten geschnitten und gestochen waren, alles gantz eigentlich sehen konte, was in dem, vor heilig gehaltenen Gemache vorgieng.

Hilff Himmel! Was vor Schande! Was vor ein scheußlicher Anblick! Meine schöne, fromme, keusche, tugendhaffte, ja schon halb canonisirte Gemahlin, Donna Eleonora de Sylva, gieng mit einer jungen Manns-Person Mutternackend im Zimmer auf und ab spatzieren, nicht anders als ob sie den Stand der Unschuld unserer ersten Eltern, bey Verlust ihres Lebens vorzustellen, sich gezwungen sähen. Allein wie kan ich an den Stand der Unschuld gedencken? Und warum solte ich auch diejenigen Sodomitischen Schand-Streiche erwehnen, die uns bey diesem wunderbaren Paare in die Augen fielen, die aber auch kein tugendliebender Mensch leichtlich errathen wird, so wenig als ich vorhero geglaubt, daß mir dergleichen nur im Traume vorkommen könne.

Mein Bruder und ich sahen also diesem Schand-und Laster-Spiele länger als eine halbe Stunde zu, binnen welcher Zeit ich etliche mahl vornahm die Thür einzustossen, und diese bestialischen Menschen zu ermorden, allein mein Bruder, der voritzo etwas weniger hitzig als ich war, hielt mich davon ab, mit dem Bedeuten: dergleichen Strafe wäre viel zu gelinde, über dieses so wolten wir doch erwarten was nach dem saubern Spaziergange würde vorgenommen[537] werden. Wiewohl nun solches leichtlich zu errathen stund, so wurde doch von uns die rechte Zeit, und zwar mit erstaunlicher Gelassenheit abgepasset. So bald demnach ein jedes von den Schand-Bälgen einen grossen Becher ausgeleeret, der mit einem besonders annehmlichen Geträncke, welches die verfluchte Geilheit annoch vermehren solte, angefüllet gewesen; fielen sie, als gantz berauschte Furien, auf das seitwärts stehende Huren-Lager, und trieben daselbst solche Unflätereyen, deren Angedencken ich gern auf ewig aus meinen Gedancken verbannet wissen möchte. Nunmehro, sagte mein Bruder, haben die Lasterhafften den höchsten Gipffel aller schändlichen Wollüste erstiegen, derowegen kommet mein Bruder! und lasset uns dieselben in den tieffsten Abgrund alles Elendes stürtzen, jedoch nehmet euch so wohl als ich in acht, daß keins von beyden tödtlich verwundet werde. Demnach wurde die kleine Thür in aller Stille aufgemacht, wir traten durch die Tapeten hinein, ohne von ihnen gemerckt zu werden, bis ich den verfluchten geilen Bock beym Haaren ergriff, und aus dem Bette auf den Boden warf. Eleonora that einen eintzigen lauten Schrey, uñ bliebe hernach auf der Stelle ohnmächtig liegen. Die verteuffelte Beata kam im blossen Hembde mit einem Dolche herzu gesprungen, und hätte mich ohnfehlbar getroffen, wo nicht mein Bruder ihr einen solchen hefftigen Hieb über den Arm versetzt, wovon derselbe biß auf eine eintzige Sehne durchschnitten und gelähmet wurde. Ich gab meinem Leib-Diener ein abgeredetes Zeichen, welcher sogleich nebst 2. Knechten in dem Neben-Zimmer zum Vorscheine[538] kam, und die zwey verfluchten Frembdlinge, so wir dahinein gestossen hatten, mit Stricken binden, und in einen sehr tieffen Keller schleppen ließ.

Eleonora lag so lange noch ohne alle Empfindung, bis ihr die getreue Cornelia bey nahe dreyhundert Streiche mit einer scharffen Geissel auf den wollüstigen nackenden Leib angebracht hatte, denn diese Magd sahe sich von mir gezwungen, ihrer Frauen dergleichen kräfftige Artzeney einzugeben, welche die gewünschte Würckung auch dermassen that, daß Eleonora endlich wieder zu sich selbst kam, mir zu Fusse fallen, und mit Thränen um Gnade bitten wolte. Allein meine bißherige Gedult war gäntzlich erschöpfft, derowegen stieß ich die geile Hündin mit einem Fusse zurücke, befahl der Cornelia ihr ein Hembd überzuwerffen, worauff ich beyde in ein leeres wohlverwahrtes Zimmer stieß, und alles hinweg nehmen ließ, womit sie sich etwa selbsten Schaden und Leyd hätten zufügen können. Noch in selbiger Stunde wurde des Menellez Frau ebenfalls gefänglich eingezogen, den übrigen Theil der Nacht aber, brachten ich und mein Bruder mit lauter Berathschlagungen hin, auf was vor Art nehmlich, die wohl angefangene Sache weiter auszuführen sey. Noch ehe der Tag anbrach, begab ich mich hinunter in das Gefängniß zu des Menellez Frau, welche denn gar bald ohne Folter und Marter alles gestund, was ich von ihr zu wissen begehrte. Hierauff besuchte nebst meinem Bruder die Eleonora, und gab derselben die Abschrifft von der Apollonie Briefe zu lesen, worbey sie etliche[539] mahl sehr tieff seuffzete, jedoch unseres Zuredens ohngeacht, die äuserste Verstockung zeigte, und durchaus kein Wort antworten wolte. Demnach ließ ich ihren verfluchten Liebhaber in seiner Blösse, so wohl als die schändliche Beata hertzu führen, da denn der Erste auf alle unsere Fragen richtige Antwort gab, und bekannte: Daß er Don Vincentio de Garziano hiesse, und seit 4. oder 5. Monaten daher, mit der Eleonora seine schandbare Lust getrieben hatte, bat anbey, ich möchte in Betrachtung seiner Jugend und vornehmen Geschlechts ihm das Leben schencken. Es ist mir, versetzte ich, mit dem Tode eines solchen liederlichen Menschen, wie du bist, wenig oder nichts geholffen, derowegen solstu zwar nicht hingerichtet, aber doch also gezeichnet werden, daß die Lust nach frembden Weibern verschwinden, und dein Leben ein täglicher Tod seyn soll. Hiermit gab ich meinem Leib-Diener einen Winck, welcher sogleich 4. Handfeste Knechte herein treten ließ, die den Vincentio sogleich anpackten, und auf eine Tafel bunden. Dieser merckte bald was ihm wiederfahren würde, fieng derowegen aufs neue zu bitten und endlich zu drohen an: wie nehmlich sein Vater, der ein vornehmer Königl. Bedienter und Mit-Glied der Heil. Inquisition sey, dessen Schimpff sattsam rächen könte, allein es halff nichts, sondern meine Knechte verrichteten ihr A t so, daß er unter kläglichen Geschrey seiner Mannheit beraubt, und nachhero wiederum gehefftet wurde. Ich muste zu meinem allergrösten Verdrusse sehen: Daß Eleonora dieserwegen die bittersten Thränen fallen ließ, um deßwillen sie von mir mit dem Fusse[540] dermassen in die Seite gestossen wurde, daß sie zum andern mahle ohnmächtig darnieder sanck. Bey mir entstund dieserwegen nicht das geringste Mittleyden, sondern ich verließ sie unter den Händen der Cornelia, der Verschnittene aber muste nebst der vermaledeyten Kupplerin zurück ins Gefängniß wandern. Nachhero wurde auch die Cornelia vorgenommen, welche sich in allen aufs Läugnen verließ, und vor die allerunschuldigste angesehen seyn wolte, so bald ihr aber nur die Folter-Banck nebst dem darzu gehörigen Werck-Zeuge gezeigt wurde, bekannte die liederliche Metze nicht allein, daß sie auf Eleonorens Befehl den vergiffteten Apffel zugerichtet, und ihn der Apollonie zu essen eingeschwatzt hätte, sondern offenbarete über dieses noch ein und anderes von ihrer verstorbenen Mit-Schwester Heimlichkeiten, welches alles aber nur Eleonoren zur Entschuldigung gereichen, und mich zur Barmhertzigkeit gegen dieselbe bewegen solte. Allein dieses war alles vergebens, denn mein Gemüthe war dermassen von Grimm und Rache erfüllet, daß ich nichts mehr suchte als dieselbe rechtmäßiger Weise auszuüben. Immittelst, weil ich mich nicht allzusehr übereilen wolte, wurde die übrige Zeit des Tages nebst der darauff folgenden Nacht, theils zu reifflicher Betrachtung meines unglückseel. Verhängnisses, theils aber auch zur benöthigten Ruhe angewendet.

Da aber etwa zwey Stunden vor Anbruch des Tages im halben Schlummer lag, erhub sich ein starcker Tumult in meinem Hofe, weßwegen ich aufsprunge und durchs Fenster ersahe, wie meine Leute[541] mit etlichen frembden Personen zu Pferde, bey Lichte einen blutigen Kampf hielten. Mein Bruder und ich warffen sogleich unsere Harnische über, und eileten den unsern beyzustehen, von denen allbereit zwey hart verwundet auf dem Platze lagen, jedoch so bald wir unsere Schwerdter frisch gebrauchten, fasseten meine Leute neuen Muth, daß 5. unbekandte Feinde getödtet, und die übrigen 7. verjagt wurden. Indem kam ein Geschrey, daß sich auf der andern Seiten des Schlosses, ein Wagen nebst etlichen Reutern befände, welche Eleonoren und Cornelien, die sich eben itzo zum Fenster herab liessen, hinweg führen wolten. Wir eileten ingesammt mit vollen sprüngen dahin, und traffen die beyden saubern Weibs-Bilder allbereit auf der Erden bey dem Wagen an, demnach entstunde daselbst abermahls ein starckes Gefechte, worbey 3. von meinen Leuten, und 8. feindliche ins Graß beissen musten, jedoch letzlich wurden Wagen und Reuter in die Flucht geschlagen, Eleonora und Cornelia aber blieben in meiner Gewalt und musten, um besserer Sicherheit willen, sich in ein finsteres Gewölbe verschliessen lassen.

Ohnfehlbar hatte Cornelia diesen nächtlichen Uberfall angesponnen, indem sie vermuthlich Gelegenheit gefunden, etwa eine bekandte getreue Person aus dem Fenster anzuruffen, und dieselbe mit einem Briefe so wohl an ihre eigene als Eleonorens Vettern oder Buhler abzusenden, welche denn allerhand Wagehälse an sich gezogen, und sie zu erlösen, diesen Krieg mit mir und den Meinigen angefangen[542] hatten, allein ihr Vortheil war sehr schlecht, indem sie 13. todte zurück liessen, wiewohl ich von meinen Bedienten und Unterthanen auch 4. Mann dabey einbüssete. Dieses eintzige kam mir hierbey am allerwundersamsten vor, daß derjenige Keller in welchem die Beata und der Verschnittene lagen, erbrochen, beyde Gefangene aber nirgends anzutreffen waren, wie ich denn auch nachhero niemahls etwas von diesen schändlichen Personen erfahren habe.

Ich ließ alle meine Nachbarn bey den Gedancken, daß mich vergangene Nacht eine Räuber-Bande angesprenget hätte, denn weil meine Bedienten und Unterthanen noch zur Zeit reinen Mund hielten, wuste niemand eigentlich, was sich vor eine verzweiffelte Geschicht in meinem Hause zugetragen. Gegen Mitternacht aber lieff die grausame Nachricht bey mir ein, daß sich so wohl Eleonora als Cornelia, vermittelst abgerissener Streiffen von ihren Hembdern, verzweiffelter Weise an zwey im Gewölbe befindlichen Haken, selbst erhänckt hätten, auch bereits erstarret und erkaltet wären. Ich kan nicht läugnen, daß mein Gemüthe dieserwegen höchst bestürtzt wurde, indem ich mir vorstellete: Daß beyde mit Leib und Seele zugleich zum Teuffel gefahren, indem aber nebst meinem Bruder diesen gräßlichen Zufall beseuffzete und berathschlagte, was nunmehro anzufangen sey, meldete sich ein Bothe aus Madrit, der sein Pferd zu tode geritten hatte, mit folgenden Briefe bey mir an:
[543]

Mein Vetter.


Es hat mir ein vertrauter Freund vom Hofe in geheim gesteckt, daß sich entsetzliche Geschichte auf eurem Schlosse begeben hätten, worüber jederman, der es hörete, erstaunen müste. Ihr habt starcke Feinde, die dem, euch ohne dieses schon ungnädigen Könige, solche Sache noch heute Abends vortragen und den Befehl auswürcken werden, daß der Königl. Blut-Richter nebst seinen und des Heil. Officii Bedienten, vermuthlich noch Morgen vor Mittags bey euch einsprechen müssen. Derowegen bedencket euer Bestes, machet euch bey Zeiten aus dem Staube, und glaubet sicherlich, daß man ihr möget auch Recht oder Unrecht haben, dennoch euer Gut und Blut aussaugen wird. Reiset glücklich, führet eure Sachen in besserer Sicherheit aus, und wisset, daß ich beständig sey

euer getreuer Freund,

Don Alphonso de Cordua.


Nunmehro wolte es Kunst heissen, in meinen verwirrten Angelegenheiten einen vortheilhafften Schluß zu fassen, jedoch da alle Augenblicke kostbarer zu werden schienen, kam mir endlich meines getreuen Vetters Rath am vernünfftigsten vor, zumahlen da mein Bruder denselben gleichfalls billigte. Also nahm ich einen eintzigen getreuen Diener zum Gefährten, ließ zwey der besten Pferde satteln, und so viel Geld und Kleinodien darauf packen,[544] als sie nebst uns ertragen mochten, begab mich solchergestallt auf die schnellste Reise nach Portugall, nachdem ich nicht allein meinem Bruder mein übriges Geld und Kostbarkeiten mit auf sein Gut zu nehmen anvertrauet, sondern auch, nebst ihm meinem Leib-Diener und andern Getreuen, Befehl ertheilet, wie sie sich bey diesen und jenen Fällen verhalten solten. Absonderlich aber solte mein Bruder des Menellez Frau, wie nicht weniger den Knaben Caspar Palino, und das Mägdlein Euphrosinen heimlich auf sein Schloß bringen, und dieselben in genauer Verwahrung halten, damit man sie jederzeit als lebendige Zeugen darstellen könne.

Ich gelangete hierauff in wenig Tagen auf dem Portugisischen Gebiethe, und zwar bey einem bekandten von Adel an, der mir auf seinem wohlbefestigten Land-Gute den sichersten Auffenthalt versprach.

Von dar aus überschrieb ich meine gehabten Unglücks-Fälle mit allen behörigen Umständen an den König Ferdinandum, und bat mir nichts als einen Frei- und Sicherheits-Brief aus, da ich denn mich ohne Zeit-Verlust vor dem hohen Gerichte stellen, und meine Sachen nach den Gesetzen des Landes wolte untersuchen und richten lassen. Allein ob zwar der König anfänglich nicht ungeneigt gewesen mir dergleichen Brief zu übersenden, so hatten doch der Eleonora und des Vincentio Befreundte, nebst meinen anderweitigen Feinden alles verhindert, und den König dahin beredet: Daß derselbe, nachdem ich, auf dreymal wiederholte Citation,[545] mich nicht in das Gefängniß des Heil. Officii gestellet, vor schuldig und straffbar erkläret wurde.

Bei so gestallten Sachen waren alle Vorstellungen, die ich so wohl selbst schrifftlich, als durch einige annoch gute Freunde thun ließ, gäntzlich vergebens, denn meine Güter hatte der König in Besitz nehmen lassen, und einen Theil von den Einkünfften derselben dem Heil. Officio anheim gegeben. Ich glaube gantz gewiß, daß des Königs Geitz, nachdem er diese schöne Gelegenheit besser betrachtet, mehr Schuld an diesem meinen gäntzlichen Ruine gewesen, als die Verfolgung meiner Feinde, ja als die gantze Sache selbst. Mein Bruder wurde ebenfalls nicht übergangen, sondern um eine starcke Summe Geldes gestrafft, jedoch dieser hat meinetwegen keinen Schaden gelitten, indem ich ihm alles Geld und Gut, so er auf mein Bitten von dem Meinigen zu sich genommen, überlassen, und niemahls etwas zurück gefordert habe. Also war der König, der sich in der Jugend selbst zu meinen Versorger aufgeworffen hatte, nachhero mein Verderber, welches mich jedoch wenig Wunder nahm, wenn ich betrachtete, wie dessen unersättlicher Eigen-Nutz nicht allein alle vornehmsten des Reichs zu paaren trieb, sondern auch die besten Einkünffte der Ordens-Ritter an sich zohe.

Dem ohngeacht schien es als ob ich noch nicht unglückseelig genug wäre, sondern noch ein härter Schicksaal am Leibe und Gemüth ertragen solte, denn es schrieb mir abermahls ein vertrauter Freund: Daß Ferdinandus meinen Auffenthalt in Portugal erfahren hätte, und dieserwegen ehestens[546] bey dem Könige Emanuel, um die Auslieferung meiner Person bitten wolte, im Fall nun dieses letztere geschähe, dürffte keinen Zweiffel tragen, entweder meinen Kopf zu verlieren, oder wenigstens meine übrige Lebens-Zeit in dem Thurme zu Segovia als ein ewiger Gefangener hinzubringen. Da nun weder dieses noch jenes zu versuchen beliebte, und gleichwohl eines als das andere zu befürchten die gröste Ursach hatte, fassete ich den kurtzen Schluß: mein verlohrnes Glück zur See wieder zu suchen, und weil eben damahls vor 8. oder 9. Jahren die Portugiesen in der neuen Welt eine grosse und vortreffliche Landschafft entdeckt, und selbige Brasilien genennet hatten, setzte ich mich im Port-Cale zu Schiffe, um selbiges Land selbst in Augenschein zu nehmen, und da es nur in etwas angenehm befände, meine übrige Lebens-Zeit daselbst zu verbleiben. Allein das Unglück verfolgte mich auch zur See, denn um die Gegend der so genannten glückseeligen Insuln, wurden die Portugisischen Schiffe, deren 8. an der Zahl waren, so mit einander seegelten, durch einen hefftigen Sturm-Wind zerstreuet, dasjenige aber, worauf ich mich befand, zerscheiterte an einem Felsen, so daß ich mein Leben zu erhalten einen Balcken ergreiffen, und mich mit selbigen 4. Tage nach einander vom Winde und Wellen muste herum treiben lassen. Mein Untergang war sehr nahe, jedoch der Himmel hatte eben zu rechter Zeit etliche Spanische Schiffe in diese Gegend geführet, welche nebst andern auch mich auffischeten und erquickten.

Es waren dieses die Schiffe des Don Alphonso[547] Hojez, und des Don Didaco de Niqvesa, welche beyde von dem Spanischen Könige, als Gouverneurs, und zwar der Erste über Carthago, der Andere aber über Caragua, in die neu erfundene Welt abgefertiget waren. Unter allen bey sich habenden Leuten war nur ein eintziger, der mich, und ich hinwiederum ihn von Person sehr wohl kennete, nehmlich: Don Vasco Nunez di Valboa, der unter dem Hojez ein Schiffs-Hauptmann war, dieser erzeigte sich sehr auffrichtig gegen mich, hatte vieles Mittleyden wegen meines unglücklichen Zustandes, und Schwur wider meinen willen, mich niemanden zu entdecken, also blieb ich bey ihm auf seinem Schiffe, allwo er mich, mit Vorbewußt des Hojez, zu seinem Schiff-Lieutenant machte.

Wir erreichten demnach ohne ferneres Ungemach die Insul Hispaniolam, daselbst rüstete der Gouverneur Hojez, 4. grosse und starcke, nebst etlichen kleinen Neben-Schiffen aus, auf welchen wir gerades Wegs hinüber nach der Stadt Neu-Carthago zu seegelten. Hieselbst publicirte Hojez denen Einwohnern des Landes das Königliche Edict: Wie nehmlich dieselben von ihrem bißherigen Heydnischen Aberglauben ablassen, von den Spaniern das Christenthum nebst guten Sitten und Gebräuchen annehmen, und den König in Castilien vor ihren Herrn erkennen solten, widrigen falls man sie mit Feuer und Schwerdt verfolgen, und in die strengste Sclaverey hinweg führen wolte.

Allein diese Leute gaben hierauff sehr freymüthig zur Antwort: Daß sie sich um des Königs von Castilien[548] Gnade oder Ungnade gar nichts bekümmerten, nächst diesen möchten sie zwar gern das Vergnügen haben in ihrem Lande mit frembden Völckern umzugehen, und denenselben ihre überflüßigen Reichthümer zuzuwenden, doch müsten sich selbige freundlich, fromm und tugendhafft aufführen. Da aber die Spanier seit ihrer ersten Ankunfft etliche Jahre daher nichts als Tyranney, Geitz, Morden, Blutvergiessen, Rauben, stehlen, sängen und brennen, nebst andern schändlichen Lastern von sich spüren lassen, nähmen sie sich ein billiges Bedencken, dergleichen verdächtiges Christentum, Sitten und Gebräuche anzunehmen. Demnach möchten wir nur alsofort zurücke kehren und ihre Gräntzen verlassen, widrigenfalls sie sich genöthiget sähen ihre Waffen zu ergreiffen, und uns mit Gewalt von dannen zu treiben.

Ich vor meine Person wuste diesen sehr vernunfftmäßigen Entschluß nicht im geringsten zu tadeln, zumahlen da die gottlose und unchristliche Aufführung meiner Lands-Leute mehr als zu bekannt worden. Dem ohngeacht ließ der Gouverneur alsobald sein Kriegs-Volck an Land steigen, fieng aller Orten zu sängen, zu brennen, todtzuschlagen und zu verfolgen an, verschonete auch weder Jung noch Alt, Reich noch Arm, Männ- oder Weibliches Geschlechte, sondern es muste alles ohne Unterscheid seiner Tyranney herhalten.

Meine Hände hüteten sich so viel als möglich war, dieses unschuldige Blut vergiessen zu helffen, ja ich beklagte von Grunde meiner Seelen, daß mich ein unglückliches Verhängniß eben in dieses jammervolle[549] Land geführet hatte, denn es bedünckte mich unrecht und grausam, auch gantz wieder Christi Befehl zu seyn, den Heyden auf solche Art das Evangelium zu predigen. Uber dieses verdroß mich heimlich, daß der Gouverneur aus purer Boßheit, das Königliche Edict, welches doch eigentlich nur auf die Caraiber oder Menschen-Fresser zielete, so muthwillig und schändlich mißbrauchte, und nirgends einen Unterschied machte, denn ich kan mit Wahrheit schreiben: daß die Indianer auf dem festen Lande, und einigen andern Insuln, nach dem Lichte der Natur dermassen ordentlich und tugendhafft lebten, daß mancher Maul-Christe dadurch nicht wenig beschämt wurde.

Nachdem aber der Gouverneur Hojez um Carthago herum ziemlich reine Arbeit gemacht, und daselbst ferner keinen Gegenstandt seiner Grausamkeit antreffen konte, begab er sich über die zwölff Meilen weiter ins Land hinein, streiffte allerwegen herum, Bekriegte etliche Indianische Könige, und verhoffte solchergestallt eine grosse Beute von Gold und Edelgesteinen zu machen, weil ihm etliche gefangene Indianer hierzu die gröste Hoffnung gemacht hatten. Allein er fand sich hierinnen gewaltig betrogen, denn da wir uns am allersichersten zu seyn bedüncken liessen, hatte sich der Caramairinenser König mit seinem außerlesensten Land-Volcke in beqveme heimliche Oerter versteckt, welcher uns denn dermassen scharff zusetzte, daß wir gezwungen wurden eiligst die Flucht zu ergreiffen und dem Meere zu zu eilen nachdem wir des Hojez Obristen Lieutenant Don Juan de la Cossa, nebst[550] 74. der tapffersten Leute eingebüsset, als welche von den Indianern jämmerlich zerhackt und gefressen worden, woraus geurtheilet wurde, daß die Caramairinenser von den Caraibern oder Menschen-Fressern herstammeten, und derselben Gebrauche nachlebten, allein ich halte davor, daß es diese sonst ziemlich vernünfftigen Menschen damahls, mehr aus rasenden Eiffer gegen ihre Todt-Feinde, als des Wohlschmeckens wegen gethan haben mögen.

Dieser besondere Unglücks-Fall veruhrsachte, daß der Gouverneur Hojez in dem Hafen vor Carthago, sehr viel Noth und Bekümmerniß ausstehen muste, zumahlen da es uns so wohl an Lebens-Mitteln als andern höchstnöthigen Dingen zu mangeln begunte. Jedoch zu gutem Glücke traff Don Didaco de Niquesa nebst etlichen Schiffen bey uns ein, welche mit bey nahe 800. guten Kriegs-Leuten und gnugsamen Lebens-Mitteln beladen waren. So bald er demnach den Hojez und dessen Gefährten aufs Beste wiederum erqvickt hatte, wurde berathschlagt, den empfangenen unglücklichen Streich mit zusammen gesetzter Macht an den Caramairinensern zu rächen, welches denn auch grausam genung von statten gieng. Denn wir überfielen bey nächtlicher Weile dasjenige Dorff, bey welchem de la Cossa nebst seinen Gefährten erschlagen worden, zündeten dasselbe rings herum mit Feuer an, und vertilgeten alles darinnen was nur lebendigen Othem hatte, so daß von der grossen Menge Indianer die sich in selbigem versammlet hatten, nicht mehr übrig blieben als 6. Jünglinge, die unsere Gefangene wurden.[551]

Es vermeynete zwar ein jeder, in der Asche dieses abgebrannten Dorffs, so aus mehr als hundert Wohnungen bestanden, einen grossen Schatz an Gold und edlen Steinen zu finden, allein das Suchen war vergebens, indem fast nichts als Unflat von verbrannten Cörpern und Todten-Knochen, aber sehr wenig Gold zum vorscheine kam, weßwegen Hojez gantz verdrießlich zurück zohe, und weiter kein Vergnügen empfand, als den Todt des de la Cossa und seiner Gefährten gerochen zu haben.

Wenige Zeit hernach beredeten sich die beyden Gouverneurs nehmlich Hojez und Niquesa, daß ein jeder diejenige Landschafft, welche ihm der König zu verwalten übergeben, gnungsam auskundschaffen und einnehmen wolte. Hojez brach am ersten auf, die Landschafft Uraba, so ihm nebst dem Carthaginensischen Port zustunde, aufzusuchen. Wir landeten erstlich auf einer Insul an, welche nachhero von uns den Nahmen Fortis erhalten, wurden aber bald gewahr, daß dieselbe von den allerwildesten Canibalen bewohnet sey, weßwegen keine Hoffnung, allhier viel Geld zu finden, vorhanden war. Jedoch fand sich über Vermuthen noch etwas von diesem köstlichen metall, welches wir nebst zweyen gefangenen Männern und 7. Weibern mit uns hinweg führeten. Von dar aus seegelten wir gerades Weges nach der Landschafft Uraba, durchstreifften dieselbe glücklich, und baueten Ostwärts in der Gegend Caribana einen Flecken an, nebst einem wohlbefestigten Schlosse, wohin man sich zur Zeit der feindlichen Empörung und plötzlichen Uberfalls sicher zurück ziehen und aufhalten[552] könte. Dem ohngeacht, ließ sich der schon so oft betrogene Hojez abermahls betriegen, indem ihn die gefangenen Indianer viel Wesens von einer austräglichen Gold Grube machten, welche bey dem, 12000. Schritt von unserm Schloß gelegenen Dorffe Tirafi, anzutreffen wäre. Wir zogen also dahin, vermeynten die Einwohner plötzlich zu überfallen und alle zu erschlagen, allein selbige empfiengen uns mit ihren vergiffteten Pfeilen dermassen behertzt, daß wir mit Zurücklassung etlicher Todten und vieler Verwundeten schimpflich zurück eilen musten.

Folgendes Tages kamen wir in einem andern Dorffe eben so übel, ja fast noch schlimmer an, auf dem Rück-Wege aber begegnete dem Gouverneur Hojez der allerschli ste und gefährlichste Streich, denn es kam ein kleiner König, dessen Ehefrau von dem Hojez Gefangen genommen war, und gab vor, dieselbe mit 20. Pfund Goldes auszulösen, wie denn auch 8. Indianer bey ihm waren, welche, unserer Meynung nach, das Gold bey sich trügen, allein über alles Vermuthen schoß derselbe einen frisch vergiffteten Pfeil in des Gouverneurs Hüffte, und wolte sich mit seinen Gefährten auf die Flucht begeben, wurden aber von der Leib-Wacht ergriffen, und sämtlich in Stücken zerhauen. Jedoch hiermit war dem Gouverneur wenig geholffen, weiln er in Ermangelung kräfftiger Artzeneyen, die dem Giffte in der Wunde Widerstand zu thun vermögend, entsetzliche Quaal und Schmertzen ausstehen muste, wie er sich denn seiner Lebens-Erhaltung wegen, etliche mahl ein glüend Eisen-Blech auf die[553] Wunde legen ließ, um das Gifft heraus zu brennen, als welches die allergewisseste und sicherste Cur bey dergleichen Schäden seyn solte, jedennoch dem Hojez nicht zu seiner völligen Gesundheit verhelffen konte.

Mittlerzeit kam Bernardino de Calavera, mit einem starcken Schiffe, das 60. tapffere Kriegs Leute, nebst vielen Lebens-Mitteln aufgeladen hatte, zu uns, welches beydes unsern damahligen gefährlichen und bedürfftigen Zustand nicht wenig verbesserte. Da aber auch diese Lebens-Mittel fast aufgezehret waren, und das Krieges-Volck nicht den geringsten glücklichen Ausschlag von des Hojez Unternehmungen sahe, fiengen sie an, einen würcklichen Aufstandt zu erregen, welchen zwar Hojez damit zu stillen vermeynte, daß er sie auf die Ankunfft des Don Martin Anciso vertröstete, als welchem er befohlen, mit einem Last-Schiffe voll Proviant uns hierher zu folgen, jedoch die Kriegs-Knechte, welche diese Tröstungen, die doch an sich selbst ihre Richtigkeit hatten, in Zweiffel zohen, und vor lauter leere Worte hielten, beredeten sich heimlich, zwey Schiffe von den Unsern zu entführen, und mit selbigen in die Insul Hispaniolam zu fahren.

So bald Hojez diese Zusammen-Verschwerung entdeckt, gedachte er dem Unheil vorzubauen, und that den Vorschlag, selbst eine Reise nach Hispaniolam anzutreten, bestellete derowegen den Don Francisco de Pizarro in seiner Abwesenheit zum Obristen-Lieutenant, mit dem Bedeuten, daß wo er innerhalb 50. Tagen nicht wiederum bey uns[554] einträffe, ein jeder die Freyheit haben solte hin zu gehen wohin er wolte.

Seine Haupt-Absichten waren, sich in Hispaniola an seiner Wunde bey verständigen Aertzten völlig heilen zu lassen, und dann zu erforschen, was den Don Anciso abgehalten hätte, uns mit dem bestellten Proviant zu folgen. Demnach setzte er sich in das Schiff, welches Bernardino de Calavera heimlich und ohne Erlaubniß des Ober-Admirals und anderer Regenten aus Hispaniola entführet hatte, und segelte mit selbigen auf bemeldte Insul zu.

Wir Zurückgebliebenen warteten mit Schmertzen auf dessen Wiederkunfft, da aber nicht allein die 50. Tage, sondern noch mehr als zweymahl so viel verlauffen waren, und wir binnen der Zeit vieles Ungemach, so wohl wegen feindlicher Anfälle, als grosser Hungers-Noth erlitten hatten; theilete sich alles Volck in des Hojez zurückgelassene zwey Schiffe ein, des willens, ihren Gouverneur selbst in Hispaniola aufzusuchen.

Kaum hatten wir das hohe Meer erreicht, da uns ein entsetzlicher Sturm überfiel, welcher das Schiff, worinnen unsere Mit-Gesellen sassen, in einem Augenblicke umstürzte und in den Abgrund versenckte, so daß kein eintziger zu erretten war. Wir übrigen suchten dergleichen Unglücke zu entgehen, landeten derowegen bey der Insul Fortis, wurden aber von den Pfeilen der wilden Einwohner dermassen unfreundlich empfangen, daß wir vor unser gröstes Glück schätzten, noch bey zeiten das Schiff zu erreichen, und von dannen zu seegeln.[555]

Indem nun bey solchen kümmerlichen Umständen die Fahrt nach Hispaniola aufs eiligste fortgesetzt wurde, begegnete uns über alles verhoffen der Oberste Gerichts-Præsident Don Martin Anciso, welcher nicht allein auf einem Last-Schiffe allerhand Nahrungs-Mittel und Kleider-Geräthe, sondern auch in einem Neben-Schiffe gute Kriegs-Leute mit sich führete.

Seine Ankunfft war uns ungemein tröstlich, jedoch da er nicht glauben wolte, daß wir von unsern Gouverneur Hojez verlassen wären, im Gegentheil uns vor Aufrührer oder abgefallene Leute ansahe, musten wir uns gefallen lassen, erstlich eine Zeitlang in der Einfahrth des Flusses Boyus zwischen den Carthaginensischen Port und der Landschafft Cuchibacoam bey ihm stille zu liegen, hernachmahls aber in seiner Begleitung nach der Urabanischen Landschafft zurück zu seegeln, weil er uns weder zu dem Niqvesa noch in Hispaniolam führen wolte, sondern vorgab, er müsse uns alle, Krafft seines tragenden Ammts und Pflichten, durchaus in des Gouverneurs Hojez Provinz zurücke bringen, damit dieselbe nicht ohne Besatzung bliebe.

Demnach richteten wir unsern Lauff dahin, allein es schien als ob das Glück allen unsern Anschlägen zuwider wäre, denn als des Anciso allerbestes Schiff in den etwas engen Hafen einlauffen wolte, gienge selbiges durch Unvorsichtigkeit des Steuer-Manns zu scheitern, so daß aller Proviant, Kriegs-Geräthe, Gold, Kleinodien, Pferde und andere Thiere zu Grunde sincken, die Menschen aber sehr[556] kümmerlich ihr Leben retten musten, welches wir doch ingesammt, wegen Mangel der nöthigen Lebens-Mittel und anderer Bedürffnissen ehestens zu verlieren, fast sichere Rechnung machen konten.

Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wurtzeln, Kräutern, auch elenden saueren Baum Früchten des Hungers erwehret, wurde beschlossen etwas tieffer ins Land hinein zu rücken, und viellieber Heldenmüthig zu sterben, als so schändlich und verächtlich zu leben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zurück gelegt, begegnete uns eine erstaunliche Menge wohl bewaffneter Indianer, die den tapfern Vorsatz alsobald zernichteten, und uns über Halß und Kopf, mit ihren vergiffteten Pfeilen, an das Gestade des Meeres, allwo unsere Schiffe stunden, wieder rückwarts jagten.

Die Bekümmerniß über diesen abermahligen Unglücks-Fall war dennoch nicht so groß als die Freude, so uns von einigen gefangenen Indianern gemacht wurde, welche berichteten, daß oberhalb, dieses Meer-Busens eine Landschafft läge, die an Früchten und allen nothdürfftigen Lebens-Mitteln alles im grösten Uberflusse hervor brächte. Don Anciso sahe sich also gezwungen, uns dahin zu führen. Die dasigen Einwohner hielten sich anfänglich ziemlich ruhig, so bald wir aber anfiengen in diesem gesegneten Lande Häuser aufzubauen, und unsere Wirthschafft ordentlich einzurichten, brach der König Comaccus mit seinen Unterthanen auf, und versuchte, uns frembde Gäste aus dem Lande zu jagen. Es kam solchergestallt zu einem grausamen[557] Treffen, welches einen gantzen Tag hindurch und bis in die späte Nacht währete, jedoch wir erhielten den Sieg, jagten den zerstreueten Feinden aller Orten nach, und machten alles, was lebendig angetroffen wurde, aufs grausamste darnieder.

Nunmehro fand sich nicht allein ein starcker Uberfluß an Brod, Früchten, Wurtzeln und andern nothwendigen Sachen, sondern über dieses in den Gepüschen und sümpffichten Oertern der Flüsse, über drittehalb tausend Pfund gediehen Gold, nebst Leinwand, Bett-Decken, allerley metallenes, auch irrdenes und höltzernes Geschirr und Fässer, welches der König Comaccus unsertwegen dahin verstecken und vergraben lassen. Allhier ließ Don Anciso nachhero eine Stadt und Kirche, welch er Antiqua Darienis nennete, aufbauen, und solches that er wegen eines Gelübdes, so er der sancta Maria Antiqua die zu Sevillen sonderlich verehret wird, noch vor der Schlacht versprochen hatte. Mittlerzeit ließ Don Anciso unsere zurück gelassenen Leute, in zweyen Schiffen herbey holen, unter welchen sich auch mein besonderer Freund, der Hauptmann Don Vasco Nunez di Valboa befand, welcher nunmehro an der, von einem vergiffteten Pfeile empfangenen Wunde wiederum völlig hergestellet war. Da es nun wegen der erbeuteten Güter zur behörigen Theilung kommen solte, und ein jeder vermerckte, wie Don Anciso als ein eigennütziger Geitzhals überaus unbillig handelte, indem er sich selbst weit grössere Schätze zueignete, als ihm von rechts wegen zukamen, entstund dieserwegen unter dem Kriegs-Volcke erstlich ein heimliches Gemurmele, welches[558] hernach zu einem öffentlichen Auffruhr ausschlug, da sich die besten Leute an den Don Valbao henckten, und ihn zu ihren Ober-Haupt und Beschützer aufwarffen. Des Don Anciso Anhang gab zwar dem Valboa Schuld: daß er von Natur ein auffrührischer und unnützer Mensch sey, dessen Regiersucht nur allerley Unglück anzustifften trachte; Allein so viel ich die gantze Zeit meines Umgangs bey ihm gemerckt, war er ein Mann von besonderer Hertzhafftigkeit, der sich vor niemanden scheute, und derowegen das Unrecht, so ihm und den Seinigen geschahe, unmöglich verschmertzen konte, hergegen selbiges auf alle erlaubte Art zu rächen suchte, wiewohl er hierbey niemals den Respect und Vortheil des Königs in Castilien aus den Augen setzte.

In diesem Lermen kam Don Roderiguez Colmenarez mit zweyen Schiffen aus Hispaniola zu uns, welche nicht allein mit frischen Kriegs-Volck, sondern auch vielen Proviant beladen waren. Dieser vermeynete den Hojez allhier anzutreffen, von dem er erfahren, daß er nebst seinem Volck in grosser Angst und Nöthen steckte, fand aber alles sehr verwirrt, indem sich Anciso und Valboa um die Ober-Herrschafft stritten, und jeder seinen besondern Anhang hatte. Um nun einen fernern Streit und endliches Blutvergiessen zu verhüten, schiffte Colmenarez zurück, seinen Vettern Don Didaco de Niquesa herbey zu bringen, welcher die streitenden Partheyen aus einander setzen, und das Ober-Commando über die andern alle annehmen solte.

Colmenarez war so glücklich den Niqvesa eben[559] zu rechter Zeit anzutreffen, und zwar in der Gegend die von ihm selbst Nomen Dei benahmt worden, allwo der arme Niqvesa nackend und bloß, nebst seinen Leuten halb todt gehungert, herum irrete. Jedoch nachdem ihn Colmenarez nebst 75. Castilianern zu Schiffe und auf die rechte Strasse gebracht, kam er unverhofft bey uns in Antiqua Darienis an. Hieselbst war er kaum an Land gestiegen, als es lautbar wurde, wie schmählich und schimpflich er so wohl von Anciso als Valboa geredet, und gedrohet, diese beyden nebst andern Haupt-Leuten, theils ihrer Aemter und Würden zu entsetzen, theils aber um Gold und Geld aufs schärffste zu bestraffen. Allein eben diese Drohungen gereichten zu seinem allergrösten Unglücke, denn es wurden solchergestalt beyde Theile gegen ihn erbittert, so daß sie den armen Niquesa nebst seinen Leuten wieder zurück in sein Schiff, und unbarmhertziger weise, ohne Proviant, als einen Hund aus derselbigen Gegend jagten.

Ich habe nach Verfluß einiger Monate etliche von seinen Gefährten auf der Zorobarer Landschafft angetroffen, welche mich berichteten, daß er nahe bey dem Flusse, nebst etlichen der Seinen, von den Indianern sey erschlagen und gefressen worden, weßwegen sie auch diesen Fluß Rio de los perditos, auf Teutsch den Fluß des Verderbens nenneten, und mir einen Baum zeigten, in dessen glatte Rinde diese Lateinischen Worte geschnitten waren: Hic misero errore fessus, DIDACUS NIQVESA infelix periit. Zu Teutsch: Hier ist der vom elenden herum schweiffen ermüdete, und unglückliche Didacus Niqvesa umgekommen.[560]

Jedoch ich erinnere mich, um bey meiner Geschichts-Erzehlung eine richtige Ordnung zu halten, daß wir nach des Niqvesa Vertreibung abermahls den grösten Kummer, Noth und Hunger leyden musten, indem des Colmenarez dahin gebrachter Proviant gar bald auffgezehret war, so daß wir als wilde Menschen, ja als hungerige Wölffe überall herum lieffen, und alles hinweg raubten was nur in den nächst gelegenen Landschafften anzutreffen war.

Endlich nachdem Valboa einen Anhang von mehr als 150. der außerlesensten Kriegs-Leute beysammen hatte, gab er öffentlich zu verstehen, daß er nunmehro, da der Gouverneur Hojez allem vermuthen nach umgekommen, unter keines andern Menschen Commando stehen wolle, als welcher ein eigen Diploma von dem Könige selbst aufzuweisen hätte. Anciso hingegen trotzete auf sein oberstes Gerichts-Præsidenten-Ammt, weiln aber sein Beglaubigungs Brief vielleicht im letztern Schiffbruche mit versuncken war, oder er nach vieler anderer Meynung wohl gar keinen gehabt hatte, fand Valboa desto mehr Ursach sich demselben nicht zu unterwerffen, und so bald Anciso sein Ansehen mit Gewalt zu behaupten mine machte, überfiel ihn Valboa plötzlich, ließ den Prahlhafften Geitzhals in Ketten und Banden legen, und theilete dessen Gold und Güter der Königlichen Cammer zu. Jedoch nachdem ich und andere gute Freunde dem Valboa sein allzuhitziges Verfahren glimpfflich vorstelleten, besann er sich bald eines andern, bereuete seine jachzornige Strengigkeit, stellete den Anciso wiederum[561] auf freyen Fuß, gab ihm sein Gold und Güter ohne Verzug zurück, und hätte sich ohnfehlbar gäntzlich mit Anciso ausgesöhnet, wenn derselbe nicht allzurachgierig gewesen wäre. Wenig Tage hernach seegelte Anciso mit seinen Anhängern von uns hinweg und hinterließ die Drohungen, sich in Castilien, bey dem Könige selbst, über den Valboa zu beklagen, jedoch dieser letztere kehrete sich an nichts, sondern brachte seyn sämtliches Kriegs-Volck in behörige Ordnung, setzte ihnen gewisse Befehlshaber, auf deren Treue er sich verlassen konte, als worunter sich nebst mir auch Don Rodriguez Colmenarez befand, und fieng alsobald an seyn und unser aller Glück mit rechten Ernste zu suchen.

Coiba war die erste Landschafft, welche von uns angegriffen wurde, und deren König Careta, als er sich mit dem Mangel entschuldigte, Proviant und andere Bedürffnissen herzugeben, muste sich nebst Weib, Kindern und allem Hof-Gesinde nach Darien abführen lassen.

Mittlerzeit sahe Valboa so wol als alle andern vor nöthig an, den Valdivia und Zamudio nach Hispaniola zu senden, deren der erstere bey dem Ober-Admiral, Don Didaco Columbo, und andern Regenten dieser Lande, den Valboa bestens recommandiren, und um schleunige Bey-Hülffe mit Proviant und andern Bedürffnissen bitten solte, Zamudio aber war befehligt eiligst nach Castilien zu seegeln, und des Valboa mit Anciso gehabten Händel bey dem Könige aufs eiffrigste zu vertheidigen. Inzwischen wurde der Coibanische König Careta wieder auf freyen Fuß gestellet, jedoch unter den Bedingungen,[562] daß er nicht allein unser Kriegs-Volck nach möglichkeit mit Speise und Tranck versehen, sondern auch dem Valboa in dem Kriegs-Zuge, wider den benachbarten König Poncha, beystehen, und die rechten Wege zeigen solte.

Indem nun Careta mit diesem seinen ärgsten Feinde Poncha beständig Krieg geführet, und von ihm sehr in die Enge getrieben worden, nahm er diese Gelegenheit sich einmahl zu rächen mit Freuden an, zog mit seinen Unterthanen, welche mit langen höltzernen Schwerdtern und sehr spitzigen Wurff-Spiessen bewaffnet waren, stets voraus, um den Poncha unversehens zu überfallen. Allein dieser hatte dennoch unsern Anzug bey zeiten ausgekundschafft und dieserwegen die Flucht ergriffen, dem ohngeacht fanden wir daselbst einen starcken Vorrath an Lebens-Mitteln und andern trefflichen Sachen, wie nicht weniger etliche 30. Pfund feines Goldes.

Nach diesem glücklichen Streiche wurde der König Comogrus überfallen, mit welchen wir aber auf des Königs Caretæ Unterhandlung Bündniß und Friede machten. Dieser Comogrus hatte 7. wohlgestallte Söhne, von welchen der Aelteste ein Mensch von gantz besondern Verstande war, und nicht allein vie les Gold und Kleinodien unter uns austheilete, sondern auch Anschläge gab, wo wir dergleichen köstliche Waaren im überflusse antreffen könten.

Es ließ sich der König Comogrus mit seiner gantzen Familie zum christlichen Glauben bereden, weßwegen er in der Tauffe den Nahmen Carolus empfieng,[563] nachdem aber das Bündniß und Freundschafft mit ihm auf solche Art desto fester geschlossen worden, nahmen wir unsern Rückweg nach Antiquam Darienis, allwo der Valdivia zwar wiederum aus Hispaniola angelangt war, jedoch sehr wenig Proviant, hergegen starcke Hoffnung mit sich brachte, daß wir ehestens alles Benöthigte in desto grösserer Menge empfangen solten.

Das Elend wurde also abermahls sehr groß, dazumahlen unsere Erndte durch ungewöhnlich starcke Wasser-Fluthen verderbt, alle um und neben uns liegende Landschafften aber ausgezehret waren, derowegen trieb uns die Noth mit grosser Gefahr in das Mittel-Land hinein, nachdem wir am 9ten December des Jahrs 1511. den Valdivia mit vielen Gold und Schätzen, die vor den König Ferdinandum gesammlet waren, über Hispaniolam nach Spanien zu seegeln abgefertiget hatten.

In diesem Mittägigen Lande traffen wir etliche Häuser an, aus welchen ein kleiner König Dabaiba genannt, nebst seinen Hof-Gesinde und Unterthanen entflohen war, und wenig Lebens-Mittel, allein sehr viel Hauß-Geräthe, Waffen, auch etliche Pfund gearbeitetes Gold zurück gelassen hatte. Auf der weitern Fahrth brachte uns ein gewaltiger Sturm um 3. Schiffe, welche mit Volck und allen Geräthe zu Grunde giengen.

So bald wir mit Kummer und Noth zu Lande kamen, wurde der König Abenamacheius angegriffen, dessen Hof-Lager in mehr als 500. wohlgebaueten Hütten bestand. Er wolte mit den Seinigen die Flucht nehmen, muste aber endlich Stand[564] halten, und sich nach einer blutigen Schlacht nebst seinen besten Leuten gefangen geben. Dieser König hatte in der Schlacht einem von unsern Kriegs-Leuten eine leichte Wunde angebracht, welches dem Lotter-Buben dermassen verdroß, daß er ihm, da er doch schon unser Gefangener war, so schändlich als geschwind einen Arm vom Leibe herunter hieb. Weil aber diese That dem Valboa hefftig verdroß, wurde dieser Knecht fast biß auf den tod zerprügelt.

Nach diesem erlangten Siege und herrlicher Beute, führete uns ein nackender Indianer in die grosse Landschafft des Königs Abibeiba, der seine Residenz auf einem sehr hohen und dicken Baume aufgebauet hatte, indem er wegen öffterer Wassergüsse nicht wohl auf dem Erdboden wohnen konte. Dieser König wolte sich weder durch Bitten noch durch Droh-Worte bewegen lassen von diesem hohen Gebäude herab zu steigen, so bald aber die Unsern einen Anfang machten den Baum umzuhauen, kam er nebst zweyen Söhnen herunter, und ließ seine übrigen Hof-Bedienten in der Höhe zurück. Wir machten Friede und Bündniß mit ihm, und begehrten eine billige Schatzung an Lebens-Mitteln und Golde geliefert zu haben, indem er nun wegen des letztern seinen sonderlichen Mangel vorgeschützt, gleichwohl aber nur desto hefftiger angestrenget wurde etliche Pfund zu verschaffen, versprach er nebst etlichen seiner Leute auszugehen, und uns binnen 6. Tagen mehr zu bringen als wir verlangt hätten. Allein er ist darvon gegangen und nachhero niemahls wiederum vor unsere Augen gekommen,[565] nachdem wir uns also von ihm betrogen gesehen, wurde aller Vorrath von Speise, Wein und anderen guten Sachen hinweg geraubt, wodurch unsere ermatteten Leiber nicht wenig erquickt und geschickt gemacht wurden, eine fernere mühsame Reise anzutreten.

Mittlerweile hatten sich 5. Könige, nehmlich letztgemeldter Abiebaiba, Cemacchus, Abraibes, dessen Schwager Abenamacheius und Dabaiba zusammen verschworen, uns mit zusa en gesetzten Kräfften plötzlich zu überfallen und gäntzlich zu vertilgen, jedoch zu allem Glücke hatte Valboa eine außerordentlich schöne Jungfrau unter seinen gefangenen Weibs- Bildern, welche er vor allen andern hertzlich liebte, diese hatte solchen Blut-Rath von ihrem leiblichen Bruder nicht so bald ausgeforschet, als sie von der getreuen Liebe getrieben wurde dem Valboa alle wider ihn gemachten Anschläge zu offenbahren. Dieser theilete sogleich sein Volck in zwey Hauffen, er selbst gieng nebst mir und etliche 70. Mann auf die vertheileten Hauffen der versammleten Indianer loß, zerstreuete dieselben und bekam sehr viele von der Könige Bedienten gefangen, die wir mit zurück in unser Lager führeten, Don Colmenarez aber muste mit 4. Schiffen auf den Flecken Tirichi loß gehen, allwo er so glücklich war denselben unvermuthet zu überfallen, und der Indianer gantze Kriegs-Rüstung, die daselbst zusammen gebracht war zu zernichten, auch eine grosse Beute an Proviant, Gold, Wein und andern brauchbaren Geräthschafften zu machen. Uber dieses hat er allen Aufrührern und Feinden ein entsetzliches[566] Schrecken eingejagt, indem der oberste Feld-Herr an einen Baum gehenckt und mit Pfeilen durchschossen, nechst dem noch andere Indianische Befehlshaber andern zum Beyspiele aufs grausamste hingerichtet worden.

Solchergestallt verkehrte sich alle bißherige Gefahr, Unruhe und kümmerliches Leben auf einmahl, in lauter Friede, Ruhe, Wollust und Freude, denn da sich nachhero die vornehmsten Aufrüher gutwillig unter des Valboa Gehorsam begaben, ließ er einen allgemeinen Frieden uñ Vergebung aller vorhergegangenen Widerspenstigkeit halber, ausruffen, seyn Volck aber auf so vieles ausgestandenes Ungemach eine Zeitlang der Ruhe geniessen.

Hierauff nahmen wir unsern Rück-Weg nach der Urabanischen Landschafft, allwo nach vielen Berathschlagungen endlich beschlossen wurde, daß Don Rodriguez Colmenarez nebst dem Don Juan de Quicedo nach Hispaniolam, und von dar zum Könige von Castilien abgesandt werden solten, um an beyden Orten ordentlichen Bericht von unsern sieghafften Begebenheiten abzustatten, und die Sachen dahin zu veranstallten, daß wir mit etwa 1000. Mann und allen Zubehör verstärckt, den Zug in die Goldreichen Landschafften gegen Mittag sicher unternehmen, und dieselben unter des Königs in Castilien Bothmäßigkeit bringen könten, denn Valdivia und Zamudio wolten nicht wieder zum vorscheine kommen, woraus zu schliessen war, daß sie etwa auf der See verunglückt seyn möchten. Demnach giengen Colmenarez und Quicedo im October 1512. unter Seegel, nachdem sie versprochen[567] keine Zeit zu versäumen, sich so bald als nur möglich wiederum auf den Urabanischen Küsten einzustellen. Allein da Valboa dieser beyder Männer Zurückkunfft nunmehro fast 11. Monath vergeblich abgewartet, und in Erfahrung brachte, daß Don Pedro de Arias, ehestens als Königlicher Gouverneur über die Urabanische und angräntzende Landschafften bey uns eintreffen würde, trieb ihn so wohl die allbereits erlangte Ehre, als Verlangen die Mittäglichen Goldreichen Länder zu erfinden, so weit, daß er mit den Ober-Häuptern der Landschafften zu Rathe gieng, und den gefährlichen Zug dahin mit etwa 200. Kriegs-Leuten vornahm, ohngeacht ihm nicht allein von des Comogri Sohne, sondern auch von den andern Indianischen Königen gerathen worden, diesen Zug mit nicht weniger als 1000. Mann zu wagen, indem er daselbst ungemein streitbare Völcker antreffen würde.

Es war der 4te Sept. 1513. da wir mit 3. grossen und 10. sehr kleinen Schiffen abseegelten, und zum erstenmahle wiederum bey des Coibanischen Königs Caretæ Landschafft anländeten. Hieselbst ließ Valboa die Schiffe nebst einer Besatzung zurück, wir aber zogen 170. Mann starck fort, und wurden von des Caretæ uns zugegebenen Wegweisern in des Ponchæ Königreich geführet, welchen wir, nachdem er unsern ehemaligen Zuspruch erwogen, endlich mit grosser Mühe zum Freunde und Bundsgenossen bekamen. Nachhero haben wir viele andere Könige, als den Qvarequa, Chiapes, Coquera und andere mehr, theils mit Güte und Liebe, theils aber auch mit Gewalt zum Gehorsam[568] gebracht, mittlerweile aber am 18. October desselbigen Jahres das Mittägliche Meer erfunden, und um selbige Gegend einen erstaunlichen Schatz an Gold und Edel-Steinen zusammen gebracht.

Bei so glückseeligen Fortgange unseres Vorhabens, bezeigte sich Valboa dermassen danckbar gegen GOTT und seine Gefährten, daß kein eintziger Ursach hatte über ihn zu klagen. Eines Tages aber, da er mich an einem einsamen Orte ziemlich betrübt und in Gedancken vertiefft antraff, umarmete er mich mit gantz besonderer Freundlichkeit und sagte: Wie so unvergnügt mein allerbester Hertzens-Freund, fehlet euch etwa Gesundheit, so habe ich Ursach euch zu beklagen, sonsten aber wo Gold, Perlen und edle Steine euren Kummer zu stillen vermögend sind, stehet euch von meinem Antheil so viel zu diensten als ihr verlanget. Ich gab ihm hierauff zu verstehen: daß ich an dergleichen Kostbarkeiten selbst allbereit mehr gesammlet, als ich bedürfte, und mich wenigstens 5. mahl reicher schätzen könte als ich vor dem in Castilien gewesen. Allein mein jetziges Mißvergnügen rühre von nichts anders her, als daß ich mich vor der Ankunfft meines abgesagten Feindes, des Don Pedro de Arias fürchtete, und indem ich noch zur Zeit von dem Könige Ferdinando keinen Pardon Brief aufzuweisen hätte, würde mir derselbe allen ersinnlichen Tort anthun, und wenigstens verhindern, daß ich auch in dieser neuen Welt weder zu Ehren noch zur Ruhe kommen könte. Valboa fieng hierüber an zu lachen und sagte: Habt ihr sonst keine Sorge, mein werthester Freund, so entschlaget euch nur auf einmahl aller[569] Grillen, und glaubet sicherlich, daß es nunmehro mit uns allen beyden keine Noth habe, denn diejenigen Dienste, so wir dem Könige durch Erfindung dieses Mittägigen Meeres und der Gold-reichen Länder geleistet haben, werden schon würdig seyn, daß er uns alle beyde, jedweden mit einem ansehnlichen Gouvernement, in diesen Landschafften begabet, welche binnen wenig Jahren also einzurichten sind, daß wir unsere übrige Lebens-Zeit vergnügter darinnen zubringen können, als in Castilien selbst. Es sey euch, fuhr er fort, im Vertrauen gesagt, daß ich in kurtzer Zeit selbst eine Reise nach Spanien zu thun willens bin, allda sollen mir eure Sachen noch mehr angelegen seyn, als die meinigen, solchergestalt zweiffele auch im geringsten nicht, euer und mein Glücke zu befestigen.

Diese wohlklingenden Zuredungen machten mein Gemüthe auf einmahl höchst vergnügt, so, daß ich den Valboa umarmete, mich vor seine gute Vorsorge im Voraus hertzlich bedanckte, und versprach, Zeit Lebens sein getreuer Freund und Diener zu verbleiben. Er entdeckte mir hierauf, wie er nur noch willens sey, den Mittägigen Meer-Busen, welchen er St. Michael genennet hatte, nebst den so reich beschriebenen Perlen-Insuln auszukundschafften, nachhero aber so gleich die Rück-Reise nach Uraba anzutreten, welches Vorhaben ich nicht allein vor billig erachtete, sondern auch alles mit ihm zu unternehmen versprach.

Dieser Meer-Busen solte sich, des Indianischen Königs Chiapes Aussage nach, 160. Meilen weit von dem festen Lande biß zu dem äusersten Meeres-Schlunde[570] erstrecken. Derowegen wurde bald Anstalt gemacht, diese Fahrt anzutreten, und ohngeacht der König Chiapes dieselbe hefftig widerrieth, indem er angemerckt hatte, daß um diese Zeit zwey bis drey Monate nach einander die See entsetzlich zu stürmen und zu wüten pflegte, so wolte doch Valboa hiervon im geringsten nicht abstehen, sondern ließ etliche Indianische kleine Schifflein zurechte machen, in welche wir uns mit etliche 80. der muthigsten Kriegs-Leute setzten, und von dannen seegelten.

Allein, nunmehro hatte das unerforschliche Verhängniß beschlossen, mich vor dißmahl nicht allein von dem Valboa, sondern nach etlichen Jahren auch von aller andern menschlichen Gesellschafft abzusondern, denn wenige Tage nach unserer Abfahrt entstund ein entsetzlicher Sturm, welcher die kleinen Schifflein aus einander jagte, und unter andern auch das meinige, worauf ich nebst 9. Kriegs-Leuten saß, in den Abgrund des Meeres zu versencken drohete. Indem nun kein Mittel zu erfinden war, dem jämmerlichen Verderben zu entgehen, überliessen wir uns gäntzlich den unbarmhertzigen Fluthen, und suchten allein bey GOtt in jenem Leben Gnade zu erlangen, weil er uns selbige in diesen zeitlichen abzuschlagen schien. Jedoch, nachdem wir noch zwey Tage und Nacht recht wunderbarer Weise bald in die erstaunlichste Höhe, bald aber in grausame Abgründe zwischen Fluth und Wellen hin verschlagen und fortgetrieben worden, warffen uns endlich die ergrimmten Wellen auf eine halb überschwemmte Insul, die[571] zwar vor das jämmerliche Ertrincken ziemliche Sicherheit versprach, jedoch wenig fruchtbare Bäume oder andere Lebens-Mittel zeigte, womit wir bey etwa langweiligen Aufenthalt, unsern Hunger stillen könten.

Es war das Glück noch einem unserer Fahrzeuge, worauf sich 8. von unsern Kriegs-Leuten nebst zweyen Indianern befanden, eben so günstig gewesen, selbiges so wohl als uns auf diese Insul zu führen, derowegen erfreueten wir uns ungemein, als dieselben zwey Tage hernach zu uns kamen, und ihre glückliche Errettungs-Art erzehleten.

Wir blieben demnach beysammen, trockneten unser Pulver, betrachteten den wenigen Speise-Vorrath, brachten alle übrigen Sachen in Ordnung, und fingen hierauf an, die gantze Insul durch zu streiffen, worinnen wir doch weder Menschen noch Vieh, wohl aber einige Bäume und Stauden antraffen, welche sehr schlecht nahrhaffte Früchte trugen. Demnach musten wir uns mehrentheils mit Fischen behelffen, welche die beyden Indianer, so sich in unserer Gesellschafft befanden, auf eine weit leichtere und geschwindere Art, als wir, zu fangen wusten. Da aber nach etlichen Tagen das Wasser in etwas zu fallen begunte, sammleten wir eine grosse Menge der vortrefflichsten Perlen-Muscheln, die das umgerührte Eingeweyde des Abgrundes auf diese Insul auszuspeyen gezwungen worden. Ich selbst habe an diesem Orte 34. Stück Perlen von solcher Grösse ausgenommen, und mit anhero gebracht, dergleichen ich vorhero noch nie gesehen oder beschreiben hören, doch nach[572] der Zeit habe auf andern Inseln noch mehr dergleichen, ja theils noch weit grössere gesammlet, welche derjenige, so diese meine Schrifft am ersten zu lesen bekommt, ohnfehlbar finden wird.

Jedoch meinen damahligen Glücks- und Unglücks-Wechsel zu folgen, ersahe einer von unsern Indianern, der ein gantz ungewöhnlich scharffes Gesichte hatte, Süd-Westwerts eine andere Insul, und weiln wir daselbst einen bessern Speise-Vorrath anzutreffen verhofften, wurden unsere kleinen Schiffe bey damahligen stillen Wetter, so gut als möglich, zugerichtet, so, daß wir einsteigen, und besagte Insul nach dreyen Tagen mit abermahliger gröster Lebens-Gefahr erreichen konten. Uber alles Vermuthen traffen wir auch daselbst ein kleines Schiff an, welches das wütende Meer mit 11. unserer Mit-Gesellen dahin geworffen hatte. Die Freuden- und Jammer-Thränen lieffen häuffig aus unsern Augen, ersten theils wegen dieser glücklichen Zusammenkunfft, andern theils darum, weil uns die letztern berichteten, daß Valboa nebst den übrigen ohnmöglich noch am Leben seyn könte, weil sie ingesammt durch den Sturm auf die gefährlichste und fürchterlichste Meeres-Höhe getrieben worden, allwo weit und breit keine Insuln, wohl aber bey hellen Wetter erschröckliche aus dem Wasser hervor ragende Felsen und Klippen zu sehen wären. Im übrigen war diese Insul so wenig als unsere vorige mit Menschen besetzt, jedoch liessen sich etliche vierfüßige Thiere sehen, welche theils den Europäischen Füchsen, theils aber den wilden Katzen gleichten. Wir nahmen uns kein[573] Bedencken, dieselben zu schiessen, und als vortreffliche Lecker-Bissen zu verzehren, worbey wir eine gewisse Wurtzel, die unsere Indianer in ziemlicher Menge fanden, an statt des Brodts gebrauchten. Nechst diesen liessen sich auch etliche Vögel sehen, die wir ebenfalls schossen, und mit grösten Appetit verzehreten, anbey das Fleisch der vierfüßigen Thiere dörreten, und auf den Nothfall spareten.

Ich konte meine Gefährten, ohngeacht sie mich einhellig vor ihr Ober-Haupt erkläreten, durchaus nicht bereden, die Rück-Fahrt nach St. Michaël vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grausen ankam, so offt sie an die gefährlichen Klippen und stürmende See gedachten, derowegen fuhren wir immer gerades Weges vor uns von einer kleinen Insul zur andern, biß uns endlich das Glück auf eine ziemlich grosse führete, die mit Menschen besetzt war. Selbige kamen häuffig herzu, und sahen uns Elenden, die wir durch 19. Schiff-Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert waren, mit gröster Verwunderung zu Lande steigen, machten aber dieserwegen nicht die geringste grimmige Gebärde, sondern hätten uns vielleicht gar als Götter angebetet, wenn unsere zwey Indianer ihnen nicht bedeutet hätten, daß wir arme verirrete Menschen wären, die lauter Liebe und Freundschafft gegen sie bezeugen würden, woferne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und unsere hungerigen Magen mit einigen Früchten zu befriedigen. Ob nun schon die Einwohner der unsern Sprache nicht völlig verstunden, sondern das meiste durch Zeichen errathen musten, so erzeigten[574] sich dieselben doch dermassen gefällig, daß wir an ihren natürlichen Wesen noch zur Zeit nicht das geringste auszusetzen fanden. Sie brachten uns gedörretes Fleisch und Fische, nebst etlichen aus Wurtzel-Mehl gebackenen Brodten herzu, wovor wir die gläsernen und meßingenen Knöpffe unter sie theileten, so wir an unsern Kleidern trugen, indem dergleichen schlechte Sachen von ihnen ungemein hoch geschätzt, und mit erstaunlicher Freude angenommen wurden. Gegen Abend kam ihr König, welcher Madan genennet wurde, zu uns, dieser trug einen Schurtz von bunten Federn um den Leib, wie auch dergleichen Crone auf dem Haupte, führete einen starcken Bogen in der rechte Hand, in der lincken aber einen höltzernen Wurff-Spieß, wie auch einen Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken. Ich hatte das Glück, ihm ein höchst angenehmes Geschenck zu überreichen, welches in einem ziemlich grossen Taschen-Messer, einem Feuer-Stahl und zweyen Flinten-Steinen bestund, und habe niemahls bey einer lebendigen Creatur grössere Verwunderung gespüret, als sich bey diesem Menschen zeigte, so bald er nur den Nutzen und Krafft dieses Werckzeugs erfuhr. Er bekam über dieses noch ein Hand-Beil von mir, dessen vortreffliche Tugenden ihn vollends dahin bewegten, daß uns alles, was wir nur anzeigen konten, gereicht und verwilliget wurde. Demnach baueten meine Gefährten ohnfern vom Meer-Ufer etliche Hütten auf, worinnen 4. 5. oder 6. Personen bequemlich beysammen ruhen, und den häuffig herzu gebrachten Speise-Vorrath verzehren konten. Von unsern[575] Schieß-Gewehr wusten sich diese Leute nicht den geringsten Begriff zu machen, ohngeacht unsere Indianer ihnen bedeuteten, daß diese Werckzeuge Donner, Blitz und Feuer hervor bringen, auch sogleich tödtliche Wunden machen könten, da aber einige Tage hernach sich eine ziemliche Menge mittelmäßiger Vögel auf einem Baume sehen liessen, von welchen der König Madan in grössester Geschwindigkeit zwey mit einem Pfeile herunter schoß, ergriff ich ihn bey der Hand, nahm meine Flinte, und führete ihn biß auf etliche 30. Schritt, gegen einen andern Baum, auf welchen sich diese Vögel abermahls nieder gelassen hatten, und schoß, vermittelst eingeladenen Schrots, auf einmahl 6. von diesen Vögeln herunter. Kaum war der Schuß gethan, als dieser König nebst allen seinen anwesenden Unterthanen plötzlich zu Boden fiel, da sie denn vor Schrecken sich fast in einer halben Stunde nicht wieder erholen konten. Auf unser freundliches und liebreiches Zureden kamen sie zwar endlich wiederum zu sich selbst, bezeugten aber nach der Zeit eine mit etwas Furcht vermischte Hochachtung vor uns, zumahlen da wir ihnen bey fernerer Bekandtschafft zeigten, wie wir unsere Schwerdter gegen böse Leute und Feinde zu entblössen und zu gebrauchen pflegten.

Immittelst hatten wir Gelegenheit, etliche Pfund Gold, das auf eine wunderliche Art zu Halß- und Armbändern, Ringen und Angehencken verarbeitet war, gegen allerhand elende und nichts-würdige Dinge einzutauschen, auch einen starcken Vorrath von gedörreten Fleisch, Fischen,[576] Wurtzeln und andern nahrhafften Früchten einzusammlen. Nachdem wir aber 3. von den allerdicksten Bäumen umgehauen, und in wenig Wochen so viel Schiffe daraus gezimmert, die da weit stärcker als die vorigen, auch mit Seegel-Tüchern von geflochtenen Matten und zusammen gedreheten Bast-Stricken versehen waren, suchten wir mit guter Gelegenheit von diesen unsern Wohlthätern Abschied zu nehmen, und nach dem Furth St. Michael zurück zu kehren, allein, da meine Gefährten von den Einwohnern dieser Insul vernahmen, daß weiter in See hinein viel grössere bewohnte Insuln anzutreffen wären, worinnen Gold, Edle-Steine, und sönderlich die Perlen in gröster Menge befindlich, geriethen sie auf die Verwegenheit, dieselben aufzusuchen. Ich setzte mich zwar so viel, als möglich, darwieder, indem ich ihnen die gröste Gefahr, worein wir uns begäben, sattsam vorstellete, allein, es halff nichts, ja es trat alsobald einer auf, welcher mit gröster Dreustigkeit sagte: Don Valaro, bedencket doch, daß Valboa nebst unsern andern Cameraden im Meere begraben worden, also dürffen wir uns auf unsere geringen Kräffte so wenig, als auf die ehemahligen Bündnisse und Freundschafft der Indianischen Könige verlassen, welche ohne Zweiffel des Valboa Unglück zeitig genung erfahren haben, diesemnach uns Elenden auch bald abschlachten werden. Lasset uns also viellieber neue Insuln und Menschen aufsuchen, welche von der Grausamkeit und dem Geitze unserer Lands-Leute noch keine Wissenschafft haben, und seyd versichert, daß, so ferne wir christlich,[577] ja nur menschlich mit ihnen umgehen werden, ein weit grösseres Glück und Reichthum vor uns aufgehaben seyn kan, als wir in den bißherigen Landschafften empfunden haben. Kommen wir aber ja im Sturme um, oder werden ein Schlacht-Opffer vieler Menschen, was ists mehr? Denn wir müssen eben dergleichen Unglücks auf der Rück-Fahrt nach St. Michael und in den Ländern der falsch-gesinneten Könige gewärtig seyn.

Ich wuste wider diese ziemlich vernünfftige und sehr tapffermüthige Rede nicht das geringste einzuwenden, weßwegen ich dieses mahl meinen Gefährten nachgab, und alles zur baldigen Abfahrt veranstalten ließ.

Der Abschied von dem König Madan und seinen von Natur recht redlichen Unterthanen ging mir wahrhafftig ungemein nahe, zumahlen, da dieselben auf die letzte fast mehr Speise-Vorrath herzu brachten, als wir in unsere kleinen Schiffe einladen konten, einer aber von ihnen, der vom ersten Tage an beständig um mich gewesen war, fing bitterlich zu weinen an, und bat, sonderlich da er vernahm, wie ich auf dem Rückwege allhier wiederum ansprechen wolte, ich möchte ihm vergönnen, daß er mit uns reisen dürffte, welches ich ihm denn auch mit grösten Vergnügen erlaubte. Er war ein Mensch von etwa 24. Jahren, wohl gewachsen und eines recht feinen Ansehens, zumahlen, da er erstlich etliche Kleidungs-Stück auf den Leib bekam, sein Nahme hieß Chascal, welchen ich aber nachhero, da er den christlichen Glauben annahm,[578] und von mir die heilige Tauffe empfing, verändert habe.

Solchergestalt fuhren wir mit diesem neuen Wegweiser, der aber wenigen oder gar keinen Verstand von der Schiff-Fahrt hatte, auf und davon, bekamen zwar in etlichen Wochen nichts als Himmel und Wasser zu sehen, hatten aber doch wegen des ungemein stillen Wetters eine recht ruhige Fahrt. Endlich gelangeten wir an etliche kleine Insuln, welche zwar sehr schlecht bevölckert, auch nicht allzusehr fruchtbar waren, jedoch hatten wir die Freude, unsere kleinen Schiffe daselbst aufs neue auszubessern, und mit frischen Lebens-Mitteln anzufüllen, biß wir endlich etliche, nahe an einander gelegene grosse Insuln erreichten, und das Hertz fasseten, auf einer der grösten an Land zu steigen.

Hier schienen die Einwohner nicht so guter Art als die vorigen zu seyn, allein, unsere 3 Indianischen Gefährten leisteten uns bey ihnen recht vortreffliche Dienste, so, daß wir in wenig Tagen mit ihnen allen recht gewünschten Umgang pflegen konten. Wir erfuhren, daß diese Leute vor wenig Jahren grosse Mühe gehabt, sich einer Art Menschen, die ebenfalls bekleidet gewesen, zu erwehren, indem ihnen selbige die Lebens-Mittel, Gold, Perlen und Edlen-Steine mit Gewalt abnehmen und hinweg führen wollen, jedoch, nachdem sie unsere Freund- und Höfflichkeit zur Gnüge verspüret, wurde uns nicht allein mit gleichmäßiger Freundlichkeit begegnet, sondern wir hatten Gelegenheit, auf dieser Insul erstaunliche Schätze und Kostbarkeiten[579] einzusa len, wie wir denn auch die andern nahgelegenen besuchten, und solchergestalt fast mehr zusammen brachten, als unsere Schiffe zu ertragen vermögend waren.1 Meine Leute nahmen sich demnach vor, ein grosses Schiff zu bauen, in welchem wir sämmtlich bey einander bleiben, und unsere Güter desto besser fortbringen könten, ich selbst sahe dieses vor gut an, zumahlen wir nicht allein alle Bedürffnisse darzu vor uns sahen, sondern uns auch der Einwohner redlicher Beyhülffe getrösten konten. Demnach wurden alle Hände an das Werck gelegt, welches in kürtzerer Zeit, als ich selbst vermeynte, zum Stande gebracht wurde. Die Einwohner selbiger Insuln fuhren zwar selbsten auch in einer Art von Schiffen, die mit Seegeln und Rudern versehen waren, doch verwunderten sie sich ungemein, da das unsere ihnen, auf so sonderbare Art zugerichtet, in die Augen fiel. Wir schenckten ihnen zwey von unsern mit dahin gebrachten Schiffen, nahmen aber das dritte an statt eines Boots mit uns, wie wir denn auch zwey kleine Nachen verfertigten, um selbige auf der Reise nützlich zu gebrauchen.

Nachdem wir uns also mit allen Nothdürfftigkeiten wohl berathen hatten, seegelten wir endlich von dannen, und kamen nach einer langweiligen und beschwerlichen Fahrt an ein festes Land, allwo[580] wir ausstiegen, und uns abermahls mit frischen Wasser nebst andern Bedürffnissen versorgen wolten, wurden aber sehr übel empfangen, indem uns gleich andern Tages mehr als 300. wilde Leute ohnversehens überfielen, gleich anfänglich drey der unsern mit Pfeilen erschossen, und noch fünff andere gefährlich verwundeten. Ob nun schon im Gegentheil etliche 20. von unsern Feinden auf dem Platze bleiben musten, so sahen wir uns doch genöthiget, aufs eiligste nach unsern Schiffe zurück zu kehren, mit welchen wir etliche Meilen an der Küste hinunter fuhren, und endlich abermahls auf einer kleinen Insul anländeten, die zwar nicht mit Menschen, aber doch mit vielerley Arten von Tieren besetzt war, anbey einen starcken Vorrath an nützlichen Früchten, Wurtzeln und Kräutern zeigte. Allhier hatten wir gute Gelegenheit auszuruhen, bis unsere Verwundeten ziemlich geheilet waren, fuhren hernachmahls immer Südwerts von einer Insul zur andern, sahen die Küsten des festen Landes lincker Seits beständig mit sehnlichen Augen an, wolten uns aber dennoch nicht unterstehen, daselbst anzuländen, weiln an dem Leben eines eintzigen Mannes nur allzu viel gelegen war, endlich, nachdem wir viele hundert Meilen an der Land-Seite hinunter geseegelt, ließ sich die äuserste Spitze desselben beobachten, um welche wir herum fuhren, und nebst einer kalten und verdrüßlichen Witterung vieles Ungemach auszustehen hatten. Es war leichtlich zu muthmassen, daß allhier ein würckliches Ende des festen Landes der neuen Welt gefunden sey, derowegen machten wir die Rechnung,[581] im Fall uns das Glück bey der Hinauf-Fahrt der andern Seite nicht ungünstiger, als bißhero, seyn würde, entweder den rechten Weg nach Darien, oder wohl gar nach Europa zu finden, oder doch wenigstens unterwegs Portugisen anzutreffen, zu welchen wir uns gesellen, und ihres Glücks theilhafftig machen könten, denn es lehrete uns die Vernunfft, daß die von den Portugisen entdeckte Landschafften ohnfehlbar auf selbiger Seite liegen müsten.


Immittelst war die höchste Noth vorhanden, unser Schiff aufs neue auszubessern, und frische Lebens-Mittel anzuschaffen, derowegen wurde eine Landung gewagt, welche nach überstandener gröster Gefahr ein gutes Glücke versprach, daferne wir nicht Ursach gehabt hätten, uns vor feindseeligen Menschen und wilden Thieren zu fürchten. Jedoch die allgewaltige Macht des Höchsten, welche aller Menschen Hertzen nach Willen regieren kan, war uns dermahlen sonderlich geneigt, indem sie uns zu solchen Menschen führete, die, ohngeacht ihrer angebohrnen Wildigkeit, solche Hochachtung gegen uns hegten, und dermassen freundlich aufnahmen, daß wir uns nicht genung darüber verwundern konten, und binnen wenig Tagen alles Mißtrauen gegen dieselben verschwinden liessen. Es war uns allen wenig mehr um Reichthum zu thun, da wir allbereit einen fast unschätzbarn Schatz an lautern Golde, Perlen und Edelgesteinen besassen, bemüheten uns derowegen nur um solche Dinge, die uns auf der vorhabenden[582] langweiligen Reise nützlich seyn könten, welches wir denn alles in kurtzer Zeit gewünscht erlangten.

Die bey uns befindlichen 3. redlichen Indianer machten sich das allergröste Vergnügen, einige wunderbare Meer-Thiere listiger Weise einzufangen, deren Fleisch, Fett und sonderlich die Häute, vortrefflich nutzbar waren, denn aus den letztern konten wir schönes Riemen-Werck, wie auch Lederne Koller, Schuhe, Mützen und allerley ander Zeug verfertigen.

So bald wir demnach nur mit der Ausbesserung und Versorgung des Schiffs fertig, dasselbe auch, wo nur Raum übrig, mit lauter nützlichen Sachen angefüllet hatten, traten wir die Reise auf der andern Land-Seite an, vermerckten aber gleich anfänglich, daß Wind und Meer allhier nicht so gütig, als bey der vorigen Seite, war. Zwey Wochen aneinander ging es noch ziemlich erträglich, allein, nachhero erhub sich ein sehr hefftiger Sturm, der über 9. Tage währete, und bey uns allen die gröste Verwunderung erweckte, daß wir ihm endlich so glücklich entkamen, ohngeacht unser Schiff sehr beschädiget an eine sehr elende Küste getrieben war, allwo sich auf viele Meilwegs herum, ausser etlichen unfruchtbaren Bäumen, nicht das geringste von nützlichen Sachen antreffen ließ.

Etliche von meinen Gefährten streifften dem ohngeacht überall herum, und kamen eines Abends höchst erfreut zurück, weil sie, ihrer Sage nach, ein vortrefflich ausgerüstetes Europäisches Schiff, in einer kleinen Bucht liegend, jedoch keinen eintzigen[583] lebendigen Menschen darinnen gefunden hätten. Ich ließ mich bereden, unser sehr beschädigtes Schiff dahin zu führen, und fand mit gröster Verwunderung daß es die lautere Wahrheit sey. Wir bestiegen dasselbe, und wurden ziemlichen starcken Vorrath von Wein, Zwieback, geräucherten Fleische und andern Lebens-Mitteln darinnen gewahr, ohne was in den andern Ballen und Fässern verwahret war, die noch zur Zeit niemand eröffnen durffte. Tieffer ins Land hinein wolte sich keiner wagen, indem man von den höchsten Felsen-Spitzen weit und breit sonsten nichts als lauter Wüsteney erblickte, derowegen wurde beschlossen, unser Schiff, so gut als möglich, auszubessern, damit, wenn die Europäer zurück kämen, und uns allenfalls nicht in das Ihrige aufnehmen wolten oder könten, wir dennoch in ihrer Gesellschafft weiter mitseegeln möchten.

Allein, nachdem wir mit allem fertig waren, und einen gantzen Monath lang auf die Zurückkunfft der Europäer vergeblich gewartet hatten, machten meine Gefährten die Auslegung, daß dieselben ohnfehlbar sich zu tieff ins Land hinein gewagt, und nach und nach ihren Untergang erreicht hätten, weßwegen sie vors allerklügste hielten, wenn wir uns das köstliche Schiff nebst seiner gantzen Ladung zueigneten, und mit selbigen davon führen. Ich setzte mich starck wider diesen Seeräuberischen Streich, konte aber nichts ausrichten, indem alle einen Sinn hatten, und alle unsere Sachen in möglichster Eil in das grosse Schiff einbrachten, wolte ich also nicht alleine an einem[584] wüsten Orte zurück bleiben, so muste mir gefallen lassen, das gestohlne Schiff zu besteigen, und mit ihnen von dannen zu segeln, konte auch kaum so viel erbitten, daß sie unser bißheriges Fahrzeug nicht versenckten, sondern selbiges an dessen Stelle stehen liessen.

Kaum hatten wir die hohe See erreicht, als sich die Meinigen ihres Diebstahls wegen ausser aller Gefahr zu seyn schätzten, derowegen alles, was im Schiffe befindlich war, eröffnet, besichtiget, und ein grosser Schatz an Golde nebst andern vortrefflichen Kostbarkeiten gefunden wurde. Allein, wir erfuhren leider! allerseits gar bald, daß der Himmel keinen Gefallen an dergleichen Boßheit habe, sondern dieselbe ernstlich zu bestraffen gesinnet sey. Denn bald hernach erhub sich ein abermahliger dermassen entsetzlicher Sturm, dergleichen wohl leichtlich kein See-Fahrer hefftiger ausgestanden haben mag. Wir wurden von unserer erwehlten Strasse gantz Seitwerts immer nach Süden zu getrieben, welches an dem erlangten Compasse, so offt es nur ein klein wenig stille, deutlich zu ersehen war, es halff hier weder Arbeit noch Mühe, sondern wir musten uns gefallen lassen, dem aufgesperreten Rachen der gräßlichen und tödtlichen Fluthen entgegen zu eilen, viele wünschten, durch einen plötzlichen Untergang ihrer Marter bald abzukommen, indem sie weder Tag noch Nacht ruhen konten, und die letzte klägliche Stunde des Lebens in beständiger Unruhe unter dem schrecklichsten Hin- und Wiederkollern erwarten musten. Es währete dieser erste Ansatz des Sturms[585] 16. Tage und Nacht hinter einander, ehe wir nur zwey bis drey Stunden ein wenig verschnauben, und das Sonnen-Licht auf wenige Minuten betrachten konten, bald darauf aber meldete sich ein neuer, der nicht weniger grimmig, ja fast noch hefftiger als der vorige war, Mast und Seegel wurden den erzürnten Wellen zum Opffer überliefert, worbey zugleich 2. von meinen Gefährten über Boort geworffen, und nicht erhalten werden konten, wie denn auch 3. gequetschte und 2. andere krancke folgendes Tages ihren Geist aufgaben. Endlich wurde es zwar wiederum vollkommen stille und ruhig auf der See, allein, wir bekamen in etlichen Wochen weder Land noch Sand zu sehen, so, daß unser süsses Wasser nebst dem Proviante, welchen das eingedrungene See-Wasser ohnedem schon mehr als über die Helffte verdorben hatte, völlig zum Ende ging, und wir uns Hungers wegen gezwungen sahen, recht wiedernatürliche Speisen zu suchen, und das bitter-saltzige See-Wasser zu trincken. Bei so beschaffenen Umständen riß der Hunger, nebst einer schmerzhafften Seuche, in wenig Tagen einen nach dem andern hinweg, so lange, biß ich, die 3. Indianer und 5. Spanische Kriegs-Leute noch ziemlich gesund übrig blieben. Es erhub sich immittelst der dritte Sturm, welchen wir 9. Personen, als eine Endschafft unserer Quaal, recht mit Freuden ansetzen höreten. Ich kan nicht sagen, ob er so hefftig als die vorigen zwey Stürme gewesen, weil ich auf nichts mehr gedachte, als mich nebst meinen Gefährten zum seeligen Sterben zuzuschicken, allein, eben dieser Sturm[586] muste ein Mittel unserer damahligen Lebens-Erhaltung und künfftiger hertzlicher Busse seyn, denn ehe wir uns dessen versahen, wurde unser jämmerlich zugerichtetes Schiff auf eine von denenjenigen Sand-Bäncken geworffen, welche ohnfern von dieser mit Felsen umgebenen Insul zu sehen sind. Wir liessen bey bald darauff erfolgter Wind-Stille unsern Nachen in See, das Schiff aber auf der Sand-Banck in Ruhe liegen, und fuhren mit gröster Lebens Gefahr durch die Mündung des Westlichen Flusses, welche zur selbigen Zeit durch die herab gestürtzten Felsen-Stücken noch nicht verschüttet war, in diese schöne Insul herein, welche ein jeder vernünfftiger Mensch, so lange er allhier in Gesellschafft anderer Menschen lebt, und nicht mit andern Vorurtheilen behafftet ist, ohnstreitig vor ein irrdisches Paradieß erkennen wird.

Keiner von uns allen gedachte dran, ob wir allhier Menschen-Fresser, wilde Thiere oder andere feindseelige Dinge antreffen würden, sondern so bald wir den Erdboden betreten, das süsse Wasser gekostet und einige fruchttragende Baume erblickt hatten, fielen so wohl die drey Indianer als wir 6. Christen, auf die Knie nieder und danckten dem Allerhöchsten Wesen, daß wir durch desselben Gnade so wunderbarer, ja fast übernatürlicher Weise erhalten worden. Es war ohngefähr zwey Stunden über Mittag, da wir trostloß gewesenen Menschen zu Lande kamen, hatten derowegen noch Zeit genung unsere hungerigen Magen mit wohlschmeckenden Früchten anzufüllen, und aus den klaren Wasser-Bächen zu trincken, nach diesen wurden[587] alle fernern Sorgen auf dieses mahl bey Seite gesetzt, indem sich ein jeder mit seinem Gewehr am Ufer des Flusses zur Ruhe legte, biß auf meinen getreuen Chascal, welcher die Schildwächterey von freyen stücken über sich nahm, um uns andern vor besorglichen Unglücks-Fällen zu warnen. Nachdem aber ich etliche Stunden und zwar biß in die späte Nacht hinein geschlaffen, wurde der ehrliche Chascal abgelöset, und die Wacht von mir biß zu Auffgang der Sonne gehalten. Hierauff fieng ich an, nebst 4. der stärcksten Leute, einen Theil der Insul durchzustreiffen, allein wir fanden nicht die geringsten Spuren von lebendigen Menschen oder reissenden Thieren, an deren statt aber eine grosse Menge Wildpret, Ziegen auch Affen von verschiedenen Farben. Dergleichen Fleischwerck nun konte uns, nebst den überflüßigen herrlichen Kräutern und Wurtzeln, die gröste Versicherung geben, allhier zum wenigsten nicht Hungers wegen zu verderben, derowegen giengen wir zurück, unsern Gefährten diese fröhliche Bothschafft zu hinterbringen, die aber nicht eher als gegen Abend anzutreffen waren, indem sie die Nordliche Gegend der Insul ausgekundschafft, und eben dasjenige bekräfftigten, was wir ihnen zu sagen wusten. Demnach erlegten wir noch selbigen Abend ein stück Wild nebst einer Ziege, machten Feuer an und brieten solch schönes Fleisch, da immittelst die drey Indianer die besten Wurtzeln ausgruben, und dieselben an statt des Brods zu rösten und zuzurichten wusten, welches beydes wir so dann mit gröster Lust verzehreten. In folgenden Tagen bemüheten wir uns sämtlich aufs[588] äuserste, die Sachen aus dem gestrandeten Schiffe herüber auf die Insul zu schaffen, welches nach und nach mit gröster Beschwerlichkeit ins Werck gerichtet wurde, indem wir an unser kleines Boot der Länge nach etliche Floß Höltzer fügten, welche am Vordertheil etwas spitzig zusammen lieffen, hinten und vorne aber mit etlichen darauff befestigten Queer-Balcken versehen waren, und solchergestalt durfften wir nicht allein wegen des umschlagens keine Sorge tragen, sondern konten auch ohne Gefahr, eine mehr als vierfache Last darauff laden.

Binnen Monats-Frist hatten wir also alle unsere Güter, wie auch das zergliederte untüchtige Schiff auf die Insul gebracht, derowegen fiengen wir nunmehro an Hütten zu bauen, und unsere Haußhaltung ordentlich einzurichten, worbey der Mangel des rechten Brodts uns das eintzige Mißvergnügen erweckte, jedoch die Vorsorge des Himmels hatte auch hierinnen Rath geschafft, denn es fanden sich in einer Kiste etliche wohl verwahrte steinerne Flaschen, die mit Europäischen Korne, Weitzen, Gerste, Reiß und Erbsen, auch andern nützlichen Sämereyen angefüllet waren, selbige säeten wir halben Theils aus, u. ich habe solche edle Früchte von Jahr zu Jahr mit sonderlicher Behutsamkeit fortgepflanzt, so daß sie, wenn GOTT will, nicht allein Zeit meines Lebens sich vermehren, sondern auch auf dieser Insul nicht gar vergehen werden, nur ist zu befürchten, daß das allzuhäuffig anwachsende Wild solche edle Aehren, noch vor ihrer völligen Reiffe, abfressen, und die selbst eigene Fortpflantzung, welche hiesiges Orts, gantz sonderbar zu bewundern ist, verhindern werde.
[589]

Du wirst, mein Leser, dir ohnfehlbar eine wunderliche Vorstellung von meinem Glauben machen, da ich in diesen Paragrapho die Vorsorge des Himmels bewundert, und doch oben beschrieben habe, wie meine Gefährten das Schiff nebst allem dem was drinnen, worunter auch die mit Geträyde angefüllten Flaschen gewesen, unredlicher Weise an sich gebracht, ja aufrichtig zu reden, gestohlen haben; Wie reimet sich dieses, wirstu sagen, zur Erkäntniß der Vorsorge GOttes? Allein sey zufrieden, wenn ich bey Verlust meiner Seeligkeit betheure: daß so wohl ich, als mein getreuer Chascal an diesen Diebs-Streiche keinen Gefallen gehabt, vielmehr habe ich mich aus allen Kräfften darwieder gesetzt, jedoch nichts erlangen können. Ist es Sünde gewesen, daß ich in diesem Schiffe mitten unter den Dieben davon gefahren, und mich aus dermahligen augenscheinlichen Verderben gerissen, so weiß ich gewiß, daß mir GOTT dieselbe auf meine eiffrige Busse und Gebeth gnädiglich vergeben hat. Inzwischen muß ich doch vieler Umstände wegen die Göttliche Vorsorge hiebey erkennen, die mich nicht allein auf der stürmenden See, sondern auch in der grausamen Hungers Noth und schädlichen Seuche erhalten, und auf der Insul mittelbarer Weise mit vielem guten überhäufft. Meine Gefährten sind alle in der Helffte ihrer Tage gestorben, ausgenommen der eintzige Chascal welcher sein Leben[590] ohngefähr biß 70. Jahr gebracht, ich aber bin allein am längsten überblieben, auf daß ich solches ansagte.


Wir machten uns inzwischen die unverdorbenen Güter, so auf dem gestohlenen Schiffe mitgebracht waren, wohl zu nutze, ich selbst bekam meinen guten Theil an Kleiderwerck, Büchern, Pappier und andern Geräthschafften davon, that aber dabey sogleich ein Gelübde, solcher Sachen zehnfachen Werth in ein geistliches Gestiffte zu liefern, so bald mich GOTT wiederum unter Christen Leute führete.

Es fanden sich Weinstöcke in ihrem natürlichen Wachsthume, die wir der Kunst nach in weit bessern Stand brachten, und durch dieselben grosses Labsal empfiengen, auch kamen wir von ohngefähr hinter den künstlichen Vortheil, aus gewissen Bäumen ein vortreffliches Geträncke zu zapffen, welches alles ich in meinen andern Handschrifften deutlicher beschrieben habe. Nach einem erleidlichen Winter und angenehmen Frühlinge, wurde im Sommer unser Getrayde reiff, welches wir wiewohl nur in weniger Menge einerndten, jedoch nur die Probe von dem künftig wohlschmeckenden Brodte machen konten, weil das meiste zur neuen Aussaat vor 9. Personen nöthig war, allein gleich im nächstfolgenden Jahre wurde so viel eingesammlet, daß wir zur Aussaat und dem nothdürfftigen Lebens-Unterhalt völlige Genüge hatten.

Mittlerweile war mein Chascal so weit gekommen, daß er nicht allein sehr gut Castilianisch reden,[591] sondern auch von allen christlichen Glaubens-Articuln ziemlich Rede und Antwort geben konte, derowegen nahm ich mir kein Bedencken an diesem abgelegenen Orte einen Apostel abzugeben, und denselben nach Christi Einsetzung zu tauffen, worbey alle meine 5. christlichen Gefährten zu Gevattern stunden, er empfieng dabey, wegen seiner besondern Treuhertzigkeit, den Nahmen Christian Treuhertz. Seine beyden Gefährten befanden sich hierdurch dermassen gerühret, daß sie gleichmäßigen Unterricht wegen des Christenthums von mir verlangten, welchen ich ihnen mit grösten Vergnügen gab, und nach Verfluß eines halben Jahres auch beyde tauffte, da denn der erstere Petrus Gutmann, der andere aber Paulus Himmelfreund genennet wurde.

In nachfolgenden 3. oder 4. Jahren, befand sich alles bey uns in dermassen ordentlichen und guten Stande, daß wir nicht die geringste Ursach hatten über appetitliche Lebens-Mittel oder andern Mangel an unentbehrlichen Bedürffnissen zu klagen, ich glaube auch, meine Gefährte würden sich ni ermehr aus dieser vergnügenden Landschafft hinweg gesehnet haben: wenn sie nur Hoffnung zur Handlung mit andern Menschen, und vor allen andern Dingen, Weibs-Leute, ihr Geschlechte fortzupflantzen, gehabt hätten. Da aber dieses letztere ermangelte, und zu dem erstern sich gantz und gar keine Gelegenheit zeigen wolte, indem sie nun schon einige Jahre vergeblich auf vorbeyfahrende Schiffe gewartet hatten, gaben mir meine 5. Lands-Leute ziemlich trotzig zu verstehen: daß man Anstalt machen müste[592] ein neues Schiff zu bauen, um damit wiederum eine Fahrt zu andern Christen zu wagen, weil es GOtt unmöglich gefallen könte, dergleichen kostbare Schätze, als wir besassen, so nachläßiger Weise zu verbergen, und sich ohne eintzigen Heil. Beruff und Trieb selbst in den uneheligen Stand zu verbannen, darbey aber aller christlichen Sacramenten und Kirchen-Gebräuche beraubt zu leben.

Ohngeacht nun ich sehr deutlich merckte, daß es ihnen nicht so wohl um die Religion als um die Weiber-Liebe zu thun wäre, so nahm mir doch ein Bedencken ihrem Vorhaben zu widerstreben, zumahlen da sie meinen vernünfftigen Vorstellungen gantz und gar kein Gehör geben wolten. Meine an sie gethane Fragen aber waren ohngefähr folgendes Innhalts: Meine Freunde bedenckt es wohl, sprach ich,


1. Wie wollen wir hiesiges Orts ein tüchtiges Schiff bauen können, das uns etliche hundert, ja vielleicht mehr als 1000. Meilen von hier hinweg führen und alles Ungemach der See ertragen kan. Wo ist gnugsames Eisenwerck zu Nägeln, Klammern und dergleichen? Wo ist Pech, Werck, Tuch, Strickwerck und anders Dinges mehr, nach Nothdurfft anzutreffen?

2. Werden wir nicht GOTT versuchen, wenn wir uns auf einen übel zugerichteten Schiffe unterstehen einen so fernen Weg anzutreten, und werden wir nicht als Selbst-Mörder zu achten seyn, daferne uns die Gefahr umbringt, worein wir uns muthwillig begeben?[593]

3. Welcher unter uns weiß die Wege, wo wir hin gedencken, und wer kan nur sagen in welchem Theile der Welt wir uns jetzo befinden? auch wie weit die Reise biß nach Europa ist?


Solche und noch vielmehr dergleichen Fragen die von keinem vernünfftig genung beantwortet wurden, dieneten weiter zu nichts, als ihnen Verdruß zu erwecken, und den gefasseten Schluß zu befestigen, derowegen gab ich ihnen in allen Stücken nach, und halff den neuen Schiff-Bau anfangen, welcher langsam und unglücklich genung von statten gieng, indem der Indianer Paulus von einem umgehauenen Baume plötzlich erschlagen wurde. Dieser war also der erste welcher allhier von mir begraben wurde.

Im dritten Sommer nach angefangener Arbeit war endlich das Schiff so weit fertig, daß wir selbiges in den Fluß, zwischen denen Felsen, allwo es gnugsame Tieffe hatte, einlassen konten. Weiln aber zwey von meinen Lands-Leuten gefährlich Kranck darnieder zu liegen kamen, wurde die übrige wenige Arbeit, nebst der Einladung der Güter, biß zu ihrer völligen Genesung versparet.

Meine Gefährten bezeigten allerseits die gröste Freude über die ihrer Meynung nach wohlgerathene Arbeit, allein ich hatte an dem elendẽ Wercke nur allzuviel auszusetzen, und nahm mir nebst meinem getreuen Christian ein billiges Bedencken uns darauff zu wagen, weil ich bey einer so langwierigen Reise dem Tode entgegen zu lauffen, gantz gewisse Rechnung machen konte.

Indem aber nicht allein grosse Verdrießlichkeit,[594] sondern vielleicht gar Lebens-Gefahr zu befürchten war, soferne meine Gefährten dergleichen Gedancken merckten, hielt ich darmit an mich, und nahm mir vor auf andere Mittel zu gedencken, wodurch diese unvernünfftige Schiffahrth rückgängig gemacht werden könte. Allein das unerforschliche Verhängniß überhob mich dieser Mühe, denn wenig Tage hierauff, erhub sich ein grausamer Sturm zur See, welchen wir von den hohen Felsen-Spitzen mit erstaunen zusahen, jedoch gar bald durch einen ungewöhnlichen hefftigen Regen in unsere Hütten getrieben wurden, da aber bey hereinbrechender Nacht ein jeder im Begriff war, sich zur Ruhe zu begeben, wurde die gantze Insul von einem hefftigen Erdbeben gewaltig erschüttert, worauff ein dumffiges Geprassele folgete, welches binnen einer oder zweyer Stunden Zeit noch 5. oder 6. mahl zu hören war. Meine Gefährten, ja so gar auch die zwey Krancken kamen gleich bey erster Empfindung desselben eiligst in meine Hütte gelauffen, als ob sie bey mir Schutz suchen wolten, und meyneten nicht anders, als müsse das Ende der Welt vorhanden seyn, da aber gegen Morgen alles wiederum stille war, uñ der Sonnen lieblicher Glantz zum Vorscheine kam, verschwand zwar die Furcht vor das mahl, allein unser zusammengesetztes Schrecken war desto grösser, da wir die eintzige Einfahrt in unsere Insul, nehmlich den Auslauff des Westlichen Flusses, durch die von beyden Seiten herab geschossenen Felsen gäntzlich verschüttet sahen, so daß das gantze Westliche Thal von dem gehemmten Strome unter Wasser gesetzt war.[595]

Dieses Erdbeben geschahe am 18tden Jan. im Jahr Christi 1523. bey eintretender Nacht, und ich hoffe nicht unrecht zu haben, wenn ich solches ein würckliches Erdbeben oder Erschütterung dieser gantzen Insul nenne, weil ich selbiges selbst empfunden, auch nachhero viele Felsen-Risse und herab geschossene Klumpen angemerckt, die vor der Zeit nicht da gewesen sind. Der Westliche Fluß fand zwar nach wenigen Wochen seinen geraumlichen Auslauff unter dem Felsen hindurch, nachdem er vielleicht die lockere Erde und Sand ausgewaschen und fortgetrieben hatte, und solchergestalt wurde auch das Westliche Thal wiederum von der Wasser-Fluth befreyet, jedoch die Hoffnung unserer baldigen Abfahrt war auf einmahl gäntzlich zerschmettert, indem das neu erbaute Schiff unter den ungeheuern Felsen-Stücken begraben lag.

GOTT pflegt in der Natur dergleichen Wunder-und Schreck-Wercke selten umsonst zu zeigen. Dieses erkandte ich mehr als zu wohl, wolte solches auch meinen Gefährten in täglichen Gesprächen beybringen, und sie dahin bereden, daß wir ingesamt als Heilige Einsiedler unser Leben in dieser angenehmen und fruchtbarn Gegend zum wenigsten so lange zubringen wolten, biß uns GOTT von ohngefähr Schiffe und Christen zuschickte, die uns von dannen führeten. Allein ich predigte tauben Ohren, denn wenige Zeit her nach, da ihnen abermahls die Lust ankam ein neues Schiff zu bauen, welches doch in Ermangelung so vielerley materialien ein lächerliches Vornehmen war, machten sie erstlich einen Anschlag, im Mittel der Insul den Nördlichen Fluß[596] abzustechen, mithin selbigen durch einen Canal in die kleine See zu führen, deren Ausfluß sich gegen Osten zu, in das Meer ergiesset.

Dieser letztere Anschlag war mir eben nicht mißfällig, weiln ich allem Ansehen nach, leicht glauben konte, daß durch das Nördliche natürliche Felsen-Gewölbe, nach abgeführten Wasser-Flusse, ohnfehlbar ein bequemer Außgang nach der See zu finden seyn möchte. Derowegen legte meine Hände selbsten mit ans Werck, welches endlich, nach vielen sauern vergossenen Schweisse, im Sommer des 1525ten Jahres zu Stande gebracht wurde. Wir funden einen nach Nothdurfft erhöheten und weiten Gang, musten aber den Fuß-Boden wegen vieler tieffen Klüffte und steiler Abfälle, sehr mühsam mit Sand und Steinen beqvemlich ausfüllen und zurichten, biß wir endlich sehr erfreut das Tages-Licht und die offenbare See ausserhalb der Insul erblicken konten.

Nach diesem glücklich ausgeschlagenen Vornehmen, solten aufs eiligste Anstallten zum abermahligen Schiff-Bau gemacht, und die zugerichteten Bäume durch den neu erfundenen Weg an den auswendigen Fuß des Felsens hinunter geschafft werden; Aber! ehe noch ein eintziger Baum darzu behauen war, legten sich die zwey schwächsten von meinen Lands-Leuten darnieder und starben, weil sie ohnedem sehr ungesundes Leibes waren, und sich noch darzu bißhero bey der ungezwungenen Arbeit allzuhefftig angegriffen haben mochten. Solchergestallt blieb der neue Schiffs-Bau unterwegs, zumahlen[597] da ich und die mir getreuen zwey Indianer keine Hand mit anlegen wolten.

Allein, indem ich aus gantz vernünfftigen Ursachen dieses tollkühne Werck gäntzlich zu hintertreiben suchte, und mich auf mein gutes Gewissen zu beruffen wuste, daß solches aus keiner andern Absicht geschähe, als den Allerhöchsten wegen einer unmittelbaren Erhaltung nicht zu versuchen, noch seiner Gnade zu mißbrauchen, da ich mich aus dem ruhigsten und gesegnetsten Lande nicht in die allersicherste Lebens Gefahr stürtzen wolte; so konte doch einem andern gantz abscheulichen Ubel nicht vorbauen, als worüber ich in die alleräuserste Bestürtzung gerieth, und welches einem jeden Christen einen sonderbaren Schauder erwecken wird.

Es meldete mir nehmlich mein getreuer Christian, daß meine 3. noch übrigen Lands-Leute seit etlichen Monathen 3. Aeffinnen an sich gewöhnet hätten, mit welchen sie sehr öffters, so wohl bey Tage als Nacht eine solche schändliche Wollust zu treiben pflegten, die auch diesen ehemaligen Heyden recht eckelhafft und wider die Natur lauffend vorkam. Ich ließ mich keine Mühe verdriessen dieser wichtigen Sache, um welcher willen der Höchste die gantze Insul verderben köñen, recht gewiß zu werden, war auch endlich so glücklich, oder besser zu sagen, unglücklich, alles selbst in Augenschein zu nehmen, und ein lebendiger Zeuge davon zu seyn, worbey ich nichts mehr, als verdammte Wollust bestialischer Menschen, nechst dem, die ungewöhnliche Zuneigung solcher vierfüßigen Thiere, über alles dieses aber die besondere Langmuth GOttes zu bewundern[598] wuste. Folgendes Tages nahm ich die 3. Sodomiten ernstlich vor, und hielt ihnen, wegen ihres begangenen abscheulichen Lasters eine kräfftige Gesetz-Predigt, führete ihnen anbey den Göttlichen Ausspruch zu Gemüthe: Wer bey einem Viehe schläfft, soll des Todes sterben etc. etc. Zwey von ihnen mochten sich ziemlich gerührt befinden, da aber der dritte, als ein junger freveler Mensch, ihnen zusprach, u. sich vernehmen ließ, daß ich bey itzigen Umständen mich um ihr Leben u. Wandel gar nichts zu bekümmern, vielweniger ihnen etwas zu befehlen hätte, giengen sie alle drey höchst verdrießlich von mir.

Mittlerzeit aber, da ich diese Straf-Predigt gehalten, hatten die zwey frommen Indianer Christianus und Petrus, auf meinen Befehl die drey verfluchten Affen-Huren glücklich erwürget, so bald nun die bestialischen Liebhaber dieses Spectacul ersahen, schienen sie gantz rasend zu werden, hätten auch meine Indianer ohnfehlbar erschossen, allein zu allem Glücke hatten sie zwar Gewehr, jedoch weder Pulver noch Bley, weiln der wenige Rest desselben in meiner Hütte verwahret lag. In der ersten Hitze machten sie zwar starcke Gebärden, einen Krieg mit mir und den Meinigen anzufangen, da ich aber meinen Leuten geladenes Gewehr und Schwerdter gab, zogen die schändlichen Buben zurücke, dahero ich ihnen zurieff: sie solten auf guten Glauben herzu kommen, und diejenigen Geräthschafften abholen, welche ich ihnen aus Barmhertzigkeit schenckte, nachhero aber sich nicht gelüsten lassen, über den Nord-Fluß, in unser Revier zu kommen, widrigenfalls wir sie als Hunde darnieder schiessen wolten,[599] weil geschrieben stünde: Du sollst den Bösen von dir thun.

Hierauff kamen sie alle drey, und langeten ohne ein eintziges Wort sprechen diejenigen Geschirre und andere höchstnöthigen Sachen ab, welche ich durch die Indianer entgegen setzen ließ, und verlohren sich damit in das Ostliche Theil der Insul, so daß wir in etlichen Wochen nicht das geringste von ihnen zu sehen bekamen, doch war ich nebst den Meinigen fleißig auf der Hut, damit sie uns nicht etwa bey nächtlicher Zeit überfallen und erschlagen möchten.

Allein hiermit hatte es endlich keine Noth, denn ihr böses Gewissen und zaghaffte Furchtsamkeit mochte sie zurück halten, jedoch die Rache folgte ihnen auf dem Fusse nach, denn die Bösewichter musten kurtz hernach einander erschröcklicher Weise selbsten aufreiben, und den Lohn ihrer Boßheiten geben, weil sich niemand zum weltlichen Richter über sie aufwerffen wolte.

Eines Tages in aller Frühe, da ich den dritten Theil der Nacht-Wache hielt, hörete ich etliche mahl nach einander meinen Nahmen Don Valaro von ferne laut ausruffen, nahm derowegen mein Gewehr, gieng vor die Hütte heraus, und erblickte auf dem gemachten Damme des Nord-Flusses, einen von den dreyen Bösewichten stehen, der mit der rechten Hand ein grosses Messer in die Höhe reckte. So bald er mich ersahe, kam er eilends herzu gelauffen, da aber ich mein aufgezogenes Gewehr ihm entgegen hielt, blieb er etwa 20. Schritt vor mir stehen und schrye mit lauter Stimme: Mein Herr! mit diesem Messer habe ich in vergangener[600] Nacht meine Cameraden ermordet, weil sie mit mir um ein junges Affen-Weib Streit anfiengen. Der Weinbeer und Palmen-Safft hatte uns rasend voll gemacht, sie sind beyde gestorben, ich aber rase noch, sie sind ihrer grausamen Sünden wegen abgestrafft, ich aber, der ich noch mehr als sie gesündiget habe, erwarte von euch einen tödtlichen Schuß, damit ich meiner Gewissens-Angst auf einmahl loß komme.

Ich erstaunete über dergleichen entsetzliche Mord-Geschicht, hieß ihm das Messer hinweg werffen und näher kommen, allein nachdem er gefragt: Ob ich ihn erschiessen wolle? und ich ihm zur Antwort gegeben: Daß ich meine Hände nicht mit seinem Blute besudeln, sondern ihn GOTTES zeitlichen und ewigen Gerichten überlassen wolle; fassete er das lange Messer in seine beyden Fäuste, und stieß sich selbiges mit solcher Gewalt in die Brust hinein, daß der verzweiffelte Cörper sogleich zur Erden stürtzen und seine schandbare Seele ausblasen muste. Meine verschiedenen Gemüths-Bewegungen presseten mir viele Thränen aus den Augen, ohngeacht ich wohl wuste, daß solche lasterhaffte Personen derselben nicht werth waren, doch machte ich, mit Hülffe meiner beyden Getreuen, sogleich auf der Stelle ein Loch, und scharrete das Aaß hinein. Hierauff durchstreifften wir die Ostliche Gegend, und fanden endlich nach langem Suchen die Hütte, worinnen die beyden Entleibten beysammen lagen, das teufflische Affen-Weib saß zwischen beyden inne, und wolte durchaus nicht von dannen weichen, weßwegen ich das schändliche Thier gleich auf der Stelle[601] erschoß, und selbiges in eine Stein-Klufft werffen ließ, die beyden Viehisch-Menschlichen Cörper aber begrub ich vor der Hütte, zerstörete dieselbe, und nahm die nützlichsten Sachen daraus mit zurück in unsere Haußhaltung. Dieses geschahe in der Weinlese-Zeit im Jahre 1527.

Von nun an führte ich mit meinen beyden Getreuen christlichen Indianern die allerordentlichste Lebens-Art, denn wir beteten täglich etliche Stunden mit einander, die übrige Zeit aber wurde theils mit nöthigen Verrichtungen, theils aber in vergnügter Ruhe zugebracht. Ich merckte an keinen von beyden, daß sie sonderliche Lust hätten, wiedrum zu andern Menschen zu gelangen, und noch vielweniger war eine Begierde zum Frauen-Volck an ihnen zu spüren, sondern sie lebten in ihrer guten Einfalt schlecht und gerecht. Ich vor meine Person empfand in meinem Hertzen den allergrösten Eckel an der Vermischung mit dem Weiblichen Geschlechte, und weil mir ausserdem der Appetit zu aller weltlichen Ehre, Würde, und den darmit verknüpfften Lustbarkeiten vergangen war, so fassete den gäntzlichen Schluß, daß, wenn mich ja der Höchste von dieser Insul hinweg, und etwa an andere christliche Oerter führen würde, daselbst zu seinen Ehren, vermittelst meiner kostbaren Schätze, ein Closter aufzubauen, und darinnen meine Lebens-Zeit in lauter GOttes-Furcht zuzubringen.

Im Jahr Christi 1538. starb auch der ehrliche getauffte Christ, Petrus Gutmann, welchen ich nebst dem Christiano hertzlich beweinete, und ihn[602] aufs ordentlichste zur Erde bestattete. Er war ohngefähr etliche 60. Jahr alt worden, und bißhero gantz gesunder Natur gewesen, ich glaube aber, daß ihn ein jählinger Trunck, welchen er etwas starck auf die Erhitzung gethan, ums Leben brachte, doch mag er auch sein ihm von GOtt bestimmtes, ordentliches Lebens-Ziel erreicht haben.

Nach diesem Todes-Falle veränderten wir unsere Wohnung, und bezogen den grossen Hügel, welcher zwischen den beyden Flüssen fast mitten auf der Insul lieget, allda baueten wir eine geraumliche Hütte, überzogen dieselbe dermassen starck mit Laub-Werck, daß uns weder Wind noch Regen Verdruß anthun konte, und führeten darinnen ein solches geruhiges Leben, dergleichen sich wohl alle Menschen auf der gantzen Welt wünschen möchten.

Wir haben nach der Zeit sehr viel zerscheiterte Schiffs-Stücken, grosse Ballen und Pack-Fässer auf den Sand-Bäncken vor unserer Insul anländen sehen, welches alles ich und mein Christian, vermittelst eines neugemachten Flosses, von dannen herüber auf unsere Insul holeten, und darinnen nicht allein noch mehrere kostbare Schätze an Gold, Silber, Perlen, Edlen-Steinen und allerley Hauß-Geräthe, sondern auch Kleider-Werck, Betten und andere vortreffliche Sachen fanden, welche letztern unsern Einsiedler-Orden von aller Strengigkeit befreyeten, indem wir, vermittelst desselben, die Lebens-Art aufs allerbequemste einrichten konten.[603]

Neunzehn gantzer Jahre habe ich nach des Petri Tode mit meinem Christiano in dem allerruhigsten Vergnügen gelebt, da es endlich dem Himmel gefiel, auch diesen eintzigen getreuen Freund von meiner Seite, ja von dem Hertzen hinweg zu reissen. Denn im Frühlinge des 1557ten Jahres fing er nach und nach an, eine ungewöhnliche Mattigkeit in allen Gliedern zu empfinden, worzu sich ein starcker Schwindel des Haupts, nebst dem Eckel vor Speise und Tranck gesellete, dahero ihm in wenig Wochen alle Kräffte vergingen, biß er endlich am Tage Allerheiligen, nehmlich am 1. Novembr. selbigen Jahres, früh bey Aufgang der Sonnen, sanfft und seelig auf das Verdienst Christi verschied, nachdem er seine Seele in GOttes Hände befohlen hatte.


Die Thränen fallen aus meinen Augen, indem ich dieses schreibe, weil dieser Verlust meines lieben Getreuen mir in meinem gantzen Leben am allerschmerzlichsten gewesen. Voritzo, da ich diesen meinen Lebens-Lauff zum andern mahle aufzuzeichnen im Begriff bin, stehe ich in meinem 105ten Jahre, und wünsche nur dieses:


Meine Seele sterbe des Todes der Gerechten, und mein Ende werde wie meines getreuen Christians Ende.


Den werthen Cörper meines allerbesten Freundes habe ich am Fusse dieses Hügels, gegen Morgen zu, begraben, und sein Grab mit einem grossen[604] Steine, worauf ein Creutz nebst der Jahr-Zahl seines Ablebens gehauen, bemerckt. Meine Augen sind nachhero in etlichen Wochen niemahls trocken von Thränen worden, jedoch, da ich mir nachhero den Allerhöchsten zum eintzigen Freunde erwehlte, so wurde auf gantz besondere Art getröstet, und in den Stand gesetzt, mein Verhängniß mit gröster Gedult zu ertragen.

Drey Jahr nach meines liebsten Christians Tode, nehmlich im Jahr 1560. habe ich angefangen in den Hügel einzuarbeiten, und mir auf die Winters-Zeit eine bequeme Wohnung zuzurichten. Du! der du dieses liesest, und meinen Bau betrachtest, wirst gnungsame Ursache haben, dich über die Unverdrossenheit eines eintzelnen Menschen zu verwundern, allein, bedencke auch die lange Weile, so ich gehabt habe. Was solte ich sonst nutzbares vornehmen? Zu meinem Acker-Bau brauchte ich wenige Tage Mühe, und bekam jederzeit hundertfachen Segen. Ich habe zwar gehofft, von hier hinweg geführet zu werden, und hoffe es noch, allein, es ist mir wenig daran gelegen, wenn meine Hoffnung, wie bißhero, vergeblich ist und bleibt.

Den allergrösten Possen haben mir die Affen auf dieser Insul bewiesen, indem sie mir mein Tage-Buch, in welches ich alles, was mir seit dem Jahr 1509. biß auf das Jahr 1580. merckwürdiges begegnet, richtig aufgezeichnet hatte, schändlicher[605] Weise entführet, und in kleine Stücken zerrissen, also habe ich in dieser zweyten Ausfertigung meiner Lebens-Beschreibung nicht so ordentlich und gut verfahren konnen, als ich wohl gewollt, sondern mich eintzig und allein auf mein sonst gutes Gedächtniß verlassen müssen, welches doch Alters wegen ziemlich stumpff zu werden beginnet.

Immittelst sind doch meine Augen noch nicht dunckel worden, auch bedüncket mich, daß ich an Kräfften und übriger Leibes-Beschaffenheit noch so starck, frisch und ansehnlich bin, als sonsten ein gesunder, etwa 40. bis 50. jähriger Mann ist.

In der warmen Sommers-Zeit habe ich gemeiniglich in der grünen Laub-Hütte auf dem Hügel gewohnet, zur Regen- und Winters-Zeit aber, ist mir die ausgehaune Wohnung unter dem Hügel trefflich zu statten gekommen, hieselbst werden auch diejenigen, so vielleicht wohl lange nach meinem Tode etwa auf diese Stelle kommen, ohne besondere Mühe, meine ordentlich verwahrten Schätze und andere nützliche Sachen finden können, wenn ich ihnen offenbare, daß in der kleinsten Kammer gegen Osten, und dann unter meinem Steinernen Sessel das allerkostbarste anzutreffen ist.

Ich beklage nochmahls, daß mir die leichtfertigen Affen mein schönes Tage-Buch zerrissen, denn wo dieses vorhanden wäre, wolte ich dir, mein zukünfftiger Leser, ohnfehlbar noch ein und andere nicht unangenehme Begebenheiten und Nachrichten beschrieben haben. Sey immittelst[606] zu frieden mit diesen wenigen, und wisse, daß ich den Vorsatz habe, so lange ich sehen und schreiben kan, nicht müßig zu leben, sondern dich alles dessen, was mir hinfüro noch sonderbares und merckwürdiges vorkommen möchte, in andern kleinen Büchleins benachrichtigen werde. Voritzo aber will ich diese Beschreibung, welche ich nicht ohne Ursach auch ins Spanische übersetzt habe, beschliessen, und dieselbe bey Zeiten an ihren gehörigen Ort beylegen, allwo sie vor der Verwesung lange Zeit verwahret seyn kan, denn ich weiß nicht, wie bald mich der Todt übereilen, und solchergestalt alle meine Bemühung nebst dem guten Vorsatze, meinen Nachkommen einen Gefallen zu erweisen, gäntzlich zernichten möchte. Der GOtt, dem ich meine übrige Lebens-Zeit aufs allereiffrigste zu dienen mich verpflichte, erhöre doch, wenn es sein gnädiger Wille, und meiner Seelen Seeligkeit nicht schädlich ist, auch in diesem Stücke mein Gebeth, und lasse mich nicht plötzlich, sondern in dieser meiner Stein-Höle, entweder auf dem Lager, oder auf meinem Sessel geruhig sterben, damit mein Cörper den leichtfertigen Affen und andern Thieren nicht zum Spiele und Scheusal werde, solte auch demselben etwa die zukünfftige Ruhe in der Erde nicht zugedacht seyn: Wohlan! so sey diese Höle mir an statt des Grabes, bis zur fröhlichen Auferstehung aller Todten.


* * *
[607]

So viel ists, was ich Eberhard Julius von des seeligen Don Cyrillo de Valaro Lebens-Beschreibung aus dem Lateinischen Exemplar zu übersetzen gefunden, kömmt es nicht allzu zierlich heraus, so ist doch dem Wercke selbst weder Abbruch noch Zusatz geschehen. Es sind noch ausser diesem etliche andere Manuscripta, und zwar mehrentheils in Spanischer Sprache vorhanden, allein, ich habe bißhero unterlassen, dieselben so wohl als die wenigen Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen, welches jedoch mit der Zeit annoch geschehen kan, denn sein Artzeney-Buch, worinnen er den Nutzen und Gebrauch der auf dieser Insul wachsenden Kräuter, Wurtzeln und Früchte abhandelt, auch dabey allerley Kranckheiten und Schäden, die ihm und seinen Gefährten begegnet sind, erzehlet, verdienet wohl gelesen zu werden, wie denn auch sein Büchlein vom Acker- und Garten-Bau, ingleichen von allerhand nützlichen Regeln wegen der Witterung nicht zu verachten ist.

Fußnoten

1 Es ist fast zu vermuthen, daß der Autor solchergestalt auf die jetziger Zeit so genannten Insulas Salomonis gekommen, jedoch in Erwegung anderer Umstände können auch wohl nur die Peru und Chili gegen über gelegenen Insuln gemeynet seyn.


Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 2, Nordhausen 1732.
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