Wunderliche FATA einiger Seefahrer. Vierdter Theil.

Geliebteste und allerwertheste Bluts- und Muths-Freunde in Europa!

Nachdem Ihnen ich, Eberhard Julius, durch den Capitain Horn versichern lassen, wo es anders möglich wäre, und die Gelegenheit etwa nicht gäntzlich benommen würde, alles, was seit meiner 3. vorhergehenden Relationen, (welche seit einigen Jahren daher, wie ich vernommen habe, in Europa im Druck erschienen, und einiges Aufsehen verursacht) auf diesen beyden Insuln Groß- und Klein-Felsenburg sich merckwürdiges und besonders zugetragen, aufs fördersamste und aufrichtigste zu melden; Als habe hiermit mein Wort halten wollen, in[1] guter Hoffnung, daß Uberbringer dieses, nachdem er seine Sachen wohl ausgerichtet, glücklich bey Ihnen anlangen werde.

Kaum hatte ich meinen Vorsatz unsern Regenten, Alberto II. den grauen Häuptern und Aeltesten, wie auch den Herrn Geistlichen und andern guten Freunden gemeldet, als ich ersucht wurde, den Anfang gegenwärtigen meines vierdten Berichts, mit folgender Addresse zu machen:

Wir, Albertus Julius der andere, der Zeit erblicher Regent, der beyden von Gott gantz besonders gesegneten Insuln, Groß- und Klein-Felsenburg, die Aeltesten, grauen Häupter, die Ehrwürdige Geistlichkeit, welche mit mir über unser Volck regieren, entbiethen unsern geliebtesten und allerwerthesten Freunden in Europa unsern dienst-freund-brüderlichen Gruß, nebst Anwünschung alles Seelen- und Leibes-Vergnügens und Wohlergehens. Dergleichen Grüsse und Wünsche erfolgen auch von allen andern löblichen und ansehnlichen Personen beyderley Geschlechts, bis auf die Säuglinge, welche noch nicht wissen und verstehen, was vor theure und werthe Freunde sie in Europa haben, die weit vornehmer sind, als wir, denn wir schätzen uns ganz geringe und einander alle gleich, beobachten doch aber, nicht allein aus der heil. Schrifft, sondern bloß aus dem Lichte der Natur die Gebote: Ehre, dem die Ehre gebühret; Gehorsam, dem Gehorsam gebühret, und dieses um guter Ordnung wegen.[2] Wir werden uns insgesammt ungemein erfreuen, wenn wir von unsern Abgeschickten, deren glückliche Zurückkunfft wir täglich mit grösten Verlangen erwarten, erfahren werden, daß es unsern geliebtesten und allerwerthesten Freunden in Europa noch wohl gehe, bedauren anbey diejenigen, die etwa Noth und Mangel leyden möchten, wünschen wohl aus getreuem Hertzen, Gelegenheit zu haben, Ihnen von unserm Uberflusse nach Nothdurfft etwas abgeben zu können. Denn GOtt giebt uns jährlich und täglich, ja stündlich mehr, als wir werth sind und zur Leibes Nahrung und Nothdurfft gebrauchen; weßwegen solten wir also dermassen unchristlich seyn, und unsern Uberfluß den Bedürfftigen nicht gönnen, zumahlen denen, die unsere Freunde sind, und unsern Geschlechts-Nahmen führen. Wolte GOtt! es schickte sich, ein ordentliches Commercium mit ihnen zu stifften; Die Weite des Weges solte solches Seiten unserer nicht verhindern, vielleicht würde manchen Nothleydenden und Bedürfftigen besser gerathen seyn. Da aber dieses bey jetzigen schlimmen Zeiten und gefährlichen Welt-Händeln, wie uns berichtet worden, eher zu wünschen, als zu hoffen stehet, so können wir weiter nichts thun, als daß wir vor sie beten, und sie der der guten, milden und barmhertzigen Hand GOttes des Allmächtigen empfehlen. Wir verhoffen, sie werden dergleichen auch vor[3] uns thun, ohngeachtet wir vorjetzo noch ziemlicher maassen in Ruhe sitzen, und von keiner befondern Bekümmernis wissen, ausgenommen, was die Sorgen anbetrifft, die wir wegen unserer Verreiseten haben.

Wie gesagt, wir wissen (GOtt sey davor gelobt) weder von Noth, Kranckheiten, Hunger, Kummer und andern Land-Plagen zum Theil wenig, zum Theil gar nichts zu sagen, und die wohlverdienten Straffen unserer Sünden empfinden wir von dem barmhertzigen, liebreichen Vater im Himmel weit gelinder, als wir fast vermuthen könten, indem wir wissen, wie sein Zorn und seine strenge Gerechtigkeit öffters, auch über die von den Menschen unerkannten Sünden sich zu zeigen pflegt.

Nun, der Herr segne und behüte Sie und uns, wir empfehlen uns Ihnen vom grösten bis zum kleinesten, vom ältesten bis zum jüngsten zu Dero geneigten Wohlwollen und guter Freundschaft, ohngeachtet, da wir eine so entsetzliche Weite über Meer von einander wohnen. Doch den GOtt, den Sie anbeten, den beten wir allhier auch an, und verehren denselben eben so wohl, als wie Sie, wo nicht mit Ubereinstimmung aller christlichen Ceremonien, jedoch in unsern christlichen Hertzen. Also kann die Sympathie dennoch ihr Wesen und Würckung beständig zwischen Ihnen und uns ausüben.

Wir schicken Ihnen etwas weniges von[4] den Gütern und Früchten unsers Landes, welches sie nicht verschmähen, sondern sich christ-brüderlich darein theilen, vornemlich aber die Aermsten unter Ihnen nach proportion, gedoppelt oder dreifach besorgen wollen.

Unserer geliebtesten und allerwerthesten Bluts- und Muths-Freunde in Europa verbleiben wir Felsenburger allerseits, so lange noch einer von uns lebt und Othem hat, getreue Freunde und Diener.


Gegeben auf meinem

ordentlichen Wohn-

hause Albertsburg

genannt, im Jahr

Christi 1740. den 3.

Tag des Monats

Februarii.

(L.S.) Albertus Julius II.


Unter diesem Nahmen unterschrieben sich weit mehr als 100. Personen beyderley Geschlechts, nicht allein Europäische Einkömmlinge, sondern auch eingebohrne Felsenburger.

Wir warteten demnach mit Schmertzen auf die Zurückkunfft des Capitains Horn, als welcher uns versprochen hatte, mit zweyen Schiffen zurück zu kommen, und sein Neben-Schiff, nachdem es ausgeladen, dargegen eine andere Ladung eingenommen; so bald es uns gefällig, zurück nach Europa zu schicken, er aber wolte erlaubter und abgeredter maassen bey uns verbleiben.

Allein es stürtzten sich noch unzählige Eymer[5] Wasser aus unserer Felsenburgischen grossen See hinunter in das wilde Meer, ehe wir das Vergnügen hatten, unsern lieben Capitain Horn mit seinen beyden Schiffen wieder zu sehen. So trugen sich auch binnen der Zeit viele seltsame Begebenheiten und Wunder-Dinge zu, welche ich weiter unten, nach Möglichkeit in bester Ordnung erzählen werde.

Voritzo aber will vorerst nur so viel melden, daß, als ich eines Abends, ohngefähr um 10. Uhr auf meinem Ober-Stübgen an einem Fenster gegen Norden zu, stund, allwo ich den besondern Stand des Gestirns zu damahliger Jahrs-Zeit beobachten wolte, gewahr wurde, daß gerade in der Nord-Gegend eine schwartze dicke Wolcke aus der See, bis an den Himmel, erstlich in Gestalt einer Pyramide herauf stieg, binnen weniger Zeit aber sich dergestalt ausbreitete, daß alle Sterne bis an den Polar-Stern, mithin die gantze Helffte des Horizonts, bedeckt und gantz und gar verdunckelt wurde. Dieses währte bis dreyviertel auf 12. Uhr, so, daß wie ich schon gesagt, die jenseitige Himmels-Gegend so schwartz als eine Kohle anzusehen war, die andere Helffte nach Süden zu, zeigte sich hergegen, klar und helle; mithin hatten wir gegen Norden zu, den allerfürchterlichsten, gegen Süden aber, den allercharmantesten Anblick, indem wir mit gröstem Vergnügen die hellgläntzenden Sterne am blauen Himmel über unseren Häuptern erblickten. Wunderbar ließ es, daß der Polar-Stern gleichsam als ein Gräntz-Stein, oder Scheide-Wand,[6] zwischen Licht und Finsterniß anzusehen war. Es gieng also am Himmels-Gewölbe, zwischen Licht und Finsterniß, ein etwas dunckel grauer Strich, von Osten bis Westen hindurch, welches mit einiger Erstaunung anzusehen war.

Wir gedachten immer, die Schwärtze würde sich weiter ausbreiten, und in die Helligkeit gegen Süden zu hineindringen, mithin den gantzen Horizont schwartz machen; allein es geschah nicht; sondern die Schwärtze zog sich, da es gegen 1. Uhr kam, allmählig nach Norden zurücke, und wurde es in der Tieffe dergestalt schwartz, als ich nicht beschreiben kan. Gleich da meine Uhr ein Viertel auf 2. schlug, erblickte ich mit grössesten Entsetzen: daß sich mitten in der dicksten Finsterniß ein ordentliches Feuer-Rad, in Grösse (unserm Augenmasse nach) eines der allergrösten Mühl-Räder præsentirte, welches dergestalt schnell herum lief, als ob es durch die Kunst eines Feuerwerckers also gemacht, und mit besondern Fleisse dahin gestellet wäre.

Meine Frau, die gantz alleine bey mir war, und ich sahen dieses Wunder-Ding mit gröster Verwunderung an, indem ich aber in die andere Stube gegangen war, um nach der Uhr zu sehen, läufft sie gleichfalls davon, und wecket Mons. von Blac, nebst andern getreuen Nachbarn, welche schon im tiefsten Schlafe gelegen. Demnach kamen ihrer sehr viele herzu, da sie aber von allem dem, was vorgegangen war, nicht das geringste observirt hatten, so verwunderten sie sich um so viel desto mehr über das, was ich Ihnen in möglichster Kürtze[7] erzählte, noch weit mehr aber über dasjenige, was sie mit ihren sichtlichen Augen vor sich sahen, nemlich das Feuer-Rad, als welches noch beständig mit der grösten Hefftigkeit um und um lief.

Meine Freunde gaben mir einen starcken Verweis, darum, daß ich sie nicht eher geweckt hätte; das gantze Wunderspiel zeitiger mit ansehen zu können; allein ich entschuldigte mich damit, daß ich nicht vermeynt, wie die Schwärtze so lange anhalten würde, vielweniger hätte mir träumen lassen, daß ein so künstliches und bewundernswürdiges Feuer-Rad zum Vorschein kommen solte.

Wir sahen demnach dem schnellen Lauffe dieses Feuer-Rades noch etliche Minuten zu, und wurden mittlerweile gewahr, daß es zum öfftern Raqueten oder sogenannte Schwärmer von sich warf, fernerhin aber sprungen fast binnen einer halben Minute jederzeit ordentlich runde Feuer-Kugeln herab, welche dem Ansehen nach, zum Theil als 12. 16. bis 24. pfündige Canonen-Kugeln zu achten waren, in die See fielen, und sich wohl eine halbe Minute lang darinnen herum tummelten, endlich aber verschwunden; ob aber bey ihnen Crepirung dieselben einen Knall von sich gegeben, kan ich so eigentlich nicht sagen, indem unsere Ohren sich auf eine so gewaltige Weite nicht eingerichtet befanden.

Nach Verlauff einer halben Stunde, kamen aus dem Feuer-Rade entsetzlich viele Feuer-Flammen in der Gestalt natürlicher Schlangen heraus gesprungen, ihre Farbe war theils grün, gelb,[8] roth, schwartz, blau und theils gesprenckelt. Diese stürtzten sich mit aller Gewalt in die See hinein, und schienen zum Theil auf einmahl zu versincken, allein wir bemerckten, daß sehr viele von ihnen wieder empor kamen, und als eine blaß röthliche Fackel, so wie in Europa die Irrwische, auf der See herum tantzten, nachhero aber, da sie mehr als 1000. Funcken von sich geworffen, in die Tieffe versuncken.

Mittlerweile warf dennoch binnen dieser Zeit das Feuer-Rad allerley Sorten von Feuer-Kugeln von sich, die sich nicht anders aufführeten, als die vorgemeldten. Ehe man sich es versahe, kam auf einmahl ein gantz Geschwader der bemeldten Feuer-Schlangen, welche ich über mehr als 1000. schätzte, aus dem Feuer-Rade heraus geflogen, sie waren, wie schon gesagt, von allerhand Farben, stürtzten sich in die See hinein, und es hatte das Ansehen, als ob sie mit einander Krieg führeten, und sich bissen. Jedoch diese Rencontre währete nicht länger, als ohngefehr 6. Minuten, wornach sie auf einmahl plötzlich verschwanden, und zwar in einem Tempo, als wenn viele Lichter auf einmahl verlöscht werden.

Leichtlich ists zu erachten, daß man seinem Augenmaße bey einer so gewaltigen Weite nicht alzuwohl trauen kan, doch schätzte ich das Revier auf der Ober-Fläche der See, allwo sie die artigsten Täntze und Colloraturen machten, wenigstens im Umfange von 10. deutscher Meilen. Wir wurden hierüber alle in eine erstaunende Verwunderung versetzt, und wird mir erlaubt seyn zu sagen, daß[9] in der gantzen Welt schwerlich ein Printz oder andere Puissance wird anzutreffen seyn, welcher vor die, vielleicht übermäßig angewandten Kosten, dergleichen Wasser- und Feuer-Werck zu sehen bekommen; als uns die Natur vor dißmahl umsonst vorstellete, jedoch zu unserm allergrößten Schrecken.

Mittlerweile aber, wie gemeldet, die feurigen Schlangen auf der Ober-Fläche ihre Colloraturen machten, und die Feuer-Kugeln wechselsweise nach einander in die See hinein purtzelten, bemerckten wir, daß das Feuer-Rad weit feuerröther wurde, jedoch nach und nach immer enger und enger zusammen ruckte, so daß es bald hernach viel kleiner wurde, seine vorige Gestalt verlohr, sich als eine der allergrösten Bomben, und zwar mit aufgesetzten Zunder præsentirte. Wir waren sehr aufmercksam über diese Veränderung, nachdem aber etwa 4. bis. 5. Minuten verlauffen, crepirte diese unsern Gemüths- und Leibes-Augen vorgelegte Bombe in einem Augenblicke, spye noch viele Feuer-Klumpen und Sterne von allerhand Farben von sich, und versunck hernach in die See, mithin hatte das gantze Feuerwerck seine Endschafft erreicht, so daß weiter nichts als eine Egyptische Finsterniß in der gantzen Gegend zu betrachten war. Indem aber gemeldte Feuer-Kugel oder Bombe crepirte, höreten unser aller Ohren nicht allein einen entsetzlichen Knall, sondern wir vermerckten auch ein erschröckliches Erdbeben, so, daß wir alle, wie wir stunden, und lagen, fast über einer Querhand hoch in die Höhe[10] gehoben und erschüttert wurden. Als ich in meine Schreib-Stube kam, fand ich das Schreibzeug, Bier-Krug und andere Dinge, so auf dem Tische stunden, umgekehrt, theils auch auf dem Boden zerbrochen liegen. Die Tabulettgen hiengen zwar noch an den Wänden, allein die meisten Gläser, Thee-Tassen und dergleichen Porcellain Zeug waren herunter gefallen und zerbrochen, bey welchen Kleinigkeiten ich mich aber nicht lange aufhielte, sondern nach der Wohnstube zu eilete, allwo ich meine liebe Frau, die in Ohnmacht gesuncken war, auf dem Bette liegend antraf; da ich aber sahe, daß viele vertraute Freunde und Freundinnen um sie herum waren, lief ich mit Mons. von Blac, nebst etlichen unserer Bedienten hinunter auf den Platz, allwo 2. Canonen stunden, die 16. pfündige Kugeln schossen, diese lösete ich in der Geschwindigkeit eine nach der andern, ehe eine Minute verstrich, nicht etwa aus Frevel, sondern aus keiner andern Ursache, als die Einwohner herbey zu locken und ihnen vorzustellen, in was vor Gefahr und Noth wir uns befänden, und zwar einer so wohl als der andere. Vor allen Dingen muste mein Famulus aufs eiligste nach der Alberts-Burg lauffen, um dem Regenten zu rapportiren, was vorgegangen wäre, und was wir observiret hätten. Es war dieser mein Famulus ein geschickter Pursche von 18. Jahren, und richtete seine Sachen wohl aus, kam bald zurück, und referirte uns, daß auf der Alberts-Burg weder Albertus selbst, noch jemand anders, weder von der Schwärtze am Himmel, noch von[11] dem curieusen Feuerwercke das geringste gesehen, sondern sie hätten alle wohl und sanffte geschlaffen, bis sie von dem Erdbeben, welches sie eben so hefftig als wir empfunden, aufgeweckt worden.

Etwa eine Stunde nach dem Knall der zwey Canonen versammleten sich nach und nach, etliche 100. Menschen beyderley Geschlechts, aus allen Pflantz-Städten, auf dem Platze bey der Kirche und am Fusse der Alberts-Burg, welche alle einstimmig aussagten: daß sie zwar das Erdbeben in eben der Gewalt verspühret hätten, als wir, allein von der Schwärtze am Himmel und dem Feuerwerck wolte niemand nichts wissen, bis endlich diejenigen abgelöseten Wächter kamen, welche in verwichener Nacht auf den höchsten Klippen in ihren Schilderhäusern, bey den Canonen Schildwacht gehalten. Diese wusten wegen der Schwärtze und des Feuerwercks alles so accurat auszusagen, als wir es mit unsern Augen gesehen hatten.

Indem wir nun hiervon mancherley Gespräche unter einander hielten, empfanden wir binnen ohngefähr 3. Minuten, 3. gewaltige Stösse vom Erdbeben und zwar dergestalt hefftig, daß sich auch die Glocken auf dem Kirch-Thurme von selbsten rühreten, und ihren Laut von sich gaben. Die allermeisten unter uns aber, sonderlich die Weiber und Kinder waren aus Schrecken zu Boden gefallen, und blieben also auch auf der Erden liegen. Ich selbst konte mich nicht halten, sondern muste gleich bey dem ersten Stose zu Boden sincken.

Noch etwa eine Stunde hernach empfanden[12] wir abermahls binnen 3. Minuten 3. heftige Stösse, so daß wir befürchteten, es würden alle Gebäude auf der gantzen Insul umgefallen seyn, allein GOtt hatte dieses Unglück gnädig verhütet, wie ich in meiner fernern Erzählung melden werde.

In solchem Zustande, nemlich auf der Erden liegend, brachten wir noch eine gute Zeitlang zu, binnen welcher Zeit sich nicht allein der Regent, sondern, wie ich sicher glaube, fast alle übrigen Einwohner der Insul, vom gröster bis zum kleinesten, bey uns als dem grössesten Hauffen, versammleten, als zu welchem sich auch die drey Herren Geistlichen verfügten.

Endlich wurde der Himmel nach und nach helle und klar, und dergestallt mit himmelblauer Farbe bemahlt, daß sich unsere erschrockenen Hertzen einiger maassen zu erhohlen schienen; mit der aufsteigenden Sönne aber begunte auch unsere Großmuth nach und nach aufzusteigen, zumahlen, da wir nichts weiter von einiger Erd-Erschütterung verspüreten. Die Seiger-Glocke ließ 9. hellklingende Schläge von sich hören, worüber wir uns ungemein erfreueten, da wir vorhero in Furchten gestanden, es würde die Uhr gäntzlich ruinirt seyn. Demnach stund unser Regent, Albertus II. welcher in Wahrheit ein würdiger Nachfolger seines sel. Vaters, Alberti I. ist, so wohl in dem, was die Gottesfurcht, als auch die politische Klugheit und andere Tugenden anbetrifft, von der Erden auf. Es that aber derselbe an uns alle, die wir um ihn wie die Schaafe herum lagen, ex tempore folgende Rede:


Meine Kinder, Brüder und Freunde!

[13] Es haben zwar von euch nur einige gesehen und gehöret, was vor besondere grosse Wunder-Zeichen in vergangener Nacht geschehen; Alle aber haben wir empfunden, was uns der Allmächtige GOtt im Himmel, durch das erstaunliche Erdbeben, vor ein grausames Schrecken eingejagt, dergleichen Erdbeben wohl, so lange die Welt gestanden, auf dieser Insul nicht geschehen seyn mag.

Mein in GOtt ruhender Vater hat mir, da ich sein ältester Sohn bin, sehr viele mal erzählet, daß er Zeit seines Aufenthalts auf dieser Insul zu verschiedenen mahlen Erderschütterungen verspüret, welche aber doch leidlich gewesen, und ich selbst, habe seit den Jahren meiner Jugend bis hierher verschiedene Erdbeben mit vielen Schrecken, Furcht und Erstaunen bemerckt; jedoch ein solches, wie es sich in verwichener Nacht empfinden lassen, noch niemahls. Es kan seyn, daß der Allmächtige GOtt diese Insul zerreissen, und in die Tieffe des Meeres versencken, mithin uns alle verderben will, und zwar um unserer Sünden willen. Wolten wir gleich sagen, wir thun wenig oder keine Sünde, 1) Wir fürchten und lieben GOtt. 2) Wir fluchen und lästern nicht so, wie man wohl höret, daß es bey andern Nationen eine gemeine Mode ist. 3) Wir heiligen den Feyertag, besuchen auch auser dem fleißig die Kirche, und gehen ordentlich zum heil. Abendmahle. 4) Wir lieben, fürchten und gehorsamen unsern Vorgesetzten, Lehrern und Eltern. 5) Man hat noch nie erhört,[14] daß auf unserer Insul eins das andere boßhaffter Weise beschädigt, verwundet oder wohl gar todt geschlagen hätte. 6) Auch ist noch nie erhört, daß unter uns, die wir alle eines Geblüts und Geschlechts sind, Unkeuschheit wäre verspüret worden. 7) Wer kan auftreten und sagen, daß diesem oder jenem etwas, auch so gar das geringste, heimlicher Weise gestohlen und entwendet worden? 8) Von Lügen, Verrathen und Affterreden gegen einander wissen wir nichts, weil wir keine Ursache darzu haben, und uns bis auf den Tod ins Hertze hinein schämen müsten, wenn, da die Lügen an Tag kämen, wir wie Butter an der Sonne bestünden. 9) Keiner unter uns begehret seines Nächsten Hauß, Gut noch Erbe, oder sucht selbiges unter diesem oder jenem Scheine an sich zu ziehen und zu bringen, weilen ein jeder unter uns so beqvemlich lebt, als er nur immer zu leben wünschen kan, und wenn ja etwa dieses oder jenes zu Verbesserung seiner Beqvemlichkeit ermangeln solte, so sind mehr als 100. Hände und Füsse da, die ihm, ohne Belohnung zu fordern, zu Diensten stehen. 10) So hat man auch bis auf diese Stunde kein eintziges Exempel, daß das zehende Gebot GOttes, so wie es in Lutheri Catechismo ausgelegt ist, von jemanden übertreten worden; denn wir haben ja nicht die geringste Ursache darzu, weilen sich ein jeder nach seinem Appetite wohl berathen, zu dem, wenn wir auch die heil. Schrifft bey Seite legten, so könten wir doch so gut, als die blinden Heyden, die von GOtt nichts wissen, wohl erkennen, daß[15] dieses unter einer menschlichen Gesellschafft ein schändliches Laster sey. Da zumahlen unsre Herrn Geistlichen uns, den, den Heyden unbekannten GOtt, nach ihrer menschlichen Möglichkeit und durch die Krafft des heil. Geistes erleuchtete Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit von einer Zeit zur andern bekannter machen, auch den Rath GOttes wegen unserer Seligkeit wöchentlich nicht einmahl, sondern etliche mahl vortragen.

Meine Kinder, Brüder und Freunde! was ich itzo gesagt habe, das habe ich allen auf dieser Insul lebenden menschlichen Creaturen gesagt. Ich habe nicht bloß aus meinem, sondern aus eurer aller Munde geredet, führe euch aber dieses zu Gemüthe, daß, wenn wir in Betracht des obgemeldeten sagen wolten: Wir hätten keine Sünde, so verführeten wir uns selbst, und die Wahrheit wäre nicht in uns. Denn alles dieses obgemeldte ist wohl gut und aller Ehren werth, aber, aber! alles dieses ist doch auch noch lange nicht hinlänglich, die Seligkeit zu erwerben, sondern es gehöret noch ein weit mehreres darzu, welches unsere Seelsorger besser und deutlicher, als ich Ungelehrter, mit meiner schwachen Zunge vortragen können. Unterdessen, da ich vor wenig Nächten, wie ich festiglich glaube, und dessen in meinem Hertzen versichert bin, einen göttlichen Traum gehabt, den ich bey nächster Gelegenheit offenbahren, und unsere Herrn Geistlichen und andere Gelehrte und kluge Leute darüber will urtheilen lassen, so hoffe, es soll vor dißmahl weiter keine Noth mit uns haben; Derowegen habt guten Muth, und lasset uns[16] beysammen bleiben, bis die Glocke 12. geschlagen hat. Wer mit Speise und Tranck nicht versorgt ist, kan in mein Hauß gehen, allwo vor uns alle gnugsamer Vorrath vorhanden ist, und sich sättigen, auch den Seinigen zur Nothdurfft, so viel er tragen kan, mit herunter bringen. Wir werden nicht sterben, sondern leben, und des HERRN Werck verkündigen, und nach überstandener Furcht und Schrecken unsern GOtt zu loben und zu preisen die gröste Ursache haben. Ich weiß es aus gewissen Umständen gantz gewiß, denn ich bin nicht allein als euer aller Vater, sondern auch als euer Prophet zu betrachten. Gebt Achtung! es wird binnen jetzo und etwa einer Viertels-Stunde sich eine gantz gelinde Erd-Erschütterung spüren lassen, aber dieserhalb erschrecket und fürchtet euch nicht, sondern heiliget GOtt den HErrn in euren Hertzen. Ist dieses vorbey, so werden wir Ruhe haben. Sagt mir, was wollen wir anders anfangen? Hätten wir auch Flügel wie Tauben und Flügel der Morgenröthe, daß wir flöhen und zusähen, wo wir etwa blieben? Ja hätten wir auch 100. Seegel-fertige Schiffe, worauf wir uns mit unsern besten Sachen einzuschiffen, und einen andern Ort unsers Aufenthalts suchen wolten? Was will das helffen? Der Hand des Allmächtigen können wir nicht entrinnen, wenn sie uns, wie ich doch nicht hoffe, verderben will. Also ist es besser, wir bleiben hier beysammen, und warten mit christlicher Geduld und Gelassenheit ab das, was der Himmel fernerweit über uns verhängt[17] hat. Unterdessen seyd so gut, und stimmet mit mir das Lied an: Wo soll ich fliehen hin etc.

Nachdem der Regent und wir alle dieses Lied mit gröster Hertzens-Andacht kaum ausgesungen, verspüreten wir eine kleine Erd-Erschütterung, die doch allen denen, die auf der Erden lagen, nicht anders vorkam, als ob sie gewieget würden. Es währete dieselbe kaum 5. bis 6. Minuten, worauf alles stille war.

Nach diesem stund Albertus wieder auf, und redete mit heroischen Geiste und Munde folgendes: Nun getrost und unverzagt, meine Lieben! Der Geist des HErrn sagt es mir, daß nunmehro alles vorbey sey, solte GOtt aber dennoch ein Straf-Gericht über uns beschlossen haben; wohlan so lasset uns lieber in die Hände des HErrn fallen, als in die Hände der Menschen. (Worauf er mit diesen Worten zielete, will ich weiter unten melden.) Hierauf stimmete er seines Vaters auserlesenes Hertzens-Lied an: Es woll uns GOtt genädig seyn etc.

Nachdem wir dieses insgesammt ausgesungen, fieng die Sonne am blau-gewölckten Himmel dergestalt zu brennen an, daß wir auf dem freyen Platze nicht länger vor Hitze zu bleiben wusten, weßwegen wir uns nach schattigten Oertern umsahen, und sämmtlich nach der Alberts-Raumer Alleè spatzireten. Hierbey bewunderte ich, daß unter so vielen 100. Personen kein eintziges weder Hunger noch Durst klagte, vielweniger sich bemühen wolte nach der Alberts-Burg zu gehen, und Speise und Tranck zu holen.[18]

Wie wir uns nun in besagter Alberts-Raumer Alleè auf beyden Seiten rangirt und gelagert hatten, trat Herr Mag. Schmelzer Sen. den ich wohl mit Recht unsern Bischoff nennen kan, auf einen etwas erhabenen kleinen Hügel, breitete seine Hände aus gen Himmel, und intonirte mit seiner penetranten Bass-Stimme diese Worte:


HErr, hilff uns, sonst versincken und verderben wir!


Hierauf antwortete das Chor der musicalischen Vocalisten, welchem es schon unterwegs vorgesagt war, also:


Da die Elenden rieffen, hörete der HErr, und half ihnen aus allen ihren Nöthen.


Auf dieses intonirte Herr Mag. Schmeltzer wieder diese Worte:


GOTT spricht: Ich bin der HERR dein GOtt, wandele für mich und sey fromm: Ruffe mich an in der Zeit der Noth, so will ich dich erretten, und du solt mich preisen.


Die Antwort des Chori Musici war diese:


Verlaß mich nicht, HErr, mein GOtt! sey nicht ferne von mir. Eile mir beyzustehen, HErr, meine Hülffe!


Hernach zog Hr. Mag. Schmeltzer seine Hand-Bibel hervor, welche er, wie ich bemerckt, beständig in seiner rechten Rock-Tasche bey sich führete, schlug dieselbe auf, und laß uns den 85. Psalm vor. Er hat mich nach der Zeit theuer versichert, daß er sich ein gantz ander Dictum aus dem Buche[19] der Weißheit erwählet gehabt, dasselbe zu erklären, und uns daraus zu trösten, allein, da er im ersten Aufschlage den 85. Psalm erblickt, habe er diesen zum Grunde seiner Rede genommen, weil ihm derselbe sehr omineus vorgekommen wäre.

Viele, so diese meine Geschichts-Beschreibung lesen, möchten vielleicht zu commode seyn, etwa die Bibel erstlich herbey bringen zu lassen, derowegen will sie dieser Mühe überheben, und den gantzen Psalm der Kinder Korah, welcher unter den Davidischen der 85ste ist, so gleich mit hersetzen, es lautet derselbe also:


HErr, der du bist vormahls gnädig gewesen deinem Lande, und hast die Gefangenen Jacob erlöset.

Der du die Missethat vormahls vergeben hast alle deinem Volcke, und alle ihre Sünde bedeckt, Sela!

Der du vormahls hast allen deinen Zorn aufgehaben, und dich gewendet von dem Grimme deines Zorns.

Tröste uns, GOtt, unser Heyland, und laß ab von deiner Ungnade über uns.

Wilt du denn ewiglich zürnen über uns, und deinen Zorn gehen lassen immer für und für?

Wilt du uns denn nicht wieder erqvicken, daß sich dein Volck über dir freuen möge?

HErr, erzeige uns deine Gnade, und hilff uns!

Ach! daß ich hören solte, daß GOtt der HErr redete, daß er Friede zusagte seinem[20] Volcke, und seinen Heiligen, auf daß sie nicht auf eine Thorheit gerathen.

Doch ist ja seine Hülffe nahe denen, die ihn fürchten, daß in unserm Lande Ehre wohne.

Daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.

Daß Treue auf der Erden wachse, und Gerechtigkeit vom Himmel schaue.

Daß uns auch der HErr Gutes thue, damit unser Land sein Gewächs gebe.

Daß Gerechtigkeit dennoch für ihm bleibe, und im Schwange gehe.


Nach Ablesung dieses Psalms, machte Hr. Mag. Schmeltzer eine weitläufftige Erzählung, der uns und unsern Vorfahren, vornehmlich auf dieser schönen fruchtbaren Insul, gantz besonders erwiesenen Gnade GOttes, ermahnete uns anbey, daß wir uns derselben Erinnerung niemahls solten aus dem Hertzen kommen lassen, auch beständig unser Vertrauen auf den allmächtigen, barmhertzigen Vater im Himmel setzen, als worzu uns die bisherigen Begebenheiten gantz besonders erweckten. Ferner, (sagte er:) daß GOtt, wie er vestiglich glaubte, laut des verlesenen Psalms seinen Gläubigen mit seiner Hülffe nahe sey, und uns also vor dißmahl noch nicht werde verderben lassen. Unterrichtete zuletzt, daß des Landes Wohlstand, der in Gottesfurcht und in Fruchtbarkeit der Erden bestünde, auch in fleißigen Vollbringen dessen, was einem jeden nach seinem Stande und Beruffe zukäme, als worein sich ein jeder[21] nächst GOtt, gutwilliger Weise selbst gesetzt, sonderlich wenn Liebe, Friede und Gerechtigkeit bey einander wohneten, gab darbey zu vernehmen, daß 1000. und mehr grosse und kleine Erd-Theile auf dieser Welt wären, worinnen die Einwohner die besondern Gnaden-Gaben GOttes nicht sattsam erkennen wolten. Letzlich überführete er uns, so zu sagen, daß wir Felsenburger vor 1000. andern die glückseligste und vergnügteste Gesellschafft wären, mithin uns auch vor allen andern Menschen distinguiren müsten, um dem Allmächtigen immer gefälliger zu werden, damit er uns nicht zerstreue oder gäntzlich verderbe, dieses aber könte nicht anders geschehen, als durch ein wahres Christenthum.

Nach vollendeten Sermon, stimmete er die Lieder an:


O Ewigkeit, du Donner-Wort etc.

Ich armer Mensch, ich armer Sünder etc.

Nimm von uns, HErr, du treuer GOtt etc.

CHriste, du Lamm GOttes etc.


Als Herr Mag. Schmeltzer noch ein kurtzes Gebet aus dem Hertzen gethan, sunge er folgende Worte ab:


Sey nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der HErr thut dir Guts.


Des musicalischen Chori Antwort erschallete also:


Lobe den HErrn, meine Seele! Ich will den HErrn loben, so lange ich lebe, und meinem GOtt lobsingen, so lange ich hie bin, Amen!
[22]

Zu diesen heiligen Gedancken veranlassete unsern lieben Hn. M. Schmeltzern, wie ich glaubte, der kleine Sprüh- und so genannte Sonnen-Regen, denn ohngeachtet die Sonne noch in völliger Glut stunde, und uns ihre Strahlen fast gedoppelt zuschickte, so bedünckte es uns doch, als ob uns ein angenehmer Thau erqvickte, derowegen giengen sehr viele von unserer Gesellschaft ausserhalb, und liessen sich muthwilliger Weise Pfütze-naß beregnen. Die kühlen Lüfftgen erquickten uns, der hefftig brennenden Sonne, wie es das Ansehen hatte, zum Trotze, unterdessen kam doch dem Regenten, welcher noch nüchtern war, eine kleine Schwachheit an; Er bekannte solches selbst, sagte aber, daß ihm nicht sein eigener Hunger noch Durst plagete, sondern ihm nur des Volcks jammerte, vornemlich der unmündigen Kinder, welche ihm sehr nahe giengen.

Derowegen gaben sich sogleich 50. der stärcksten Männer und auch gleich 50. der stärcksten Weiber an, welche Erlaubnis bathen, auf die Alberts-Burg zu gehen, und Proviant zu holen. Es wurde ihnen mit gröstem Vergnügen erlaubt, und sie kamen fast ehe man es sich vermuthen können, starck beladen wieder, indem sie Brod, Butter, Käse, geräucherte grosse Fische, Schincken, Würste, Wein, Bier, Milch und dergleichen, in Körben, Säcken, und auf Hand-Tragen herbey brachten. Ausser diesen hatten sich viele Einwohner aus den nächst gelegenen Pflantz-Städten mit gröster Geschwindigkeit auf den Marsch begeben, und aus ihren Häusern die besten Victualien geholet, welche[23] sie herbey brachten; also war eine erstaunliche Menge an Speise und allerley Geträncke vorhanden, so daß wir alle, die wir beysammen theils auf der Erde lagen, theils sassen, viele Tage davon hätten leben können.

Die Aeltesten und Geschicktesten unter uns, machten sich ein Vergnügen daraus, die Lebens-Mittel hie und da unter das Volck auszutheilen. Nach gehaltener Mahlzeit schien die liebe Sonne dergestalt erqvickend und erwärmend, daß viele Appetit bekamen, unter den schattigen Bäumen eine liebliche und angenehme Mittags-Ruhe zu halten.

Da sich aber der Tag zu neigen begunte, und die Sonne vor dißmahl sich im Meer zu verbergen eilete, ließ der Regent allen und jeden Familien melden; wie er gerne sähe, wenn sich ein jedes unter sein Dach verfügte, weilen doch weiter hoffentlich nichts erschreckendes zu befürchten wäre; Allein, es wolte keine lebendige Seele vom Platze weichen, sondern sie bathen sich fast einstimmig aus, daß ihnen noch eine Beth-Stunde gehalten, und der Abend-Seegen von dem Priestern möchte gegeben werden, worauf sie vor dißmahl ihre Nacht-Ruhe unter freyen Himmel halten wolten.

Der Regent und wir alle hatten unsere Freude über diese Resolution des Volcks, der erstere aber befahl, daß etliche starcke Männer 300 Pech- und 150 Wachs-Fackeln von der Burg holen solten, welchem Befehle denn so gleich gehorsamet wurde, und die Männer kamen fast eher mit[24] den Fackeln von der Burg zurücke, als die Dämmerung anbrach, also wurden auf beyden Seiten der Alleè in gewisser Weite von einander Pech-Fackeln gepflantzt, um den Regenten, graue Häupter und übrige Personen von Distinction, die wir alle in einem ovalen Creyse sassen, brannten Wachs-Fackeln. So bald dieselben angezündet waren, trat Hr. M. Schmeltzer Jun. auf, und sunge folgende Worte ab: Psalm 40.


HErr, mein GOtt! wie groß sind deine Wunder, und deine Gedancken, die du an uns beweisest, dir ist nichts gleich. Ich will sie verkündigen, und davon sagen, wiewohl sie nicht zu zählen sind.


Hierauf antworteten die musicalischen Vocalisten: Ps.40, v. 14.


Laß dirs gefallen, HErr, daß du mich errettest, eile, HErr, mir zu helffen.


Nach diesem wurde der Choral gesungen:


Wär GOtt nicht mit uns diese Zeit etc.


Und Hr. M. Schmeltzer verlaß aus seiner Hand-Bibel, aus dem 6. Cap. des Propheten Jesaiä folgende Verse:


Und ich hörete die Stimme des HErrn, daß er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bothe seyn? Ich aber sprach: Hie bin ich, sende mich. Und er sprach: Gehe hin, und sprich zu diesem Volcke: Hörets, und verstehets nicht, sehets, und merckets nicht. Verstocke das Hertz dieses Volcks, und laß ihre Ohren dicke seyn, und blende ihre Augen, daß sie nicht sehen mit ihren[25] Augen, noch hören mit ihren Ohren, noch verstehen mit ihren Hertzen, und sich bekehren. Ich aber sprach: HErr, wie lange? Er sprach: bis daß die Städte wüste werden, ihre Einwohner und Häuser ohne Leute, und das Feld gantz wüste liege. Denn der HErr wird die Leute ferne wegthun, daß das Land sehr verlassen wird. Doch soll noch das zehende Theil darinnen übrig bleiben, denn es wird weggeführet und verheeret werden, wie eine Eiche und Linde, welche den Stamm haben, obwohl die Blätter abgestossen werden. Ein heiliger Saame wird solcher Stamm seyn.


Ich muß bey dieser Gelegenheit melden, daß Hr. M. Schmeltzer Jun. im Lehren und Predigen weit eifferiger und hitziger ist, als sein Hr. Bruder, und Hr. Herrmann, welche letztern beyde alles mit Sanfftmuth, Leutseligkeit und Gelassenheit vortragen. Jener aber pocht und dringet gemeiniglich mit Gewalt und durchaus auf wahre Busse und Glauben an Christum. Er straffet auch die allergeringsten Fehler und Verbrechen, die unter uns vorgehen, aufs allerschärffste, inmittelst kan man nicht müde werden ihm zu zuhören, weilen er mit seiner etwas lispelnden Zunge 100. Worte vor eines vorzubringen weiß.

Vor dieses mahl stellete er uns mit Centner schweren Worten vor: Ein unbußfertiges, und den Christen höchst schädliches Leben, als worauf endlich dem Texte nach die gäntzliche Verstockung und Verstossung durch das gerechte[26] Gerichte GOttes erfolgte. Dieses that er anfänglich mit gröstem Eiffer, hernach aber gab er mit mehrerer Sanfftmuth und Leutseligkeit zu vernehmen: wie GOtt der HErr dennoch immer unter denen bösen und unartigen Welt-Kindern seine Heiligen und Auserwählten hätte, führete dabey nicht nur verschiedene Exempel aus der Heil. Schrifft, sondern auch aus der Ecclesiastischen und Politischen Historie, nachheriger Zeiten an, beschloß endlich seinen Sermon mit diesen Worten: daß, wo wir nicht erleben wolten, daß es uns eben so, wie den unartigen Kindern Israel und Juda ergehen solte, wir in beständiger Büßfertigkeit leben müsten, als welches allein das beste Mittel sey, dem erzürnten, gerechten GOtte in die Arme zu fallen, und die Straf-Ruthe aus seiner Hand zu winden etc.

Hierauf that er ein andächtig Gebeth aus dem Hertzen, und stimmete den Choral an:


GOtt, man lobt dich in der Stille etc.


und nachdem noch einige Abend-Lieder gesungen waren, legte sich ein jeder, so wie er in seiner Kleidung war, im Grase zur Ruhe. Der Regent aber, die grauen Häupter, die Herrn Geistlichen, und andere mehr, welche das Regiments-Ruder mit führen halffen, blieben noch munter und berathschlagten: ob es nicht löblich, christlich und billig wäre, wenn wir, da doch nunmehro aller Sturm und Schrecken vorbey, gleich morgendes Tages ein solennes Danck-Fest in unserem GOttes-Hause anstelleten; Allein, ein und anderer Ursachen wegen wurde beliebt, dieses solenne[27] Danck-Fest bis auf nächst-künfftigen Sonntag zu verschieben.

Früh Morgens, so bald die hellgläntzende Sonne unsern Horizont bestrahlete, liessen sich etwas von ferne 2. Trompeter mit ihren Trompeten hören, welche alle 7. Verse des Chorals: Aus meines Hertzens-Grunde etc. ausbliesen, und damit Groß und Klein aus dem Schlaffe erweckten. Wie nun alles munter und wach war, trat Hr. Herrmann auf, und intonirte folgendes:


Israel, hoffe auf den HErrn, denn bey dem HErrn ist die Gnade und viel Erlösung bey ihm.


Hierauf antwortete das musicalische Chor:


Und er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.


Nachdem das Morgen-Gebeth von Hn. Herrmann vorgesprochen worden, wurde das Lied gesungen:


Aus meines Hertzens-Grunde etc.


Sodann hielt er einen ungemein erbaulichen Sermon über den 125. Psalm, welcher also lautet:


Die auf den HErrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben, wie der Berg Zion.

Um Jerusalem her sind Berge, und der HErr ist um sein Volck her, von nun an bis in Ewigkeit.


Er applicirte diesen Psalm auf eine ungemein tröstliche, liebreiche und lebhaffte Art, auf unsere Gegend und Umstände, wuste dabey zu sagen: wie GOtt seine Gläubigen in ihrer Hoffnung[28] nicht fallen liesse, oder zugäbe, daß sie darinnen betrogen würden, sondern ohngeachtet aller gefährlichen Umstände und Irrwege sie dennoch endlich erlangten, was sie geglaubt, und im Vertrauen auf ihn gehoffet hätten.

Nach vollendetem GOttesdienste wurde dem sämmtl. Volcke beym Frühstück angedeutet, daß sie alle vom Grösten bis zum Kleinesten, auf den nächstkünfftigen Sonntag, so bald der dritte Canonen-Schuß von der Burg geschehen, sich in unserm GOttes-Hause einfinden möchten, weilen ein solennes Danck-Fest solte gehalten werden; Vorjetzo aber könte ein jedes, ohne Furcht und Zaghafftigkeit, sondern in guter Zuversicht, Hoffnung und Vertrauen auf GOtt, seine Wohnung suchen, und die gewöhnliche Arbeit nach Vermögen verrichten, weilen allem Ansehen nach, keine fernere Gefahr mehr zu besorgen wäre etc.

Also sahe man nach Verlauf einer Stunde, wie sich das Volck aus einander und in verschiedene Hauffen oder Corps zertheilete, die nach ihren Pflantz-Städten und Wohnungen zu spatzireten. Den Regenten convoyirten wir übrigen auf seine Burg, und liessen ihn daselbst in Gesellschafft der grauen Häupter und der Hrn. Geistlichen. Unserer einige aber, die am curieusesten waren zu besichtigen, was doch wohl durch das Erdbeben auf der gantzen Insul vor Schaden verursacht worden, beredeten uns unter einander, daß eine Parthie Rechts, die andere aber Lincks um die Burg patrouilliren, die Pflantz-Städte visitiren, und alles aufs genaueste anmercken solte,[29] am dritten Tage wolten wir insgesammt einander auf der Alberts-Burg wieder antreffen.

Dieses wurde vollbracht, und am dritten Tage rapportirten wir dem Regenten, grauen Häuptern, Priestern und andern versammleten guten Freunden dieses:


1) Daß nicht einmahl ein Hüner-Stall, geschweige denn ein Hauß oder Scheure auf der gantzen Insul sonderlich beschädigt, vielweniger gestürtzt worden. Doch wäre überall an denen Fenstern ein grosser Schade geschehen, indem die meisten Scheiben zersplittert wären, auch mancher fast gar kein gantz Fenster mehr im Hause hätte.

2) Hergegen wäre es ein rechtes Wunderwerck zu nennen: daß in der Glaß-Hütte und in dem Glaß-Magazin, als worinnen ein gewaltiger Vorrath von allerhand Sorten Gläsern, Glaß-Taffeln und Scheiben befindlich, nicht ein eintziger Splitter oder Scherbel zu finden, sondern alles noch gantz und unversehrt. Der Factor und andere Glaß-Leute hätten gemeldet, daß wir allzusammen auf der gantzen Insul das Erdbeben nicht hefftiger könten empfunden haben, als sie es empfunden; wäre also diese Erhaltung des Glases vor ein rechtes Wunder zu achten.

3) Aber unsere guten ehrlichen Töpffer wolten sich fast nicht trösten lassen, da sie von ihrem ansehnlichen Vorrathe von allerley Sorten Töpffer-Geschirre, kaum den 4ten Theil, wohl aber Scherbel genug aufzuweisen hätten; über dieses so wären die Eingänge zu den Thon-Gruben verfallen[30] und eingestürtzt, jedoch versicherten sie, uns vom annoch vorräthigen Thone, Töpffe, Schüsseln und dergleichen wohl noch auf ein halb Jahr lang zu verschaffen, da man denn mittlerweile, wenn sie nur Gehülffen bekämen, die Thon-Gruben wieder aufräumen könte.

4) Diejenigen, so am nächsten an der grossen See wohnen, hätten referirt, daß schon Tages vorhero, ehe sie das Erdbeben verspüret, sie in der Mittags-Stunde gewahr worden, daß eine grosse Menge der schönsten und vortrefflichsten Fische von allerhand Gattung, deren etliche über 6. 8. und noch mehr Pfund gewogen, abgestanden, und die Bäuche auf dem Wasser in die Höhe gekehret. Etliche der besten, an welchen sie noch einiges Leben verspüret, hätten sie geschlachtet und gegessen, die übrigen aber, (so viel sie mit ihren Hamen fangen können) weilen ihnen die Sache bedencklich vorgekommen, und sich fast ein Eckel bey ihnen erregen wollen, in den Fluß geworffen, weilen sie befürchtet, es möchten etwa auf den Eckel Kranckheiten erfolgen.

5) Zu bewundern wäre, daß auf dem GOttes-Acker nicht ein eintziger Leichen-Stein umgefallen, auch an den Pyramiden nicht das geringste beschädigt, doch an der Nord-Seite wäre ein Stück Mauer, ohngefehr 4. oder 5. Ruthen lang, eingeschossen.

6) In unserer Kirche fänden sich 19. Orgel-Pfeiffen, theils auf dem Orgel-Chor liegend, theils aber waren bis herunter aufs Pflaster gefallen, sonsten aber wäre in der Kirche nichts beschädiget,[31] ausgenommen, daß die Fenster eine starcke Ausbesserung brauchten.

7) Eben also sähe es auf der Albertus-Burg aus, weilen wenig gantze Fenster darinnen anzutreffen, sonsten aber bemerckte man darinnen keinen besondern Schaden, als in einem unterirrdischen Gewölbe, und oben im Bogen desselben einen starcken Riß, so daß man wohl mit dem Arme hinauf in die Höhe fahren könte, es gieng derselbe oben im Bogen von Norden gegen Süden zu.

8) Ein und andere kleine Schäden, die hie und da in den Pflantz-Städten bemerckt worden, belohneten sich kaum der Mühe, daß man davon redete.

9) Eins wäre noch merckwürdig, daß eins von unsern allergrösten Saltz-Gewölbern oder Gruben eingeschossen wäre, welches uns aber keinen Schaden, sondern vielmehr Vortheil brächte, immassen dadurch die Mühe auf eine Zeitlang erleichtert würde, das Saltz auszuhauen.


Dieses waren also die Haupt-Stücke unseres Rapports, worauf sich ein jeder bey dem Regenten und grauen Häuptern beuhrlaubte, und seine ordentliche Wohnung suchte, allwo wir insgesammt in ungestöhrter Ruhe blieben, und ein jeder das seinige verrichtete.

Nächstfolgenden Sonntag, etwa eine Stunde nach Aufgang der Sonnen, lösete ich binnen drey viertel Stunden 3. Canonen, eine nach der andern. Hierauf begaben sich unsere Hn. Musici auf dem Thurm, und sungen unter Trompetenund[32] Paucken-Schall den Choral ab: Nun lob, mein Seel, den Herren etc.

Es war von der Alberts-Burg herunter ungemein charmant anzusehen, wie die Felsenburgischen Einwohner, alt und jung, von allen Seiten daher gezogen kamen wie die Bienen. Da man nun bemerkte, daß die allermeisten schon zur Stelle waren, wurde mit allen Glocken geläutet. (Hierbey muß melden, daß wir gleich nach der Abreise des Capitains Horn, eine vortrefflich grosse und schöne Glocke gegossen, welcher das Glück ohne unsere Kunst und Geschicklichkeit und über unser Vermuthen den tieffsten Ton C. inspirirt, und zwar dergestalt wohlklingend, daß ein jeder seine Freude daran haben muste, sie wurde nicht alle Sonntage, sondern nur alle hohe Fest-Tage geläutet, jedoch wurden ein und alle Tage, und zwar früh Morgens um 6, Mittags um 12, und wieder Abends um 6. Uhr, jedes mahl drey Schläge, zur Ermunterung zum Gebeth, von derselben gehöret.)

So bald unser Regent in seinem Trage-Sessel herunter gebracht worden, und seine gewöhnliche Stelle in Besitz genommen hatte, wurde erstlich gesungen: Komm, heiliger Geist etc.

Hernach trat Hr. M. Schmeltzer vor den Altar, und verrichtete die Kirchen-Ceremonien, wie sonsten gebräuchlich. An statt der Epistel verlaß er das 41. Cap. des Propheten Jesaiä, und an statt des ordentlichen Sonntags-Evangelii den 107. Psalm, als welcher auch vor dißmahl der Text zur Predigt war. Vor der Predigt [33] musicirten unsere Herrn Musici folgende


CANTATA.

Aria.

Bebet nicht mehr, Felß und Erde,

Denn der Himmel ist uns hold,

Schaut der Sonnen schönstes Gold!

GOtt erbarmt sich seiner Heerde:

Denn sie will nun Busse thun,

Demnach laßt uns sanffte ruhn.

Bebet nicht mehr, Felß und Erde,

Denn der Himmel ist uns hold.


Recitativ.

GOtt Lob! daß wir nach überstandnen Schrecken

Diß unser GOttes-Hauß mit Freuden wieder sehn.

GOtt hat bißhero scharf gedroht;

Warum? wir haben sein Geboth

So vielmahl übertreten.

Ach! last uns Busse thun,

Und nicht im Sünden-Schlaffe ruhn;

Ein jeder lasse sich erwecken,

Aus Hertzens-Grund'

Mit Zung' und Mund

Zu singen und zu beten.


Dictum. Ps. 94, v. 18.


Ich sprach: mein Fuß hat gestrauchelt, aber deine Gnade, HErr, erhielt mich. Ich hatte viel Bekümmernis in meinem Hertzen, aber deine Tröstungen ergötzten meine Seele.


Choral.

[34] Darum auf GOtt will hoffen ich,

Auf mein Verdienst nicht bauen.

Auf ihn mein Hertz soll lassen sich

Und seiner Güte trauen,

Die mir zusagt sein werthes Wort,

Das ist mein Trost und treuer Hort,

Deß will ich allzeit harren.


Recitativ.

GOtt! wenn wir gleich von allen Sünden rein,

Auch reiner als der Mond

Von Flecken solten seyn,

So müsten wir doch frey gestehn,

Daß du uns bis auf diesen Tag verschont:

Denn Jung' und Alt

Die fehlen alle mannigfalt.

Doch aus Barmhertzigkeit

Hast du uns nicht gleich nach Verdienst gelohnt,

Vielmehr zu unserm Wohlergehn

Uns durch die Finger offt gesehn.

Bleib ferner unser GOtt,

Du starcker Zebaoth,

So hat es mit uns keine Noth.


Aria.

Was können wir vor Opffer bringen

Dir, der du uns erschaffen hast,

Und offt erlöß't aus mancher Last?

Wir dancken, loben, beten, singen,

Gold, Weyrauch, Myrrhen sind zwar da,

Und zwar in grosser Menge,

Doch, deine Kinder wissen ja,

Daß dieses eitele Gepränge[35]

Dir nicht gefällt, die Hertzen eintzig und allein

O Vater! dir die angenehmsten Opffer seyn.


Recitativ.

Nimm unsre Hertzen hin,

Und laß sie bey dir schweben,

Hernach dort in der Seeligkeit

In süssester Zufriedenheit

Aufs neue wieder leben:

Wir sagen dir Lob, Preiß und Danck,

Und singen diesen Lobgesang.


Dictum. Psalm. 96, v. 11.


Himmel freue dich, und Erde sey frölich, das Meer brause, und was drinnen ist. Das Feld sey frölich, und alles was darauf ist, und lasset rühmen alle Bäume im Walde. Für dem HErrn, denn er kömmt zu richten das Erdreich. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit, und die Völcker mit seiner Wahrheit.


Choral.

Unter deinen Schirmen

Bin ich für den Stürmen

Aller Feinde frey.

Laß den Satan wittern,

Laß den Feind erbittern,

Mir steht JEsus bey.

Ob es jetzt gleich kracht und blitzt?

Ob gleich Sünd und Hölle schröcken?

JEsus will mich decken.

Trotz, dem alten Drachen,

Trotz, des Todes-Rachen,

Trotz, der Furcht darzu!

Tobe Welt und springe,[36]

Ich steh hier und singe

In gar sichrer Ruh:

GOttes Macht hält mich in Acht,

Erd und Abgrund muß verstummen,

Ob sie noch so brummen.


Diese ungemein wohl componirte Cantata ergötzte die gantze Gemeine, mich aber delectirte am allermeisten das erste Wort: Bebet, welches der Componist so artig ausgedrückt hatte, daß es unvergleichlich und nicht anders als ein kleines Erdbeben zu betrachten war, denn die bereits reparirte Orgel, die Violons, Fleutes-traverses, Fagotts, und dergleichen Instrumente, machten so ein artiges Beben, daß man sich darüber vergnügen muste, wie denn auch in der ersten Aria zu einigen Zeilen und Worten die Violinen Pizzicato gespielet wurden. Kurtz! es nahm sich diese Cantata ungemein wohl aus.

Zwischen der Predigt, welche Hr. M. Schmeltzer Sen. ablegte, wurde der Choral abgesungen: Ach GOtt! sehr schrecklich ist dein Grimm etc. Nach abgelegter Predigt intonirte Herr Mag. Schmeltzer vor dem Altare das Te Deum laudamus &c. welches unter Trompeten- und Paucken-Schall abgesungen wurde, auch wurden bey den gewöhnlichen Absätzen, jedes mahl 6. auf der Burg stehende Canonen gelöset, die sich auf einmahl hören liessen.

Als der GOttes-Dienst vor dieses mahl in der Kirche vollbracht war, wurde nochmahls mit allen Glocken, 3. Pulse hinter einander her geläutet, worauf sich Trompeten und Paucken vom[37] Thurme herunter lustig hören liessen, und darauf wurden die Melodeyen der Lieder: Nun lob mein Seel den Herren etc. und Es woll uns GOtt genädig seyn etc. mit Zincken und Posaunen abgeblasen.

Alles kribbelte und wibbelte um die Kirche herum von grossen und kleinen menschlichen Creaturen, so daß man seine Lust blos an den Kindern sahe, welche zwar ihre Freude und Lustbarkeit, aber keine Boßheit bezeigten. Mittlerweile, da wir diese Lust hatten, wurde eine Canone abgefeuert, und darauf mit Trompeten und Paucken zur Tafel geruffen. Es wuste ein jeder unter uns schon seinen Platz, entweder auf der Burg bey dem Regenten, oder auf Hr. Wolffgangs grünen Grase-Tafel-Platze, allwo ein jeder Stamm seine besondere Tafel hatte, welche Tafeln nunmehro aber, da sich die Stämme ziemlich vermehret, fast zu klein werden wolten, derowegen musten einige sich bey andern einflicken. Es verfügte sich alles Volck in der schönsten Ordnung dahin, weilen nun schon 3. Tage vorher alle Anstalten zur Speisung und Tränckung des Volcks gemacht waren, so setzten sich nach gesprochenem Tisch-Gebet Jung und Alt nieder, hernach wurden so gleich die Speisen aufgetragen, als nemlich:


1) eine delicate Suppe von Fleisch-Brühe Schild-Kröten Eyern, und dem kostbarsten Gewürtze gemacht.

2) Allerley gekochtes, wildes Flügelwerck mit Reiß und Gewürtz, denn NB. das zahme Europæische Flügelwerck spareten wir dennoch noch immer,[38] ohngeachtet wir damahls schon eine gewaltige Menge von Puter-Hühnern, Hauß-Hühnern, Gänsen, Endten, Tauben, etc. hatten.

3) Gekochtes Hirsch-Fleisch mit Wurtzeln, die dem Geschmacke nach, weit delicater sind, als die Pastinacken- Haber- Petersilien- und Zucker-Wurtzeln in Europa.

4) Allerley Sorten von Fischen, worbey vor diejenigen, welche sie nicht gern bloß aus dem Saltze zu essen beliebten, eine delicate Palm-Sects-Brühe zugleich mit hingesetzt wurde.

5) Wurde auf jede Tafel, nachdem dieselbe starck war, ein am Spiesse gebratenes Rehe, ingleichen eine gantz gebratene wilde Ziege, auch dieser Braten wohl zwey, aufgesetzt, nebst allerhand Sorten von Sallaten und eingemachten sauer und süsser Früchte.

6) Hatten unsere Köche noch ein gehacktes ungemein wohlschmeckendes Fleisch-Gerichte zubereitet, und dieses fand fast noch mehr Liebhaber, als alle vorhergehende Speisen.

7) An statt des Confects kamen gantze Körbe voll von allerhand Arten der edelsten Baum- und Garten-Früchte, wie auch etliche grosse Kuchen, und eine ziemliche Menge kleines Butter- und Schmaltz-Gebackenes.


Bey allen diesen Tractamenten war kein Mangel am Weine, und zwar vom allerbesten, wie er auf der Insul wuchs, noch weit weniger war Mangel am Biere.

Ich hatte meine besondere Freude über das Volck, und war dieserwegen gantz heimlich von[39] des Regenten Tische geschlichen, um diese starcken Heerden nur speisen zu sehen.

Die Herren Geistlichen hatten unter einander verabredet, selbigen Nachmittag keine Kirche zu halten, sondern das Volck einmahl recht mit Appetit speisen zu lassen. Dieses wurde bey allen Tischen dem Volcke verkündiget, jedoch dabey auch: daß Morgen früh etwa eine Stunde nach Aufgang der Sonnen eine Bet-Stunde in der Kirche solte gehalten werden, da sich denn die andächtigen und GOttes Wort liebenden Hertzen, nach ihrem Belieben einfinden könten, so bald das Zeichen durch einen Canonen-Schuß gegeben worden.

Da man merckte, daß sich die Sonne zum Untergange neigen wolte, nahmen nicht allein diejenigen, welche auf der Burg bey dem Regenten gespeiset, sondern auch das gantze Volck Abschied, und sagten Danck vor erwiesene Wohlthat, welches man an aller ihren frölichen Geberden, Bücken und Hände-Klatschen abmercken konte. Indem sich nun die Stämme in ihre Hauffen vertheilet, liessen sich Trompeten, Paucken und andere musicalische Instrumente Wechselsweise hören, worüber sich die Abreisenden ungemein freuen mochten, welches wir daraus schlossen, da sie immer einmahl über das andere die Arme in die Höhe reckten, und mit den Händen klatschten, welches, wie wir so von weiten nach sehen konten, auch die kleinesten Kinder thaten. Ich, der ich meine Lust an der Artollerie habe, wünschte ihnen mit noch 12. Canonen- Schüssen eine glückliche Reise und geruhige Nacht.[40]

Des andern Morgens früh nach gethanen Canonen-Schusse, sahe man das Volck von allen Strassen her schon wieder zusammen kommen, und glaube ich, daß wenige aussen geblieben waren, denn die Kirche war fast voll. Herr Mag. Schmeltzer Jun. ließ etliche Morgen-Lieder singen, betete hernach vor der gantzen Gemeine den Morgen-Seegen, und verlaß hierauf aus dem 1. Cap. des Propheten Hoseä, den 10. und 11. Vers, welche also lauten:


Es wird aber die Zahl der Kinder Israel seyn, wie Sand am Meer, den man weder messen noch zählen kan. Und soll geschehen an den Orte, da man zu ihnen gesagt hat: Ihr seyd nicht mein Volck, wird man zu ihnen sagen: O ihr Kinder des lebendigen GOttes. Denn es werden die Kinder Juda und die Kinder Israel zu Hauffen kommen, und werden sich mit einander an ein Haupt halten, und aus dem Lande herauf ziehen, denn der Tag Israel wird ein grosser Tag seyn.


Als er nun über diese Worte eine ungemein erbauliche und trostreiche Rede gehalten, wurden noch einige Berufs-Lieder gesungen, worauf er den Seegen sprach, und zum Schlusse das Lied singen ließ:


Wunderlich ist GOttes Schicken etc.


Nach geendigtem Gottes-Dienste zogen unsere lieben Leutchen alle Heerden-weiß wieder fort, ein jedes nach seiner Pflantz-Stadt, suchte seine Wohnung, und machte sich an die Arbeit, erstlich[41] dasjenige auszubessern, was ihm etwa durch das Erdbeben beschädiget war, wieder herzustellen, und hernach an die Feld-oder andere Beruffs-Arbeit. Wir andere verfügten uns gleichfalls in unsere Häuser, und nahmen die Schul-Arbeit, auch was ein jeder sonsten sich und der gantzen Gemeine zum Nutzen vornehmen konte, aufs neue vor die Hand. Es war um wenig Wochen zu thun, so fand man alles, und so gar die eingefallene Mauer am GOttes-Acker, wieder vollenkommen reparirt.

Endlich kam der Tag heran, der uns Insulaner alle miteinander von Hertzen frölich machte, es war nemlich der- da wir früh Morgens um 4. Uhr 3. Canonen lösen höreten, und zwar unsers Bedünckens auf der See gegen Norden zu, nach accuraten Verlauf einer halben Stunde höreten wir wieder 3. und endlich nochmahls nach Verlauf einer halben Stunde, abermahls 6. Canonen-Schüsse, dieses war die Losung, so wir mit dem Capitain Horn verabredet hatten, und dieses wusten alle Schildwachten, derowegen feuerten die Schildwächter, so auf der Davids-Räumer Höhe stunden, 2. Canonen ab, worauf Capitain Horn, gleich nach einander, und zwar kaum binnen einer halben Minute 12 Canonen lösen, und so bald als wieder geladen war, die gantze Ladung geben ließ. Dieses war das Haupt-Signal, derowegen wurde ihm aus allen unsern Stücken, die so wohl auf den Höhen, als auf der Alberts-Burg stunden, kurtz nach einander, zu 3. mahlen geantwortet. Ich war viel zu ungeduldig abzuwarten, um zu hören, ob denn der Capitain Horn würcklich da wäre; derowegen [42] encouragirte nicht nur Mons. von Blac, sondern noch verschiedene andere, mit mir auf die Davids-Raumer Felsen-Spitze zu gehen. Sie thaten solches mit Plaisier, und wir nahmen unsere allergrösten und grossen Perspective mit, durch welche wir mit grösten Vergnügen 2. Schiffe in See, etwa einen Canonen-Schuß weit, von einander liegen, und unsere Flaggen so schöne darauf weddeln sahen, daß man dieselben, ohngeachtet der Weite, dennoch wohl hätte abmahlen können, denn beyde Schiffe lagen wenigstens noch 3. Meilen hinter den Sand-Bäncken.

Da wir nun bemerkten, daß alles richtig wäre, thaten wir von der Insul alle Minuten von einander 2. Canonen-Schüsse von der Davids-Raumer Höhe, welche der Capitain Horn allezeit accurat beantwortete. Mir aber wurde jedennoch die Zeit viel zu lang, dieses abzulauren, derowegen ließ im Canale das Wasser schützen und bemühete mich um gute Freunde, und Freywillige, die mit mir hinunter stiegen, und die 3. Boote besetzen solten. Denn NB. wir hatten ausser dem alten Boote, nur vor weniger Zeit 2. vortrefflich starcke neue Boote verfertiget, in welchen es sich mit Lust fahren ließ, womit wir denn unsern Freunden entgegen rudern wolten. Ey! was bekam ich nicht vor Zulauff? weit ärger, als ein auf Werbung liegender Officier, allein wir theileten uns dergestalt ein, daß in jedes Boot nur 20. Personen zu sitzen kamen. Es muste in der grösten Geschwindigkeit eine starcke Portion der auserlesensten Victualien, daß beste Obstwerck nebst dem trefflichsten Weine[43] und andern annehmlichen Geträncke, zusammen getragen, und durch die Felsen-Höle herunter, und an Boord der Boote gebracht werden. Niemahls hat man wohl Leute hurtiger, hefftiger und geschicklicher können arbeiten sehen, als vor dießmahl unsere Leute, denn sie tantzten und sprungen bey ihrer tragenden Last, ob sie gleich manchen ziemlich schwer zu tragen zu seyn schiene. Man kan nicht glauben, in was vor Geschwindigkeit alles eingeschifft war, derowegen fuhren wir, indem die Schildwächter von der Höhe 2. Canonen über unsern Häuptern löseten, mit möglichster Behutsamkeit nach den Sand-Bäncken und auf die 2. fremden Schiffe zu. Capitain Horn beantwortete diese 2. Canonen-Schüsse mir 4. wir aber konten wegen contrairen Windes und wegen der gefährlichen Sand-Bäncke die 2. Schiffe nicht eher erreichen, als bis gegen Abend, indem von unserm Booten immer eins ums andere auf den Sand-Bäncken sitzen zu bleiben Lust bezeigte.

Es ist mir unmöglich, die Freudens-Bezeugungen auszudrücken, welche bey der ersten Bewillkommung, zwischen uns und den Capitain Horn benebst seinem Bruder, welcher noch vor Nachts glücklich auf Capitains Horns Schiffe eintraf, vorgiengen. Wir hatten vermeynet, ihnen ein Laabsal mit zu bringen, und zwar nur zum Anbisse, allein wir fanden alles delicater und besser bey ihnen, sonderlich an Canari Sect und Confituren. So bald die Nacht völlig eingetreten, und es uns fast Schlaffens-Zeit zu seyn bedünckte, liessen beyde Capitains die völlige Lage ihrer Canonen von[44] beyden Schiffen geben, worauf ihnen von der Insul zu 2. mahlen mit allen Canonen geantwortet wurde, und dieses hatte die Bedeutung des Wunsches zu einer geruhigen Nacht. Ohngeacht aber zu vermuthen gewesen wäre, daß nicht allein wir, sondern vielmehr die Ankommenden sehr ermüdet seyn würden, so wolten doch Capitain Horn und dessen Bruder sich durchaus zu keiner Nacht-Ruhe bereden lassen, sondern wir blieben die gantze Nacht munter, und hielten bey einem guten Glase Canari-Sect die angenehmsten Gespräche bis gegen Morgen, da wir den Caffe herbey kommen sahen. So bald die Sonne aufgieng, bothen beyde Capitains mit einer Salve, aus allen ihren Canonen, den Felsen-Bürgern einen guten Morgen, und diese bedanckten sich ebenfalls mit einer general-Salve, aus allen ihrem Geschütz. Hierauf, nachdem wir gefrühstückt, nahmen wir den Capitain Horn allein mit uns auf unsere Boote, und brachten ihn auf die Insul, wir wolten seinem Bruder zugleich auch mit haben, allein er protestirte darwieder, und gab zu vernehmen, wie es sich gantz und gar nicht schickte, oder Manier sey, daß beyde Capitains zugleich von beyden Schiffen giengen, und das Commando fremden Leuten überliessen. Wir musten ihm dieses eingestehen, versprachen aber, die allereiligsten Anstalten zu machen, denselben bald nachholen zu können.

Indem wir abfuhren, wurden 6. Canonen gelöset, welche die Felsenburger beantworteten, und unter währender Fahrt, wurden alle 3. Minuten 3. abgefeuert, welche die Felsen-Burger[45] auch beantworteten, um zu zeigen, daß ihnen es am Pulver auch nicht fehlete, und wir haben in der That auch einen ziemlich starcken Vorrath von Pulver in unsern Magazinen, deren eins auf der Alberts-Burg, das andere in Christophs-und das dritte in Simons-Raum befindlich.

So bald wir durch den Felsen-Gang auf der Insul angelanget, fanden wir daselbst einen mit 4. Pferden bespanneten schönen neuen Jagd-Wagen, worein sich der Capitain Horn, Mons. von Blac, Mons. Litzberg und ich setzten, indem wir nun eingestiegen waren, und fortfahren wolten, that eine ausgestellete Schild-Wacht einen Flinten-Schuß, worauf so gleich fast in einem Nu! alle Canonen auf der gantzen Insul abgefeuert wurden, welches die auswendigen auf den Schiffen beantworteten. Da wir auf der Burg ausstiegen, wurden abermahls alle Canonen gelöset, und von den auswärtigen darauf Antwort mit ihren gantzen Lagen ertheilet.

Wir kamen eben noch zur rechten Stunde zur Mittags-Mahlzeit, weßwegen der Capitain Horn nur vorerst eine kurtze Visite beym Regenten ablegte, demselben die Hand zu küssen, hernach sich zur Taffel führen ließ; als an welcher sich die grauen Häupter, die Herrn Geistlichen und andere Honoratiores eingefunden hatten. Bey der Taffel wurde wenig geredet, zumahlen da eine douçe Taffel-Music gemacht wurde, welcher wir alle mit Vergnügen zuhöreten; nachdem die Taffel aber abgehoben, das Danck-Gebet gesprochen, und ein jeder an seinen behörigen Platz, der Regent solchen[46] aber oben an der Taffel genommen, setzte sich der Capitain Horn vor der Taffel dem Regenten gegen über, und fieng diese Rede zu halten an:


Meine Herren!

Auch allerseits wertheste Freunde und geneigte Gönner!

Wenn ich sage, daß das Glück mit uns Menschen wie mit Bällen spielet, so wird mich hoffentlich niemand Lügen straffen können. Ich vor meine Person, habe dieses leyder! von meiner Jugend an mehr als allzu empfindlich erfahren, und es werden sich auf dieser Insul unter unsern werthen Freunden nicht wenige finden, welche dieserwegen mit mir einstimmig sind. Ich will aber diesen Satz, um die Zeit nicht zu verderben, vorjetzo eben nicht weitläufftig ausführen, sondern nur in aller möglichsten Kürtze, bis auf eine andere Zeit rapportiren, wie das Glück mit mir gespielet hat, seit dem ich die letztere Reise von hier nach Europa angetreten habe. Uber die Fatalitæten auf der Hinreise will ich mich eben nicht beklagen, denn dieselben vor einen unerschrockenen und unverzagten Mann, vor dem ich mich ohne eiteln Ruhm mit Recht ausgeben kan, viel zu geringschätzig, zumahlen da keine besondere Todes-Gefahren vor Augen geschwebt, sondern mit Wind und Wetter ziemlicher Maassen favorisirt hat. Ich muß demnach sagen, daß ich zu gesetzter Zeit glücklich in Amsterdam angelanget, auch die mir, von hier aus aufgetragene Commissiones vermittelst göttlicher Hülffe und unermüdeten Fleiß, meines selbst eigenen[47] so wohl, als meiner getreuen Beyhülffe, glücklich ausgerichtet, wie ich mich denn deßfalls bald zu legitimiren verhoffe.

Ich will aber doch erweißlich machen, daß nichts wandelbarer sey, als das Glück: denn da ich am-- von Amsterdam wieder abgelauffen war, und zwey der besten Peloten mit mir genommen, auf die ich mich vollkommen verließ, blieb ich im Texel plötzlich und unverhofft mit meinem Schiffe auf einer gefährlichen Sand-Banck sitzen, und meinem Bruder wäre es bey einer Haare eben also gegangen, allein ihm wurde noch in der Geschwindigkeit geholffen, daß er Flott ward, ich aber muste 3. gantzer Tage und Nächte pausiren, ehe mir geholffen, und ich wieder Flott gemacht werden konte.

Dieses schien mir schon im voraus ein böses Omen zu seyn, allein, da Wind und Wetter noch gut, seegelten wir mit ziemlich getrosten Hertzen nach den Portugiesischen Küsten zu, konten aber dieselben nicht erreichen, ehe uns ein hefftiger Sturm sehr gewaltig zusetzte, derowegen musten wir GOtt im Himmel dancken, daß wir mit Kummer, Noth und gröster Gefahr in den Hafen zu Lißabon einlauffen konten, denn es ist bekannter Maassen der Lißabonische Hafen ein sehr gefährlicher Hafen, wir traffen in selbigem 2. Holländische Ost-Indien-Fahrer an, die wohl montirt waren, so wohl mit Geschütze als Volcke. Erstlich sahen wir, nachdem wir gute Freundschafft mit den Holländern gemacht hatten, uns genöthiget, den Sturm abzuwarten, worüber wir 14. Tage müßig zubringen musten,[48] am 15. Tage aber lieffen wir aus, die Ost-Indien-Fahrer giengen voraus, und zwar dergestalt schnell, daß wir ihnen fast nicht folgen konten. Am 4. Tage nach unserer Abfahrt bekamen wir sie erstlich wieder in die Augen, und zwar in der Gegend der grünen Insulen, ersahen aber auch zugleich 3. Corsaren, die auf uns zu eileten, weßwegen wir Noth-Schüsse thaten, um die Holländer zurück zu ruffen, diese aber hatten taube Ohren, und zaueten sich über Halß und Kopff, daß sie uns nur aus dem Gesichte kommen möchten, weßwegen ich nicht ohne Ursach glaube, ja fast in meinem Hertzen überzeugt bin, daß damahls eine kleine Verrätherey darhinter stack.

Wir bemerckten, daß die Corsaren ungemein starcke Schiffe hätten, auch mit Volck und Geschütz wohl besorgt wären, derowegen begunte uns bange zu werden, allein wir beschlossen doch, bis auf den letzten Mann Stand zu halten, und uns unserer Haut zu wehren.

Die Corsaren schickten uns 2. von ihren Officiers in einem Boote entgegen, welche durch einen bey sich habenden Trompeter das Signal geben liessen, daß sie mit uns Sprache halten wolten, derowegen liessen wir einen Officier an Boord kommen, welcher uns zu vernehmen gab, wir solten Seegel streichen, und uns ihnen gutwillig ergeben, wiedrigenfalls sie uns mit der hefftigsten Forçe attaquiren würden. Wir zeigten ihnen unsere Holländischen Pässe, und führeten ihnen zu Gemüthe, daß ja die Holländer mit allen Barbarischen Republiquen in Friede und Freundschafft[49] lebten, dahero es ja wider alles Völcker-Recht wäre, wenn sie uns attaquirten. Allein der Kerl, welcher in Wahrheit einem Barbar weit ähnlicher sahe, als eine Kuh einem Ochsen, gab zur Antwort: Sie fragten viel nach den Holländern, denn sie wären von vielen Jahren her Frey-Beuter, hätten ihre Pässe nicht allein von einer, sondern von 3. Republiquen, und nähmen alles weg, was sie bezwingen könten, derowegen solten wir uns nur nicht lange weigern, sonsten würden wir in der Geschwindigkeit attaquirt, und Feuer auf uns gegeben werden. Aber ich und alle mein Volck, das eine unsägliche Courage hatte, bezeigten kein Gehör darzu, sondern sagten, wir wolten uns wehren 2. gegen drey, weßwegen die 2. Abgeschickten wieder zurück nach ihren Schiffen fuhren, die ihnen mit gröster Forçe entgegen seegelten. Wenn uns der Wind nur in etwas günstiger gewesen wäre, so hätten wir noch die Hoffnung gehabt, ihnen zu entkommen, allein vor dißmahl meynete es der Wind nicht gar zu gut mit uns, derowegen sahen wir uns gezwungen zu laviren, erblickten aber vorige 2. Abgesandte mit ihrem Trompeter nochmahls, die so schnell, als sie nur immer konten, auf uns los ruderten, der eine rief uns, da er noch eine ziemliche Weite von uns war, mit gräßlicher Stimme entgegen: Wollet ihr drey Tonnen Goldes zahlen, so könnet ihr in Friede fahren, wohin ihr wollet, wo nicht, so geben wir Feuer. Ich hielt mit meinen Officiers auf dem Oberdeck Schiffs-Rath, und that ihnen den Vorschlag, daß ich den Barbarn 1. Tonnen[50] Goldes biethen wolte, um nur die Bestien loß zu werden, da aber dieses etliche meiner Leute höreten, fiengen sie gleich an zu murmeln, und der Lerm auf meinem Schiffe wurde immer grösser, weßwegen ich fragte: was das zu bedeuten hätte? Hierauf traten etliche verwegene Matrosen und Schiffs-Soldaten mir gantz dreuste unter die Augen, und sagte einer von ihnen ohngefähr diese Worte: Ey! mit Permission, Herr Capitain, was ist das vor Manier? meynet ihr, daß ihr feige Memmen unter eurem Commando habt, lasset der Bestien etliche 100. seyn, wir wollen, ob unserer gleich nicht halb, oder des 4. Theils so viel wären, uns dennoch, ehe wir einen Deut geben, wehren bis auf den letzten Mann.

Kinder! ( gab ich zur Antwort,) was bekümmere ich mich um eine Tonne Goldes, die will ich gern aus meiner eigenen Kiste geben, ohne daß einer von euch mir Zubusse thun, oder ihm etwas an seiner Gage decourtirt werden soll, denn was wäre es, wenn ich mich mit ihnen in ein Gefechte einliesse? Ihr sehet ja, daß sie uns überlegen sind, und solte ich nur einen eintzigen Mann von euch verlieren, wenn es auch der schwächste und geringste unter euch wäre, so solte mich doch dieser weit mehr dauern, als eine Tonne Goldes, denn ich weiß, daß mir GOtt gute und lauter auserlesene Leute unter mein Commando bescheret hat, darum folget mir, und last mich dißmahl walten.[51]

Mit diesen Vortrage erwarb ich mir die Liebe meines Volcks, welches sich zwar zufrieden zu geben schien, allein es waren doch noch etliche 20. darunter, welche noch immer murmelten, woran ich mich aber nicht kehrete, sondern den Barbaren sagen ließ, daß ich ihnen einer Tonne Goldes Werth an Gold und Silber geben wolte, wenn sie uns weiter unvexiret liessen, denn man merckte doch wohl, daß sie nur ohne Ordre, vor sich eine Frey-Beuter-Zehrung forderten, und zwar wider alle Raison, weilen die Holländer mit allen Republiquen sonsten in Friede lebten.

Der Bösewicht seegelte mit seinem Cameraden und Trompeter wieder fort, nachdem er den Verlaß genommen, er wolte seinem Commandeur unsere Resolution zu vernehmen geben, so gleich wieder zurück kommen, und uns Antwort bringen, mittlerweile solten wir aber nur 3. Tonnen Goldes Werth an Gold und Silber zusammen packen, denn er zweifelte gar sehr, daß sich ihr Commandeur mit einer eintzigen lumpichten Tonne Goldes vor 2. so schöne Schiffe würde abspeisen lassen etc.

Ich suchte aus meinen Kisten so viel Gold und Silberwerck zusammen, als eine Tonne Goldes ohngefähr des Werths damit zu bezahlen, und noch wohl überflüßig hinlänglich war, kehrete mich im übrigen nicht daran, ob meine Officiers und Gemeinen gleich darüber brummeten, als wie die Bären.

Es währete nicht lange, so kam der Barbar wieder zurücke, und meldete: sein Commandeur hätte gesagt, es solten und müsten 3. Tonnen[52] Goldes seyn, und wenn wir uns dessen weigerten, auch nur ein Loth Gold daran fehlen liessen, solten wir uns nur gefast machen, entweder in den Grund geschossen, oder aufs grausamste tractirt zu werden.

Ich ließ ihn an Boord und auf das Oberdeck kommen, so dann einen Sack, der mit ungeprägten und auch mit geprägten Gold und Silber angefüllet war, aus meiner Cajüte langen, denselben auf eine Wage legen, und zeigte denselben dem Barbarn, welcher die Sachen, so ausgeschüttet und wieder in den Sack hinein gethan wurden, alle besahe, und dabey über einen Zahn lachte: weilen aber die Canaille das Gewichte so gut verstund, als wir selber, sagte er, jedoch nicht mit allzu barbarischer Stimme: Wohl gut, meine Herrn! dieses möchte alles ohngefehr wohl eine Tonne Goldes werth seyn, allein wo sind die andern zwey, denn unser Commandeur gehet nicht von 3. Tonnen Goldes ab, und wo ihr mir die nicht gebet, so verlange ich die eine auch nicht, sondern will leer wieder zurück fahren, aber dieses sage ich euch zum voraus, und warne euch noch als ein guter Freund, gebt mir noch die zwey Tonnen Goldes, wo nicht? so werdet ihr kurtz nachhero, so bald ich nur auf meinem Schiffe angelanget bin, einen schweren Stand kriegen.

Ich war wahrhafftig gesonnen, diesen verdammten Hunden von meinetwegen noch 2. Tonnen Goldes zu geben, ehe ich mich in die Gefahr gäbe, und einen oder etliche von meinen schönen und trefflichen Leuten verlöhre, allein, da[53] meine Leute diese meine Resolution merckten, und sich anstelleten, als ob sie sämmtlich rebelliren wolten, mir meine Zaghafftigkeit in den piquantesten Terminis vorwarffen, und sagten: wenn ich mich gegen diese Canaillen, ohne das alleräuserste zu wagen, submittiren würde, sie lieber unsere beyden Schiffe in die Lufft sprengen wolten; denn wenn sie nicht als Helden sterben solten, so wolten sie doch als desperate Leute sterben, und das könte ich ihnen nicht wehren. Kurtz: ich muste mich damahls in die Zeit schicken, und nachgeben.

Meine Herren! auch liebsten Gönner und Freunde! (so setzte Capitain Horn seine Rede weiter gegen den Regenten und uns fort,) Sie glauben mir sicherlich, daß mir damahls bey dieser gefährlichen Sache nicht wohl zu Muthe war. GOtt ist mein lebendiger Zeuge, daß ich Courage genug im Hertzen hatte, mit den Barbaren eins zu wagen, und mein Bruder war fast noch toller als ich, denn er wolte die beyden Herren Abgesandten und den Trompeter mit sammt dem Boote durchaus in den Grund schiessen, und ich hatte zu steuren und zu wehren gnug, daß es nicht geschahe. Herr Wolffgang wird mir Zeugnis geben, daß ich unter seinem Commando mich niemahls zaghafft aufgeführet, wie ich denn, welches er nicht anders sagen wird, manchen Verweiß von ihm bekommen, wenn ich zu viel hazardirte, oder zum öfftern meine eigene Person den grösten Gefährlichkeiten ohne dringende Noth exponirte. Mein Bruder hat zwar das See-Handwerck noch lange nicht so lange getrieben, als ich, allein,[54] ich kan Ihnen von ihm versichern, daß er nicht allein eine vollkommene Courage im Hertzen führet, sondern sich auch im See-Wesen schon vortrefflich habilitirt hat, weilen er die Mathesin ex fundamento verstehet; so, daß ich mich nicht schämen will zu sagen, daß ich zu vielen mahlen mit grossem Plaisir Lehren von ihm angenommen, ohngeachtet er weit junger, und nicht des zehnten Theils so viel in der Welt erfahren, als ich.

Wie gesagt, es kränckte mich ungemein, daß mir meine Zaghafftigkeit vorgeworffen wurde, da ich doch die allerredlichste Intention von der Welt hatte, und lieber eine Million, als mein schönes Volck verlohren hätte, über alles dieses aber muste ja viel weiter dencken, nemlich an meine liebe Insul Felsenburg, von wannen ich ja die allerwichstigsten Commissiones hatte, und zu deren Dienste ich mich auf der Reise befand, mithin leichtlich etwas von meiner besten Equipage verlieren können, eben dieserwegen hieng ich mein Hertze nicht an Gold und Silber, indem ich wuste, daß, ob ich 3. Feder-Spulen oder 3. Tonnen Goldes bey solchen Umständen eingebüsset hätte, die Aeltesten und Einwohner alhier mir solches nicht verarget, sondern dieser Umstände wegen uns allen den Schaden gedoppelt ersetzt hätten, weilen ja Gold, Silber, Perlen und dergleichen nicht so rar bey uns sind. Da ich mich aber nur mit wenigen Worten verlauten ließ, daß man doch den Barbaren die 3. Tonnen Goldes immer hingeben möchte, damit wir nur vom Flecke kämen, wolte mein Volck toll und rasend werden, auch mein Bruder,[55] der nicht wuste, daß ich mehr auf meinem Hertzen und Gewissen hatte, als er selbst, sahe mich scheel und sauer über die Achsel an.

Wir sahen uns aber balde gemüßiget, unsern Zwietracht bey Seite zu setzen, denn so bald die abgeschickten Barbaren bey den Ihrigen angekommen, bemerckten wir, daß sie mit ihren Schiffen gantz andere Wendungen machten, und gerades Weges auf uns zu seegelten. Wir konten ihnen, so zu sagen, gleich an den Augen absehen, was sie haben wolten, derowegen setzten wir uns mit beyden Schiffen in die beste Positur, denn die Canonen waren schon alle scharff geladen, und die Mannschafft, so zum Feuer-geben und Fechten beordert, stund mit freudigem Muthe da, erwartete auch den Feind recht mit Lachen.

So bald die Barbaren ihren Vortheil ersahen, machten sie aus allen ihren drey Schiffen ein entsetzliches Feuer auf uns, welches aber doch unsern starcken Schiffen wenigen Schaden that, ohngeachtet sie keine kleine Canonen-Kugeln führeten. Unsere Leute hingegen waren noch geschwinder als der Wind, die Löcher zu verstopffen und auszubessern. Wir gaben ihnen aus beyden Schiffen auch 2. Salven, die wohl anschlugen, der Haupt-Spas aber war dieser, daß mein Bruder, der so wohl als ich drey mittelmäßige Feuer-Mörser auf seinem Schiffe hatte, die erste Bombe, als ein guter Feuerwercker, durch seine mathematische Kunst-Erfahrenheit, ungemein glücklich in das eine Barbarische Schiff spielte, welche, indem sie accurat aufs Oberdeck fiel, eine artige Menuet[56] aufspielete, wornach die Barbaren ungemein desperat zu tantzen anfiengen, es hat diese Bombe, da sie crepirt, 9. Personen lædirt, 3. auf der Stelle ins Reich der Todten geschickt, und 6. gefährlich blessirt, deren (wie wir nachhero erfahren,) noch 4. an ihren Wunden sterben müssen. Mit der andern Bombe aber gieng es meinem Bruder nicht so glücklich, denn sie fiel zu tieff gegen die äuserste Wand des Schiffs, hatte aber doch nicht allein die Wand starck beschädigt, sondern auch einen Barbar tod geschlagen, und 2. blessirt.

Mir wolte es mit meinen Bomben-spielen nicht recht wohl angehen, denn ohngeachtet mir mein Bruder alle Vortheile gewiesen, so spielete ich doch die 2. ersten zu hoch über die Barbarischen Schiffe hin, welche in der See crepirten, und den Feinden wenigen Schaden verursachten; mit der dritten aber war ich glücklicher, indem dieselbe in ein offenstehendes Pulver-Faß gefallen war, und vielen Lerm und Schaden verursacht, auch 6. getödtet, und 4. blessirt hatte. Meines Bruders dritte Bombe aber war die beste, denn sie fiel auf das noch unbeschädigte Oberdeck des dritten feindlichen Schiffes, und machte einen solchen Lermen darinn, daß die Barbaren nicht wusten, wo sie hin solten, denn es waren, wie wir nachhero erfahren, 5. getödtet, und 8. von ihnen blessirt worden.

Uber diese Begebenheiten wolten die Barbaren rasend werden, rückten demnach unter beständigen canoniren mit völliger Forçe näher auf uns zu, wir aber blieben ihnen auch nichts schuldig,[57] sondern machten aus unsern Canonen ein continuirliches Feuer, (denn die Mörser wolten ihre Dienste nicht mehr thun, weilen der Feind schon zu nahe war, dem wir mit Fehl-Schüssen nicht gern ein Gelächter verursachen wolten) bis sie so nahe kamen, daß wir einander mit Flinten-Kugeln erreichen konten. Der Feind schoß mit gezogenen Röhren hefftig auf uns loß, wir aber schickten ihm die Kugeln aus unsern Mastricher-Musquetier-Flinten dergestalt häuffig zu, daß er sich darüber verwunderte, allein es war eben nicht zu verwundern, denn ich hatte lauter lustige Leute, die sich unter einander selbst exercirten, und mit ihren Flinten, wegen der geschwinden Ladung, eher 3. Schuß thun konten, als die Barbaren nur einen.

Ich gieng vom Oberdeck herunter in meine Cajüte, und ließ mir durch meine Bedienten 2. Buch angefeuchtetes weisses Papier auf die Brust binden, und eben so viel auf den Bauch, gieng hierauf wieder hinauf aufs Oberdeck, und commandirte: daß 1500. gefüllete Granaden aufs Oberdeck, jedoch an einen sichern Ort gebracht werden solten, indem wir deren vielleicht bedürfftig seyn möchten, denn ich muß ihnen sagen: daß ich nebst den 6. mittelmäßigen Feuer-Mörsern 12000 Stück Hand-Granaden hatte giessen lassen, welche ich unten im Schiffe mit dem Ballast vermengte, und nicht mehr als etliche 100. füllen ließ. Meine Lieutenants, die nicht allein das Artollerie-Wesen unten im Schiffe wohl besorgt, hatten nebst andern wohlgemachten Anstalten auch die jenigen,[58] welche sich zum Feuer-geben und Fechten freywillig dargestellet, bereits behörig rangirt. Sie stunden also auf dem Oberdeck in schönster Ordnung, und da ich sie sahe, erfreuete ich mich, trat vor die Fronte, und sagte nur so viel:


Meine Brüder!

Ich habe vernommen, daß, wo nicht alle, doch viele unter euch sich die Einbildung machen, als ob ich ein Kerl wäre, der wenig oder gar keine Courage im Leibe hätte. Allein meine Brüder! ihr irret euch sehr; was ich bishero gethan habe, ist gantz und gar keiner Zaghafftigkeit zuzuschreiben, sondern ich muß bedencken, was ich vor meinen Obern und GOtt im Himmel hauptsächlich verantworten kan, welches alles ich euch deutlicher erklären will, wenn wir mit göttlicher Hülffe gesieget haben. Haltet euch so behertzt, als wie ich mich zeigen werde, so soll es hoffentlich keine Noth haben, denn ich will euch commandiren wider allen Gebrauch im blossen Hembde. GOtt gebe uns Glück und Sieg! haltet euch tapffer! (Ich hatte mir ein Hirsch-ledernes Collet angezogen, einen 3: queer Finger breiten Pallasch an der Seite, mit dem ich besser umgehen konte, als mit einem Türckischen Säbel, und 2. Paar der schönsten Pistolen im Gurte stecken.) Darum sprach ich ferner: Gebt alle Achtung auf mich, ich will der vorderste seyn, und wenn ich nicht avancire, so gebe ich dem nächsten, der hinter mir ist, die Erlaubnis, mich mit dem Fusse fort zu stossen. Hier werffe ich mein Hirsch-ledern Collet zu euren Füssen,[59] ihr sehet, daß ich einen leichten Brust-Harnisch und einen gantzen Pantzer bey mir habe, ihr sehet daß ich mir 4. Buch Lösch-Pappier habe zum Spas auf den Leib und Brust binden lassen, aber auch alles dieses werffe ich zu euren Füssen, und entblösse meinen Leib bis unter die Arme, damit ihr sehet, daß ich unverzagt bin, euch im blossen Hembde zu commandiren, und mich blos auf GOttes Hülffe und Schutz zu verlassen. Ich bitte nochmahls: GOTT gebe uns Glück und Sieg! haltet euch wohl, und so, wie ich mich zu verhalten verhoffe, bis daß ich falle, in solchem Fall denn mein Nächster das Commando übernehmen wird. Lieben Brüder! haltet euch wohl, denn ihr wisset, daß ich euch von diesem See-Gefechte abzuhalten gesucht habe. Ich hoffe demnach, GOtt wird uns Glück und Sieg geben, wenn wir nur tapffer sind im Schiessen und Fechten. Allons! in GOttes Nahmen.

So bald ich ausgeredet, fieng alles mein Volck, da es mich im blossen Hembde über den Bein-Kleidern mit dem Pallasch in der rechten, und mit einer aufgezogenen Pistol in der lincken Hand, vor der Fronte vor sich stehen sahe, mit vollem Halse zu ruffen an: Vivat, Vivat, Capitain Horn! und dieses zu dreyen mahlen. Hierauf wurde von beyden Schiffen eine gewaltige gedoppelte Salve auf die Barbarn gegeben. Diese wurden dadurch dergestalt erbittert, daß sie in unvermutheter Geschwindigkeit uns aufs nächste kamen, auch ihr bestes Schiff sich an das meinige hieng, und diese Feinde mich nicht allein mit[60] Schieß-sondern auch mit dem Seiten-Gewehr zu delogiren suchten.

Man solte nicht meynen wie klug, hertzhafft und hurtig die Barbaren sind, denn sie wusten in aller Geschwindigkeit, vermittelst starcker Haacken, verschiedene Leitern an unsern Boord zu werffen, und daran hinauf zu klettern wie die Katzen. Ich stund in der vordersten Reihe in der Mitten, und hatte 12. der hertzhafftesten Leute zu meiner rechten, und eben so viel zu meiner lincken Hand, welches, so zu sagen, meine Leib-Guarde war, 1. guten Schritt aber hinter mir war die andere Reihe der resolutesten Mannschafft, und hinter dieser noch die 3te Reihe tapfferer Leute, noch hinter diesen drey Reihen aber die Reserve, und auf beyden Seiten die Granadiers, welche die Feinde mit ihren beständigen Granaden-Werffen gewaltig ängstigeten.

Das Verhängniß fügte es eben so wunderbar, daß derjenige Barbar, welchem ich kurtz vorhero das Gold und Silberwerck zuwägen lassen, gerade vor mir seine Leiter angeworffen, und mir mit blancken Säbel in der Faust entgegen gestiegen kam. Ich ließ ihn passiren bis auf die öberste Stuffe, indem er aber bemühet war über Boord zu schreiten, war ich erstlich zweiffelhafft, ob ich ihm mit dem Pistol das Lebens-Licht ausblasen, oder ihn mit meinem Pallasch den Kopff spalten wolte. Jedoch, da ich befürchtete, das Pistol möchte etwa versagen, so verließ ich mich auf meinen Pallasch (denn wie meine Herrn wissen, so bin ich Lincks und Rechts so wohl mit schiessenden, als[61] Seiten-Gewehr, auch ist ihnen meine natürliche Stärcke der Glieder durch viele gemachte Proben bekannt.)

So bald er über Boord gestiegen, hohlte er mit seinem Säbel aus, mir einen tödlichen Streich zu geben, allein, ich danckte damahls GOtt, daß mir meine Fechtmeisters in Italien und andern Ländern das pariren gelernet hatten, derowegen schlug ich in grössester Geschwindigkeit nicht allein seinen Säbel aus, daß er zu seinen Füssen fiel, sondern versetzte ihm, aus allen meinen Leibes-Kräfften, einen solchen gewaltigen Hieb über den Kopff, daß ihm beyde Theile auf den Schultern lagen.

Man solte wohl meynen, ich machte Wind, um mich nur groß zu machen, allein, auf meinem Schiffe sind noch mehr als 50. Personen gegenwärtig, die es mit ihren Augen gesehen haben.

Acht bis zwölff anderen, die eben diese Leiter heraufgeklettert kamen, und sich auf meinem Schiffe divertiren wolten, gieng es, wo nicht auf gleiche Art, jedoch so, daß sie entweder durch meinen Pallasch oder Pistolen ins Reich der Todten geschickt wurden. Meine Leute folgten meinem Exempel, und fochten, nachdem sie sich dann und wann verschossen hatten, mit ihren Säbeln, wie die Löwen, so daß mancher Barbar herunter in die See purtzeln muste, ehe er über Boord gestiegen war, mancher aber, der sich glucklich geschätzt, den Boord mit seinen Händen betastet und überstiegen zu haben, den Augenblick seine ewige Schlaf-Stätte fand.[62]

Mittlerweile gieng das canoniren von beyden Seiten aufs allerhefftigste fort, so lange bis die Dämmerung eintrat, und man kaum die Finger vor den Augen mehr zählen konte. Da aber das Klettern der Feinde noch nicht aufhören wolte, so hörete auch unsere Gegenwehr mit Schiessen aus Canonen und Flinten um so viel desto weniger auf, und es muste in der Dämmerung noch mancher Barbar See-Wasser sauffen lernen, oder nolens volens versincken.

Endlich, da der Himmel sehr schwartz wurde, ließ sich ein feindlicher Trompeter hören, welcher mit 2. Deputirten auf einem Boote saß, worinnen viel Pech-Fackeln brannten. Da nun die Feinde zu canoniren aufhöreten, hielten wir auch inne, brannten aber auf beyden Schiffen viel 100. Fackeln und Lichter an. Der Deputirten Antrag war dieser: daß, weil ihr Commandeur seine Courage mit der unsrigen auf eine Wage gelegt, und befunden, daß wir auf beyden Seiten tapffere Leute wären, so möchten wir Stillstand machen, bis der Tag anbräche; wolten wir ihm aber doch noch die einzige Tonne Goldes geben, so könten wir, so bald es uns beliebte, ohne fernere Sorge unter Seegel gehen, und er wäre bereit uns einen Paß zu geben, daß wir auf unserer Reise von allen seinen Cameraden, die der Frey-Beutherey ergeben, von hieraus bis nach dem Cap unangefochten bleiben solten.

Meine Leute, so bald sie dieses vernommen hatten, wolten abermahls weder vom Stillstande noch Geld geben hören, und wurden nochmahls[63] aufstützig, ich aber ließ den Abgeschickten in Gegenwart aller meiner Leute durch einen Dollmetscher so viel sagen: Höret! ihr habet euch aufgeführet gegen uns als See-Räuber und Bettler, wider alle Billigkeit und Verträglichkeit, die zwischen der Republic Holland und den Barbarischen Republiquen, ist. Wir begehren keinen Stillstand, sondern weil das Spiel doch einmahl angefangen ist, so wollen wir uns wehren bis auf den letzten Mann. Welleicht läst GOtt noch einen oder wohl mehr übrig und lebendig von uns nach Holland kommen, so soll die Untreue der räuberischen Nationen schon urgirt und gerochen werden, es treffe auch, wen es treffe. Ich habe nur einen Todten und 2. Blessirte auf meinem Schiffe, welches mir sehr schmertzlich fällt, rechnet aber nach, wie viel ihr habt, und zwar binnen so wenig Stunden, rechnet auch nach, wie viel Pulver ihr vergeblich verschossen habt, und glaubt sicherlich, daß wir vielleicht noch einen guten Theil mehr Pulver und Kugeln im Vorrath haben, als ihr, und euch zur Noth vor baar Geld noch etwas zu Kauffen geben könten. An eures Commandeurs Paß wollen wir alle, bis auf den geringsten Mann, den Podex wischen, und uns gegen Diebe und Räuber mit göttlicher Hülffe doch wohl durchfechten. Wir wollen abseegeln, wenn es uns beliebt, und so ihr ferner einen Schuß auf uns thut, sollen 10. dargegen folgen. Das ist euer Bescheid.

Meine Leute waren über diesen Bescheid dermassen erfreuet, daß sie um mich herum sprungen, wie die Tantz-Meisters, da aber einige unter denselben[64] gewahr wurden, daß mein Hembde voller Blut war (indem ich etwa einen Fingers-langen Hieb, kurtz unter dem Gelencke des obersten lincken Achselbeins, empfangen hatte, den ich doch eben nicht æstimirte) lieffen sie gleich dahin, rufften den Schiffs-Barbier, welcher mich verbinden solte, brachten auch einen Sessel, worauf sie mich mit aller Gewalt zum Niedersetzen zwungen. Ja! einige waren so lose, daß sie die Trompeter und den Paucker herzu holeten, um mir währender Zeit des Verbindens die Schmertzen zu vertreiben. Ja, sie wolten mit aller Gewalt haben, es solten die Canonen dabey gelöset werden, allein, ich verboth es bey Straffe. Mittlerweile kam mein Bruder, der auch eine Kugel in die lincke Hüffte, und einen Hieb über das Cranium bekommen hatte, jedoch bereits verbunden war, ohn geruffen, um zu sehen, was ich und meine Leute machten, und mir zu rapportiren, wie es ihm und den Seinigen ergangen. Er rapportirte also: daß er 38. todte Barbaren auf seinem Schiffe liegen hätte und 14. starck blessirte, denn die Barbaren ohngeachtet vermittelst der Sturm-Leitern heftig auf ihn gestürmet, zählete er doch nicht mehr, als 3. Todte und 5. Blessirte auf seiner Seite.

Demnach war ich auf meinem Schiffe dennoch in etwas glücklicher, indem ich nicht mehr, als 1. Todten und 2. Blessirte und 42. Barbaren theils gantz todt, theils tödtlich blessirt, liegen hatte; denn meine Leute hatten sich unvergleichlich wohl gehalten, da ein jeder eine Flinte, 1. Paar Pistolen und einen Säbel an[65] der Seite führete. Wie viel aber der Feinde von ihren Sturm-Leitern herunter geschossen worden, so bald sie ihre Köpffe nur blicken lassen, und ihr Glück in der See zwischen den Schiffen gemacht, kan ich eben so wenig richtig melden, als mein Bruder, welcher ebenfalls observirt, daß deren eine ziemliche Anzahl rückwärts herunter gepurtzelt wären.

Mein Bruder hielt sich nach genommener Abrede, wie wir uns gegen den Tag aufführen wolten, nicht gar zu lange bey mir auf, sondern kehrete zurück auf sein Schiff. Weilen er aber diesen Abend gantz besonders aufgeräumt war, so ließ er etliche 100. Raqueten steigen, doch nicht gegen die Feinde, sondern nach beyden Seiten ihrer Schiffe zu, auch warf er Wasser-Kegel und dergleichen in die See, und ließ Trompeten und Paucken herrlich erschallen, worinnen ihm von den meinigen tapffer geantwortet wurde. Diß war ein Lust-Spiel den Feinden zum Schure, als welche sich so stille hielten, wie die Mäuse, weßwegen wir gedachten, alle Fähde hätte nun ein Ende, allein, da wir mit anbrechendem Tage unsers Weges fortseegeln wolten, und zwar en faveur eines dicken Nebels, wurden dieses unsere Feinde dennoch gewahr, und fiengen von neuen hefftig an, auf uns zu canoniren, da wir ihnen denn auch nichts schuldig blieben, bald hernach bekamen sie, ohngeacht des dicken Nebels, dennoch aufs neue Lust, ihre Sturm-Leitern an unsere Schiffe zu werffen, thaten auch solches mit besondern Grimm, allein, es waren ihrer, ehe die Sonne aufgieng, auf meinen Schiffe[66] schon 18. und auf meines Bruders Schiffe 13. theils niedergehauen, theils niedergeschossen worden.

Endlich beredeten mein Bruder und ich, uns mit gesammter Macht und zusammen gesetzten Kräfften auf das mittelste feindliche Schiff zu zielen, und zu versuchen, ob wir solches in Grund schiessen könten. Unsere Mühe schien nach Verfluß einer Stunde nicht gantz vergeblich zu seyn, sondern wir hatten gute Hoffnung, unsern Zweck zu erreichen.

Binnen der Zeit kam von hinten zu eine fremde Chalouppe an mein Schiff, welches mit einiger Mannschafft besetzt war, von welchen einer der ansehnlichsten mit mir zu sprechen verlangte. Ich ließ ihn zu mir auf mein Schiff bitten, und er hatte sich nicht lange nöthigen lassen, da denn sein erstes war, daß er fragte: was wir vor Lands-Leute wären, was wir vor hätten, auch was unsere Feinde vor Leute wären? ich antwortete ihm in seiner Sprache, daß wir 3. See-Räuber vor uns hätten, welche uns zu plündern und in Grund zu schiessen droheten, wir hätten schon gestern bis in die späte Nacht mit ihnen zu thun gehabt, und uns tapffer gewehret, auch eine ziemliche Anzahl der Barbaren getödtet, allein, sie wären uns, allem Ansehen nach, dennoch bis hieher überlegen, und hätten nur vor wenig Stunden aufs neue angefangen uns zu bestürmen, vorietzo wären wir im Begriff, das mittelste feindliche Schiff in Grund zu schiessen, hätten auch gute Hoffnung darzu, indem wir alle unsere Canonen[67] aus beyden Schiffen darauf gerichtet, und bemerckten, daß das feindliche Schiff schon ziemlich leck geschossen sey. Im übrigen so wären wir mehrentheils Holländer, die nach Ost-Indien gehen wolten. Ey, ey! sagte der Portugiese, die Holländer sind unsere lieben Brüder, haltet euch nur noch tapffer, ehe 1. oder 2. Stunden vergehen, will ich euch 2. tüchtige Portugiesische Schiffe, worauf tapffere Soldaten sind, zur Hülffe anhero bringen. Lebet und haltet euch wohl, ich muß eilen, daß ich bald wieder zu euch komme.

Es war uns nicht anders ums Hertze, als wenn uns GOtt einen Engel vom Himmel zum Troste zugeschickt hätte, derowegen verdoppelte sich unsere Courage, dergestalt, daß es noch manchem Barbar den Halß kostete, so sahen wir auch mit Vergnügen, daß das mittelste feindliche Schiff, so zu sagen, in letzten Zügen lag, denn unsere Canonen hatten es recht jämmerlich durchbohrt, auch bemerckten wir, daß der Feind auf dem Obertheil dieses ihres Schiffes nach gerade immer weniger und weniger wurden, woraus wir schlossen, daß alles zur Pumpe beruffen sey.

Endlich aber wider alles Vermuthen wolte dieses feindliche Schiff sich umwenden, und die Flucht nehmen, es gieng aber dergestallt matt und merode, daß man nicht zweiffeln durffte, wie es tödliche Blessuren haben müsse. Aber, indem wir uns umsahen, kamen 2. der schönsten und festesten Portugiesischen Schiffe, welche sich zwischen mich und meinen Bruder einlegten, und in unerhörter Geschwindigkeit ihre Canonen auf die[68] Barbaren löseten, ehe sie noch ein Wort mit uns gesprochen hatten. Auf unsern beyden Schiffen liessen sich Trompeten und Paucken tapffer hören, denen die Portugiesen Wechselsweise antworteten. Den Feinden aber vergieng der Muth auf einmahl plötzlich, indem sich keiner mehr auf eine Sturm-Leiter wagen wolte, auch wenig Schüsse mehr von ihren Schiffen gehöret wurden. Das mittelste Schiff aber wolte doch mit guter Manier fort hincken, allein, die Portugiesen und wir gedachten: nicht also! sondern jagten ihm nach, ereileten und erstiegen dasselbe ohne besonderes Blutvergiessen. Hernach kam die Reihe an die 2. andern feindlichen Schiffe, die wir binnen etwa einer Zeit von 3. Stunden nach einem etwas härtern Kampffe glücklich erstiegen, und alle darauf befindliche Mannschafft in Fesseln legen liessen.

Wir schossen demnach unter Trompeten- und Paucken-Schall, auf allen Schiffen, so gar auch aus den feindlichen Canonen, mit grösten Freuden Victoria, und zwar zu dreyen mahlen. Hernach brachten wir den Patienten, nemlich das mittelste Schiff, zwischen die 2. übrigen Barbarischen, schickten einige von unserer Mannschafft auf ein jegliches Barbarisches Schiff, und liessen im Gegentheil eben so viel Barbaren auf unsere und der Portugiesen Schiffe überkommen. Meine Leute strapazirten die Räuber auf eine sehr hefftige Att, welches ich ihnen nicht verdencken konte, indem sie doch, (Schertz bey Seit gesetzt) nachdem wir es aufs genaueste ausgerechnet, 128. Cameraden, theils auf meinem, theils auf meines Bruders[69] Schiffe so schändlicher Weise einbüssen und vermissen musten. Denn NB. es fraß die Eroberung der Schiffe in etwas mehr Volck, als die Gegenwehr gegen die Stürmenden. Jedoch ich redete meinen Leuten zu, und bath dieselben, sie möchten sich aufführen, als Christen, und nicht barbarisch verfahren, damit auch die Barbaren sähen und spüreten, was vor ein gewaltiger Unterscheid zwischen der Aufführung eines Christen und eines Heyden sey. Hiemit thäte man nicht allein unserm Heylande einen Dienst, sondern es könne auch möglich seyn, daß diese unsere Christliche Aufführung manchem Armen, in der Barbarey unschuldig gefangen sitzenden Christen-Sclaven, wohl zu statten kommen möchte, wenn die Barbaren, als Feinde des Creutzes Christi, erkannt hätten, daß wir gantz andere Leute von Conduite wären, als sie selbst. Unterdessen solten sie dieselben zwar zu strenger und sauerer Arbeit anhalten, jedoch, so viel ein Mensch, in Ansehung seiner Leibes-Constitution, ertragen könte. Vollauf zu essen zu trincken solten sie den Feinden geben, und keinem, wenn er etwas versehen, blutrünstig, vielweniger braun und blau, oder wohl gar Arme und Beine entzwey schlagen. Damit wir unsern Christen-Nahmen nicht verlöhren, und uns in die Rotte der Barbaren einschreiben liessen etc. Nachdem ich dieses in Deutscher Sprache geredet, so redete ich es auch in Portugiesischer: denn nicht allein mein Bruder, benebst vielen seiner Leute, sondern auch die Portugiesischen Capitains mit den meisten ihrer Leute höreten meinen Vortrag an, und es schiene ihnen allen derselbe sehr wohl zu gefallen,[70] allein, da wir eben nicht vor rathsam ansahen, uns in dieser fatalen Gegend länger aufzuhalten, zogen wir in schönster Ordnung fort, um die grünen Insuln zu erreichen und unsere gemachte Beute zu theilen. Andern Tages, etwa eine Stunde vor Untergang der Sonnen, erreichten wir eine derselben, und wurffen in einen schönen Hafen Ancker. Die Insul hieß St. Jago mit Nahmen, und die Stadt, so dem Hafen am nächsten lag, eben also. So bald der Tag anbrach, ritten 2. Officiers der Unsern und eben so viel der Portugiesen in die Stadt, und erkundigten sich, wo der Gouverneur der Insul anzutreffen wäre. Sie traffen ihn an, es war ein complaisanter Mann, und nachdem so wohl die Unserigen, als auch die Portugiesen ihm eine weitläufftige Erzehlung gethan, wie es uns auf beyden Seiten ergangen, anbey gebethen, es möchte derselbe uns erlauben, daß wir unsere beschädigten Schiffe allhier ausbessern, und unter seinem Schutze, von den Einwohnern ungestöhrt, unsere gemachte Beute theilen möchten, so sagte er mit gröster Freundlichkeit: Alle meine lieben Brüder! gebraucht alle eure beste Beqvemlichkeit, euch soll niemand beunruhigen, und ich will euch nur vor erst 50. Mann zur Salva-Guarde mitgeben, saget aber, daß ich eure Capitains, so wohl Portugiesen als Holländer, gar sehr bitten liesse, mir, wo möglich, noch heutigen Tages die Ehre ihres Zuspruchs zu geben. Unsere Officiers konten nicht vom Wunder genug sagen, wie complaisant sie der Gouverneur, der ein ansehnlicher, liebreicher Mann wäre, tractirt hätte, sie nicht allein bey der Mittags-Mahlzeit[71] wohl bewirthet, sondern auch in einer propern Chaise mit Convoy von 1. Capitain 1. Lieutenant, Fähndrich und 50. Gemeinen, bis hieher an das Ufer fahren lassen. Wir liessen die Ober-Officiers des Gouverneurs auf unser Schiff bitten, und schickten ihnen dieserwegen ein Boot, mit welchem sie so fort zu uns kamen. Wir setzten ihnen das Beste vor, das wir in der Geschwindigkeit, gestalten Umständen nach, finden konten; denen Unter-Officiers aber schickten wir jedwedem 1 Gulden und den Gemeinen einen halben Gulden, nebst so viel Wein und Brandtewein, daß man glaubte, sie hätten wohl 3. Tage daran satt haben können, über dieses wurden ihnen auch starcke Portions von geräuchertem und eingesaltztem Fleisch, geräucherten und eingesaltzten Fischen, auch allerhand Früchten zugeschickt. Mein Lieutenant hatte die Commission, der Insulaner-Militz dieses Præsent zu überbringen; (denn meines Bruders Lieutenant war diesen Morgen erschossen worden). Als nun mein Lieutenant zurücke kam, konte er nicht gnugsam erzählen, wie erfreut die Insulaner-Militz über dieses Præsent gewesen, ja es hätte ihm einer um den andern, so wohl Unter-Officiers als Gemeine, die Hände geküsset, und immer dabey geschryen: Vivant! die Holländer! O! was sind die Holländer vor brave und wackere Leute! unsere Brüder, Vivant, Vivant, Vivant! die Holländer!

Wir hatten unser besonderes Vergnügen hierüber, da wir aber mit des Gouverneurs Officiers noch etwa 2. Stunden tüchtig gebechert hatten, und[72] zwar den delicatesten Canari-Sect, auch beym Gesundheit-trincken immer 6. Canonen abfeuern lassen, NB. bey der Gesundheit des Königs von Portugall, des Königs von Spanien und der General-Staaten von Holland, aber allezeit 12; des Gouverneurs dieser Insul nur 8. Canonen abgefeuert wurden, so bemerckten wir, daß die Insulanischen Officiers ziemlich begeistert waren, wir zogen derowegen unsere guten mittelmässigen Kleider an, setzten uns mit ihnen in eine Chalouppe, und fuhren also die 4. Schiff-Capitains, denn jeder 6. Mann zur Bedienung mit sich nahm, mit den Insul. Officiers nebst 6. Trompetern und 2. Pauckern, dem Lande zu, nachdem wir uns mit den Insulaner- Officiers zum öfftern gehertzt und geküsset hatten.

So bald wir ans Land gestiegen waren, wurde von allen unsern 7. Schiffen eine Salve, und zwar von jedweden aus 12. Canonen gegeben, wovon die gantze Insul zu erschüttern schien. Der Insulanischen Militz verursachte dieses eine besondere Freude. Ihre Officiers verfügten sich so gleich zu ihren Leuten, welche parade machen, und aus ihrem Hand-Gewehr 3. mahl Salve geben musten. Worauf unsere Schiffe jedesmahl noch eine Salve von 12. Canonen hören liessen. Hierauf setzten wir 4. Capitains uns in einen parat stehenden kostbaren Wagen, und liessen uns nach der Burg des Gouverneurs fahren, allwo 2. Compagnien Granadiers mit aufgesteckten Bajonetten stunden, salutirten und ihr Gewehr præsentirten, anbey Trommeln und Pfeiffen sich lustig hören[73] liessen; auch ließ der Commendant, uns zur Bewillkommung und zu Ehren, dreymahl 24. Canonen von den Wällen lösen, denn er wohnete auf einer prächtigen Citadelle. Vor dem äusersten Thore hielten wir stille, und traffen daselbst 2. Fouriers und 16. Bedienten an, die seine Livree trugen. Wir machten uns fertig abzusteigen, allein einer von denen Fouriers kam zu uns, und sagte: wir möchten noch sitzen bleiben, und bis auf den innern Platz fahren, denn der Gouverneur hätte befohlen, daß man uns bis vor das Portal der grossen Treppen fahren, und daselbst solte absteigen lassen. Dieses geschahe, und der Gouverneur, der 6. Cavaliers nebst noch vielen Bedienten hinter sich hatte, war so complaisant, bis unten an die letzte Stuffe der Treppe uns entgegen zu kommen und zu bewillkommen.

Es war ohngefähr um 6. Uhr des Abends, als wir bey ihm eintraffen, und er führete uns alle 4. Capitains in ein recht propres und in Warheit, recht Fürstliches Zimmer, ließ vorerst in aller Geschwindigkeit einen Tisch, der mit Caffeè besetzt, und noch einen andern Tisch, auf welchem viele Bouteillen mit Wein angefüllet, nebst vielen Schalen voller Eis, auch vielen Schalen von allerley Confituren beladen, gegen uns übersetzen, und nöthigte uns, von allen dem zu nehmen, was nach unserm Appetite uns von seinen Bedienten vorgesetzt wurde; anbey nur dreuste zu fordern, von welcher Sorte Wein, einem oder dem andern zu trincken beliebte. Uns war vorerst mit nichts bessers, als einem Schälchen Caffeè gedient, und da wir nun deren etliche getruncken[74] hatten, redete ich zu ihm in Portugiesischer Sprache diese Worte:


Hochgebiethender Herr!

Dieselben werden von unsern Abgeschickten vielleicht vorläuffig vernommen haben, was uns seit ein paar Tagen passiret ist, derowegen will Ew. Hochgeb. mit einer weitläufftigern Erzählung unserer Fatalitäten nicht beschwerlich fallen, bis, da Sie es ja verlangen solten, auf eine andere Zeit. Unterdessen bitten wir gantz gehorsamst uns Dero Schutz aus, damit wir von den Einwohnern dieser Insul in Friede und Ruhe leben, unsere Schiffe ausbessern, und unser erbeutetes Gut unter einander redlich theilen können. Wir werden uns, so lange wir hier sind, als honette Leute aufführen, und vor unserer Abseegelung, wo uns anders Schutz und Hülffe nicht versagt wird, unsere Erkäntlichkeit reellement zeigen so wohl gegen Hohe, als Geringere nach proportion; weilen uns von unsern getreuen Freunden, den mit uns angelandeten Portugiesen, gesagt worden, daß der Gouverneur dieser Insul einer der heroischen und redlichsten Menschen in der Welt wäre. Derowegen begeben wir uns unter Ew. Hochgebiethl. Schutz, und sorgen weiter vor nichts, als Ihnen unsere Ergebenheit und Dienstgeflissenheit zu zeigen.

Auf dieses antwortete der Gouverneur in der Geschwindigkeit also:


Meine werthesten Brüder und Freunde!

[75] Es erfordert nicht allein die Christen-Pflicht, sondern auch meine besondere Pflicht und Schuldigkeit, den Hülffs-bedürfftigen, nach aller menschlichen Möglichkeit, Hülffe und Schutz angedeyhen zu lassen, warum solte ich es denn an euch nicht thun, die ich, wegen der genauen Allianz, in diesem Stücke alle vor meine Brüder und Freunde erkennen will und muß. Ich habe eine besondere Freude gehabt über das, was mir euer Abgesandte erzählt, nunmehro aber ist meine Freude vollkommen, da ich höre, daß ihr die Barbaren vollkommen besiegt, und ihre Schiffe benebst den Gefangenen in meinem Hafen liegen habt: Traget keine Sorge, es soll euch keiner entwischen, denn ich will so gleich Ordre stellen, daß sich eines von meinen Kriegs-Schiffen vor den Eingang des Hafens legen soll. (und nachdem er diese Worte gesprochen, rief er sogleich einen von seinen Officiers, und gab ihm die Ordre, daß er eines von den besten Kriegs-Schiffen, sich vor den Mund des Hafens zu legen, commandiren solte.) Im übrigen aber, meine Brüder, Herrn und Freunde! wolte ich wohl morgen frühe die Compagnie, so ich zu Besetzung des Ufers euch zugesendet, mit 2. Compagnien ablösen lassen, allein ich sehe gar nicht, worzu es nöthig ist, weilen ihr alhier so sicher seyd, als wenn ihr zu Hause[76] wäret, denn meine Soldatesque und Land-Leute habe ich dergestalt im Zaume, daß sie mir auf einen Winck gehorsamen müssen. Ich bin ihnen nach Beschaffenheit der Sachen gelinde und scharff. Kleine Sotisen lasse ich mit kleinen Straffen büssen, bey groben aber erzeige ich mich, der Justitz gemäß, desto schärffer, und sonderlich stehet den Ehebrechern, Mördern und Dieben so gleich Galgen und Rad zu Dienste. Allein ich kan sagen, daß ich binnen 12. Jahren (als so lange ich allhier Gouverneur gewesen) nicht mehr als 3. Executionen habe müssen verrichten lassen. Meine Vorfahren sind Geitz-Hälse und Leute-Schinder gewesen, um sich so wohl an den Einheimischen als, bey guter Gelegenheit, an den Fremden zu bereichern. Aber so ein Mann bin ich nicht, sondern bedencke GOtt und mein Gewissen, weilen ich weiß, daß ich am jüngsten Tage viel zu verantworten habe. Ich weiß nicht, ob es ihnen bekannt ist, daß die Gouverneurs auf dieser Insul alle drey Jahr abgewechselt werden; allein man hat mich binnen 12. Jahren nicht abgewechselt, und wenn auch die Abwechselung morgen geschähe, so habe ich GOTT zum Freunde, und kan mit gutem Gewissen meine Rechnungen ablegen, auch von meiner Conduite und allen andern Actionen seit 12. Jahren her, Rede und Antwort geben. Die Liebe meiner Unterthanen habe ich mir dadurch[77] erworben, daß ich sie niemahls gedrängt und durch Execution erpressen lassen, was sie mir zu zahlen schuldig gewesen, vielmehr manchen durch die Finger gesehen, und nach proportion seiner Armuth, offtermahlen mehr, als die Helffte geschenckt, wessentwegen ich mich getrauete, wenn ich mich im Walde oder Felde verirret hätte, es sey bey Tage oder Nacht, in eines jeden mir begegnenden Unterthanen Schoosse, ob es auch der geringste wäre, sanfft und sicher zu schlaffen. Ausser diesen allen gefället dieses meinen Unterthanen unvergleichlich wohl, daß ich eine scharffe Zucht unter meiner Soldatesque halte, deren ich 3000. regulirte Mannschafft, ohne die Land-Militz, unter meinem Commando habe. Meine Soldaten haben mich alle lieb und werth, weilen ich ihnen ihr Brod und Geld richtiger austheilen lasse, als meine Vorfahren seithero gethan. Ich bin ein Mann, der, weil er bedenckt, daß ihm GOtt eine honorable Charge, auch Geld und Gut nach seinem Stande zum Uberfluß gegeben, das Suum cuique wohl observirt. Mein einziges Vergnügen ist dieses, wenn ich mercke, daß ich und meine Familie sich gesund befinden, hernach mein Amt behörig verrichten, und den Armen Gutes thun kan, als deren Freund ich im höchsten grade bin, denn ich bemercke, daß die Armen mir viel Seegen ins Hauß bethen, ohngeacht ich schon so viel habe, mich[78] und die Meinigen zu versorgen bis an mein Ende, und vielleicht auch noch etwas übrig zu lassen verhoffe etc.

Nachdem er eine Zeit lang mit Reden inne gehalten, sagte ich zu meinem Bruder, der mir an der Seite stund, in deutscher Sprache, nur diese wenigen Worte: Bruder! solchen Glauben habe ich in Israel nicht funden! So gleich fieng der Gouverneur mit Lächeln zu sagen an: Meine Herren! ich kan auch etwas deutsch verstehen, und so ziemlich reden, weilen ich mich nicht länger als 2 Jahr in Deutschland aufgehalten, und darinnen die admirablesten Leut von der Welt angetroffen habe. Sie geben sich zwar vor Holländer aus, allein daran zweiffele ich, sondern glaube vielmehr, daß sie in Deutschland gezogen und gebohren sind, weilen ich dieses nicht allein an ihren dialecto, sondern auch aus ihrer beyder gantzen Aufführung wohl beobachte. Wir beyden Brüder stutzeten ziemlich, da man unsere Sprache verstund, der Gouverneur aber hub an zu lächeln, und sagte: Ey! weg mit dem Wasser, wo es beliebig, wollen wir ein gut Glaß Wein trincken, und zwar vom allerbesten Canari. Kaum hatte er seinen Bedienten einen Winck gegeben, als diese einen angefülleten Pocal mit Weine, der ziemlich groß war, aufsetzten. Der Gouverneur fieng an: Meine Herren! auf gute Gesundheit und Glück unser aller, die wir einander allhier lebendig sehen, derer Potentaten Gesundheit gienge zwar vor, allein, wir wissen nicht, ob dieser oder jener noch lebet: Vivamus! Indem er nun den Pocal ansetzte, wurden[79] sogleich auf den Wällen 12. Canonen gelöset und dieses wurde continuiret, bis der Gesundheits-Pocal herum gegangen war.

Wenige Zeit hernach, wurde durch 6. Trompeter und 1. Paucker zur Tafel geblasen und geschlagen, weßwegen der Gouverneur denn sehr nöthigte uns nicht länger zu versäumen, sondern unserer Führerin zu folgen. Dieses war seine Gemahlin, eine Dame von ohngefähr 40. Jahren, sahe aber noch sehr schön aus, wir giengen demnach auf sie zu, und hatten die Ehre, sowohl ihr, als ihren beyden schönen Töchtern, die Hände zu küssen, allein, sie waren alle, der Landes-Art nach, so gefällig, einem jeden von uns den Mund darzubiethen, und einen derben Kuß darauf zu empfangen. Hierauf gieng des Gouverneurs Gemahlin voran, ein General führete die älteste, und ein Obrister die jüngste von ihren schönen Töchtern; sodann folgten Paarweise, die Portugiesischen Capitains, und hinter denselben ich und mein Bruder im Paare, nach uns zählete ich noch accurat 20. Paar Cavaliers und Officiers. Nachdem ein Page das gewöhnliche Gebeth vor Tische in lateinischer Sprache gesprochen, wurden die Speisen vorgelegt. Ich will mich aber bey Beschreibung der Gerichte, deren mancherley Abwechselungen und delicater Zurichtung, eben nicht aufhalten, sondern nur so viel sagen, daß diese Tafel, einer aufs delicateste besetzten Fürstlichen Tafel nichts nachgab. Wir Fremden wurden von dem Gouverneur, seiner Gemahlin und ihren schönen Töchtern beständig[80] aufs complaisanteste und liebreichste zum speisen genöthiget, und plötzlich ließ sich in einem Neben-Zimmer, dessen 2. Thüren so gleich eröffnet wurden, die aller angenehmste Tafel-Musique, auf Italiänische Art, hören. Die Abwechselungen der Concerten, Ouverturen und dergleichen musicalischen Händel, fielen gantz unvergleichlich in die Ohren, und dieses währete über eine gantze Stunde, so dann wurden lauter goldene Becher und ein grosser mit Diamanten und Rubinen besetzter goldener Pocal herbey gebracht, welcher wenigstens 3. bis vierdtehalb Pfund schwer war, und da fast über ein Maas hinein gieng, diesen nahm der Gouverneur, stund an der Tafel auf, und sagte: Auf gute Gesundheit und Glück unserer angekommenen lieben Gäste, so wohl Holländer als Portugiesen. Es stund alles auf, was bey der Tafel saß, indem liessen sich Trompeten und Paucken lustig hören, und es wurden dabey 12. Canonen abgefeuert. Er tranck den Pocal nicht gantz aus, sondern so viel, als ihm beliebte, machte ein Compliment gegen uns, und sagte: Meine Herren! nehmen Sie nicht ungütig, daß ich mein besonderes Ceremoniel observire, denn ich trincke nicht mehr, als mir schmeckt, und ich meiner Meynung nach vertragen kan, forçire auch niemanden zum Truncke, sondern lasse nach Appetite einem jeden seinen Willen.

Hierauf setzten wir uns nieder, indeß kam ein Page, welcher den Pocal wegnahm, den übrigen Wein in einen grossen silbernen Schwenck-Kessel schüttete, den Pocal wieder ausspülte, und[81] denselben des Gouverneurs Gemahlin præsentirte, die so gut mit machte, als der beste Cavalier. Die Dame trunck es ihrer ältesten Tochter, und diese ihrer Schwester zu, und war hierbey zu bemercken: daß, so offt eine Person an der Taffel den Pocal ausgetruncken, ein Page kam, der den noch übrig darinnen befindlichen Wein in den silbernen Schwenck-Kessel goß, den Pocal mit Wasser ausspülete, wieder voll Wein schenckte, und ihn demjenigen, welchem es zugetruncken war, auf einer goldenen Schaale præsentirte, auch darbey credentzte. So gienges von oben an bis unten aus.

Meinem Bruder war seiner Haupt-Wunde wegen bey Tische nicht allzu wohl, welches ich wohl merckte, indem er sich zum öftern im Gesichte veränderte, allein, weil er ein Löwen-Hertz im Leibe hat, so verbiß er seine Schmertzen, und ließ sich nichts merken, weßwegen ich auch stille schwieg. Unterdessen war des Gouverneurs älteste Tochter, so neben mir saß, dieses gewahr worden, neigte sich also zu mir, und sagte: Mein Herr! wie kommt mir euer Herr Bruder vor? er verwandelt sich öfters im Gesichte. Es wäre kein Wunder, Gnädiges Fräulein, (gab ich zur Antwort) wenn er sich zuweilen im Gesichte verwandelte, denn er hat gestern Abend einen gewaltigen Hieb über den Hirnschädel, und eine Kugel in die lincke Hüffte bekommen; Allein, er wird daran nicht sterben. So bald ich ausgeredet, ließ das Fräulein einige Thränen fallen; worauf sie von ihrer Frau Mutter befragt wurde, was sie weinete, und[82] was sie mit mir gesprochen hätte? Sie erzählete alles bona fide, da denn die Dame meinen Bruder inständig bath, aufzustehen, und sich in ein anderes Zimmer führen zu lassen, wo er seiner Gesundheit pflegen, und der Ruhe geniessen könte; Allein der Kerl ließ sich weder durch das Frauenzimmer, noch durch den Gouverneur und andere Wohlwollende darzu erbitten, sondern blieb sitzen, wie ein Ast.

Ich aber rufte einen Pagen auf die Seite, und verabredete mit ihm, daß er mir den grossen Pocal voll einschencken, und darbey befehlen möchte, daß unter währenden Trincken, auf Gesundheit des Herrn Gouverneurs dieser Insul etc. allezeit 12. Canonen solten gelöset werden. Das Herrchen war fix, kam bald wieder zurück, und gab zu vernehmen, daß alles wohl bestellet wäre, brachte mir auch zugleich den Pocal, auf einem goldenen Credentz-Teller, mit welchem ich in die Höhe trat, und mit lauter Stimme sagte: Vivant Ihro Excell. der Herr Gouverneur dieser Insul, nebst Dero hohen Familie! Kaum hatte ich den Pocal angesetzt zum Trincken, als sich 12. Canonen nebst Trompeten und Paucken auf einmahl hören liessen, und dieses gieng, (nachdem ich gezeigt, daß ich den Pocal gantz ausgeleeret, und diesesmahl dem Schwenck-Kessel nichts gegönnet hatte) rund um. Ich bemerckte, daß der Gouverneur, seine Gemahlin und Kinder über mein Verfahren schmuntzelten, denn ich konte ihnen allen ins Gesichte sehen, ohngeachtet der Gouverneur mit seinen 2. Söhnen gantz zu unterst[83] an der Tafel saß; Es war also ein artiges Kleeblat, oben die Mutter mit den Töchtern und unten der Vater mit zwey Söhnen. Nachdem der Pocal herum war, stimmete der Gouverneur aus den kleinen Bechern erstlich noch Privat-Gesundheiten an, und zwar vor alle Personen, die sich an der Tafel befanden, bey einer jeden wurden aber nur 3. Canonen gelöset. Wir sassen also so lange bis über Mitternacht an der Tafel, und mein Bruder hatte sich wohl gehalten bis auf den letzten Mann.

Nach aufgehobener Tafel sahe sich ein jeder nach seiner Ruhe-Stelle um, mich und meinen Bruder aber, welcher etwas blaß aussahe, begleiteten der Gouverneur, dessen Gemahlin, Töchter und Söhne bis hinauf in das obere Stockwerck, allwo uns zwey Zimmer angewiesen wurden, welche Communication mit einander hatten. Es trieb sie, wie die Dame sagte, nichts darzu an, als die Curiositeè, um meines Bruders Haupt-Wunde verbinden zu sehen. Wiewohl uns nun die Dame einen Artzt vorgeschlagen, dessen Kunst sie ungemein rühmete; so wolten wir doch unsere Schiffs-Barbier (welches in Wahrheit geschickte Männer waren, und noch gute Leute unter sich zu ihren Diensten hatten) nicht eyfersüchtig machen, weilen wir bedachten, daß wir vielleicht ihre Hülffe in Zukunfft weiter möchten nöthig haben. Da nun meines Bruders Schiffs-Barbier die Deckel und Pflaster von der Haupt-Wunde abgenommen, war dieses eben nicht allzu appetitlich anzusehen, zumahlen, da[84] um die Fingers-lange Wunde herum alles Haupt-Haar mit dem Scheer-Messer abgenommen war. Der Gouverneur und dessen Gemahlin wolten sich bey so gestalten Sachen, und zumahlen, da er noch eine Kugel im dicken Beine stecken hatte, bald des Todes über meines Bruders Muth und Hertzhaftigkeit verwundern. Die Söhne sahen die Wunde auch mit Erstaunen an, da aber die Töchter gleichfalls herzu traten, und dieselbe betrachteten, sanck die älteste gantz unvermuthet in Ohnmacht dahin, weßwegen man sie nur vorerst auf das, nicht weit davon stehende Bette legte, und sie mit Schlag-Wasser und flüchtigen Spiritu nach Verlauf einer viertel Stunde wieder zu sich selber brachte. Wir beyden Brüder bezeigten unsere hertzliche Compassion und Exquisen wegen dieses Zufalls, allein die Frau Mama sagte mit lachendem Munde: Das Närrichen hätte können davon bleiben, denn sie weiß, daß sie nicht einmahl eine Gans oder Huhn kan abschlachten sehen. Nachdem aber mein Bruder verbunden, ersuchte mich der Gouverneur, ich möchte ihm den Gefallen erweisen, und meine Arm-Wunde ebenfalls in ihrer Gegenwart verbinden lassen; ich deprecirte zwar solches, weilen es sich in Gegenwart hohen Frauenzimmers nicht schickte, allein, da er nicht nachließ, mich zu bitten, und ich sonsten wuste, daß ich so weiß und reine an meinem Leibe, als ein Fisch, so entblössete ich meinen Arm und Brust, und ließ mich verbinden. Sie verwunderten sich, daß ich, bey der Fingers-langen Wunde, doch den Arm noch so gut brauchen könte,[85] allein ich sagte ihnen, wie ich gar keine Schmertzen oder besondere Incommoditee dabey verspürete, sondern dieselbe en bagatell estimirte, indem ich deren weit gefährlichere aufzuzeigen hätte.

Wahrhaftig, (sagte des Gouverneurs Gemahlin,) meine Herren! eure Haut muß von Bleche, das Fleisch von Eisen, und die Knochen von Stahl seyn, wenn ihr dergleichen Blessuren so en bagatell tractiret. Der Gouverneur fiel ihr ins Wort, und sagte zu mir: Nein, meine Herren! das ist keine Sache oder Rath, sondern ich werde euch beyde nicht ehe aus meinem Hause lassen, bis ihr vollkommen curirt seyd. Wir danckten vor dessen gütiges Anerbiethen, und bathen uns aus, nur erstlich den morgenden Tag, wenn es erlaubt wäre, allhier auf seiner Burg abzuwarten. Hierauf wurde die älteste Fräulein aufgenommen, und erinnert, daß sie sich in ihr Zimmer begeben solte. Sie stund demnach auf, und nahm Abschied von uns. Mein Bruder bezeugte ihr nochmahls seine hertzliche Compassion, wegen des ihr begegneten unvermutheten Zufalls, und machte sich so dreuste, ihr 3. mahl die Hand und 3. mahl den Mund derb zu küssen, worauf der Gouverneur mit allen den Seinigen uns eine geruhige Nacht wünschete, und sich hinunter zu ihren Gästen begaben, mit denen sie, wie man hörete, noch 2. gute Stunden discourirten und becherten. Bald nach ihrem Hinweggehen, kamen 2. alte Matronen und 2. Pagen zu unserer Bedienung, welche noch ein Compliment von ihrer Herrschafft brachten, und sagten, daß sie befehligt wären, diese Nacht bey uns zuzubringen[86] und zu bewachen; Derowegen dürfften wir nur kühnlich fordern, was unser Hertz begehrete, indem uns von ihrer Herrschafft wegen, alles zu Diensten stünde.

Ich ließ meinen Bruder in diesem Zimmer, und suchte mein Bette in dem Neben-Zimmer, da denn ein jeder von uns den Schiffs-Barbier, 2. Schiffs-Soldaten und, wie schon gemeldet, die 2. alten Matronen und die 2. Pagen zu Wächtern bey sich hatte. Ehe wir aber noch eingeschlaffen waren, kamen die 2. Portugiesischen Capitains nochmahls zu uns, um uns ihr Beyleyd zu bezeugen, und eine angenehme Nacht-Ruhe anzuwünschen, welches sie denn mit der grösten Freundschaft und Zärtlichkeit thaten, ja wir erkanten sie vor recht redliche Leute. Früh Morgens, so bald es helle ward, beredeten wir beyden Brüder uns, und schickten zwey von unsern Bedienten an meinen Lieutenant, daß er so gut seyn möchte, unsere Kleider- und Wäsch-Kisten eröfnen, und vor einen jeden von uns, ein rothes mit Silber- und ein blaues mit Golde bordirtes Kleid nebst etlichen Anzügen weisser Wäsche, ingleichen etliche Paar seidener Strümpffe von verschiedenen Farben, auch 2. rothe, 2. blaue und 2. weisse Feder-Hüte in Mantel-Säcke möchte einpacken, und auf 2. Maul-Thieren anhero bringen lassen; weilen wir, da wir einige Incommodität an unsern Wunden verspürt, uns noch wohl etwa 3. bis 4. Tage bey dem genereusen Gouverneur aufhalten möchten. Im übrigen lautete die Ordre, die ich eigenhändig schrieb, noch so: daß er auf beyden Schiffen, nebst seinen [87] Subalternen alles wohl beobachten möchte, weil wir unser Vertrauen gäntzlich auf seine vortrefliche Conduite und Geschicklichkeit gesetzt hätten etc.

Unsere Bedienten giengen noch vor Aufgange der Sonnen fort, und kamen viel eher zurück, als wir uns dessen vermutheten, brachten auch alles auf den Maul-Thieren mit, was wir verlangt hatten, benebst dem schrifftlichen Rapport des Lieutenants, worinnen er meldete: daß auf beyden Schiffen alles noch sehr wohl stünde; und das Volck, welches er aufs beste verpflegte, indem er wohl wüste, daß wir beyden Capitains, zumahlen bey dergleichen Umständen, keine Menageurs wären, bezeigte sich lustig und guter Dinge. Die meisten Patienten wären ausser Gefahr, jedoch in verwichener Nacht auf meinem Schiffe 1. auf meines Bruders Schiffe aber 2. Mann gestorben, welche er auf Breter binden, und unter 3. mahliger Lösung des Hand-Gewehrs, der See übergeben lassen.

Wir waren mit unsers Lieutenants Conduite zuftieden, indem er auch in der That ein gescheuter und geschickter Officier, anbey eine vollenkommene Courage hatte.

Mittlerweile hatte unsere Frau Wohlthäterin, welcher die Leutseeligkeit aus den Augen leuchtete uns eine starcke Portion Chocolade herauf geschickt, ließ anbey fragen, ob uns auch mit Theè, oder Caffeè, oder sonsten etwas zum Frühstück gedienet wäre? allein wir deprecirten alles andere, und liessen zurück melden, daß wir mit diesem delicaten Frühstück uns behelffen wolten bis zur Mittags-Mahlzeit. Indem wir beyde Chocolade[88] trancken, kamen nebst denen Portugiesischen Capitains 2. Cavaliers des Gouverneurs, welche im Nahmen des Gouverneurs und seiner gantzen Familie uns den Morgen-Gruß brachten, und sich um die Beschaffenheit unserer beyder Gesundheit erkundigten. Wir liessen unter währenden Gegen-Compliment dieselben etliche Tassen Chocolade mit uns trincken, discourirten hernach von einem und andern, worbey ich gestehen muß, daß wir die beyden Cavaliers vor gelehrte, rafinirte Cavaliers erkanten. Sie hielten sich aber nicht länger bey und auf, bis die Chocolade ausgetruncken war, und eileten, ihrem Principal unser Gegen-Compliment zu überbringen. Bald hernach kam eine alte Matrone, welche im Nahmen der Gouverneurin fragte: ob uns etwa beliebig, alleine auf unsern Zimmern zu speisen, oder ob wir zur ordentlichen Tafel kommen wolten? welches letztere sie mit Vergnügen und weit lieber sähe, zumahlen sich noch einige Gäste mehr eingefunden. Wir liessen zurück melden, daß, da wir uns wegen so unvergleichlicher guter Wartung und Verpflegung, fast halb curirt befänden, wir lieber en Compagnie, als alleine speisen wolten, wenn wir nur nicht zu befürchten hätten, daß wir als Patienten, der gantzen Gesellschafft einen Eckel verursachen möchten. Die Alte gieng mit diesem Bescheide fort, und brachte von ihrer Frauen zurück, daß wir nicht eigensinnig seyn, sondern zur Tafel kommen solten, so bald als geblasen würde, worzu wir noch etwa eine halbe Stunde Zeit hätten. Demnach liessen wir uns durch unsere[89] Bedienten aufs propreste in Blau mit einem Hute, worauf eine rothe Feder, ankleiden, und discourirten hernach unter dem Spazieren-gehen in dem Zimmer von ein und andern wichtigen Affairen, so lange bis uns Trompeten und Paucken zur Tafel citirten, da wir denn, ein jeder 2. von unsern propre montirten Laquais hinter sich habend, in das Tafel-Zimmer mit goldenen Degen und Stock eintraten, erstlich ein Compliment en generell, hernach aber en speciellement machten. Wir bemerckten, daß sich die Gesellschafft auf die 10. Personen, so wohl männliches als weibliches Geschlechts verstärckt hatte, demnach wurde des angekommenen Frauenzimmers wegen, deren ihrer 6. waren, eine kleine Veränderung des Ranges gegen gestern gemacht. Ehe wir uns noch zu Tische setzten, winckte uns beyden Brüdern die Frau Gouvernantin; wir stelleten uns vor sie, da sie denn sagte: Ey! sind das Patienten? Ich glaube, wenn jetzo ein Barbar ihnen entgegen käme, mit seinem besten Säbel, sie zögen dennoch die Fuchteln, und bohreten ihm das Hertz im Leibe durch. Ich antwortete: Madame! daß wir noch so ziemlich vigoreus vor Ihnen erschienen, haben wir nichts anders zu dancken, als Dero Gnade, die Befehl gegeben, uns aufs beste zu pflegen und zu warten. Wir machten anbey ein tieffes Compliment vor die Dame, küsseten ihr die Hand und Mund, und setzten uns so, wie die andern, zur Tafel. Hierbey gieng es weit delicater und kostbarer zu als gestern, ja ich lüge nicht, wenn ich sage, daß die Tractamenten mehr als Fürstlich waren,[90] hierbey wurde der Pocal und die kleinen güldenen Becher auch nicht müßig gelassen, und darbey das Pulver in den Canonen gantz und gar nicht menagirt, welches mich am allermeisten dauerte, sonsten aber delectirte mich nichts mehr, als die unvergleichliche Italiänische Tafel-Musique. Es gieng aber gantz fein und lustig auch bey der Tafel zu, und zwar, wie man in Europa zu sagen pflegt, von Boben-Thal.

Mittlerweile erhub sich ein Streit über der Tafel, um zu wissen wie viel Uhr es wohl accurat sey? der Gouverneur selbst hatte eine kostbare Uhr, und seine Cavaliers und Officiers führeten auch Uhren bey sich, nach Proportion ihrer Güte, sie zeigten ihre Uhren alle auf, gewiß zu erfahren, wie hoch es wohl etwa an der Zeit seyn möchte; endlich kam die Reihe an uns, und die Portugiesischen Capitains, welche ihre Uhren auch aufzeigten und bekanten, daß es etliche Minuten auf 3. Nachmittags wäre, aber der Gouverneur wolle damit nicht zufrieden seyn, sondern statuirte, daß es vollkommen 3. Uhr wäre. Mein Bruder trat auf, und sagte: Meine Herren! ich bin ein geringer Mathematicus, und ein rechter Uhren-Narre, führe also mehren theils 2. 3. bis 4. Uhren bey mir; grif demnach in die Ficke, und langte seine Haupt-Uhr, in deren Gehäuse unten eine Magnet-Nadel gesetzt war, heraus, und sagte: Dieses ist meine Haupt-Uhr, schlecht von Ansehen, aber tüchtig vom Verstande, denn es müste die Sonne nicht richtig gehen, wenn diese meine Uhr nicht richtig gienge, nach welcher sich alle meine andern Uhren, deren ich noch viele kostbare und[91] schlechte habe, zu richten pflegen. Demnach gieng diese Haupt-Uhr um die gantze Tafel herum, wurde auch von jeden besichtiget und bewundert; Da diese Uhr aber an ihren Mann zurücke kam, brachte derselbe eine dem Ansehen nach weit kostbarere güldene Repetir-Uhr hervor, die bis 300. Thlr. werth, indem sie starck mit Diamanten und andern Edelgesteinen besetzt war. Diese gieng auch um die Tafel herum, und wurde von einem jeden bewundert, bis sie auch wieder an ihren Mann kam. Unterdessen mochte das älteste Fräulein des Gouverneurs, ein Auge auf diese Uhr geworffen haben, weßwegen sie meinen Bruder bath, seine Stelle zu verändern, und sich an ihre Seite zu setzen, um ihr die Vortheile bey einer Repetir-Uhr zu zeigen, denn sie hätte zwar viel hundert Uhren gesehen, aber noch keine rechte Repetir-Uhr. Mein Bruder gehorsamte ihren Bitten, setzte sich neben sie, machte die Uhr aus einander, und zeigte ihr alle Hand-Griffe und Vortheile, immittelst ließ er noch 2. Uhren um die Tafel herum gehen, welche wegen ihrer Schönheit und Accuratesse von allen bewundert wurden. Das Fräulein machte sich eine ungemeine Freude daraus, daß sie in kurtzer Zeit so fix repetiren gelernet, præsentirte aber meinem Bruder auf einem goldenen Teller die Uhr wieder zurück; Allein dieser war damahls so genereux, daß er sich weigerte, die Uhr wieder zurück zu nehmen, sondern sagte, weilen er vermerckt, daß das gnädige Fräulein einiges Vergnügen an dieser Kleinigkeit gefunden, so offerire er die Uhr Deroselben zum Præsent und geneigten Andencken seiner[92] wenigen Person. Denn er hätte noch ein Paar dergleichen, und noch einige geringere in seiner Kiste. Sie richtete sich in etwas in die Höhe, und sagte, mit einer charmanten Mine, nicht mehr als diese Worte: Mein Herr, ich dancke vor dieses kostbare Præsent; Ich will mich revangiren.

Eben also gieng es diesen Abend noch meinem Bruder, mit einer goldenen, mit Diamanten und andern edlen Steinen besetzten Tabattiere, welche er eben diesem Fräulein darreichte, um eine Prise daraus zu nehmen, da aber diese auf dem im Deckel befindlichen Bilde sahe, daß ein Matrose vor einer schönen Dame auf den Knien lag, und ihr sein Hertz mit wundersamen Geberden præsentirte, wolte sie sich fast schäckig darüber lachen, weßwegen mein Bruder ihr auch diese Dose schenckte. Nachdem aber der Uhr- Streit ein Ende gewonnen, und mein Bruder alle seine Uhren (ausgenommen die kostbare) wieder in der Ficke hatte, wurde abermahls Tafel-Musique gemacht, und dabey noch wohl eine gute Stunde tüchtig gebechert. Worauf die Tafel abgehoben, weggesetzt, und Anstalt zum Tantzen gemacht wurde. Der Gouverneur selbst machte mit seiner Gemahlin den Anfang, nöthigte hernach uns übrigen, daß wir folgen solten, welches denn auch von vielen geschahe, allein ich befürchtete mich, zumalen wegen des vielen getrunckenen Weins, meine Arm-Wunde zu erhitzen; ließ derowegen das Tantzen bleiben. Mein Bruder aber war so toll, und forderte das älteste Fräulein des Gouverneurs zum Tantze auf, diese aber sagte (wie ich denn gantz nahe dabey stund, und alle[93] Worte hören konte) so viel zu ihm: mein Herr! vergebet mir, daß ich euch vor diesesmahl den Tantz abschlage, indem ich euren Zustand weiß, und mich Zeit Lebens nicht zufrieden geben könte, wenn ihr eure Wunden erhitztet, und in Gefahr lieffet. Ich werde auch mit keinem andern tantzen, sondern mich mit Kopff-Schmertzen entschuldigen. Lieber wolte ich euch noch heute Schuh und Stiefeln putzen, als mit euch tantzen, denn ich habe viel zu viel Vorsorge und Nachsinnen wegen eurer Gesundheit. Ich will mich zu eurem Herrn Bruder setzen, mit ihm ein gut Gespräche halten, und darbey dem Tantze zusehen, weil derselbe, wie ich mercke, auch keinen Appetit zum Tantzen hat. Also kam mein Bruder zu uns, setzte sich neben das Fräulein, so daß wir sie recht in der Mitten hatten, und führeten ein lustiges Gespräch. Es kamen ihrer viele, die das Fräulein zum Tantze auffordern wolten, allein sie schützte Kopf-Schmertzen vor, nahm auch, da es gegen 10. Uhr kam, von uns Abschied, und begab sich zur Ruhe. Da das Schwärmen jedoch kein Ende nehmen wolte, wurden wir es auch überdrüßig, und schlichen auf unsere Zimmer, befahlen aber einem Pagen, dem Herrn Gouverneur und dessen Gemahlin unsern Respect zu vermelden, mit gehorsamster Bitte uns nicht ungnädig zu vermercken, daß wir stillschweigend fortgeschlichen wären, indem uns die Schmertzen unserer Wunden zum Verbinden angetrieben hätten. Der übrigen Compagnie aber, solte er gleichfalls unser dienstlich Compliment machen.

Nachdem wit auf unsern Zimmern angelanget, kam dieser Page bald hinter uns her, und[94] brachte das Nacht-Compliment von seiner Herrschafft, ihm folgten 2. Laquais, welche die Abschencke, die in einer grossen güldenen Kanne voll Wein und einer grossen Schaale voll allerley Confituren bestund, auf unsere Tafel setzten. Nach diesen kamen abermahls 2. Pagen und 2. alte Matronen zu unserer Bedienung, allein wir hielten uns dißmahl nicht lange auf, sondern legten uns, nachdem wir verbunden waren, bald zu Bette, wurden aber dennoch noch nicht zur Ruhe gelassen, indem uns ein paar Stunden darauf die Musicanten eine admirable Abend-Musique vor den Thüren unserer Zimmer brachten, welche fast eine halbe Stunde währete. Wir delectirten uns daran, und schlieffen darüber ein. Früh Morgens, so bald es Tag war, schrieb ich eine Ordre an meinen Lieutenant: vor uns deyden Brüder, aus den Kleider-Kisten jedem ein grünes mit goldenen Espagnen bordirtes Kleid, noch einige Anziehe-Wäsche, 500. Raqueten, 500. gefüllete Granaden, und 2- bis 3000. kleine Schwärmer, 200. Wasser-Kegel und 500. Lust-Kugeln zu schicken, auch unser beyder Leib-Büchsen, Flinten und Pistolen, item 2. Feuer-Mörser und 24. gefüllete Bomben, anbey 12. Granadiers, und zwar die geschicktesten. Im übrigen bäthen wir accuraten Rapport aus, hätten vorjetzo weiter nichts zu commandiren, indem wir wohl wüsten, daß er das Commando schon vor sich selbst aufs beste verstünde, weßwegen wir alles seiner berühmten Conduite überliessen etc.

Hiermit schickten wir abermahls 2. von unsern[95] Bedienten nach unsern Schiffen fort, bekamen Theè, Caffeè und Chocolade von unserer Wohlthäterin geschickt, worbey sich die 2. Portugiesischen Capitains, als welche uns recht brüderlich liebten, nebst 2. Cavaliers des Gouverneurs waren, die uns das Morgen-Compliment brachten, wovon der eine zurücke gieng, und unser Gegen-Compliment ablegte, jedoch bald zurück kam, und mit uns tranck, denn ein jeder konte nach Belieben trincken, was er wolte. Wir hielten unter einander lauter politische Gespräche, bis ein Page ansagte: daß binnen etwa einer halben Stunde würde zur Tafel citirt werden. Demnach retirirten sich die Capitains und Officiers, wir aber liessen uns ankleiden, und zwar in Roth mit Silber bordirt, worzu wir jeder einen Huth mit weisser Feder aufsetzten, und, so bald zur Tafel geschlagen worden, uns gehöriges Orts meldeten, nachdem uns zwey Officiers zu allem Uberflusse abgeruffen hatten. Es gieng bey derselben eben so in floribus zu, als gestern und ehegestern, nur vermisseten wir darbey die älteste Tochter des Gouverneurs, von welcher mir die Mama sagte, daß sie einige Kopff-Schmertzen verspürete, welcher Zufall aber doch wohl bald würde überhin gehen. Ich spürete gantz genau, daß sich mein Bruder dieserwegen einigermassen alterirte, und schloß aus gewissen Merckmahlen, daß unter diesen 2. Leuten eine Sympathie haselirte. Er konte weder essen noch trincken, sondern saß immer in Gedancken, bis man ihn mit Gewalt anredete. Er excusirte seine Melancholie damit, daß ihm seine Wunde in der Hüffte[96] einige Schmertzen verursachte, weßwegen er dieselbe gleich morgendes Tages, entweder mit dem Kugel-Zieher heraus ziehen, oder mit dem Messer wolte her aus schneiden lassen. Hierbey merckte ich, daß wir bey den liebreichsten und redlichsten Leuten von der Welt wären: denn es schien, als ob ein jedes an seinen Schmertzen Theil nehmen wolte, und führeten sich alle, ohngeachtet die schönste Musique gemacht wurde, auch Trompeten und Paucken, nebst den Canonen wechselsweise schwermeten, dergestalt niedergeschlagen auf, als ob ihnen selbst ein Unglück begegnet wäre. Jedoch mein Bruder, da er dieses merckte, zwang sich mit aller Macht zu einer etwas munteren Aufführung. Inmittelst, noch ehe die Tafel aufgehoben wurde, kamen unsere Bediente, und brachten von meinem Lieutenant folgendes Rapport-Schreiben zurück.


Meisseigneurs!


Deroselben Ordre ist mir heute früh um 8. Uhr wohl worden, weßwegen ich keine Minute versäumt, derselben gehörige Parition zu leisten, übersende demnach zu schuldigster Folgleistung:


2. Mortieurs

24. gefüllete Bomben

500. gefüllete Granaden

500. Raqueten grosse, mittelmäßige und kleine

3000. kleine und grosse Schwärmer

200. Wasser-Kegel

200. Lust-Kugeln

2. Büchsen[97]

2. Flinten

4. Paar Pistolen, anbey


12. Mann der auserlesensten Grenadiers, die ich vor die besten halte. Mir träumet, daß Messeigneurs ein kleines Feuer-Werck spielen wollen, worzu ich gratulire, und so offt ich einen Mortieur abfeuren höre, 12. Canonen auf unsern Schiffen werde lösen lassen, weil wir mit dem Barbarischen Pulver, wie ich fast nicht gemeint, noch einen wichtigen Vorrath von Pulver haben.

Anbey folgen die verlangten 2. Kleider mit goldenen Espagnen bordirt, wie auch 2. mit Espagnen bordirte Hüte, 2. Paar Perlen-farbene Strümpfe und noch etliche Anziehe-Wäsche.

Auf unsern Schiffen stehet, GOtt Lob! alles wohl: denn unsere Patienten bessern sich, und ist seit meinem letztern Rapport keiner gestorben, wohl aber noch 2. blessirte Barbaren, die ich ohne Gesang und Klang habe in die See werffen lassen. Hergegen habe ich den Cörper meines lieben Cameraden, des erschossenen Lieutenants noch zu unterst im Schiffe auf dem Ballast liegen, in Hoffnung, daß sie demselben ein ehrlich Begräbnis auf dem Lande procuriren werden. Ubrigens, in Erwartung fernerer Ordre, beharre mir schuldigst-gehorsamsten Respect


Messeigneurs

le votre

F.H. Dimbourg.


P.S. Meine Herren sollen bey Dero Zurückkunfft[98] keinen Abgang an Raqueten, Schwärmern, Wasser-Kegeln, Lauff-Kugeln und dergleichen spüren, denn ich will binnen der Zeit den Abgang ersetzen, weil ohnedem ich und unsere Leute müßige Stunden haben.


Ich gab diese Rapports-Schrifft meinem Bruder zu lesen, gieng hernach hinnunter an die Tafel, und bath den Gouverneur: ob es mit dessen gütiger Erlaubnis geschehen könte, daß wir unseren seel. Cameraden mit militairischen Ehren-Bezeigungen auf dem Lande begrüben, zumahlen, da er ein guter Christ und eifferiger Catholic gewesen, mithin der geweyheten Erde wohl würdig wäre?

Ey! was hör ich, mein Herr! (sagte der Gouverneur) ist der Verblichene ein Catholic gewesen, so will ich ihn in die Haupt-Kirche begraben lassen. Ich bringe Ew. Hochgebl. keine Lügen vor, (antwortete ich) denn daß er ein eiffriger Catholic gewesen, kan ich mit seinem Lebens-Lauffe, den er selbst eigenhändig, wenig Tage vor seinem Tode schrifftlich aufgesetzt, ingleichen auch aus vielen andern seinen Scripturen, Catholischen Büchern, Pater noster und Scapulier, welches alles er beständig bey sich geführt, erweißlich machen. Hierauf sagte der Gouverneur, ich traue eurer Redlichkeit noch weit mehr, als dieses zu. Ich bitte aber, lasset euren Todten nur noch 3. Tage auf dem Ballast liegen, denn es kan ihm bey jetziger Witterung keine Fäulung angehen. Sorget weder vor Sarg, Todten-Kleid, noch etwas anders, was zu einer propren Beerdigung eines Officiers gehört, der auf dem Helden-Bette sein Leben[99] rühmlich eingebüsset hat, sondern gönnet mir die Ehre, daß ich alles besorge und veranstalte; Von heute an gerechnet, soll der Leichen-Conduct auf den 4. Tag vor sich gehen, und Tages vorhero, auf meine Parole, alles in Ordnung seyn. Hiermit stund der Gouverneur von der Tafel auf, und gab einem seiner Officiers einen Winck, daß er ihm folgen solte. Er gieng mit ihm an ein Fenster, und plauderte fast auf eine halbe Stunde mit ihm.

Unterdessen gieng ich mit meinem Bruder auch etwas abseits, und beredeten uns, wie wir es mit dem Feuer-Wercke halten wolten; Er sagte: wenn ein und anderes passirt, so will ich meine Dinge gleich nach der Abend-Tafel, die doch auf unser Bitten nicht lange währen muß, schon machen. Als der Gouverneur wieder an die Tafel kam, sagte er: Meine Herren! tragen sie kein Leid noch Sorge mehr vor ihren Todten, sondern überlassen alle Sorge mir gantz allein; hergegen bitte, sie wollen sich etwas lustiger erzeigen, als bishero. Ich aber sagte ihm heimlich ins Ohr: ob er mir und meinem Bruder gütigst erlauben wolte, diesen Abend, so bald es finster worden, ein kleines Feuer-Spiel, auf der, unsern Fenstern gleich gegen über liegenden kleinen See, zu præsentiren, mein Bruder, der aussen geblieben war, machte schon alle Præparatoria darzu, nur ließ er inständig bitten, daß die Abend-Tafel etwas kürtzer, als sonst gewöhnlich, möchte abgebrochen werden, damit wir von der dunckeln und finstern Zeit profitiren möchten. Der Gouverneur lächelte, und sagte: Meine Brüder! gebrauchet alle Beqvemlichkeit bey mir, ich werde[100] mir ein besonderes Vergnügen machen über das Feuer-Spiel, und wo es euch gefällig, etliche 100. Pech-Fackeln an das Ufer setzen lassen. Ich will auch so gleich Ordre ertheilen, daß die 8. kleinen Lust-Schiffe benebst den Boötchen und Kähnen in Ordnung gestellet werden.

Nach aufgehobener Tafel wurde getantzt, da denn unverhoft mein Bruder und die krancke Fräul. fast zu gleicher Zeit zum Vorscheine kamen, allein diese letztere ließ sich von niemanden zum Tantzen bewegen, also tantzten sie alle beyde und ich auch nicht, mein Bruder retirirte sich bald wieder, indem er mit seiner Feuerwerckerey noch nicht vollkommen fertig war, auch die Raqueten-Stöcke noch nicht alle beysammen hatte; Allein er schien mir weit munterer, als vorhero, nachdem er seinen Aug-Apffel wieder zu sehen bekommen hatte. Eine Stunde vor der Dämmerung wurde auf der Tafel angerichtet, allein es gieng dißmahl kurtz ab, wiewohlen alles im Uberflusse vorhanden war.

Da nun mein Bruder sein Feuer-Spiel und alles, was wegen der Fahrzeuge zu besorgen war, in Ordnung gebracht, nahm er mich und die Portugiesischen Capitains mit hinunter an den Teich oder kleine See, denn es war ein gewaltig grosser Teich, setzten uns in ein artiges, vestes und commodes Schiff, nahmen die 2 Mortiers und Bomben mit hinein und löseten unter Trompeten- und Paucken-Schall anfänglich 2 Mortiers, welche 2 Bomben in die See warffen, die sich ziemlich dariñen herum tummelten und endlich crepirten, zu gleicher Zeit hörete man auf der Citadelle 12 Canonen-Schüsse, auf welche[101] unsere, in dem Hafen liegende Schiffe in gleicher Anzahl antworteten. Hierauf musten die Granadiers ihre Granaden aufs Land werffen. Nach diesen ließ mein Bruder 24. der schweresten Raqueten steigen, welche sich dergestalt wohl hielten, daß nicht nur alle Zuschauer, sondern auch der Gouverneur selbst, ihr Vergnügen daran sahen, denn die meisten schaueten oben aus den Fenstern der Burg heraus. Da dieses vorbey, warf mein Bruder abermahls 2. Bomben aufs ebene Land, welche sich wunderlich begunten, und wie man früh Morgens sahe, ehe sie crepirt, gewaltig tieffe Löcher in die Erde gewühlet, ja rechte Kessels gemacht hatten. Es wurde ihm auf seine 2. Mörser von den Wällen der Citadelle und von unsern Schiffen, von jeder Seite mit 12. Canonen geantwortet. Darauf warf er 50. Wasser-Kegel in das Wasser, ließ dabey 50. der grösten Schwärmer in die Luft spielen. Da die Wasser-Kegel versuncken, warf er 50. Lust-Kugeln von allen Seiten des Schiffs, und spielete darauf noch 2. Bomben ins Wasser, worauf ihm von der Citadelle und von unsern Schiffen von jeder Seite mit 12. Canonen geantwortet wurde.

Also fuhr er fort, Raqueten steigen, Granaden werffen, Schwärmer in die Luft fliegen zu lassen, Wasser-Kegel und Lust-Kugeln auszuwerffen, und von Zeit zu Zeit 2. Mortiers zu lösen, da er denn die Bomben bald aufs Land, bald aufs Wasser fliegen ließ. Dieses währete so lange, bis er des Dinges überdrüßig wurde, und da er nicht viel Vorrath mehr hatte, alles kunter bund durch[102] einander hergehen ließ, zuletzt aber mit 4. Bomben, die er kurtz nach einander spielte, der gantzen Sache ein Ende machte, und anhören muste, daß ihm so wohl die Citadelle mit 24. und unsere im Hafen liegende Schiffe auch mit 24. Canonen-Schüssen eine gute Nacht wünschten. Als wir alle insgesa t zurück ins Tafel-Zimmer auf der Burg kamen, fanden wir einen schönen Caffeè, Bisquit und hernach ein Glaß Canari-Sect, wir wolten uns aber nicht dabey aufhalten, jedoch, da uns der Gouverneur allzu starck nöthigte, und sagte: Meine Herren! ihr habt mir diesen Abend ein Divertissement gemacht, dessen gleichen ich, so lange ich auf dieser Insul wohne, nicht gehabt, auch haben sich meine gantze Familie und meine werthesten Gäste unaussprechlich darüber ergötzt; darum erlaubet mir, meine Herren! daß ich auf diesem grossen Teiche, oder so zu sagen, kleinen See, euch sämmtlich wieder zu divertiren, eine Fischerey anstelle, und euch insgesa t bitte, derselben beyzuwohnen, und zwar Morgen gleich nach der Mittags-Tafel. Unterdessen wollen wir unter einem guten Gespräch noch eins in bona pace ex poculo hilaritatis trincken, und uns hernach zur Ruhe begeben. Wir liessen uns alle bereden, ich bemerckte aber, daß mein Bruder und sein Fräulein sich an das abgelegenste Fenster begaben, und daselbst die vertraulichsten Gespräche mit einander führeten.

Wir giengen also lange nach Mitternacht zur Ruhe. Früh Morgens bekamen wir unser Deputat al' ordinaire an Theè, Caffeè und Chocolade, auch die gewöhnlichen Visiten, und erschienen hernach im[103] grünen Habit bey der Tafel. Es gieng alles darbey ordentlich und pompeus zu, jedoch währete die Tafel diß mahl nicht so lange, als sonsten, weil wir die Fischerey vor uns hatten. Der Gouverneur war diesen Tag ungemein aufgeräumet, und sagte: Nun, meine Herren! thut mir das Plaisir, mit an die Fischerey zu gehen, ich wette darauf, daß wir vor Nachts, vor mehr als 8000. Mann, der besten grossen und Speise Fische fangen wollen, und davon soll die in unserm Hafen liegende Soldatesque ihren Antheil haben, auf unser aller Gesundheit die Fische zu verzehren, und wenn meine Rede nicht eintrifft, so will ich ihnen 4. von meinen besten Ochsen darzu schlachten lassen.

Demnach begaben wir uns hinunter an das Ufer, und setzten uns in die Lust-Schiffe und Kähne, ich bemerckte aber unter allen andern dieses Curiositeé, daß mein Bruder mit seinem Leit-Sterne, nemlich des Gouverneurs ältesten Fräulein in einem kleinen Lust-Schiffe nebst einer alten Matrone, gantz alleine zu sitzen kam. Die Fischerey gieng unter Trompeten-und Paucken-Schall mit mehr als 300. Fischern, ohne die Handlangers, trefflich von statten, so, daß wir, ehe es dämmerig ward, aufhören musten, von wegen der grossen Menge. Es war, wie gesagt, eine erstaunliche Menge Fische, weßwegen der Gouverneur erstlich die allerbesten zu seiner Tafel auslesen ließ, die übrigen aber noch vor Nachts in grossen Fisch-Fässern unsern Leuten an den Strand zuschickte. Wir musten gestehen, daß dieses eine Fisch-Portion vor mehr als 16000. Mann wäre, dem ohngeachtet[104] ließ der Gouverneur 4. der fettesten Ochsen hinter den Fisch-Wagens hertreiben, und machte unsern Leuten ein Præsent damit. Wir fanden auf dem Tafel-Zimmer noch einen herrlichen Caffeè, und nachdem dieser mit Appetit genossen, nahmen wir vor dißmahl allesammt Abschied von einander, und begaben uns zur Ruhe. Früh Morgens stund mein Bruder wider seine Gewohnheit sehr früh auf, und sagte zu mir: daß, weil es ein gar allzu angenehmer Tag wäre, er sich ein wenig in dem Lust Garten mit Spatzierengehen divertiren wolte, um der angenehmen Morgen-Lufft zu geniessen. Ich hatte nichts darwieder einzuwenden, da mir aber die Sache verdächtig vorkam, schlich ich nach Verlauf einer guten Stunde ihm nach, und fand mein Brüderchen mit seiner Amasia in einer dick belaubten Hütte sitzen. Ich sahe, daß sie einander hertzten und küsseten, auch sich dergestalt mit den Armen zusammen geschlossen hatten, als ob sie ewig also sitzen bleiben wolten. Erstlich gieng ich wieder zurück auf etliche Schritte, trat aber bald zu ihnen hinein, und both ihnen einen guten Morgen. Hierauf sagte ich: Kinderchen, ich habe von ferne gesehen, daß ihr einen hertzhaften Morgen-Seegen mit einander gebetet, es ist mir lieb, daß ihr einander lieb habt, allein führet euch behutsam auf, und macht das Spiel nicht zu bund, damit es die Eltern und andere Aufsehers nicht gewahr werden, ich aber will euch nicht verrathen.

Das Fräulein wurde so roth, als ein Stück Blut, kam aber auf mich zu, und küssete mir erstlich die Hand, hernach den Mund, worauf ich mich[105] gedoppelt revangirte; Mein Bruder aber sagte in deutscher Sprache zu mir: Mein Bruder! ihr hättet mit gröster Renommeè noch eine Stunde schlaffen, und mich in meinem Vergnügen ungestöhrt lassen können.

Gebt euch zufrieden, mein Bruder! (gab ich ihm zur Antwort,) ich will gantz und gar nicht ein Stöhrer eures Vergnügens seyn, sondern ich sage nur so viel, bedenckt, wo wir uns aufhalten, und gehet behutsam; auf dem Zimmer wollen wir von dieser Begebenheit ein mehrers mit einander sprechen.

Hierauf traten wir aus der Hütte heraus, nahmen das Fräulein in die Mitte, und giengen noch eine Zeit lang im Garten herum spaziren, bis wir bemerckten, daß im Hause alles munter war, da denn das Fräulein, nachdem sie uns beyde geküsset, im Garten zurück blieb, wir aber begaben uns auf unsere Zimmer, und traffen daselbst schon die Portugiesischen Capitains und 2. Cavaliers des Gouverneurs an, welche bereits den Anfang gemacht hatten, sich jeder nach seinem Belieben mit Theè, Caffeè und Chocolade tractiren zu lassen, da wir denn mit machten, und ihnen erzähleten, daß wir wohl 2. Stunden lang der angenehmen Morgen-Lufft genossen. Wir divertirten uns mit aller hand Gesprächen, bis Trompeten und Paucken zur Tafel citirten, da wir beyden Brüder denn, nachdem wir unter währender Zeit uns ankleiden lassen, also bald, da ein Page kam, und uns zur Tafel invitirte, insgesammt hinunter spatzierten. Es gieng bey der Tafel so zu, als es vorhero gewöhnlich gewesen, nur daß die Tafel eher, als sonst gebräuchlich war,[106] aufgehoben wurde, denn der Gouverneur hatte uns zum Plaisir einen Thier-Streit anstellen lassen. Wir sahen demselben mit grösten Vergnügen zu. Erstlich wurden in die gemachten Schrancken ein wilder Ochse und ein Löwe gelassen, welche beyde einen heftigen Kampf über eine Stunde lang mit einander hatten, der in Wahrheit sehr curieus anzusehen war; endlich überwand der Löwe, und zerriß den Ochsen. Hierauf wurde ein anderer frischer Ochse in die Schrancken gelassen, welcher sich sehr großmüthig und tapffer aufführete; nachdem er erst hingegangen, und seinen zerfleischten Mitbruder etliche mahl beschnuppert hatte, trat er den Kampf mit dem Löwen an, der sich zwar tapffer wehrete, allein, weilen ihm wegen des vorigen Kampfs die Kräfte schon ziemlicher maassen verschwunden, sahe der Ochse seinen Vortheil ab, und stieß dem Löwen seine beyden Hörner mit der allergrösten Gewalt dergestalt in den Bauch, daß ihm das Eingeweyde heraus drung, und auf die Erde fiel. Als der Ochse dieses sahe, wendete er sich um, gieng auf dem gantzen Platze herum, und brüllete gantz erschröcklich, woraus man schliessen konte, daß er Victoria! ruffte; Allein seine Großmuth wurde bald gedemüthiget, indem 3. der allergrösten Hunde zu ihm in die Schrancken gelassen wurden, welche ihm dergestalt zusetzten, daß er endlich matt ward, und darnieder fiel, doch hatte er vorhero erst einen Hund getödtet, den andern tödlich blessirt, der dritte Hund aber blieb gesund und frisch, ohngeachtet er dem Ochsen heftig zugesetzt hatte.

Nach diesem wurden 2. Leoparden und 4. wilde[107] Esel in die Schrancken gelassen, da man sich denn über die wunderlichen Fechter-Sprünge der letztern fast hätte mögen schäckig lachen. Sie gaben den Leoparden manche tüchtige Schläge, (denn sie waren beschlagen) an die Köpfe, Brüste und Bäuche, allein sie wurden binnen einer Stunde dennoch von den Leoparden in kurtz und kleine Stücken zerrissen. Hierauf wurden 4. Bären in die Schrancken gelassen, welche ebenfals wunderliche Täntze machten, und sich über eine Stunde lang tapffer wehreten, allein es half ihre Gegenwehr nichts, sondern sie wurden von den Leoparden zerrissen, die aber, indem sie von den Bären viele Bisse bekommen, gantz ohnmächtig zu Boden suncken. Demnach wurde ein Tyger und 2. wilde Pferde, die wohl beschlagen waren, in die Schrancken getrieben, allein es verlief keine Stunde, da der Tyger alle beyde Pferde zu Tode gebissen hatte, ohngeachtet sie sich heldenmüthig gewehret, und dem Tyger unzählige Schläge mit ihren Hufeisen beygebracht, wovon derselbe so wohl, als die Leoparden, ohnmächtig zu Boden sanck und liegen blieb.

Hierauf wurden 24. Hunde, von verschiedener Grösse, nebst einer gewaltigen Anzahl von Affen, Füchsen, wilden Katzen, und noch andern kleinern Thieren, in die Schrancken gebracht; demnach entstund eine solche Kater-Jagd, daß wir uns alle vor Lachen hätten ausschütten mögen. Endlich nahm das Spiel ein Ende, nachdem nicht mehr als 3. Hunde, ein alter Affe und 2. wilde Katzen noch auf dem Platze lebendig zu sehen waren.[108] Wir begaben uns demnach zur Tafel, schwärmeten noch bis gegen Mitternacht unter Trompeten- und Paucken-Schall beym Canari-Sect, und begaben uns hernach sämmtlich zur Ruhe.

Folgenden Tages lebten wir noch herrlich und in Freuden, aber des nächst folgenden nahmen so wohl wir Brüder, als die Portugiesischen Capitains, in aller Frühe von dem Gouverneur und seiner Familie, auch allen noch anwesenden Gästen Abschied, und begaben uns auf die Reise nach unsern Schiffen, weil wir beyden Brüder vorschützten, daß wir eine und andere wichtige Verrichtungen und sonderlich wegen des Leichen-Conducts hätten. Es hatte aber der liebreiche Gouverneur das Project zum Leichen-Conduct also gemacht:


1.) Die Gymnasiasten mit vorgetragenem Creutz und Fahnen.

2.) Die Studenten.

3.) Die ordinirte Clerisey.

4.) 1. Regiment Insulanischer Cavallerie.

5.) 1. Regiment Insulanischer Infanterie.

6.) Portugiesen, so viel als beliebig.

7.) Holländer, so viel als beliebig.

8.) Eine Insulanische Granadier-Compagnie.

9.) Der Leichen-Wagen, bey dem 6. Marschälle hergehen.

10.) Eine Insulanische Granadier-Compagnie.

11.) Portugiesen, so viel als beliebig.

12.) Holländer, so viel als beliebig.[109]

13.) 1. Regiment Insulanischer Infanterie.

14.) 1. Regiment Insulanischer Cavallerie.

15.) Der Gouverneur dieser Insul in einem Trauer- Wagen mit 6. Pferden bespañt.

16.) Zwölf mit 4. Pferden bespannete Trauer-Wagens, worinnen Insulanische Officiers und Cavaliers sitzen.

17.) 1. Insulanisch Regiment Infanterie.

18.) 1. Insulanisch Regiment Cavallerie.


Mein Bruder und ich betrachteten wohl, daß dieses ein prächtiges Leich-Begängniß werden würde, und wir uns par generositee nicht verdrüssen lassen dürfften, etwas daran zu spendiren, zumahlen da mancher General nicht so pompeus, als unser Lieutenant beerdiget würde. Allein mein Bruder und ich machten uns dieserwegen wenig Sorgen, sondern bedachten, daß es besser sey, uns auf dieser Insul genereus aufzuführen, als den Barbaren 1. oder 3. Tonnen Goldes hin zu geben, oder wohl gar in Furchten zu schweben, von ihnen rein ausgeplündert und massacrirt zu werden. Demnach beredeten wir uns 3. mit spec. Thlr. und eben so viel mit Gulden angefüllete Kisten zu eröffnen, um den Insulanischen Officiers und Gemeinen vor erst einen kleinen Recompens zu geben.

Wir gelangten gegen Abend unter Escorte einer Insulanischen Esquadron Dragoner auf unsern Schiffen an, und bald darauf schickte der Gouverneur den Sarg, das Todten-Kleid und andern Zubehör nebst 2000. Pech-Fackeln, denn er hatte sich anders resolvirt, und wolte, damit es[110] desto prächtiger liesse, daß die Leiche erst Abends, wann es finster geworden, in der Stadt vor der Haupt-Kirche anlangen solte. Der Sarg war von Cedern-Holtze, mit ungemein artigen, schönen Stücken von Bildhauer-Arbeit von aussen gezieret, inwendig aber mit rothen Sammet ausgeschlagen, und das Haupt-Küssen war Himmelblau, das Todten-Kleid aber von weissen Atlas, starck mit goldenen Tressen besetzt. Wir hielten die gantze Nacht hindurch Schiffs-Rath, und besorgten alles, was noch in Ordnung zu bringen war. Früh Morgens wurde die Leiche im Sarge, der 12. verguldete Rincken hatte, am Ufer auf einem Parade-Bette ausgesetzt, und um den Sarg herum sehr viele Mayen in die Erde gepflantzet, auch 12. Schiffs-Jungen commandirt, welche die Fliegen von der Leiche hinweg weddeln musten. Des Tages über machten wir unsern Leuten ein Wohlleben, und gaben ihnen das beste Essen und Trincken, da es aber ohngefähr um 2. Uhr Mittags war, kam der Gouverneur mit etlichen seiner Officiers in vielen Wagens zu uns gefahren. Weilen wir nun einen Prophetischen Geist gehabt, und gleich in der Frühe 12. grosse Zelter aufschlagen, auch gnugsame Stühle und Tische hinein setzen lassen; so stiegen alle ab, und begaben sich, nachdem sie die Leiche und das Parade-Bette, worunter rothe Lackens ausgebreitet waren, und welche am Ufer stund, wohl betrachtet hatten, in die Zelter. Der gütige Gouverneur, welcher die Redlichkeit selbsten war, sagte zu mir: Meine lieben Brüder! wenn ihr mir einen eintzigen Gefallen[111] thun wollet, so setzet mir und meinem Comitat heute nichts vor, als ein gut Glaß Wein und Bisquit, denn es ist heute nicht de tempore, daß wir schmausen, aber wenn ihr erstlich auf meinem Schlosse völlig ausgeheilet seyd, so will ich mir einen Tag ausbitten, euch zu beschmausen, weilen ich weiß, daß ihr keine Hungerleyder seyd, und da wollen wir uns recht lustig machen.

Wir versprachen dem Gouverneur, seiner Ordre, und zwar bey dermahligen Umständen, Gehorsam zu leisten, liessen aber doch bey dem aller delicatesten Canari-Sect, nicht allein Bisquit sondern auch allerhand Confituren, ingleichen wild und zahm kalt Gebratenes, der besten geräucherten und gebratenen Fische, auch eingemachte und uneingemachte allerley Früchte im Uberfluß bringen, woran sich unsere Gäste vor dißmahl so wohl delectirten, als ob sie alle an des Gouverneurs Tafel gesessen hätten. Im übrigen, da ein jeder nach seinem Appetite von diesem oder jenem nahm, was ihm beliebte, gieng alles stille zu, bis gegen Untergang der Sonnen; da denn der Gouverneur, indem er einen Canonen-Schuß von seiner Citadelle hörete, mich und meinen Bruder zu sich ruffte, und sagte: Kinder! ich habe die Losung gehöret, meine Leute werden abgeredter maassen bald kommen, derowegen macht Anstalten zum Leichen-Conduct.

Indem kam die schwartze Guarde, nemlich die Geistlichkeit mit ihrem Creutz und Fahnen angezogen, und lagerte sich seitwärts, rechter Hand. Wir schickten ihnen ein Faß Canari-Sect und[112] allerley Erfrischungen zu, mein Bruder aber gab seinem Fähndriche 1. Sack der mit gantzen Pistoletten, 1. Sack mit halben Pistoletten, 1. Sack mit spec. Thalern, und etliche Säcke die mit Gulden angefüllet waren, zur Vertheilung unter die Geistlichen, demnach bekamen die vornehmsten Geistlichen, nach ihrem Character, theils 3. theils 2. theils 1. gantze Pistolette.

Die Gymnasiasten, jeder 1. spec. Thaler.

Die Studenten, jeder 1. halbe Pistolette.

Hierauf kam das Cavallerie-Regiment, welches sich lincker Seits postirte, und zwar ohne Musique, welchem ebenfalls etliche Fässer Wein zugeschickt wurden, und mein Bruder ließ einem jedem Reuter 1. spec. Thaler, einem Unter-Officier aber 2. spec. Thaler einhändigen. Die Ober-Officiers aber bekamen vorjetzo nichts; folgendes Tages hingegen der Obriste 10. gantze Pistoletten, der Obriste-Lieutenant 8. der Major 6. ein jeder Rittmeister 4. ein jeder Lieutenant und Cornet nur 3. gantze Pistoletten, die jedem in einem Billet versiegelt zugeschickt wurden.

Bald hernach kam das Infanterie-Regiment, bey welchem die Austheilung des Geldes eben also geschahe, als bey dem Cavallerie-Regimente.

Endlich ruckten 2. Insulanische Granadier-Compagnien an, welche eben das Præsent bekamen, als die Cavallerie und Infanterie.

Mein Bruder gab sich selbst die Mühe, die Leute von unsern Schiffen zu langen, und in Ordnung zu bringen, da er denn 120. Mann von seinem,[113] und eben so viel von meinem Schiffe brachte, und dieselben nach der gemachten Disposition rangirte und eintheilete.

So bald die Sonne Abschied genommen, erinnerte der gütige Gouverneur, daß es nunmehro Zeit wäre, den Leichen-Conduct anzufangen, demnach wurde nach seiner gemachten Disposition die Leiche erstlich auf den Leichen-Wagen gesetzt, bey welchem auf beyden Seiten 12. Insulanische Ober-Officiers und eben so viel Unter-Officiers hergiengen. So bald die Clerisey und die Miliz in Ordnung gebracht, wurde eine auf dem Lande stehende Canone gelöset, welches das Signal war; hierauf wurden von unsern und den Portugiesischen Schiffen 24. Canonen abgebrannt, worauf von der Citadelle mit 24. Canonen geantwortet wurde, und alle Mannschafft, so Infanterie als Cavallerie, gaben eine general-Salve. Sodann gieng der March fort. Die Clerisey sung recht charmante Lieder, und es gieng alles gantz douçement, weilen die Trompeter der Cavallerie die Serdinen eingesteckt und die Paucker so wohl als die infanterischen Tambours, ihre Trommeln gedämpfft hatten. Wir kamen also ohngefähr um 9. Uhr Abends vor dem Stadt-Thore an, da denn auf der Citadelle 24. Canonen gelöset, von unsern Schiffen aber mit eben so vielen geantwortet wurde.

Als wir vor der Haupt-Kirche anlangten, wurden abermahls 24. Canonen gelöset, da denn unsere Schiffe, mit eben so vielen repondirten. Es wurde in dieser Kirche über eine halbe Stunde[114] lang ungemein schön figurirt und musicirt, welches mir wohl ins Gehör fiel; hernach trat ein Probst auf, welcher dem Verstorbenen eine gelehrte und admirable Leichen-Predigt hielt. Nach diesem war wieder Musique und die Seel-Messe gelesen, hernach eine Parentation in lateinischer Sprache gehalten; worauf denn nochmahls Musique gemacht, und die Leiche in die Grufft gebracht wurde, da denn auf gegebenes Signal, abermahls 24. Canonen von der Citadelle, und eben so viel von unsern im Hafen liegenden Schiffen zu hören; worauf alle Cavalleristen und Infanteristen zu 3. mahlen Salve gaben.

Endlich machten die Herrn Geistlichen den Schluß, mit ihren Todten-Gesängen, weßwegen wir auf des Gouverneurs Bitten, uns in dessen Behausung begaben, und unsere Mannschafft wieder zurück marchiren liessen, nachdem noch 24. Canonen-Schüsse von der Citadelle, und eben so viel von unsern Schiffen gehöret, auch so wohl von der Cavallerie als Infanterie drey Salven gegeben worden.

In des Gouverneurs Behausung traffen wir eine wohl besetzte Taffel an, welcher wir uns ohngeachtet es schon über Mitternacht war, bedieneten, jedoch nicht länger dabey sitzen blieben, als bis gegen Tages-Anbruch, da denn wir beyden Brüder und die Portugiesischen Capitains von dem Gouverneur, seiner Familie und allen noch anwesenden Gästen Abschied nahmen, und uns Reisefertig nach unsern Schiffen machten.

Der allzu gütige Gouverneur wolte uns[115] durchaus nicht von sich lassen, sondern nöthigte uns beyden Brüder, nur noch so lange bey ihm zu bleiben, bis wir vollkommen curirt wären; da wir ihm aber vorstelleten, daß nicht allein einige kleine Desordres auf unsern Schiffen passirten, hiernächst wir auch wegen der gefangenen Barbaren und erbeuteten Guter Disposition machen müsten; ließ er uns endlich passiren, und in einer Chaise, die mit 6. Pferden bespannet war, fortbringen, worbey wir 2. Compagnien Reuter, und die ordinaire Infanterie-Wache, welche am Strande abzulösen pflegte, zur Escorte hatten.

Wir gelangeten also, nachdem wir alle bey dem Gouverneur noch ziemlich gebechert hatten, gegen Abend auf unsern Schiffen an, und fanden alles in behöriger Ordnung, denn mein Lieutenant war in Wahrheit ein rechter Mann.

Des andern Tages liessen wir die Portugiesischen Capitains ruffen, um mit uns auf die Barbarischen Schiffe zu gehen, und die Beute zu theilen. Sie kamen; und da fanden wir auf allen dreyen Schiffen, 2. und eine halbe Million an geprägten gold- und silbernen allerley Müntz-Sorten. Hiernächst 3. und einen halben Centner Gold-Barren. Ferner an gutem gediehenen, wie auch andern bereits verarbeiteten Silber 8. Centner und etliche Pfund. Noch ferner:


86. Ballen Scharlach auch sonsten allerley couleurtes Tuch, und zwar von den allerfeinsten Sorten.

102. Ballen schlechteres Tuch von allerhand Couleuren.[116]

216. Ballen allerley Sorten Türckischer Zeuge, als Gold- und Silber-Mor, Damast, Attlas, Daffent, Cattun und dergleichen.


Von andern Kleinigkeiten, als mancherley Schiffs-Geräthe, Kleidungs-Stücken, Leinewand, so wohl feine als schlechtere, die sonderlich zum Seegel-Tuch brauchbar, will keine weitläufftige Specification machen, indem wir diesen Plunder alle, (wie hernachmahls geschahe, in 2. Hauffen theileten, und darum loseten) noch ferner erbeuteten wir:


96. theils metallene, theils eiserne Canonen.

640. Centner gut Pulver.


Stück- und Flinten-Kugeln eine grosse Menge, die wir zu zählen uns nicht einmahl die Mühe nahmen, sondern dieselben auf Hauffen wurffen.


500. Kisten von allerley Sorten Zucker.

400. Centner Caffee-Bohnen.

600. Centner Thee de bois und andere Arten von Thee.


An Victualien, als nemlich an Zwieback, Brod, geräucherten und eingesaltzenen Fleische, geräucherten und eingesaltzenen Fischen, Reiß, auch allerley andern Geträyde, Butter, Käse und dergleichen, fanden wir eine solche Menge, dergleichen wir uns auf diesen 3. Räuber-Schiffen nimmermehr vermuthet hätten. Ingleichen gerieth uns eine starcke Anzahl Wein-Fässer, die mit den aller delicatesten, mittelmäßigen auch schlechteren Sorten von Weinen angefüllet waren; weiter, eine Entsetzens-würdige Menge vollgefüllter Brandteweins-Fässer[117] in die Hände, weilen die Barbaren den Brandtewein unmenschlich starck trincken.

Endlich traffen wir noch an: 316. Stück gute brauchbare Büchsen und Flinten, 600. Paar Pistolen und noch eine stärckere Anzahl neuer und noch ungebrauchter Säbel.

Ich will mich (fuhr der Capitain Horn in seiner Rede fort) mit Meldung aller geringschätzigen Sachen, wie ich schon gesagt, Ihnen nicht verdrüßlich machen, und nur so viel sagen, daß wir alles, was etwa noch Geldes werth war in 2. gleiche Hauffen theileten, und mit denen Portugiesen darum loseten.

An Gefangenen hatten wir 486. Mann, und sie gestunden selbst, daß sie ohne die Blessirten, eine starcke Anzahl ihrer Cameraden eingebüsset hätten, nicht so wohl die auf ihren Schiffen, sondern hauptsächlich die von den Sturm-Leitern oder Stegen herunter geschossen, auch auf unsern Schiffen massacrirt worden.

Hiernächst fanden wir auf allen 3. feindlichen Schiffen 37. gefangene Christen-Sclaven, u. zwar ihrer 4. weiblichen, und die übrigen männlichen Geschlechts. Die meisten Männer waren an die Ruder-Bäncke geschlossen; die übrigen aber musten unten im Schiffe die allerbeschwerlichste Arbeit verrichten. Hergegen wusten die 4. Frauenzimmer, welches eine Christliche Schiffs-Capitains Frau mit ihrer 16. jährigen Tochter und zweyen Mägdgens waren, eben nicht sonderlich sich über die Barbaren und deren Aufführung zu beschweren, denn sie hätten ihnen, wenn man sie[118] nach Gibraltar liefern würde, 40000. Thlr. vor ihre Freyheit zu zahlen versprochen, und diese, nemlich die Barbaren, hätten ihnen auch solches so bald als es möglich wäre, angelobet; allein dieser Streit mit uns, hätte sie von solchem Wege abgekehret. Sonsten war die ietzt erwehnte Dame eines Englischen Schiff-Capitains Frau, der von den Barbaren in einem See-Gefechte erschossen worden, sie aber hätte sich, nachdem ihr alles Geld und Gut abgenommen worden, solcher Gestalt nebst ihrem Sohne, Tochter, und Aufwärterinnen bey den Räubern in die Sclaverey begeben müssen.

Ich nahm die Dame auf die Seite, redete heimlich mit ihr, und eröffnete derselben aufrichtig, daß wir, wie sie vielleicht glaubte, nicht nach Ost-Indien, sondern nach einer gesegneten Insul zuseegelten, allwo sie viele von ihren Landes-Leuten antreffen würde, und sich, wo es beliebig, so wohl als ihre Tochter und Mägde, Standesmäßig daselbst verheyrathen könten. Im übrigen brauchten sie weder Geld, noch Gut, noch Kleider, weil sie auf besagter Insul alles im grösten Uberflusse anträffen. Die Dame nahm diesen Vorschlag mit Vergnügen an, und bath mich inständig, wenn es zur Theilung käme, sie mit den Ihrigen doch ja nicht unter die Portugiesen gerathen zu lassen, sondern mit uns zu führen, weil sie uns vor redliche Leute ansähen, und gern bis an das Ende der Welt folgen wolten. Solten wir aber so glücklich seyn, sie nach Ost-Indien, oder nach Gibraltar, oder gar nach Engelland zu[119] bringen so wolte sie mit freudigen Hertzen vor sich und die 3. Ihrigen zu Erlangung ihrer völligen Freyheit 40000. Thlr. an uns zahlen. Ich sagte nur so viel, sie solten sich nur um kein Geld bekümmern, sondern, wenn es ihnen auf der Insul nicht zu bleiben gefiele, wo wir hinseegelten, so könten sie wohl bald wieder zurück nach Engelland gebracht werden, indem wir uns vor dießmahl nicht lange auf besagter unserer Insul aufhalten würden.

Hiermit waren sie zufrieden, wir aber fiengen mit den Portugiesen zu theilen an, liessen zum Geschencke vor den Gouverneur folgende Stücke ans Land und zum Theil unter die Zelter bringen:


1.) 2. der schönsten eisernen und 2. der schönsten metallenen Canonen.

2.) 100. Centner Pulver.

3.) Canonen- und Flinten-Kugeln in der stärcksten Menge.

4.) 100. Stück Büchsen und Flinten.

5.) 200. Paar Pistolen.

6.) 200. Stück Türckische Säbel.

7.) 20. Ballen Scharlach und andere der feinsten und kostbarsten Tücher.

8.) 20. Ballen etwas geringere Tücher, verschiedener Farben.

9.) 20. Ballen von allerley Sorten Türckischer Zeuge, als Gold- und Silber-Mor, Atlas, Damast, Daffent, Cattun und dergleichen.

10.) 100. Kisten Zucker, von allerley Sorten.

11.) 100. Centner Caffee-Bohnen.[120]

12.) 100. Centner allerley Sorten von Thee.

13.) 12. Fässer Canari-Sect und eben so viel Fässer, die mit andern guten Weinen angefüllet waren.

14.) 24. Fässer Brandtewein.


Dieses waren die Haupt-Stücke, welche wir dem Gouverneur und seiner Familie zu verehren beschlossen hatten. Hierbey waren noch 6. der schönsten Türckischen Pferde und 50. Türcken-Sclaven.

Wir hielten davor, daß dieses doch ein ziemlich ansehnliches Geschencke und Zeugniß unserer Redlichkeit vor die uns erwiesene Ehre und gute Bewirthung seyn möchte; Von unserm erbeuteten Gelde, Gold und Silber aber viel Prahlens zu machen, hielten wir nicht vor rathsam, sondern theileten solches unter einander in der Stille.

Bis an den Abend des dritten Tages wurde also mit der Theilung und Losung über die Güter zugebracht, und ein jedes an seinen gehörigen Ort in die Schiffe gebracht. Nachdem wir um die 2. gesunden Schiffe auch geloset, wovon das eine von den Portugiesen, das andere aber von meinem und meines Bruders Volcke besetzt wurde, liessen wir das blessirte Schiff dem Gouverneur zum Geschencke da liegen, denn es war uns doch eben nichts nütze, er aber konte es sich mit leichten Kosten ausbessern lassen.

Mein Bruder und ich bekamen 218. gefangene Barbaren auf unsere Schiffe, allein wir waren nicht gesonnen, diese Unfläter zu behalten, sondern nicht weiter als bis aufs Cap. mit zu führen, hernach[121] selbige an den nächsten den liebsten, es seyen Holländer oder Engelländer, zu verkauffen.

Denen bißhero gefangen gewesenen Christen-Sclaven wurde so wohl von uns, als den Portugiesen ihre völlige Freyheit angekündiget, derowegen meldeten sich zu erst die 4. Frauenzimmer bey uns, hernach noch erstlich ein feiner Mensch, welcher unter den Dänen als Schiffs-Lieutenant gedienet hatte. Mein Bruder fragte mich um Rath, ob ich es vor genehm hielte, diesen Menschen, welcher von guten Ansehen wäre, und sehr wohl raisonirte, an die Stelle seines erschossenen Schiff-Lieutenants zu setzen, da ich nun nichts darwieder einzuwenden hatte, trug er dem Dänen, welches aber ein gebohrner Sachse war, die Lieutenants Charge an, welcher dieselbe mit dem allergrösten Vergnügen annahm, und sich so gleich in Eyd und Pflicht nehmen ließ. Als auch dieses geschehen, wurde die von den Barbaren eroberte Beute nach Proportion unter unser Volck getheilet, dergestalt, daß ein jeder wohl damit zufrieden war, und wir niemanden murren höreten.

Folgenden Tages wurde Anstallt gemacht, den Gouverneur und dessen Familie nebst seinem Comitat am Strande unter unsern grösten Gezelten zu bewirthen, auch dieserwegen eine grosse Küche von Bretern, deren wir schon eine grosse Menge zu Ausbesserung unserer Schiffe liegen hatten, in gröster Geschwindigkeit aufgeschlagen.

Demnach muste mein Lieutenant nach der Citadelle zu reuten, und den Gouverneur nebst[122] seiner gantzen Familie zu uns zu Gaste laden, anbey vernehmen, welchen Tag er uns die Ehre seines Zuspruchs gönnen wolte, damit wir uns einiger maassen darnach richten könten.

Als der Lieutenant zurück kam, brachte er zur Antwort, daß der Gouverneur benebst den Seinigen gleich Ubermorgen uns eine freundliche Visite geben wolten; derowegen rufften wir von unsern und den Portugiesischen Schiffen alle zusammen, die sich aufs Schlachten, Braten, Kochen, Backen Zurichtung des Confects und dergleichen verstunden, zusammen, brachten auch wild und zahm Fleisch, wie nicht weniger die delicatesten Sorten von Fischen, so wohl aus der See, als aus den auf der Insul befindlichen Teichen und Bächen in gröster Menge herbey, indem der Gouverneur meinen Leuten Erlaubniß geben lassen, auf der gantzen Insul herum, sich so viel Wild zu schiessen, und so viel Fische zu fangen, als sie nur immer verzehren könten, indem an allen beyden gnugsamer Uberfluß vorhanden wäre.

Am bestimmten Tage hielt der Gouverneur sein Wort, kam mit seiner Gemahlin, Töchtern und Söhnen in leichten offenen Wagens. Hinter welchen auch noch 6. zugemachte Wagens, in welchen sich Frauenzimmer befand, die Officiers und Cavaliers aber kamen zu Pferde. Dieses geschahe ohngefähr um 11. Uhr.

Ich hatte unter 6. Zeltern, deren Wände in die Höhe gezogen waren, grosse Taffeln aufrichten lassen, an deren jeder bis 30. Personen sitzen konten, allein, es wurden kaum 4. Taffeln recht völlig besetzt.[123]

So bald wir den Gouverneur nebst seinem Gefolge ankommen sahen, wurden auf unsern Schiffen zu erst 50. Canonen gelöset, unsere und die Portugiesische Mannschafft aber, die am Ufer postirt stunde, gab aus dem Hand-Gewehr eine herrliche und accurate Salve. Da der Gouverneur nebst den Seinigen ausstiegen, wurden zum andern mahle 50. Canonen abgefeuert, auch die zweyte Salve aus Musqueten gegeben, und als wir uns nach vielen gewechselten Complimenten zu Tische setzten, die dritte Salve aus Canonen und Musqueten gegeben, worauf denn jedesmahl von der Citadelle geantwortet wurde.

Es ist die Wahrheit, daß wir sehr propre tractirten, denn die Abwechselung der Speisen war gantz unvergleich, so, daß so wohl der Gouverneur, als seine Gemahlin sich höchlich darüber verwunderten, und zu vernehmen gaben, wie sie nimmermehr vermeinet, daß See-Leute alles so accurat und delicat einrichten könten. Wir entschuldigten uns mit unserer Schwachheit, solche hohe Personen, zumahlen im freyen Felde, nicht nach guten Willen und Vermögen tractiren zu können, bathen also dißmahl den guten Willen vor die That anzunehmen. Immittelst gieng der Gesundheits-und Freuden-Pocal lustig herum, wobey die Canonen tapffer gelöset wurden, und die Paucken und Trompeten liessen sich aufs tapfferste hören. Der Gouverneur, seine Gemahlin und deren Kinder bezeigten sich ungemein vergnügt, und die Gouverneurin so wohl, als ihr Gemahl, contestirten[124] hoch und theuer, daß sie seit vielen Jahren her keine Mahlzeit mit grösserem Vergnügen eingenommen hätten, worinnen ihre Töchter und Söhne mit einstimmeten.

Wir sassen bis 4. oder 5. Uhr bey Taffel, da denn der Gouverneur sich ausbath, daß wir ihm, weil er des Sitzens überdrüßig, unsere Schiffe zu besichtigen Erlaubniß geben möchten. Demnach führeten wir die gantze Svite hinunter in die Schiffe, worbey wir den Gouverneur den Antrag thaten: ob ihm mit dem Barbarischen blessirten Schiffe gedient sey, weil es ein sehr schönes, starckes Schiff wäre, nur aber einiger Ausbesserung von nöthen hätte, indem es von uns ziemlich durchlöchert worden, welches alles aber bald ausgebessert werden könte; wir aber, indem wir keine ledige Schiffe mehr brauchten, sondern uns dieselben nur zur Last gereichten, wolten keine Mühe und Arbeit daran wenden, vielweniger die edle Zeit verspielen, und uns an unserer weitern Reise versäumen, sondern es Sr. Excell. umsonst zurücke lassen. Der Gouverneur visitirte selbst das gantze blessirte Schiff, und sagte: Meine Brüder! das ist noch ein vortrefflich schönes und starckes Schiff, wollet ihr mir dasselbe hier lassen, so thut ihr mir einen Gefallen, denn es ist noch lange nicht tödlich blessiirt, aber umsonst verlange ich es nicht, sondern will mich um den Preiß schon mit euch vergleichen, und sogleich Anstallten machen lassen, dasselbe auszubessern, denn ich verhoffe es noch tüchtig und wichtig zu nutzen. Wir sagten, Se. Excell. möchten nur gleich Dero Leuten Ordre geben, das Schiff auszubessern, im[125] übrigen wolten wir schon darüber mit einander eins werden.

Ohngefähr 3. Stunden hatten wir alle mit Besichtigung der Schiffe zu gebracht, da denn nicht allein der Gouverneur, sondern auch alle Insulanische Officiers unsere gemachte gute Ordnung, die starcke Besatzung, benebst der Artollerie und Vorrath von Hand-Gewehr aufs hefftigste bewunderten, indem sie, wie sie sagten, nimmermehr vermeynet, daß die Schiffe solche erstaunliche Lasten tragen könten, denn die unzähligen Kisten, Kasten und Ballen fielen ihnen in die Augen. Also sagte der Gouverneur noch: Meine Brüder! ich sehe, daß ihr reiche Leute seyd, und es besser habt als ich, der Himmel behüte euch nur vor Sturm und andern Unglücke, damit ihr den Hafen eures Vergnügens glücklich erreicht.

Es mochte ohngefähr Abends um 7. Uhr seyn, als wir wieder aus den Schiffen herauf stiegen, und da höreten wir die Canonen so wohl auf unsern Schiffen tapffer sausen, worauf die Musqueterie und Feld-Musique sich ebenfalls hören ließ.

So bald wir also ans Land gestiegen, wurden die 4. Canonen abgefeuret, welche wir dem Gouverneur zum Geschencke bestimmt hatten, und um dieselben herum stunden die 50. Barbarischen Sclaven, die er ebenfalls haben solte. Ich hatte die Ehre, ihm beyderley zum Geschenck zu præsentiren, worüber er stutzte, die Canonen erstlich, und hernach die Barbaren besichtigte, und sagte: Meine Brüder! ich verlange kein Geschenck von euch, aber die Canonen will ich behalten vor einen billigen[126] Preiß an baaren Gelde, indem ich noch einige brauche, und die Sclaven, wenn ihr sie nicht selbsten braucht, will ich auch behalten, aber ich nehme dieselben nicht anders an, als vor baar Geld, und zahle euch durch die Banck Mann vor Mann, vor jeden 20. Thaler, könnet ihr noch mehrere missen, so will ich euch dieselben ebenfalls abhandeln, und mit baarem Gelde bezahlen,denn ich kan nicht läugnen, daß ich mit Barbarischen Sclaven handele, und dieselben nach den West-Indischen Insuln hin verkauffe. Wir beredeten uns erstlich mit den Portugiesischen Capitains, welche sich eben so geneigt finden liessen, auch ihre Sclaven dem Gouverneur, Mann vor Mann a 20. spec. Thaler zu überlassen, weilen sie ebenfalls Bedencken trugen, die Canaillen weiter mit sich zu nehmen. Demnach wurde der Handel so gleich geschlossen, alle Barbarische Sclaven herbey gebracht, welche der Gouverneur in Augenschein nahm, und dieselben unter einer starcken Escorte auf die Citadelle führen ließ, uns allen aber die Versicherung gab, daß er uns das Geld vor die Sclaven gleich morgenden Tages wolte auszahlen lassen. Dieses alles aber war noch nicht genug, sondern weil es noch schön und helle Wetter war, führeten wir den Gouverneur unter die Zelter, worinnen die ihm bestimmten Waaren stunden, die wir ihm zum Geschencke zugedacht. Ich hatte abermahls die Ehre, im Nahmen unser aller ihm dieses zu præsentiren, und zu bitten, daß er mit diesem geringen Geschencke zur Erkäntlichkeit vor die uns erzeigte Ehre, Liebe und Wohlthaten ad interim dasselbe vor sich und seine[127] hohe Familie, geneigt auf und annehmen möchte: Der Gouverneur schien gantz erstaunt zu seyn über die Vielheit der schönen Sachen, sonderlich aber war das Frauenzimmer gantz ausser sich selbst, als sie die kostbaren Tücher, gold- und silberne, auch andere Sorten Türckischer und Europæischer, so wohl sammetner, seydener, baumwollener, wöllener und leinener Zeuge in die Augen bekamen.

Wie gesagt, der Gouverneur und alle die Seinigen schienen gantz bestürtzt; derowegen sagte ich nochmahls zu ihm: Ew. Excell. werden die Gnade vor uns allerseits haben, und diese Kleinigkeiten zum Præsent von uns anzunehmen geruhen.

Ey was! meine Brüder, (sagte der Gouverneur hierauf) ihr müsset mich ohnfehlbar vor einen Mann ansehen, dessen beste Tugend der Geitz und Wucher sey. Aber, nein! nicht also! dieses wäre als ein Præsent vor einen König oder andern grossen Fürsten zu rechnen, darum will ich euch nur so viel sagen, daß mir vieles von euren schönen Waaren und andern Sachen anstehet, darff ich also bitten, so erlaubt mir das Auslesen unter allem dem, was mir gefällig, damit ich die Sachen Morgen mit Wagens kan abholen lassen. So bald wir des Preises wegen einig worden, soll auch die baare Zahlung parat da liegen. Ich sprach, Ew. Excell. erlauben mir zu sagen, daß wir alle keine Kauffleute sind, die etwas zu verhandeln hätten, sondern es ist dieses alles als ein kleines Præsent vor genossene Ehre, Liebe und Güte zu betrachten, solten wir aber so unglücklich seyn von Ihnen und Dero hohen Familie damit verschmähet zu werden, so haben[128] wir 4. Capitains uns einmüthig verschworen, alle diese Sachen in die See werffen zu lassen, weilen wir ausser diesem dennoch gnugsamen Vorrath behalten.

Als der Gouverneur unsern harten Ernst sahe, sagte er: Gebt euch zu frieden, meine Brüder! und ärgert euch nicht, ich will Morgen früh alles abholen lassen, aber unter keiner andern Condition als dieser, daß ihr mir mit Hand und Munde versprecht, nur wenigstens noch 4. Monate bey mir auf meinem Schlosse zu bleiben, da ich euch denn nach meinem besten Vermögen will warten und pflegen lassen, auch eure Leute sollen keine Noth leiden, denn meine Wälder stehen ihnen offen, da können sie so viel Wildpret schiessen, als sie verzehren können. Ich glaube nicht, daß sie das Wildpret vertilgen werden, weil dessen in gröster Menge vorhanden ist. Auch stehen ihnen alle Teiche, Flüsse und Bäche offen, worinnen sie fischen können, und ich glaube auch nicht, daß sie die Fische auf dieser Insul vertilgen werden, zumahlen, da im Haafen und in der See alles von Fischen wimmelt. Anbey können sie sich eine Lust machen, und am Ufer und an den Sand-Bäncken Schildkröten fangen, aus deren Eyern und ihrem Fleische ich mir eine besondere Delicatesse mache, so wohl als aus den See-Krebsen, ingleichen See-Kälbern, die allhier um dieser Insul herum in erstaunlicher Grösse und Menge anzutreffen sind. Uber dieses alles soll euren Leuten alle 3. Tage eine proportionirliche Menge von Rind-Schöpß- und Schweine-Vieh zu getrieben werden, welches sie selbst schlachten[129] mögen, an Brod, Butter, Käse, Saltz, Gewürtze und dergleichen sollen sie auch keinen Mangel leiden. Wein und Brandtewein, nebst Toback, wird sich auch zur Nothdurfft vor sie finden.

Dem Gouverneur gab ich, nachdem ich mich mit den andern Capitains besprochen, dieses zur Antwort, daß Sr. Excell. nur erstlich Ordre stellen möchten, die allerley Sachen von hier ab, und auf Dero Citadelle bringen zu lassen, da wir denn Morgen, oder Ubermorgen fernere Abrede unter einander nehmen wolten. Mittlerweile gab ich das Zeichen, daß erstlich des Gouverneurs auf dem Platze stehende 4. Canonen abgefeuert, und die Trompeter und Paucker uns zu den Taffeln ruffen solten.

Von unsern Schiffen wurden also 50. Canonen gelöset, worauf die von der Citadelle antworteten. Der Gouverneur, da er die Taffel-Zelter ansahe, und erblickte, daß alles schon zum Speisen parat war, sagte: »Meine Brüder! eure Complaisance erstreckt sich gar zu weit, es begiñet dunckel zu werden, derowegen will ich mich mit den Meinigen nach Hause verfügen, in Erwartung der Ehre, euch Morgen um Mittags-Zeit bey mir zu sehen«; Jedoch auf unabläßiges Bitten ließ er sich dennoch aufhalten, und setzte sich so wohl, als alle anderen zur Taffel, bey welcher wir abermahls lucker lebten, und unsern eigenen güldenen und silbernen Pocals und Bechern wenig Ruhe liessen, indem wir bemerckten, daß der Gouverneur nichts lieber tranck, als Canari-Sect, dessen wir ihm und allen den Seinigen genugsam vorsetzen konten, weil[130] wir so viele Fässer von den Barbaren erbeutet hatten. Alle seine Officiers und Cavaliers schlugen nicht schlimm bey, sondern waren, so zu sagen, rechte Helden im Sauffen.

Wie nun unter beständigen Donnern der Canonen und Musqueten, auch unaufhörlicher Feld-Musique, endlich die recht dunckele Nacht herein brach, so hatte mein Bruder schon Anstallten gemacht, daß an der Rhede und auf dem schönen grünen Platze, mehr als 4000. Pech-Fackeln und Schiff-Laternen angezündet wurden, welche er dergestalt artig rangirt, daß sie eine Ansehens-würdige Illumination machten. Der Gouverneur und alle Anwesende bezeigten ihr Vergnügen darüber, und bald hernach kam mein Bruder selbst, bat unsere sä tlichen Gäste, mit ihm an den Strand zu spazieren, um auf der See ein kleines Feuerwerck anzünden zu sehen. Demnach, und da wir ohnedem schon völlig abgespeiset, folgten ihm der Gouverneur und wir andern alle, bis auf den letzten Mann.

Es ist wahr, mein Bruder, mein Lieutenant und viele von unsern Leuten, die sehr gute Feuerwercker waren, hatten sich Tag und Nacht viel Mühe gemacht, ein Feuerwerck in der Geschwindigkeit zum Stande zu bringen, welches Sehenswürdig war.

Also wurden erstlich von den Schiffen 50. Canonen gelöset, und 6. Bomben aus den Feuer-Mörsern weit in die See hinaus gespielet. Hernach ließ mein Bruder 6. kleine Bootchens in die See lauffen, auf deren jeden einem des Gouverneurs,[131] dessen Gemahlin, Töchter und Söhne Nahmen, den Initial-Buchstaben nach, Wechselsweise in roth und blauen Feuer, über einem Feuer-Rade brannten, welches beständig herum lief. Anbey bemerckte ich die Schalckhafftigkeit meines Bruders, da er seiner Amasia Nahmen im grünen Feuer brennen ließ, auch das Feuer-Rad zu unterst mit grünem Feuer vorstellete, welches immer einen Schwärmer nach dem andern von sich warff. Es war dieses in Wahrheit fast ein rechtes Kunststück zu nennen, sonderlich wegen des grünen Feuers, welches den Gouverneur und alle dermassen ergötzte, daß sie bekannten, Zeitlebens dergleichen nicht gesehen zu haben. Indem nun diese brennenden Nahmen sehr lustig anzusehen, in der See durch einander herlieffen, ließ mein Bruder ein grösser Boot in die See gehen, worauf unter einer grossen Crone, die im Goldgelben Feuer brannte, die Buchstaben VIVANT im Leibfarbenen Feuer sich præsentirten; Unten aber im Boote brannte ein sehr grosses Feuer-Rad im grünen. Hierbey wurden mehr als 300. Raqueten gen Himmel gespielet, ohne die vielen Schwärmer, so aus den Händen geworffen wurden, und dabey Wechselsweise 100. Canonen auf den Schiffen gelöset, auch gab die Musqueterie zu dreyen mahlen Salve, worauf die von der Citadelle antworteten, wir konten aber vor der Feld-Musique das Schiessen nur in etwas hören. Dieser Lust folgte eine andere, indem mein Bruder unterschiedliche Sorten von Feuerwerckers-Possen, (als wovon ich eben vor meine Person[132] kein grosser Liebhaber bin) noch in die See spielen ließ, als Feuerspeyende Drachen, Fisch-Machinen, Feuer-Schlangen, Wasser-Kegel, Lust-Kugeln und dergleichen, welches alles von den Zuschauern besonders bewundert wurde, ohngeachtet ich mir, wie schon gesagt, vor meine Person nichts daraus machte, denn mein Bruder und ich stimmen ohne dem in unser Temperamenten zwar in etwas, jedoch nicht vollkommen überein.

Dieses Feuerwerck währete also bis gegen den Tag, als es ohngefehr 2. bis 3. Uhr war. Da es nun zum Ende, wurden abermahls 50. Canonen von unsern Schiffen gelöset, 6. Bomben in die See gespielet, und von der Musqueterie 3. mahl Feuer gegeben. Hiermit hatte die Comœdie ein Ende, und wir begaben uns zurück unter die Zelter, da denn bestellter Massen glüender Wein, Chocolade, Caffée und Thée in gröstem Uberflusse anzutreffen war, und es durffte ein jedes sich nur an dieselbige Taffel begeben, oder fordern, was nach seinem Appetite war. Nächst dem waren auch Taffeln anzutreffen, worauf kalter Wein, allerley kalt Gebratenes, Bisquit, Confituren, Obst und dergleichen stunden, welches alles sich unsere lieben Gäste, einer vor dem andern, wohl zu Nutze machten.

Indem die Sonne aufgieng (bey welcher Gelegenheit wir allezeit die Art hatten, von jedem Schiffe 3. Canonen lösen zu lassen, worbey sich die Feld-Musique weidlich hören ließ) trat der Gouverneur auf, und sagte mit lauter Stimme: »Alle meine Lieben! ich bin ein Mann von[133] 64. Jahren, und habe bekannter Massen, wo nicht die gantze, jedoch bey nahe die halbe Welt durchreiset, sonderlich hat es mir in denen Europæischen Königreichen und Ländern über alle Massen wohl gefallen, und ich kan nicht läugnen, daß ich daselbst zum öfftern vor weniges Geld zuweilen viel Vergnügen gefunden, sonderlich in Deutschland; Allein, wenn ich sagen solte, daß ich Zeit meines Lebens einen vergnügtern Tag und eine vergnügtere Nacht gehabt, als die ich nunmehro seit fast 24. Stunden zurück gelegt habe, so müste ich es lügen, und ich mercke an euch allen, daß ihr vergnügt seyd, sonderlich, da uns die Herren Deutschen und Portugiesen fast Fürstlich tractiret, und mit einem so kostbaren Feuerwercke beehret haben. Ich vor meine Person will vorjetzo nichts mehr, als grossen Danck sagen, und in Erwartung, daß sie längstens Morgen Nachmittags in meinem Hause erscheinen werden, mich gegen ihre Höflichkeit aufs möglichste zu revangiren suchen.«

Hierauf, da der Gouverneur noch sagte, daß er Müdigkeit halber nicht länger bey uns bleiben könte, nahmen wir mit vielen Hertzen und Küssen den liebreichsten Abschied von einander, unsere Gäste setzten sich auf ihre Wagens und Pferde, und reiseten, nachdem eine Salve aus 50. Canonen von unsern Schiffen gegeben, nach der Citadelle zu. Ohngeachtet nun der Gouverneur seine gewöhnliche Escorte bey sich hatte, so thaten wir und die Portugiesen ihn dennoch die Ehre an, und liessen ihn mit 200. Grenadiers[134] bis vor seyn Schloß convoyren. Da wir denn bald hernach 50. Canonen von der Citadelle lösen höreten, worauf wir Antwort gaben; Unsere Grenadiers aber kamen erstlich in 3. Stunden zurück, indem sie der Gouverneur mit Wein, Brandtewein und Bisquit dergestalt begeistern lassen, daß viele unter ihnen taumelten.

Wir alle suchten auf einige Stunden die Ruhe, und hatten unsern Leuten Ordre hinterlassen, daß, wenn des Gouverneurs Wagens kämen, sie ihnen alle ihm zugedachte Sachen solten aufpacken helffen, und nachdem wir ohngefähr 4. Stunden geschlaffen hatten, befanden wir, daß schon ziemliche Lasten auf die Citadelle gebracht worden.

Des folgenden Morgens machten wir noch eine und andere Anstallten auf unsern Schiffen, wobey die Portugiesen zu vernehmen gaben, daß sie nicht gesonnen wären, sich länger auf dieser Insul aufzuhalten, ohngeachtet es ihnen bey dem wackern Gouverneur sehr wohl gefiele, sondern sie sähen sich genöthiget zu eilen, weilen ihr starcker Vortheil und Nutzen darauf beruhete, da ohnedem ihre Schiffe, die eben nicht so grossen Schaden gelitten, bereits fast vollkommen ausgebessert wären. Demnach wolten sie in GOttes Nahmen bey ersten günstigen Winde abseegeln, und uns GOtt befehlen, weil sie uns aus zweyerley Ursachen nicht zumuthen könten, weiter mit ihnen in Compagnie zu fahren, sondern wir solten uns ja Zeit zu Ausbesserung unserer Schiffe nehmen, weil wir eine noch viel gefährlichere und[135] weitere Reise vor uns hätten, als sie. Hergegen erboten sie sich auf eine recht liebreiche Art, die gefangen gewesenen Christen-Sclaven, welche mit ihnen nach Europa zu seegeln Lust hätten, nicht allein franck und frey bis nach Portugall mit zu nehmen, sondern auch unterweges sie mit der besten Schiffs-Kost zu accommodiren, über dieses einem jeden Christen, der mit ihnen nach Europa reisen wolte, 100. Ducaten und ein gut Stück Tuch nebst anderm Zubehör zur Kleidung zu geben versprachen. Nicht etwa in der Absicht, daß sie ihnen dienstbar seyn, oder die Schiffs-Arbeit solten mit verrichten helffen; Nein! keinesweges, es sey denn zur Zeit der Noth, wenn ein jeder Hand mit anzulegen verbunden wäre.

Mein Bruder und ich lobten der Portugiesen Generositée, und versprachen, unsern gefangen gewesenen Mit-Christen gedoppelt so viel zum Geschencke auf die Reise mit zu geben.

Demnach liessen wir die in Freyheit gesetzten Christen alle vor uns kommen, deren denn 4. Frauenzimmer und noch 36. Manns-Personen waren. Ich kündigte ihnen die Generositée der Herren Portugiesen, und mein und meines Bruders Erbieten an; worüber sie sich alle ungemein erfreut bezeigten. Hierauf trat die Dame zu mir, und sagte in Gegenwart aller: Mein Herr! ich habe von Dero Leuten vernommen, daß sie nach dem Vorgebürge der guten Hoffnung zu seegeln; Ich bitte gehorsamst, mich arme betrübte Wittbe um wenigstens bis dahin mit zu nehmen, weilen ich verhoffe, daß ich daselbst Engelländische, oder[136] doch wenigstens Holländische Schiffe antreffen werde, deren mich eines aus Commiseration auf eine in den Ost-Indischen Gewässern gelegene Insul vielleicht mitnehmen möchte, denn ich kan nicht läugnen, daß ich wenig in Mitteln habe; dancke aber doch dem Himmel, daß er so gnädig gewesen, mir zu vergönnen, daß ich mitten in dem Treffen mit den Barbaren unsere Pässe, Wechsel-Briefe, Obligationes und dergleichen listiger Weise erretten können; sonsten aber habe von allem unsern Gelde, Guth und Kleidern nichts behalten, als einige Jubelen, Ringe und Gold- Stücke, die doch ingesamt keine 5. oder 6000. Thlr. werth sind, komme ich aber glücklich auf die Insul, allwo mein seliger Mann eine starcke Forderung hat, so wird mir und den Meinigen schon geholffen seyn, ich will den übrigen Rest meines Lebens auf dieser Insul beschliessen, und mich, so lange meine Augen offen stehen, niemahls wieder auf die See wagen, viellieber mein in Engelland noch habendes Vermögen im Stiche lassen, wenn meine Verwandten so unbarmhertzig seyn solten, mir selbiges nicht mit guter Gelegenheit nachzuschicken.

Madame! (gab ich zur Antwort) ich verhoffe sie mit den Ihrigen, so GOTT will, glücklich auf das Cap. zu bringen, da sie denn ihre Messures weiter nach Belieben nehmen können. Sie haben sich bey mir einer franck und freyen Fahrt zu getrösten, nur bitte mit der Schiffs-Kost und Commoditée, so gut ich dieselbe nur immer besorgen kan, gütigst vorlieb zu nehmen. Auch[137] soll ihnen das kleine Geschenck an Gelde und Meubles angedeyhen, welches so wohl die Herren Portugiesen, als wir, den in Freyheit gesetzten Christen von uns noch vor unserer Abfahrt zu gewarten haben. Mittlerweile ist ihnen erlaubt, sich von den besten Tüchern, Zeugen von allerley Sorten, auch Leinewand und andern Sachen, so sie bedürffen, nach eigenem Belieben zur Kleidung auszulesen und zu behalten.

Die Dame winckte den Ihrigen, welche bey sie traten, und uns ihre Danckbarkeit mit den höflichsten Complimenten und weinenden Augen abstatteten.

Ihr Sohn war ein wohlgewachsener artiger Mensch von etwa 21. Jahren, der etwas in literis, sonderlich aber in der Mathesi gethan hatte, derowegen ließ ich mich nicht lange bitten, ihn mit zu nehmen.

Hierauf stelleten sich die übrigen Freygelassenen Christen-Sclaven en front, die meisten unter ihnen sehneten sich nach Europa. Wir examinirten in aller Kürtze einen jeden, was vor ein Lands-Mann, von was vor Profession, und was sonsten sein Stand und Wesen wäre? Da sich denn befand, daß sich


1) Ein Gürtler-Meister,

2) Ein Buchdrucker-Gesell,

3) Ein Pulver-Müller,

4) Ein Salpeter-Sieder,

5) Ein Büchsen-Macher unter ihnen angaben, als welche von selbsten austraten, und uns inständig baten, sie auf den Cours nach Ost-Indien[138] mitzunehmen, und wenigstens aufs Cap. zu bringen, weilen sie noch keine Lust hätten, so bald nach ihren Vater-Ländern zurück zu kehren, sondern sich noch etwas versuchen wolten.


Mir kam dieses recht a propos, derowegen sagte ich ihnen, daß sie ihre Equipage in Ordnung bringen, und sich parat halten solten, nächsten Tags mit uns ab zu seegeln, immittelst möchten sie sich von dem Mittel-Tuche, Leder zu Hosen, Leinewand und allen dem, was zu Ausstafirung ihrer Kleidung von nöthen, nach Belieben und nach Nothdurfft auslesen, das versprochene Geld und Geschenck aber vor unserer Abreise ebenfalls richtig gezahlt bekommen.

Wer war erfreuter, als diese Europæische Manns-Personen? Jedoch das Vergnügen des Frauenzimmers erzeigte sich dennoch weit grösser, welche sehr bittlich ersuchten, je eher je lieber Sorge zu tragen, daß wir zu Schiffe giengen.

Wir sprachen allen und jeden, die mit uns fahren wolten, freundlich und tröstlich zu, liessen sie auch mit den besten Speisen und Wein alltäglich tractiren. Demnach behielten die Hn. Portugiesen nur noch 27. gefangen gewesene Christen-Sclaven, welche sie auf ihr redliches Wort, jedoch nicht weiter, als bis in den ersten Portugiesischen Hafen zu schaffen nochmahls theuer versicherten.

Folgenden Morgens thaten wir die Reise nach der Citadelle zum Gouverneur, und nahmen meinen Lieutenant, wie auch meines Bruders Fähndrich mit uns, weilen diese beyden redlichen Officiers bis hieher noch das wenigste von unsern[139] gehabten Lustbarkeiten genossen hatten. Das Commando über unsere beyden Schiffe überliessen wir immittelst meines Bruders neu angenommenen Lieutenante und meinem Fähndriche, und in Hoffnung, daß, da sie beyde, uns getreue Unter-Officiers und Leute unter sich hatten, reiseten wir ohne besondere Sorge mit Plaisir fort, bestelleten aber, daß uns so wohl bey Tags als Nacht-Zeit wenigstens alle 4. Stunden, von allem, was so wohl auf den Schiffen, als sonsten veränderliches passirte, der allergenauste Rapport durch 1. Unter-Officier und 2. Mann abgestattet werden solte.

Wir gelangeten noch 2. Stunden vor Taffels-Zeit bey dem Gouverneur an, mit dem und dessen Familie wir vorhero ein freundliches Gespräche hielten, in welchem der Gouverneur vorbrachte, was Massen er doch hoffen wolte, uns gestern abgeredter Massen noch etliche Monate bey ihm zu sehen; Allein die Portugiesischen Capitains deprecirten solches, und brachten allzu trifftige Ursachen hervor, weßwegen sie sich vor dißmahl nicht länger aufhalten könten, weilen ihr gröster Schimpff und Schaden darunter versirte, wenn sie über die Gebühr aussen blieben, und nicht nach ihrem Lande trachteten. Also ließ sich der Gouverneur endlich bewegen, und erlaubte ihnen auf ihr inständiges Bitten, mit nächsten favorablen Winde abzuseegeln. Mit euch aber, meine Brüder! (sprach er zu mir und meinem Bruder,) darf es so eilig nicht zugehen, denn allem Ansehen nach, braucht ihr noch einige Wochen[140] Zeit, eure sehr zerlästerten Schiffe auszuflicken, wo ihr anders keine gefährliche Fahrt haben wollet.

Wir beyden gaben zur Antwort, daß unsere Leute ihre Hände keinesweges in die Ficke stecken, noch auf der faulen Banck liegen solten, sondern wir hofften mit den Herren Portugiesen, wo nicht zugleich seegelfertig zu seyn, doch ihnen aufs eiligste nach zu folgen, und zwar auf unserer Strasse, weil wir zweyerley Wege vor uns hätten. Es wird sich schon geben, (sagte der Gouverneur im Schertze) Wind und Wetter wird mir dißmahl schon gehorchen, denn ich gebe mich halb und halb vor einen Wettermacher aus, mittlerweile wollen wir noch eine Zeitlang lustig mit einander leben, auch weder Speisen, Geträncke, Musique, noch Pulver verschonen.

Bey diesen Worten meldete sich mein Bruder, und sagte: Ew. Excell. werden einiger Massen an mir abgemercket haben, daß ich ein Ertz-Pulver-Verderber bin, doch will gehorsamst gebeten haben, von nun an des edlen Pulvers einiger Massen zu verschonen, indem ich, wenn wir ja noch etliche Tage oder Wochen beysammen bleiben solten, mit Dero gnädigen Erlaubniß noch ein oder ein Paar bessere Feuerwercker, als die letzteren gewesen, zu præsentiren gesonnen bin.

Wohl gut, mein Bruder! (sagte der Gouverneur) es soll von heute an das Pulver menagirt werden, weilen mir selbsten deucht, daß der Freuden-Becher unter Musique, Trompeten und Paucken-Schall eben so gut schmeckt, als unter dem Donner der Canonen.[141]

Wir giengen demnach zur Taffel, die sehr köstlich zubereitet war, da denn beym Gesundheit-Trincken kein eintziger Canonen-Schuß gehöret wurde, als Abends, wenn die Sonne untergieng, da denn 3. Canonen von der Citadelle abgebrannt, und von unsern Schiffen mit eben so vielen geantwortet wurde.

Bis gegen Mitternacht wurde noch mancher schöner Pocal und Becher unter Trompeten und Paucken-Schall, auch anderer instrumental Musique ausgeleeret, weil der Gouverneur und die Seinigen sich alle ungemein lustig bezeigeten, auch wir unserer Seits keine Schlaf-Mützen repræsentirten. Endlich ward Schicht gemacht, und wir beyden Brüder bezogen wieder unser vormahliges Zimmer.

Hernachmahls gieng alles gantz ordentlich, jedoch mit täglicher Veränderung der Lustbarkeiten zu, denn einen Tag giengen wir auf die Jagd, den andern auf die Fischerey, den dritten schossen wir einen grossen höltzernen Vogel von der aufgerichteten Vogel-Stange herunter, den vierdten Tag schossen wir mit Büchsen, Flinten, auch theils mit Pistolen nach den aufgesetzten Scheiben, den fünfften sahen wir aus den Fenstern dem Kampff der wilden Thiere unter einander zu, den sechsten fuhren wir Abends in den kleinen Lust-Schiffen auf der See herum, dabey mein Bruder doch sein Wort nicht hielte, und das Pulver sparete, indem er immer nach einander eine ziemliche Menge Raqueten steigen, auch eine Anzahl kleinere Schwärmer aus den Händen werffen, oder aus[142] Pistolen und Flinten in die Lufft schiessen ließ, den siebenden Tag fuhren oder ritten wir aufs Land, und besahen bald diesen bald jenen Mayerhof, allwo wir allezeit herrlich tractiret wurden, den achten Tag war Ball und Masquerade, den neundten Tag wurde uns eine Comœdie von den Studenten und Gymnasiasten vorgestellet, die wir Fremden allezeit reichlich beschenckten. Kurtz: Es fället mir fast unmöglich, alle Veränderungen der Lustbarkeiten zu beschreiben, und es wurde kein eintziger Tag ausgesetzt, da nicht eine neue Lust gemacht wurde, ausgenommen, die Sonn-und Fest-Tage, an welchen alles sehr devot und andächtig zugieng, und ohngeacht wir Protestanten zu seyn gar nicht läugneten, so gefiel doch dem Gouverneur und seiner Familie, daß wir und unsere Officiers ihre Kirche fleißig besuchten, aber jedennoch, wie devot wir uns auch anstelleten, niemahls eine Ceremonie mitmachten, die unserer protestantischen Religion zuwider war, und wir verspüreten nicht, daß ihnen diese oder jene Nachläßigkeit verdroß, sondern sie liessen uns in Glaubens-Sachen immer zu frieden, und disputirten davon wenig oder gar nichts.

Unsere subalternen Officiers löseten einander alle Tage ordentlich ab, so, daß sie einen Tag bey uns und bey der Lust mit waren, am andern Tage aber das Cammando auf den Schiffen führeten, welche mehrentheils alle 3. oder 4. Tage von mir oder meinem Bruder Wechselsweise visitirt wurden, um die Liebe unseres Volcks gegen uns zu erhalten.[143]

Allein, meine Herren (sagte hier der Capitain Horn weiter zu uns Felsenburgern) ich bemercke, daß ich in der ersten Hitze eine allzu lange Oration, oder Berichts-Erstattung meiner Anhero-Reise Ihnen abgeleget. Mir ist die Zeit darbey nicht lang worden, und bin auch des Redens wegen nicht so müde, als sie vielleicht des Zuhörens sind; doch, da ich sehe, daß die Demmerung herein tritt, will mit Dero gütigen Erlaubniß vorjetzo in meiner Erzählung Abbruch thun, und das übrige bis Morgen versparen. Der Regente und alle Anwesenden, sonderl. ich, hätten ihm noch gern eine oder etliche Stunden zugehöret, und lieber die Abend-Mahlzeit entbehren wollen; allein es wäre wider alle Billigkeit gewesen, ihm noch ein mehreres Reden zu zumuthen. Derowegen sagte der Regente: Mein Sohn Horn! Ihr habt euch, ohngeachtet ihr gesessen, dennoch mit Reden eine schwerere Arbeit verrichtet, als mancher Holtzhauer, derowegen lasset uns ein wenig speisen, und nach gehaltener Abend-Bet-Stunde zur Ruhe begeben, mit der Verabredung, daß wir Morgen G.G. in den Früh-Stunden beym Thée einander so, wie wir hier versammlet sind, wieder sehen, und die Fortsetzung eurer Reise-Geschicht anhören wollen. Vorjetzo nehmet auf heute mit einem mündlichen Dancke von mir vorlieb, bis auf weitern Bescheid.

Demnach wurde die Taffel angerichtet, bey welcher alles gantz stille zugieng, ausgenommen, daß die Herrn Musicanten eine douçe Taffel-Musique machten, und damit wohl noch eine gute Stunde nach abgehabener Taffel fortfuhren, bis[144] endlich, nachdem wir noch etwa eine halbe Stunde auf dem grünen Platze bey schöner Witterung und hellem Monden-Schein uns eine Bewegung gemacht, damit sich das Essen setzen möchte, worbey die Musicanten auf dem Berge mit einer angenehmen Abend-Musique sich beständig hören liessen, das Signal zur Bet-Stunde durch einen Carthaunen-Schuß gegeben wurde. Wir versamleten uns also insgesa t auf dem grossen Saal vor des Regentens Zimmer, und warteten daselbst die Abend-Andacht ab, worauf ein jeder, nach gewechselten Complimenten zur guten Nacht, seine Ruhe-Stätte suchte.

Des folgenden Tages, da Kirch-Tag war, fanden wir uns alle, wie wir gestern versammlet gewesen waren, in des Regentens Zimmer ein, und truncken mit ihm nicht nur den Thée, sondern auch ein jeder nach seinem Belieben, ein oder mehr Gläser Frantz-Brandtewein, bis die Carthaune abgefeuret, und die Glocken zum Kirchengehen die Einladung thaten.

Das Volck versammlete sich häuffig in der Kirche, weßwegen wir uns auch nicht versäumeten, unsere Stellen zu begleiten.

Herr Mag. Schmeltzer Jun. that eine schöne Wochen-Predigt, und zu Ende derselben fügte er der Christl. Gemeinde folgendes zu wissen:


»Demnach der allmächtige und barmhertzige GOtt unsern lieben Freund und Bruder, Hrn. Capitain Philipp Wilhelm Horn, nebst seinem Geleite, nach einer überstandenen gefährlichen und beschwerlichen Reise[145] glücklich und vergnügt, zu unserer aller, allergrösten Freude, auf diese unsere liebe Insul zurück geführet; Als erfordert unsere Pflicht und Schuldigkeit, dem Allmächtigen vor die gantz besondere Wohlthat, die er uns abermahls hiermit erzeigt, auch einen gantz besondern Danck abzustatten. Wie nun unsere Obern und die Geistlichen beschlossen haben dieserwegen ein solennes Danck-Fest auf nechst-künfftigen Sonntag anzustellen; als wird Ew. Christlichen Liebe und Gemeinden solches zum Voraus von der Cantzel hiermit öffentlich verkündiget, damit sie sich darnach achten, und zu rechter Zeit, wiewohl vor dißmahl etwas früher, nach der gewöhnlichen Lösung mir 2. Stück-Schüssen und Läutung der Glocken, in dem GOttes-Hause einfinden wollen. Mit Proviant sich zu belästigen, hat niemand nöthig, indem unser guter Regente und Vater so wohl, als die andern Obern schon Anstallten gemacht haben, auf diesen Tag alle Einwohner der Insul nothdürfftig zu speisen und zu träncken. Wir sind, meine Lieben! unserm GOtte einen gantz ausserordentlichen Danck schuldig vor seine unschätzbare Gnade, die er dieser Insul abermahls wiederfahren und geniessen lässet, zumahlen, da er uns vor weniger Zeit in Furcht und Schrecken gesetzet hat. Da wir nun sehen, meine Lieben, daß GOtt nicht immer oder ewiglich zürnet, sondern sein Wort hält, ja, da wir erfahren haben, daß sein Zorn nur eine[146] kleine Weile über uns gewähret hat, so lasset uns mit demüthigen und danckbaren Hertzen ingesa t vor ihn treten. GOtt bereite unser aller Hertzen zur ihm gefälligen Andacht, durch die Krafft des heiligen Geistes, in unsers HErrn und Heylandes JEsu Christi Nahmen, Amen!«


Als der Gottesdienst in der Kirche zum Ende war, und wir auf dem grünen Platze etwas stille stunden, worbey der Capitain Horn der vorderste war, hätte man sein blaues Wunder sehen sollen, wie unsere Leute, alt und jung, ja Kinder, die kaum 2. bis 3. Jahr alt waren, um ihn herum gelauffen kamen; die Alten küsseten ihm Stirne, Backen und Mund, und wenn die jüngern und kleinern Kinder sahen, daß sie nicht an ihn hinauf reichen konten, so küsseten sie ihm die Hände, auch so gar die Kleider, welches Ceremoniel ihnen kein Mensch auf der Welt gezeiget und vorgemacht hatte, sondern sie thatens aus unschuldiger einfältiger Liebe.

Dieses währete, bis wir zur Taffel geruffen wurden, nach deren Abtragung Capitain Horn seine Reise-Erzählung folgender Massen fortsetzte:


Meine Herrn, auch allerwertheste Brüder, Gönner und Freunde!

Ich habe gestern, wo mir recht ist, in dem Periodo abgebrochen, was Massen wir von dem Gouverneur der grünen Insuln, der seine Residenz und eine wichtige Festung auf einer Insul, S. Jago genannt, hatte, so herrlich tractiret worden;[147] Die andern grünen Insuln hatte er fast rings umher um diese seine Residenz-Insul liegen. Es waren importante Insuln in selbiger Gegend, auf welchen die gütige Natur alles hervorbrachte und darreichte, was der Mensch nur immer verlangen konte.

Ehe ich aber weiter gehe, so muß melden, daß die Herren Portugiesen des kostbaren Tractaments überdrüßig wurden, und mit aller Gewalt zu ihrer Abseegelung Anstalt machten.

Der Gouverneur bat sie zwar sehr, noch eine Zeitlang bey ihm zu verharren, allein, sie vermassen sich hoch und theuer, daß es ihnen ohnmöglich, ja höchst gefährlich wäre, länger zu bleiben, demnach erlaubte endlich der Gouverneur, daß sie mit nächstem favorablen Winde in GOttes Nahmen abfahren möchten.

Dieses geschahe also, nachdem sie 2. Monate und etliche Tage geschmauset hatten.

Als es sich nun zu einem günstigen Winde vor sie anließ, machten sie sich an den Gouverneur, und sprachen: Daß nunmehro ihres Bleibens nicht länger, als etwa 3. Tage noch sey, baten zugleich den Gouverneur, seine Familie und Officiers, auch uns beyden Brüder zum Valet-Schmause, auf das gröste von ihren Schiffen. Der Gouverneur, welcher kein Kost-Verächter war, bestimmte also von heute an den 3ten Tag, da er denn mit allen den Seinigen auf ihren Schiffen erscheinen wolte.

Wie nun der 3te Tag eintrat, traten auch wir sä tlich gebetenen Gäste in dem grösten Portugiesischen[148] Schiffe ein; Jedoch muß zu melden nicht vergessen, daß, so bald sie uns ankommen sahen, alle Canonen so wohl von den unserigen, als den Portugiesischen Schiffen gelöset wurden, denn sie hatten uns freundlich darum ansprechen lassen, unsere Canonen zu ihrem Dienste nochmahls zum Valet mit zu gebrauchen; wolten auch das Pulver darzu hergeben, allein wir waren viel zu großmüthig bey dieser Kleinigkeit, indem wir Uberfluß an Pulver hatten.

Ich muß den Portugiesen nachsagen, daß sie uns sehr propre tractirten, denn sie setzten uns die aller delicatesten Speisen vor. Fleisch-Speisen, Fischwerck und Geflügel von vielerley Art war alles im Uberfluß da, ingleichen an Gebackenes, Confituren und dergleichen spürete man keinen Mangel, absonderlich war die öfftere Veränderung der Speisen zu bewundern, als welches Kunststück wir bey ihnen nicht gesucht hätten. Hierbey war der beste Canarien-Sect unter vielen andern köstlichen Weinen das vornehmste Geträncke, in welchem die Gesundheiten unter Trompeten und Paucken-Schall häuffig getruncken wurden.

Der Schmauß währete bis zum Untergang der Sonnen, ja fast bis zu einbrechender Nacht, da denn der Gouverneur, alles fernern hefftigen Nöthigens ohngeachtet, Aufbruch machte, und seine Dancksagung bey den Portugiesischen Capitains abstattete, anbey dieselben inständig ersuchte, sich folgenden Morgens, so früh als es nur immer möglich seyn könte, auf seiner Burg ein zufinden,[149] weilen er gesonnen wäre, auch noch ein kleines Valet-Schmäußgen zu geben.

Es wolten zwar die Portugiesen hierein erstlich gantz und gar nicht willigen, sondern sperreten sich hefftig dargegen, allein da der Gouverneur sagte, wie er sie Zeit seines Lebens nicht vor rechtschaffene brave Leute erkennete, daferne sie ihm diese letzte Bitte nicht gewähreten, indem es ja nicht nur vom Ceremoniel erfordert würde, erstlich nochmahls auf seiner Burg einzusprechen, und Abschied zu nehmen, nachhero aber auf ihren Schiffen den Valet-Becher zu trincken, denn er versicherte ihnen hoch und theuer, daß er, weilen sie doch so gar allzusehr eileten, nicht länger, als den morgenden Tag aufhalten, des folgenden Tages aber ihrer Abfahrt mit betrübten Augen nachsehen wolte, so lange bis sie ihm aus den Augen verschwänden. Uber alles dieses hätte er noch vieles in Geheim mit ihnen zu reden, welches der Portugiesischen Nation und auch dem Gouverneur selbst zu gantz besonderm Nutzen und Vortheil gereichen könte. Wie nun die Portugiesen dieses vernahmen, versprachen sie ihm auf redliche Parole, daß sie folgenden Morgens mit den allerfrühsten auf der Burg sich einfinden wolten. Demnach reisete der Gouverneur nebst allen den Seinigen nach seiner Burg zu, und wir beyden Brüder wurden von dem Gouverneur und den Seinigen fast forcirt, auch mit dahin zu gehen.

Es war also schon um die Zeit des Aufgangs der Sonnen, als wir die Burg erreichten, immittelst wurde von beyden Seiten noch immer beständig[150] scharf canonirt, jedoch wir legten uns alle auf einige Stunden zur Ruhe. Die Portugiesen hielten ihr Wort redlich, und stelleten sich bey früher Tags-Zeit bey uns ein, da denn nicht lange hernach auf der Burg alles munter und wach wurde, demnach mochten wir auf der Burg wohl ein gut Stück länger geschlaffen haben, als die Herren Portugiesen.

Dieses Tages ließ der Gouverneur in Wahrheit abermahls ein recht fürstlich Tractament zurichten: Denn die Taffeln waren dergestalt mit den allerbesten Sorten von leckerhafften Speisen besetzt, daß man immer vermeynen sollen, es würden dieselben brechen. Von Wein und andern Geträncke verschiedener Sorten war ein solcher Uberfluß zu sehen, so daß es das Ansehen gewann, als ob sich die Gefässe immer von sich selbsten wieder voll fülleten.

Bey allen dem sassen wir in die 4. bis 5. Stunden an der Taffel, jedoch mehr beweglichen Machinen, als Menschen ähnlich, indem von den allzuhäuffigen Speise-Gerichten die wenigsten etwas rechts geniessen konten, zumahlen, da uns allen noch die Portugiesische gestrige Mahlzeit noch in dem Leibe stack. Demnach wurde mehr getruncken, als gespeiset, denn es verfolgte immer ein Pocal den andern, und zwar unter Trompeten und Paucken-Schall, auch Lösung der Canonen, so wohl von der Burg, als von unsern Schiffen. Wie nun dieses gegen des Gouverneurs Wort lief, daß wir nemlich das Pulver schonen wolten; so sagte derselbe; Ey was! Schade vor das Pulver, meine[151] Brüder! ich habe nicht allein in den Magazins dessen im Uberflusse, sondern kan auch einen Tag und alle Tage mehr Pulver mahlen lassen. Einmahl vor allemahl, heute wollen und müssen wir einmahl noch frölich und lustig beysammen seyn, weil wir nicht wissen, ob wir einandern so bald, oder wohl gar nicht wieder sehen möchten, denn ich bin ein alter Mann, der dem Tode starck entgegen gehet.

Wir alle wünschten dem ehrlichen Manne ein noch langes und vergnügtes Leben, weilen er Alters halber noch viele Jahre leben könte. Er schien über unsere Wünsche vergnügt zu seyn, nach aufgehabener Tafel aber gab er den Portugiesischen Capitains, wie auch mir und meinem Bruder einen Winck, ihm in ein Ober-Zimmer zu folgen. Mitten in diesem tappezirten Zimmer stund eine lange Taffel, die mit einer rothen Sammet-Decke beleget war, welche Decke der Gouverneur durch 2. Pagen abnehmen ließ, worauf sich unsern Augen folgendes præsentirte:


1.) 2. saubere Degen, deren Gefässe so wohl, als die Schnallen am Gehencke, häuffig mit Brillanten und andern Edel-Gesteinen besetzt waren.

2.) 2. vortrefflich schöne Spanische-Röhre, deren Knöpffe ebenfalls mit Brillanten und andern Edel- Gesteinen besetzt waren.

3.) 24. Stück grosse güldene Taffel-Schüsseln.

4.) 24. Stück etwas kleinere oder Mittel-Schüsseln, die ebenfalls von Golde getrieben waren.

5.) 4. Dutzent goldene Teller.

6.) 4. Dutzent goldene ordinaire Löffel.

7.) 2. ziemlich grosse güldene Pocale, die da sehr starck[152] mit Brillanten und andern edlen Steinen besetzt waren.

8.) 2. Dutzent goldene Becher von verschiedener Grösse, welche sehr bequemlich beym Speisen zu gebrauchen.

9.) 48. Stück ziemlich grosse aus feinem Silber getriebene Schüsseln.

10.) 48. Stück aus feinem Silber getriebene Mittel Schüsseln.

11.) 4. Dutzent silberne Teller.

12.) 4. Dutzent silberne Löffel.

13.) 4. Dutzent silberne Becher von verschiedener Grösse.

14. 15.) 2. Uhrwercke und Compasse mit güldenen Gehäusen, und starck mit Steinen besetzt, worinnen zu oberst die Magnet-Nadel befindlich.


Auf einer dabey stehenden Neben-Taffel befanden sich noch verschiedene güldene und silberne Gefässe, und zwar alles gedoppelt, als nemlich Lavors, Commoditæten und unzählige andere Sorten, welches wir allerseits bewunderten. Nachdem wir uns aber satt daran gesehen hatten, er griff der Gouverneur die beyden Portugiesischen Capitains bey den Händen, und sagte zu ihnen: Sehet hier, meine werthen und lieben Brüder! das soll das geringe Geschencke seyn, welches ihr von mir auf die Reise empfanget, verschmähet dasselbe nicht, sondern theilet euch brüderlich darein, und gedenckt meiner und der Meinigen im Besten, so offt ihr auch das gerinste Stücklein darvon braucht.

Die Capitains erschracken darüber, und wolten sich durchaus nicht entschliessen, auch das geringste[153] davon anzunehmen, sondern brachten unzähliche Entschuldigungen vor, die sie verhinderten, an einem solchen über königlichem Geschencke einigen Theil zu nehmen; Allein der Gouverneur sagte, indem er sie hertzlich küssete: Meine Brüder! macht kein Wunder, und verschmähet mich nicht, sonsten werde ich auch so trotzig werden, als ihr euch ausgabet, da wir zu erst zusammen gekommen sind, und da ihr mich dergestalt reichlich beschenckt habt, ist das Meinige eine kleine Kleinigkeit dargegen zu rechnen.

Indem fassete er die beyden Portugiesen bey den Händen, und sagte: Seyd so gütig, mir zu folgen, meine Brüder! um zu sehen, was mein Frauenzimmer vor euch zu rechte gelegt hat, und zwar in diesem besondern Zimmer; Da er aber mich und meinen Bruder auch anfassete, um zu sehen, was passirte, so traffen wir in dem Neben-Zimmer einen erstaunlichen Kram von allerley Arten weisser Wäsche an. Nächst diesen zwey kostbare, damastene, mit Golde bordirte Schlaf-Röcke und andere Nacht-Kleider. In Summa, wir hatten allerseits Ursache, über die Menge der kostbarn Wäsche so wohl, als über die andern Sachen zu erstaunen.

Demnach stelleten sich die beyden Portugiesen gedoppelt beschämt, beklagten sich auch darüber so wohl bey dem Gouverneur, als bey dessen Frauenzimmer in recht wehmüthigen Geberden und Stellungen, welcher erstere, nemlich der Gouverneur, denn zu beyden sagte: So wahr ich lebe, meine Lieben! so lange als ihr hier bey mir gewesen seyd, habe ich keine unvergnügte Stunde, geschweige[154] denn einen unvergnügten Tag gehabt, als nunmehro diese Stunde, da wir Abschied von einander nehmen müssen. Wolte GOtt! wir hätten Zeit-Lebens beysammen bleiben können, da aber dieses eine unmögliche Sache, so kränckt mir und den Meinigen in der Seele nichts mehr, als daß ihr so eigensinnig oder hochmüthig seyn wollet, die geringen Gegen-Geschencke gegen die eurigen, welche weit reichlicher gewesen, als die unserigen, von uns anzunehmen. Die nun die Portugiesen erweißlich machten, daß Dero Geschencke allzu kostbar, und zwar von beyden Seiten, gegen das wenige, was sie von uns empfangen hätten, ohne die allzu vielen Gefälligkeiten und Gnaden-Bezeugungen zu rechnen, die wir von Tage zu Tage von Ihnen genossen; so fieng der Gouverneur endlich also zu reden an: Meine lieben Brüder! Gold und Silber habe ich im Uberflusse, so wohl als die Meinigen, die wenig Wäsch- und Kleidungs-Stücke herbey gebracht haben. Wir bitten demnach alle aus einem Munde, uns nicht zu verschmähen, sondern dieses wenige zum geneigten Andencken, nicht aber als ein Geschenck anzunehmen, wiedrigenfalls will in eurer aller Gegenwart einen theuren Schwur thun, daß alle die Sachen noch vor eurer Abfahrt in die See geworffen werden sollen, und zwar, wo dieselbe am tieffsten ist.

Der Streit währete noch eine ziemliche Zeitlang, endlich aber, nachdem der Gouverneur, seine Gemahlin, Töchter und Söhne die Portugiesen nochmahls alle zärtlich umarmet und geküsset, gaben sich diese überwunden, und gewiß, das[155] Abschied-nehmen kam allen so bitter an, daß die meisten, eins wie das andere, die heissen Thränen fallen liessen.

Folgendes Tages in aller Frühe ließ der Gouverneur alle verschenckten Sachen auf der Portugiesen Schiffe schaffen, und zwar durch seine eigenen getreusten Leute, denen wir alle, nach eingenommenem Frühstück, in Chaisen auf dem Fusse nachfolgten, und auf den Schiffen ankamen, allwo die Portugiesen sich ungemein erfreueten, daß sie einen günstigen Wind fanden, mithin sich in möglichster Eile vollends einschifften, und nach nochmahligem genommenen zärtlichen Abschiede und Valet-Truncke am Strande ihre Ancker lichteten, die Seegel aufzogen, und unter einem entsetzlichen Donnern der Canonen so wohl von ihren, als unsern Schiffen, ingleichen von der Citadelle, als und darvon fuhren. Der Gouverneur blieb mit den Seinigen so lange am Strande stehen, und winckte beständig mit dem Huthe, bis sie uns aus den Augen verschwanden, worauf wir insgesa t zurück auf die Burg fuhren, indem er uns durchaus nicht aus den Augen wolte kommen lassen.

Als wir auf der Burg angelanget, sagte er zu uns beyden Brüdern: Nun, meine werthesten Brüder! ihr werdet von der Güte seyn, und die euch angewiesenen Zimmer beziehen, als dergleichen keine bessern in meinem Hause anzutreffen sind, auch alles kühnlich fordern, was zu eurer Bequemlichkeit gereicht, denn wahrhafftig, ich liebe euch als Brüder, meine Gemahlin macht in der Liebe zu ihren Kindern und gegen euch nicht den allergeringsten[156] Unterscheid, und meine Kinder erzeigen sich nicht anders, als ob ihr ihre allernächsten Anverwandten wäret. Woher aber eine solche Liebe entstanden, solches ist eine gantz andere Frage, welche ich jedoch nicht anders beantworten kan, als wie ich vollkommen der Meynung bin, daß dieselbe gantz heimlich in der Natur steckt, und von uns Menschen nicht gnugsam erforschet werden kan. Mit einem Worte, ich halte dergleichen Liebe vor eine vollkommene Sympathie oder Ubereinstimmung der Hertzen und Gemüther, es mögen aber die Herren Philosophi nach ihrem besten Vermögen untersuchen, wie es damit zugehet? wo es steckt? wenn sichs anfänget? wenn es aufhöret? und dergleichen, kurtz: ich sage nur dieses, daß ich in dieser Sache keinen Grund finden kan. Ihr habt gesehen, meine Brüder! daß ich und die Meinigen den beyden Portugiesischen Capitains nach unserm besten Vermögen alle mögliche Gefälligkeit und Höflichkeit geniessen lassen, weiln ich ihnen nachrühmen muß, daß sie artige Leute, und darzu unserer Römisch-Catholischen-Religion zugethan waren, da hingegen ihr, wie ich von euch vernommen habe, Protestanten seynd.


Unterdessen wolte wünschen, daß die lieben Portugiesen noch bey uns geblieben wären, bis auf eine andere Zeit, doch, da sie einmahl fort sind, so wünsche ihnen GOttes Geleite, und bin nur von Grunde meiner Seelen erfreuet, daß ich euch, meine Lieben noch eine Zeitlang bey uns sehen soll. Nun aber sagt mir, meine Herren! wie es zugehet, daß die[157] Liebe von unsern Seiten nicht auf unsere Glaubens-Genossen, sondern auf die Protestanten gefallen? Es solten sich zwar wohl bey unserer Religion einige finden, welche deßfalls bey diesem oder jenem einen Gewissens-Scrupel erregen, oder erzwingen möchten; Allein bey mir und den Meinigen werden sie ihren Zweck nicht erreichen, denn unser Wahlspruch ist dieser: Wir lieben die Tugend, und lassen jedennoch die Religion in ihren gebührlichen hohen Würden. Nachdem wir noch eine gute Zeitlang von dieser Materie pro und contra disputirt hatten, bezogen mein Bruder und ich unsere angewiesenen Zimmer, und lebten darauf dergestallt ruhig und vergnügt mit dem wohlthätigen Gouverneur und den Seinigen, daß ich, ausgenommen, was Felsenburg anbelanget, nicht leicht an einem Orte mehr Vergnügen auf dieser Welt gehabt.

So bald der Gouverneur und die Seinigen das Wort von uns beyden heraus gelockt, ja, so zu sagen, erzwungen hatten, wie wir wenigstens noch 2. Monate bey ihnen bleiben wolten; war das gantze Haus voller Freuden, damit wir aber eine Haupt-Veränderung unserer Gemüther empfinden möchten, stellete der Gouverneur eine general-Visitation der unter seinem Commando stehenden Insuln an, und lude uns darzu ein. Es wurden auch so gleich Anstalten zur Abfahrt gemacht, indem er gesonnen, seine gantze Familie mit sich zu führen, bis auf den ältesten Sohn und jüngste Töchter, als welche beyde gute Wirthschafft führen solten. Wir beyden Brüder konten ohne besondere Sorgen die Reise mit antreten,[158] weiln wir versichert waren, daß wir getreue Subalternen und Unter-Officiers so wohl, als auch Volontairs und Gemeine hatten; Lauter Leute, die nicht zu verbessern waren.

Wie demnach die aufs kostbarste und zierlichste ausgerüstete ungemein bequemliche Fregatte, welche von einem Kriegs-Schiffe begleitet wurde, im Hafen der Insul St. Jago anlangete, setzten wir uns in dieselbe, und fuhren mit des Gouverneurs Suite unter einer starcken Bedeckung und unter Lösung der Canonen von dannen, worbey zu mercken, daß uns der Gouverneur erlaubte, 12. Mann Granadiers von unsern Leuten, wie auch ausser diesen, daß er allen unsern Volontairs die Freyheit gab, in der Suite uns zur besondern Bedeckung mit zu reisen. Wir fuhren also zuerst auf die Insuln St. Luciæ und Nicolai, als in welchen beyden der Gouverneur unvergleichliche Fortifications und Schlösser zu seiner Bequemlichkeit anlegen lassen, weil sie die grösten waren unter denen noch übrigen etwas kleinern Insuln, welche doch aber alle sehr fruchtbar, und der Gouverneur auch in der aller kleinesten Insul ein Abtrits-Haus oder Pallais vor sich hatte.

Wir bewunderten, indem er auf einer jeden Insul Gerichte hielt, (da denn die Unterthanen vor seinem Richter-Stuhle erscheinen musten) dessen gantz besondere Conduite und Liebe zur Gerechtigkeit, wovon ich unzählige merckwürdige Exempel vorbringen wolte, wenn es vor jetzo Zeit darvon wäre. Uns zu Gefallen ließ er hie und da bald auf dieser, bald auf jener Insul ein Corps seiner Trouppen[159] entweder von regulirten, oder von Land-Militz zusammen ziehen, welche er selbst aufs schärffste musterte und exerciren ließ, worbey ich gestehen muß, daß derselbe Mann rechte brave Soldaten unter sich hatte.

Von allerhand sonderbaren und wunderbaren Geschichten, welche wir auf dieser oder jener Insul erfahren, will ich vor dißmahl, beliebter Kürtze wegen, so wenig erwehnen, als von der Natur, Art und Weise dieser grünen Insulaner, viel weniger von dem Ceremoniel und anderer Lebens-Art, auch Freudens-Bezeugungen, bey Anwesenheit ihres Gouverneurs, und was sie ihm vor Geschencke zu bringen pflegen. Hergegen kan ich nicht anders sagen, als daß wir auf diesen Insuln wegen der vielfältigen Veränderungen ungemeines Vergnügen fanden, endlich aber, da wir schon fast einen gantzen Monat von St. Jago, als der Residenz des Gouverneurs, hinweg gewesen, gaben wir demselben zu vernehmen, was Massen, da nun fast ein Monat von unserer angelobten Zeit des Dableibens verflossen, Sr. Excell. die Gnade haben möchten, es dahin zu verfügen, daß wir beyden Brüder nur auf einem Jagd-Schiffgen nach St. Jago gebracht werden möchten, weiln wir uns nicht getraueten, länger von unsern Schiffen abwesend zu bleiben, sondern nunmehro in beständigen Aengsten und Sorgen schweben müsten, weilen bekannter Massen unsere Subalternen das See-Hand-Werck noch nicht gar zu vollkommen verstünden, uns aber an einer tüchtigen Reparatur unserer Schiffe das allermeiste gelegen wäre etc. Es[160] ist gut, meine Brüder! (sagte hierauf der Gouverneur) daß ihr mich erinnert, wir wollen insgesamt von hinnen seegeln, damit wir bey Zeiten zu Hause kommen, denn ich kan wohl sagen, daß mir kein Bissen besser schmeckt, als in meiner Burg.

Demnach besuchte der Gouverneur nur noch 5. oder 6. kleine Insuln, welches binnen wenig Tagen geschehen war, worauf wir insgesamt den Rückweg nach St. Jago nahmen, und weiln wir die Zurückkunfft durch ein Post-Schiff melden lassen, so hatten des Gouverneurs Leute kaum unsere Flaggen auf den Schiffen wehen sehen, als so gleich ein grausames Donnern der Constabler auf der Citadelle, und auch zu gleicher Zeit von unsern Schiffen gehöret wurde, weßwegen wir uns nicht lange mit Rudern verweilten, sondern machten, daß wir den letzten Abend des abgelauffenen Monats bey guter Zeit glücklich und gesund auf St. Jago anlangeten.

Von den vielen Complimenten, welche auf beyden Seiten, zwischen den Einheimischen und Verreiset-gewesenen, gewechselt wurden, will ich gar nichts gedencken, sondern nur so viel sagen: daß die werthesten Zurückgebliebenen, so zu sagen, gantz ausser sich selbst waren, da sie uns alle, besonders aber ihren theuresten und werthesten Herrn Vater, glücklich und gesund wieder zurück kommen sahen, und ihn mit Vergnügen umarmen konten.

Unserer beyden Brüder erste Sorge war: die Schiffe in Augenschein zu nehmen, und zu erfahren, ob unsere Leute auch ihren besten Fleiß angewendet,[161] daß wir uns zum baldigen Abseegeln Hoffnung machen könten. Weßwegen wir uns denn bey dem Gouverneur und seiner Familie auf einige Tage beurlaubten; nach Verlauff derselben aber, da wir auf unsern Schiffen alles nach unserm Wunsche und Willen verfertiget und zugerichtet antraffen, so, daß wir uns in vollkommenem Seegelfertigen Stande befanden, mithin nur blos auf günstigen Wind warteten, unsere Abfahrt zu beschleunigen; als kehreten wir erstlich nochmahls zurück auf die Burg, und liessen es uns die noch übrigen Tage der angelobten Zeit unsers Dableibens im täglichen Wohlleben dergestalt gefallen, wie es der Gouverneur und die Seinigen gern sehen und haben wolten.

Ich habe, wo mir recht ist, schon gestern einen kleinen Anfang gemacht, von der Liebes-Begebenheit zwischen meinem Bruder und des Gouverneurs ältesten Tochter etwas zu erwehnen; Derowegen will voritzo darinnen fortfahren, weilen es ohnedem eine Begebenheit, welche guten Theils mit zu unserer Haupt-Historie gehöret.

Es hatte demnach, binnen der Zeit, die wir mit Visitation der umliegenden Insuln zubrachten, mein Bruder vollends Gelegenheit gefunden, sich in dem Hertzen dieses Frauenzimmers vollkommen feste zu setzen, ohne weiter hinaus zu dencken, wie dieses Gewerbe etwa ablauffen könte oder würde. Wie denn, meines Erachtens, die Verliebten zwar 9. mahl klug zu nennen, aber doch im Gegentheil offt 10. ja mehr mahl toll, oder wenigstens einfältig in ihren Actionen befunden werden.[162]

Mein Bruder war seit dem, daß wir auf den kleinen Insuln herum geschwärmet oder geschmauset hatten, gantz dräuste mit seiner Amasia worden, da doch solches bey damahligen Umständen, um so viel mehr hätte unterdruckt werden sollen, wenn man anders die Klugheit beobachten wollen.

Wie nun dieses Frauenzimmer ihn vor allen andern Manns-Personen distinguirte, so fiel ihre Liebes-Kranckheit allen Leuten auf einmahl in die Augen, ja, mein Bruder und diese seine Erwählte trieben es so toll mit Hertzen, Küssen und andern Liebkosungen, daß es auch so gar den Eltern gefährlich vorzukommen schiene, ihnen beyden fernerhin zu trauen. Meinen Credit hatten sie alle beyde gleich bey Anfang ihres Commercii, so bald ich nemlich dessen innen geworden, vollkommen verlohren. Ich stellete meinem Bruder zuweilen, wenn wir uns in der Einsamkeit, ohne andere Gesellschafft befanden, Himmel und Hölle vor, um ihn von der mir und ihm höchst fatalen Liebe abzugewöhnen, allein, ich predigte tauben Ohren, denn er antwortete mir zum öfftern kaum darauf, und wenn er ja allenfalls zum Stande zu bringen war, mit hochtrabenden und thörichten, zum öfftern auch lächerlichen Redens-Arten und Minen, welche mich zu vielen mahlen nicht wenig verdrossen; allein ich hielt ihm, als einem verliebten Hasen, oder wohl gar etwas mehr, sehr viel zu gute, bewunderte aber anbey nichts, als dieses, daß der Gouverneur so wohl, als seine Gemahlin, das Hertzen, Lecken und Küssen dieser zweyen Verliebten, es mochte auch bey was vor Gelegenheit seyn, als[163] es nur immer wolte, noch immer so mit gelassenen Augen ansahen, und nicht eine eintzige scheele Mine darzu machten. Hergegen machten mein Bruder und ich einander immer desto scheelere Minen, welches den andern Anwesenden zwar bedencklich vorkam, jedoch es muste unter dem Vorwande durchgehen, daß wir eine und andere Streit-und Zwistigkeiten gehabt, und dieselben noch nicht völlig beygelegt hätten.

Allein es war die gantze Sache in Wahrheit kein Schertz oder Spas zwischen uns Brüdern, denn eines Abends, als sich mein Bruder, meinen Gedancken nach, etwas allzu frey gegen seine Amasiam beym Tantze aufgeführet hatte, bemerckte ich, daß ein paar Insulanis. Officiers von nicht geringem Stande und Würden, sich über ihn höhnisch aufhielten, weßwegen ich meinen Bruder bey Seite zohe, ihm seine verliebte Thorheit vorrückte, und freundlich ermahnete, sich klüger und gescheuter aufzuführen, damit ich und alle die Unsrigen nicht etwa mit der Zeit Ursache hätten, ihm unsere Verunglückung eintzig und allein zu zuschreiben.

Meines Bruders Antwort war diese: Bruder! ihr redet vor dieses mahl, wie ein Kind, da ihr doch euch dessen schämen soltet, weilen ihr viel älter seyd, als ich, allein thut mir den Gefallen, und kommet früh Morgens um die Zeit des Aufgangs der Sonnen zu mir hinunter in eine, euch selber beliebige Sommer-Läube des grösten Lust-Gartens, vielleicht bringt ihr in der freyen Lufft vernünfftigere Dinge vor, als voritzo.[164]

Wir sahen einander diesen Abend ferner und weiter nicht an, als über die Achseln, und folgenden Morgens begab ich mich abgeredter Massen hinunter in die eine Sommer-Läube, in völliger Kleidung mit Stock und Degen, traf auch meinen Bruder und zwar ebenfalls in Stock und Degen darinnen an. Zuerst hielt ich ihm eine gantz sanfftmüthige Gesetz-Predigt, nachhero aber wurde unser Wortwechsel etwas hitziger und hefftiger, und zwar dergestalt, daß meinem Bruder die Galle auf einmahl überlief, weil ich ihm, seiner Meynung nach, etwas gar zu empfindliche Stichel-Reden gegeben haben solte; und eben dieserwegen sprang er zur Lauber-Hütte hinaus, entblössete seinen Degen, und brachte mir, der ich ihm ebenfalls mit entblösseten Degen entgegen gieng, einen Affections-Stich durch den rechten Arm über dem Ellbogen bey, welcher jedoch nicht viel zu bedeuten hatte; Er aber, mein Bruder, so bald er mein Blut lauffen sahe, fassete seinen Degen bey der Spitze, und præsentirte mir diesen seinen Degen mit den Worten: Hier, mein allerliebster Bruder! entlediget euch mit diesem meinen eigenem Seiten-Gewehr eines unartigen Menschen, der nicht würdig ist, euer Bruder genennet zu werden. Allein ich nahm den Degen von ihm, und warf denselben in die Erde, meinen Bruder aber umarmete ich mit Thränen unter diesen Worten: Nein, mein Bruder! GOtt lasse ferne von uns seyn, daß einer von uns ein Cain werde. Wir hielten also unter Vergiessung heisser Thränen einander eine lange Zeit umarmet, bis wir endlich befürchteten, daß jemand[165] darzu ko en möchte; Er, mein Bruder aber verband mir, so bald wir auf unser Zimmer kamen, meine Wunde selbst, und wir schätzten es noch vor ein Glücke, daß niemand darzu gekommen war, und uns gesehen hatte. Wir hielten auf dem Zimmer, weil wir von niemanden verstöhret wurden, noch ein langes und breites Gespräch von dieser blutigen Begebenheit, und endlich ließ sich mein Bruder vor mich auf die Knie nieder, und bat mich, ihm seinen selbst also genannten Fehler und Unbesonnenheit zu vergeben, und zwar unter Vergiessung häuffiger Thränen, ja er sagte: wie daß er sich Zeit Lebens nicht zu frieden geben könte, wenn ich ihm nicht einen theuren Eyd schwüre, nimmermehr wieder daran zu gedencken, welchen Eyd ich ihm denn auch so gleich auf der Stelle leistete, kräfftig tröstete, und damit völlig wieder vergnügte, worauf er eine gantz andere Lebens-Art zu führen versprach, und vor allen Dingen meinen getreuen brüderlichen Vermahnungen in allem Folge zu leisten, sich verbindlich machte.

Ich war erfreut über meines Bruders Bekehrung und Busse, jedoch flössete ich ihm die Lehren ein: daß er sich ja nicht eben sauertöpfisch oder sonsten mürrisch anstellen möchte, sondern immerhin lustig und guter Dinge seyn könte, absonderlich des Frauenzimmers wegen, damit dieselben seine so jählinge Veränderung nicht merckten, und diesen oder jenen Verdacht auf uns legten.

Er versprach mir in allen Stücken zu folgen, und zwar mit einem theuren Eyde, hielt auch sein Wort redlich, und brach sonderlich von dem[166] allzu öfftern Hertzen und Küssen ziemlich ab, weilen er vermerckte, daß ich dergleichen nicht gern leiden mochte.

Jedoch einige Tage nach dieser Begebenheit bat mich der Gouverneur, mit ihm in einen Garten zu spazieren. Indem nun nicht vermeynete, er würde von etwas anders zu sprechen anfangen, als von unserer baldigen Abreise, weiln so wohl ich, als mein Bruder, uns verlauten lassen, daß wir dieselbe nicht lange mehr aufzuschieben gesonnen wären; so muste ich mit Erstaunen hören, daß der Gouverneur, nachdem er mich in eine Grotte geführet, auch neben sich nieder zu setzen gebeten, gegen mich gantz unverhofft also zu reden anfieng: Höret mir zu, mein Herr, Freund und Bruder! Ich, als ein Mann, der nichts als Aufrichtigkeit, Treue und Redlichkeit liebt, will euch ein Geheimniß eröffnen, wovon niemand ausser meiner Frauen, bis auf diese Stunde das geringste weiß. So wohl ich, als meine Frau haben bemerckt, daß euer Herr Bruder und meine älteste Tochter von der Zeit an, da ihr bey uns angekommen, Wechselsweise ihre Augen auf einander geworffen; ja! ich muß mich schämen, zu sagen, daß meine älteste Tochter recht hefftig am so genannten Liebes-Fieber laborirt, und dabey nicht geringe Passiones ausstehet. Ich habe zwar gedacht, diesem Ubel abzuhelffen, und sie an einen Standesmäßigen Liebsten zu verheyrathen, allein sie ist seit der Zeit, daß sie mannbar, auch dergestalt eigensinnig worden, daß sie (ohne eitlen Ruhm zu melden) mehr als 16. bis 18. Freyern den Korb[167] gegeben, ohngeachtet wir beyderseits Eltern ungemein gern gesehen, wenn sie sich diesen oder jenen erwehlen wollen; Aber! sie bleibt bey einerley Sprache, und sagt: was Massen sie gesonnen, lieber in ein Kloster zu gehen, und eine Nonne zu werden, als einen Mann zu nehmen, der nicht allein vom Gesichte und gantzen Wesen dergestalt beschaffen wäre, daß sie ihn vollkommen zu lieben sich anheischig machen könte; Käme einer dergleichen vor ihrem 24sten Jahre, so möchte es gut seyn; wo nicht? so wolte sie vielleicht noch vor ihrem 24sten sich im Kloster einkleiden lassen, denn das Probe-Jahr hat sie schon ausgestanden, und ist nunmehro erst 22. Jahr alt.

Ich sehe, (fuhr der Gouverneur in seinen Reden zu mir fort,) daß ihr eure Farbe verwandelt, mein Herr! aber alles, was ich itzo gesagt habe, ist die pur lautere Wahrheit, denn meine älteste Tochter hat ein vor allemahl den Schwur gethan, daß, wenn es ihr mißlingen solte, den jüngsten Capitain Horn zum Manne zu kriegen, sie Zeit Lebens mit keiner Manns-Person mehr Umgang pflegen, vielweniger sich fernerweit um alle Manns-Personen in der Welt bekümmern wolte, denn dieses wäre eintzig und allein diejenige Manns-Person, welcher nicht nur in seinem Gesichte, sondern auch in seiner gantzen Aufführung und Conduite alles an sich hätte, was sie bewegen könte, ihn vollkommen, aufrichtig und getreu zu lieben. Solte es ihr aber bey diesem ihr vielleicht vom Himmel zugesendeten Liebsten dennoch mißlingen, so wäre sie gäntzlich entschlossen, ihr übriges Leben im[168] Kloster zuzubringen, und keine 4. Wochen Bedenck-Zeit weiter deßwegen zu nehmen. Nun, mein Herr und Bruder! was Raths, was sind eure Gedancken bey diesen verwirrten Umständen? Was wird euer Hr. Bruder darzu sagen, wenn ihr ihm dieses erzählt, als warum ich inständig bitte, und solches als ein besonderes Zeichen der Freundschafft gegen mich und die Meinigen erkennen will, damit ich nur erfahre, was eure und seine Gedancken bey dieser Sache sind. Signor! (gab ich ihm zur Antwort) meine eigene Gedancken will ich Ihnen so fort in Vertraulichkeit eröffnen, und so viel sagen, daß meinem Bruder zwar ein Glück vorstünde, dessen er wegen seiner Person nimmermehr würdig wäre; wo ich mich anders auf Dero Vortrag sicher zu verlassen weiß, stehen bey der gantzen Sache nicht mehr als zwo Haupt-Puncte im Wege: daß nemlich mein Bruder so wohl, als ich, vors erste kein gebohrner von Adel ist; vors andere, wird ihnen die Protestantische Religion, der wir ergeben sind, und diese letztere zu changiren dürffte bey meinem Bruder sehr schwer hergehen, weilen er keines wanckelmüthigen, sondern ungemein beständigen Gemüths ist; vors dritte, so wird derselbe einzuwenden haben, daß er, als ein armer See-Capitain, mit seinem wenigen Vermögen viel zu unwürdig ist, eine solche hohe und mit allen Leibes- und Glücks-Güthern reichlich versehene Braut zu heben etc.

Ehe ich noch vollkommen ausgeredet hatte, klatschte der Gouverneur in die Hände, sprang auf, und führete mich in dem Garten herum spazieren;[169] Unter diesem währenden Spazieren-gehen redete er weiter also: Ich schwöre es euch, mein Bruder! bey Gott und allen Heiligen, als ein eifriger Christ, heilig zu, daß ich eure Gedancken, Ausflüchte, Einwendungen und Entschuldigungen fast in meinen Hertzen zum Voraus errathen, unterdessen will ich euch so viel sagen, daß ich einen blossen See-Capitain in meinen Augen und Hertzen weit höher schätze, als die vornehmsten Grandes und andere Edel-Leute, die so wohl in Portugal, als Spanien, als auch anderer Orten anzutreffen seyn mögen.

Was den zweyten Punct anbelanget, nemlich von wegen der Religion, so wäre es freylich besser gethan, wenn euer Herr Bruder changirte, und die Römisch-Catholische Religion annähme, denn es dürffte schwer fallen, ihn wegen der Inquisition aller Orten Sicherheit zu verschaffen, jedoch halte ich vor rathsam, vorhero an Ihro Päbstl. Heiligkeit sich zu wenden, und ihm von Deroselben einen Frey-Brief wegen der Religion auszuwürcken, denn ihr sollet noch dieses wissen, daß ich das Gouverno auf dieser Insul mit ihm, als meinem Eydame, theilen, und ihm eine besondere Residenz, die er sich auf dieser oder jener, ihm selbst-beliebigen Insul erwählen mag, von mir aber eingeräumt und bestätigt erhalten und bekommen soll, und dieses alles mit Vergünstigung der Höhern, welche mir selbige schon längstens gegeben; aber meine Söhne werden wohl schwerlich lange bey mir bleiben, sondern ihr Brod anderer höheren Orten zu finden wissen.[170]

Was nun den dritten Punct anbetrifft, so hat sich euer Herr Bruder gantz und gar um keinen Braut-Schatz oder andere zeitlichen Güther zu bekümmern, denn mein gesammletes Gold und Silber dürffte nächst göttlicher Hülffe hinlänglich seyn, mich und die Meinigen auf lange Jahre mit Güthern zu besorgen, und wenn meine Familie auch noch 10. mahl stärcker wäre, so würde sie doch nicht im Stande seyn, alles zu verthun, weilen ich nicht läugnen kan, daß ich eine ziemliche Menge Kostbarkeiten an unterirrdischen Orten stehen habe, die nicht leicht zu finden sind, jedoch ich gewöhne dieserwegen keines von meinen Kindern dahin, daß es auf Reichthum trotzen, hergegen fein ordentlich und Standesmäßig leben soll. Besinnet euch wohl, meine Herrn und Brüder! ob es klug gethan wäre, dergleichen Parthie auszuschlagen, welche einem oder dem andern so bald wohl nicht wieder vorstossen möchte.

Nachdem nun der Gouverneur zu reden aufgehöret hatte, sprach ich: Ich muß Ew. Excell. bekennen, daß ich Dero Reden recht mit Bestürtzung angehöret, indem ich mich selbst nicht in das grosse Glück zu finden weiß, welches meinem Bruder bevorstehet, und woran ich als sein getreuer Bruder allerdings den grösten Theil mit zu nehmen Ursache habe, wo anders Ew. Excell. nicht etwa mit Dero Dienern zu schertzen belieben. Weiln aber dieser mein Bruder eine von den Haupt-Personen bey dieser Geschichte ist, so werde ich mir gehorsamst ausbitten, ihm vorhero einige Eröffnung von diesem seinen Glücke zu thun, da er sich denn[171] nicht säumen wird, eine firme Erklärung von sich zu geben.

Kaum hatte ich diese Worte geendet, als noch verschiedene Personen aus dem Hause auf uns zugegangen kamen, weswegen der Gouverneur, indem er mich embrassirte, nur noch so viel Zeit nehmen konte, diese wenigen Worte zu sagen: Es ist gut, mein Bruder! ich erwarte Dero beyderseitigen Versicherungen, entweder heute Abends noch in meinen Zimmer, oder, so es gefällig, morgen früh auf dieser Stelle zu vernehmen.

Demnach schieden wir auf dieses mahl von einander. Meinen Bruder traf ich auf seinem Zimmer bey einem grossen Historien-Buche sitzend an, fragte ihn derowegen: Was sitzet ihr so traurig da, mein Bruder? es scheinet, ihr wollt Calender machen lernen, oder auspunctiren, ob wir auch guten Wind und Wetter auf unserer Reise haben werden. Nichts weniger als dieses, (gab er zur Antwort,) denn ich überlasse mich und mein Schicksal dem Himmel, derowegen mag Wind und Wetter immerhin so beschaffen seyn, wie es will, gut oder böse, es gilt mir alles gleich viel.

Ich versetzte weiter; Es ist mir schon bekannt, mein Bruder! daß ihr von Jugend auf keinen niederträchtigen, sondern heroischen Sinn gehabt habt; allein nunmehro möchte ich eurem Nativität-Steller fast den grösten Beyfall geben, da er sagte: Daß es nur an euch läge (und zwar an eurem Eigensinne,) eine der vornehmsten und glücklichsten Manns-Personen auf der Welt, und zwar durch Heyrathen zu werden.[172]

Hierüber fieng mein Bruder überlaut an zu lachen, und sagte: Ich hoffe nicht, mein Bruder! daß heute der 1. April oder ein dergleichen Fest-Tag ist, jedoch ihr wisset, daß ich gern mit mir schertzen lasse, derowegen so saget mir doch in aller brüderlichen Aufrichtigkeit, wo ich anders dieselbe durch meine gottlose und unbillige Aufführung und Gewissen-loses Verfahren gegen euch nicht gäntzlich verschertzt habe, ohne Zeit-Verlust, was vor ein Geist euch heute zu mir führet, und euch begeistert hat, dergleichen Redens-Arten gegen mich zu führen?

Ehe wir aber weiter reden, (sprach er ferner) will mir erstlich eine Bouteillle Canari-Sect langen lassen, damit ich euch desto besser vernehmen kan, denn ich kan nicht läugnen, daß mich ungemein dürstet. So bald die Bouteillle angekommen war und wir ein paar Becher daraus getruncken, eröffnete ich ihm das Geheimniß, welches mir der Gouverneur anvertraut hatte, auf Treu und Glauben, ließ auch vorerst lieber davon etwas aussen, als daß ich etwas hinzugesetzt hätte. Ihm kamen dennoch alle diese Dinge nicht anders, als gewisse Dörffer vor, so, daß ich ihm nichts verüblen könte, wenn er etwa bey diesem und jenem einigen Zweiffel hegte.

Endlich aber machte er mir, so zu sagen, eine und andere Difficultäten, bey diesem oder jenem Puncte, sonderlich in puncto Religionis, indem er, wie er dasmahl sagte, um eines Weibes, ja, um aller Welt Güther willen sich nicht überwinden könte, seine Religion, darinnen er von Jugend[173] auf gelebt, zu verläugnen. Ich bat ihn, in diesem Stücke piano zu gehen, und erstlich abzuwarten, was der Gouverneur deßfalls mit ihm handeln würde, mitlerweile aber auch ja das Kind mit dem Bade nicht auszuschütten, sich wohl in Acht zu nehmen wissen würde, damit uns allen die gantze Historie keinen Verdruß oder Unfug zu Wege brächte.

Da nun uns beyden Brüder der Gouverneur auf Morgen früh in den Garten hinunter zu sich einladen ließ, und zwar ohne andere Gesellschafft, weiln nur er und seine Gemahlin benebst der ältesten Tochter gantz allein beysammen seyn würden; als verabsäumeten wir nicht, bey diesen hohen Personen zu erscheinen, welche wir bey einer Tasse Caffée antraffen, und aufs liebreichste genöthiget wurden, bey ihnen Platz zu nehmen. Es gab einen kleinen Spas, denn der Gouverneur, welcher Achtung darauf gegeben, daß mein Bruder der Fräulein keinen Kuß gegeben, sagte mit hellen Lachen: Wie nun, Kinder! wollet ihr nun erstlich anfangen gegen einander blöde oder schamhafftig zu thun?

Nichtsweniger, als dieses, mein allerwerthester Herr Vater! gab das Fräulein hierauf zur Antwort; sondern der Fehler liegt an mir, weil ich hätte eher aufstehen sollen, als der angekommene Gast. Wie nun dieses, welches sie mit einer besondern artigen Mine und Stellung vorbrachte, bey uns allen ohne Lachen nicht abgieng, so ließ endlich der Gouverneur mich und meinen Bruder auf die Seite ruffen, und wiederholte seinen[174] gestrigen Vortrag nochmahls. Meines Bruders Erklärung war also diese: wie er nicht läugnen könte, daß gegenwärtige seine Geliebte, sein Hertz und Seele dergestalt eingenommen und gefesselt hätte, daß er ohne sie sich nicht ferner lange mehr zu leben getrauete; ja er wolle eher in das tieffste Meer springen, als die Hertzens-Quaal erdulten, ohne sie zu leben. Was den Punct der Religion anbeträffe; dieser könne leicht abgehandelt und verglichen werden, indem er gesonnen, sich so viel als möglich, zum Ziele zu legen, allein seiner ihm angebohrnen Religion so gleich abzusagen, wäre voritzo sein Werck gantz und gar nicht. Was im übrigen die gnädigen Erklärungen des Herrn Gouverneurs anbelangete, so wäre zwar dieses und jenes dabey auszusetzen oder zu erinnern; indem er kein Kerl wäre, der nach hohen Ehren und Würden strebte, sondern mit seinem Stande zufrieden wäre, und sich mit derjenigen Ehre begnügen liesse, welche er sich zum öfftern mit Vergiessung seines Bluts erworben; auch wäre ihm mit grossen Reichthümern und Schätzen gar im geringsten nicht gedienet, sondern blos nur eintzig und allein mit der geliebten Person, indem er Reichthümer und Kostbarkeiten satt und zur Gnüge, hoffentlich auf Lebens-Zeit hätte, da seines Bruders Freygebigkeit ihn in den Stand gesetzt, daß er zu Hause ein geruhiges, honettes und stilles Leben führen könne, mithin eben nicht ferner nöthig habe, sich in der Welt herum zu strapaziren.

Dieses waren nun lauter Worte, die mir dem[175] Klange und Laute nach wohl einiger Massen den Kitzel in Ohren erregen solten, allein ich trauete dem Land-Frieden so gar sehr eben nicht, weiln mir das immer währende Gegitzschere und die beständigen Ohrenbläsereyen verdächtig vorkamen, und endlich wurde ich nach einer etlich tägigen unpassionirten Aufführung durch ein Schlüsselloch gewahr, daß mein lieber Bruder in einem wohl darzu zubereiteten Zimmer bey angezündeten Wachs-Kertzen, vor einen kleinen Altar niederkniete, seiner bishero gehabten Religion in optima forma, und zwar in Gegenwart verschiedener Personen beyderley Geschlechts abschwur, hergegen die Römisch-Catholische Religion annahm, und sich darüber einsegnen ließ.

Nichts hat mich Zeit meines Lebens ärger verdrossen, als daß er diese seine Sachen so heimlich tractirt, da ich doch in keinem Stücke seinen Willen zu zwingen mir schon längstens vorgesetzt hatte, wie nun aber dieses geschehen, so konte ich leichtlich daraus schliessen, daß er alle andern Puncte müsse eingegangen seyn, die ihm von dem Gouverneur und seiner Gemahlin vorgelegt worden. Jedoch, da er mir von seiner Religions-Veränderung nicht das geringste meldete, ließ ich mich auch gar nichts mercken, daß ich etwas davon wüste, inzwischen aber war mir auf einmahl alle Lust vergangen, länger auf dieser Insul und bey diesen gefährlichen Leuten zu bleiben, derowegen schrieb ich an meinen Lieutenant folgendes Billet:


[176] Mon Cavalier!


Da ich bey meiner letztern Anwesenheit alles wohl befunden, als bitte, Sorge zu tragen, daß solches im behörigen Stande erhalten werde, denn weilen ich des hiesigen Lebens müde, satt und überdrüßig bin, so dürffte unsere Abseegelung vielleicht viel eher erfolgen, als man vermeynt gehabt. Gewisser Ursachen wegen, komme er Morgen früh, wenn die erste Canone gelöset wird, mir mit 100. Granadieren auf dem Wege nach der Burg zu entgegen, lasse sich aber gegen niemanden nichts mercken, sondern thue nur, als ob er vor sein eigen Plaisir mit denselben spazieren gehen, und dieselben exerciren wolte. Mündlich ein mehrers, ich beharre


Mon Cavalier

le votre

P.W. Horn.


Dieses Billet überschickte ich ihm also gegen Abend durch meinen getreuen Bedienten, welcher noch vor Nachts wieder zurück kam, und mir von dem Lieutenante zur Antwort brachte: wie ich vor nichts Sorge tragen solte, indem er meiner Ordre aufs allergenauste nachkommen wolte. Wir brachten hierauf fast die gantze Nacht mit Tantzen, Springen und andern Lustbarkeiten zu, so bald aber der Tag anzubrechen begunte, machte ich mich in aller Stille auf die Beine, und trat den Weg nach unsern Schiffen an, so daß, wie nachhero erfahren, weder mein Bruder, noch sonsten[177] jemand im Hause meinen heimlichen Aufbruch gewahr worden.

Meinem Bruder konte derselbe um so viel desto weniger Verdacht erwecken, weilen ich mir schon voriges Tages verlauten lassen, die Schiffe selbst zu visitiren; als demnach der Lieutenant mir, abgeredter Massen, mit seinen 100. Granadiers auf halben Wege begegnete, so kehrete ich in gröster Eile mit ihnen um, nach den Schiffen zu, ließ mich aber weiter gegen niemanden das geringste mercken, daß ich mich heimlich von der Burg hinweg geschlichen hätte. Drey Tage ließ mein Bruder verstreichen, ehe er sich um mich bekümmerte, am 4ten Tage aber kam er selbst, und führete sich ungemein freundlich und höflich gegen mich auf, besahe auch das Stück Arbeit, welches ich mittlerweile zu verrichten besorgt hatte, welches ihm sehr wohl gefiel, nachhero aber wolte er mich bereden, wieder mit ihm auf die Burg zu kehren, allein ich schützte eine kleine Unpäßlichkeit vor, die mich abhielte, dem Hrn. Gouverneur und den Seinigen beschwerlich zu fallen, sondern ich wolte erstlich noch ein paar Tage auf den Schiffen bleiben, eine und andere Artzeneyen gebrauchen, mich pflegen, und eine strengere Diæt führen, als bishero, indem ich wohl merckte, daß mir vermittelst der allzu öfftern Debauchen allerhand verdrüßliche Zufälle zugezogen, wenn ich demnach mich wieder völlig auscurirt, so würde keinen Tag verweilen, dem Herrn Gouverneur und den Seinigen meine gehorsamste Aufwartung zu machen.

Mein Bruder mochte nun hierbey dencken,[178] was er wolte, so ließ ich mir doch alles gleich viel gelten, und war vergnügt, daß nach Verlauf nach weniger Tage wir uns im vollkommenen Stande befunden abzuseegeln. Binnen dieser Zeit besuchte mich mein Bruder sehr fleißig, konte aber mit allen seinen glatten Worten nicht von mir erlangen, nochmahls wieder mit ihm auf die Burg zu kehren, sondern ich danckte dem Himmel, daß ich mich auf unsern Schiffen in Freyheit und ohne besondere Furcht befand.

Endlich, da ich nicht zu bewegen war, nochmahls auf die Burg zu kommen, ließ der Gouverneur melden, daß, wenn ich ja allenfalls nicht kommen wolte, er mich gleich morgenden Tages mit seiner gantzen Familie besuchen, jedoch keine Ungelegenheit, sonderlich wegen der Speisen, verursachen wolte.

Ich ließ zurück melden, wie mir Dero gütiger Zuspruch von Hertzen angenehm seyn solte, nur bäte vor mir, als einem Patienten, keinen Abscheu zu tragen, sondern gütigst mit mir vorlieb zu nehmen, was sich in der Eile finden würde, indem ich keine tödliche Kranckheit hätte, sondern vielleicht bald restituirt zu seyn verhoffte. Also kam das gantze Heer gleich andern Tages benebst meinem Bruder, und machten ein ziemlich Loch in meine Victualien, so wohl, was die Speisen, als das Geträncke anbetraf, denn ich konte ohngeacht der geschwinden Eile dennoch so viel zu Wege bringen, und zwar von den auserlesensten Delicatessen, daß sie wohl zu frieden seyn konten.

Der Gouverneur so wohl, als alle die Seinigen[179] liessen es sich, dem Ansehen nach, gut schmecken, und machten sich insgesamt rechtschaffen lustig, bis der helle Tag anbrach, da aber beym Abschied-nehmen ich dennoch nicht zu gewinnen war, ihnen das Geleite auf ihre Burg zu geben, so sagte der Gouverneur zu mir: Ich solte fast auf den Gedancken gerathen, mein Bruder! daß unter dieser eurer so hefftigen Weigerung etwas anders verborgen, als eine verstellte Kranckheit, jedoch, da wir so lange gute Freunde unter einander gewesen sind, so lasset uns nur zum wenigsten das Ende gut machen, denn so ist alles gut. Dieses einzige bitte ich mir noch von euch aus, daß ihr nicht etwa heimlich ohne nochmahligen Abschied von uns zu nehmen abseegelt, denn dieses würde mich grausam kräncken; da ich aber nun sehe, daß ihr vollkommen seegelfertig seyd, so will ich euch wider euren Willen nicht länger bey mir zu bleiben nöthigen, bitte derowegen nur noch 3. Tage mit euren Schiffen im Hafen liegen zu bleiben, ich werde diese 3. Tage bey euch zubringen, und die Stunde abwarten, wenn ihr von dannen seegelt. Mit einem Worte, thut mir den Gefallen, meine Brüder! und bleibt noch 3. Tage, denn ihr habt an mir den allerredlichsten Mann in der gantzen Welt. Wie nun mein Bruder und ich ihm dieses versprochen hatten, sagte er noch, ich werde zwar erstlich noch einmahl in meine Burg fahren, nachhero aber die meiste Zeit bey euch auf den Schiffen zubringen, und hiermit setzte er sich auf den Wagen, und fuhr nach seiner Burg zu.[180]

Etwa 2. Stunden über Mittag kamen aus der Burg 8. Wagen auf uns zu gefahren, und ehe es Nacht wurde, noch 8. Wagen, bey denen sich zugleich der Gouverneur befand, und zu vernehmen gab, daß er gern einmahl auf dem Schiffe zu schlaffen Lust hatte. Demnach wurde so gleich ein kostbar Bette vor ihn zu rechte gemacht. Morgens früh wurden wir gewahr, daß noch mehr beladene Wagens angerücket waren, und zwar in allen 24. was darinnen befindlich war, konten wir aber nicht eher errathen, bis der Gouverneur ausgeschlaffen hatte, und beym Caffée-trincken sagte: Meine Brüder! ich weiß, daß eure Lebens-Mittel binnen der Zeit, da ihr auf dieser Insul gewesen, ziemlicher Massen werden abgenommen haben, derowegen habe von meinem Uberflusse vielleicht etwa euren Mangel ergäntzen und ersetzen wollen. Nehmet es freundlich an, meine Brüder! deñ des Volcks ist viel, so ihr mit euch führet, die Reise aber, wie ich vernehme, noch ziemlich weit, derowegen wird euch dieses, was ich euch aus gutem Gemüthe und Hertzen gebe, ohnfehlbar wohl zu statten kommen, weilen auf der zehenden Insul in dieser Gegend keine tüchtige Lebens-Mittel anzutreffen sind, und wenn man dieselben auch gedoppelt und dreyfach bezahlen wolte. Uns kam dieser Vortrag trefflich zu statten, indem wir allerdings noch einen guten Theil Proviant brauchten, so aber fanden wir eine soche Menge von allerley geräuchertem und eingepöckeltem Fleische, geräucherten auch eingesaltzenen Fischen, eingemachten und auch frischen Obstwerck, eingemachte Kohl- und Wurtzel-Speisen, vielerley Sorten Getreyde[181] in Körnern, ohne einer entsetzlichen Menge Zwieback, ausgenommen der vielen Wein-Fässer, die wir uns fast nicht einmahl alle mit fort zu bringen getraueten, da wir ohnedem selbst noch eine grosse Menge von allerhand Weinen, Brandtewein und andern starcken Geträncken vorräthig hatten. Ich ließ alle diese Sachen durch unsere Schiffs-Schreiber aufschreiben, und vor erst nur oben hin durch die Banck taxiren, da denn eine ziemliche Summa von etlichen 1000. Thalern heraus kam, welche ich heraus zu geben mit Freuden schlüßig wurde; Allein, da der Gouverneur vernahm, daß wir zwar den Proviant vor baare Bezahlung, keinesweges aber als eine Reuter-Zehrung mitzunehmen gesonnen, als schien er im rechten Ernste böse zu werden, daß wir seine Willfährigkeit, die ihm doch keinen Schaden brächte, verschmähen wolten, und sagte gantz verdrüßlich, wie er alles auf der Welt von guten Freunden vertragen könte, ausgenommen den Hochmuth. Derowegen musten wir uns fast gezwungner Weise gefallen lassen, allen diesen grossen Vorrath durch seine Leute in unsere Schiffe zu bringen. Des folgenden Tages kam die Gouvernantin mit ihren Töchtern und Söhnen, uns zu guter Letzt nochmahls zu besuchen, weil sie vorgab, sie könne sonsten ohnmöglich meinen eigensinnigen Kopff mit gelassenem Gemüthe von sich fahren sehen. Nachdem wir aber die Mittags-Mahlzeit eingenommen, und in unsern Cajüten ein und anderes suchen wolten, wurden wir gewahr, daß die Gouvernantin binnen der Zeit, da wir bey Tische gesessen, den Heiligen Christ agiret, und einem jeden[182] eine Beschehrung zum freundlichen Andencken mit auf die Reise zu nehmen, hingelegt. Diese Beschehrung bestund in eben denjenigen Stücken, welche man den Portugiesen mit auf die Reise gegeben, nur mit dem Unterschiede, daß wir beyde ausser den kostbaren Degen und Stöcken, was das Gold- und Silber-Geschirre anbelangete, jeder auf seine Parthie noch einmahl so viel bekam, als die Portugiesen bekommen hatten, und dieses war auch an der Wäsche und Kleidungs-Stücken zu bemercken. Wie nun dieses allzu- und überaus kostbare Geschenck uns beyden Brüder vollends in äuserstes Erstaunen brachte, zumahlen, da wir nicht wusten, wie wir uns in der Geschwindigkeit revangiren wolten, als wurde meinem Bruder selbsten bange, wegen dieser so gantz und gar nicht erwarteten Höflichkeit, jedoch um meine und seine Ehre zu retten, besanne ich mich endlich, daß ich noch eine mittelmäßige Kiste stehen hatte, in welcher ungemeine Kostbarkeiten und Galanterien, sonderlich vor Frauenzimmer, aufgehaben worden, diese eröffnete ich, und langete einen Schatz heraus, der mehr als 2. Tonnen Goldes am Werthe betrug. Ich zeigte meinen Bruder denselben, weilen er dergleichen Tänteleyen bey mir sehr selten zu sehen bekommen, jedoch es schiene, als ob ihm diese Sachen gar sehr wohl gefielen, weßwegen er zu mir sprach: Bruder! wenn ihr auch dieses noch dran spendiren wollet, worwider ich denn nichts einzuwenden habe, so dächte ich, wir hätten unsere Zeche allhier wohl theuer genug bezahlt, und wenn wir auch Fürsten-Kinder wären. Er hatte in diesem Stück meines[183] Sinnes viel, und redete allerdings wohl die klare Wahrheit, allein, ihn vollkommen treuhertzig zu machen, war meine Gegenrede diese: Wir müssen nicht alles nach dem Werthe taxiren, was wir allhier empfangen und genossen haben, sondern das meiste vor die viele gemachte Ungelegenheit und dargegen genossene viele Lust und Höflichkeit rechnen, denn ich zweiffele sehr, daß ich mich Zeit meines Lebens wieder so lustig machen werde, als allhier auf dieser Insul geschehen. Inzwischen werdet ihr mir den Gefallen erweisen, und dem Gouverneur, seiner Gemahlin und Kinder diese Galanterie-Waare als Kleinigkeiten in eurem und meinem Nahmen zur schuldigen Danckbarkeit überreichen, und dieses wird sich nicht besser schicken, als nach der Abend-Taffel, die wir droben am Strande zu uns nehmen wollen.

Gewiß, ich hätte meinem Bruder keine angenehmere Commission, als diese, auftragen können, und er richtete dieselbe, so bald wir abgespeiset mit gröster Geschicklichkeit aus, erweckte aber damit so wohl bey dem Gouverneur, als den Seinigen ein nicht geringes Erstaunen. Jedoch noch langen Nöthigen liessen sie sich endlich gefallen, alles anzunehmen, mit dem Vorbehalt, sich deßfalls zur ander Zeit hinlänglich zu revangiren.

Nach eingenommener Abend-Mahlzeit sagte der Gouverneur: Wohlan, meine Brüder! da es mir so wohl bey euch gefället, und dergestalt wohlgefallen hat, so lange ihr bey mir gewesen, als werde diese Nacht nicht von euch weichen, sondern noch diese letzte Nacht bey euch bleiben, und eins mit euch trincken, bis ihr Morgen, geliebts GOtt, mit aufgehender[184] Sonne eure Seegel aufziehet, inzwischen freue ich mich von Hertzen darüber, daß ihr guten erwünschten Wind habt.

Demnach war alles Volck, so wohl unsere See- als des Gouverneurs Leute, die gantze Nacht hindurch höchst vergnügt, ja der Gouverneur wurde dergestalt lustig, daß er mit seiner Gemahlin und Töchtern, bey dem Scheine etl. 1000. Lichtern und Fackeln, im grünen Grase ein Täntzgen anhub, worinnen auch wir ihm folgten, mithin die gantze Nacht also zubrachten, bis der Tag anzubrechen begunte. So bald die Sonne ihre Strahlen über die See herauf, unserm Ufer entgegen schickte, wurde eine Salve von 50. Canonen gegeben, hierauf aber war eine grosse Stille, welche jedoch von der Besatzung auf der Citadelle unterbrochen wurde, als welche auch 50. Canonen lösete. Da dieses vorbey truncken wir zu guter Letzt noch einen Caffée mit einander, und hielten ein gut Gespräch darbey, da ich denn bemerckte, daß der Gouverneur und die Seinigen viel aufrichtiger und redlicher waren, als ich bishero vermeynet hatte, denn seit etlichen Tagen hatte ich mir ihrentwegen einen und andern vergeblichen Kummer gemacht, welcher doch nun guten Theils vorbey war, derowegen gieng es nun erstlich an ein umarmen und küssen, beym Abschiede, worbey sich denn auch auf beyden Seiten nicht wenig Thränen zeigten, als aber das andere Signal zu Schiffe zu gehen gegeben wurde, begleiteten wir erstlich den Gouverneur und die Seinigen zu ihren Wagens, wir aber begaben uns ohne fernern Aufenthalt auf unsere Schiffe, liessen, nachdem die Ancker schon gelichtet waren, so fort die Seegel aufspannen,[185] nochmahls 50. Canonen abfeuren, und fuhren in GOttes Nahmen von dannen.

Wir bemerckten durch Fern-Gläser, daß der Gouverneur benebst den Seinigen wieder aus den Wagens heraus gestiegen waren, und sich an das Ufer gestellet hatten, allwo alle insgesamt, so wohl männlichen als weiblichen Geschlechts, noch allerley freundliche Complimenten machten, da aber der Wind scharff in unsere Segel blies, nahmen wir durch Sprach-Röhre nochmahls mündlichen Abschied von ihnen, und verschwanden hierauf in gröster Geschwindigkeit, unter beständigen Canoniren, (denn der Gouverneur hatte uns reichlich mit Schieß-Pulver versorgt,) aus ihren Augen, weilen aber der Wind hinter uns hergieng, so höreten wir das Canoniren von der Citadelle bis in die späte Nacht.

Mein Bruder hielt sich in seinem Schiffe gantz stille, und gab vor, daß ihm die letztere kleine Debauchen mehr Unfug, ja fast eine würckliche Unpäßlichkeit zugezogen, allein ich konte bald mercken, daß er am Liebes-Fieber kranck läge, indem ihm die Abschieds-Gedancken vielleicht nicht aus dem Kopffe heraus wolten; ob ich ihn nun schon zum öfftern besuchte, so wolte ihn doch keinesweges kräncken, sondern nahm mich unserer Sachen um so viel desto mehr, und als möglich war, gantz alleine an. Jedoch nach Verlauf weniger Tage hatten wir eben nicht Ursach an die Liebe, sondern vielmehr an das Leben zu gedenckē, weilen ein hefftiger Sturm über uns kam, der jedoch nicht länger, als 3. Tage u. 2. Nächte währete. Ich kan nicht anders sagen, als daß sich unsere[186] Leute recht heldenmäßig gegen Sturm, Wind und Wetter setzten, und zwar vom Grösten bis zum Kleinesten, weilen wir sie beständig zur Tapfferkeit anreitzeten, auser dem aber Speise und Tranck einem jeden gaben, wovon und wie viel er beliebte. Demnach spüreten wir zwar daß der hefftige Sturm sich legte, höreten aber auf etliche Meilen von uns ein starckes Canoniren in der See, welches von Morgen bis fast gegen Abend währete, und endlich, da wir schon mit anbrechendem Abend an Ort und Stelle dieses Streits kamen, erfuhren wir, daß ein Engelisches Kauffarthey-Schiff von zweyen See-Räubern genommen zu werden in gröster Gefahr stunde. Mein Bruder so wohl, als ich entschlossen uns bey so gestallten Sachen dem Engelländer, als unserm halben Landes-Manne und Religions-Verwandten bestmöglichst zu Hülffe zu kommen, in Betrachtung, daß es uns vor nicht allzulanger Zeit auch wohl gedeuchtet, da uns die Portugiesen gegen die Barbaren zu Hülffe gekommen waren. Demnach nahmen wir den Engelländer, welcher schon sehr beschädigt war, in die Mitte, und setzten dergestalt verzweiffelt gegen die See-Räuber an, daß das Spiel bald ein ander Ansehen gewann, denn unsere Leute feureten unvergleichlich und geschwinde, auser unsern wohl montirten Canonen aber thaten die Feuer-Mörser das allerbeste bey der Sache, und machten die See-Räuber dergestalt bestürtzt, daß sie weder aus noch ein wusten, ja man merckte bald, daß sie es nicht gern zum Handgemenge wolten kommen lassen, im Gegentheil die Köpffe mit guter Manier aus der Schlinge zu ziehen suchten;[187] Allein, das war unser Werck nicht, sondern es hieß damahls: Friß Vogel, oder stirb! und da auch einer von ihnen Mine wachen wolte, den Wind zu fassen, und das weiteste Ende zu suchen, wurde ihm bald vorgebeuget, mithin beyde genöthiget, sich in darauf folgender Nacht auf Gnade und Ungnade zu ergeben, denn es war ihnen, allem Ansehen nach, ferner unmöglich, unser Feuer auszustehen. Wir thaten ihnen den Vorschlag, entweder mit uns nach dem Cap, oder nach der Insul St. Helena zu seegeln, allein es gefiel ihnen beydes nicht, weilen sie so wohl an einem, als dem andern Orte sich einer scharffen Züchtigung befürchten mochten. Hergegen baten sie uns nur inständig, ihnen den Gefallen zu erweisen, und mit ihnen auf eine kleine unbewohnte Insul zu seegeln, die wenige Meilen von hier entfernet läge, daselbst wolten sie sich auf eine raisonable Art und Weise mit uns abfinden, und um weiter nichts höher bitten, als daß sie ihre Schiffe, Canonen und klein Gewehr behalten dürfften, ingleichen eine zulängliche Menge von A unition. Was aber ihre Waaren, Schätze und Baarschafften anbelangete, so wolten sie uns dieselben auf Treu und Glauben ausliefern, indem sie dergleichen Zeug in der Kürtze wieder erlangen könten, wenn sie nur wohl beschifft und wohl bewehrt bleiben.

Mein Bruder wolte durchaus erstlich nicht daran, daß man den Christen-Feinden Canonen, Gewehr, Pulver und dergleichen zur Beschädigung unserer Mit-Christen lassen, sondern dieses alles lieber in den Abgrund versencken solte; Allein,[188] da die See-Räuber gar allzu sehr kläglich thaten, über dieses uns auf ihre Art einen theuren Eyd schwuren, an Gold, Silber und Waaren wenigstens des Werths vor 3. Millionen Thaler auf unsere Schiffe zu liefern, um uns darein zu theilen, der Engels-Mann auch vor das allerrathsamste hielte, nur immer zu nehmen, was wir von ihnen kriegen könten, und dieses Schelmen-Pack lauffen zu lassen, indem sie ja doch nicht mehr im Stande wären, uns zu beschädigen; so gab ich endlich meinen Willen auch darein, daß sie die Canonen, Gewehr, die Helffte der Ammunition, und dergleichen zum Kriegs- Wesen gehörige Zeug behalten solten, hergegen musten sie uns gleich auf offenbarer See ausliefern, was sie uns, dem Werthe nach, versprochen hatten, welches denn von ihnen ohne ferneres Murren geschahe, und musten wir gestehen, daß sie in diesem Stücke redlich handelten, ja über das bestimmte Quantum noch eine und andere treffliche Sachen uns, so zu sagen, noch zum Geschencke anboten; allein, um ihnen zu zeigen, daß wir nicht so hungrig, wie sie, und nur je eher je lieber von ihnen hinweg zu kommen wünschten, liessen wir ein vieles zurücke in ihren Händen, das wir noch wohl hätten mitnehmen und gebrauchen können.

Ich glaube, die armen Räuber mochten wohl recht froh seyn, daß sie noch so mit dem blauen Auge darvon gekommen, hielten sich auch nicht lange mehr vor unsern Augen auf, sondern gaben ihren Schiffen die vollen Seegel, ohnfehlbar nach einer ihnen wohlbekannten Räuber-Insul zu, wir hergegen, da wir eine kleine unbewohnte Insul antraffen, auf[189] welcher sich ein schönes frisches Wasser befand, beschlossen daselbst, um nach dem ausgestandenen Sturm und Schrecken, nach Gutbefinden, vor Ancker liegen zu bleiben, und in etwas auszuruhen, bey welcher Gelegenheit wir denn unsere gemachte Beute mit dem Engels-Manne redlich theileten, und zwar vermittelst des Looses, er aber war so freygebig, und gab uns beyden Brüdern noch zur schuldigen Danckbarkeit vor geleisteten Beystand von seinem Theile einem jeden 3. Pfund gediehen Gold, welches wir fast gezwungener Weise ihm zum geneigten Andencken dieser Begebenheit, annehmen musten.

Schon bey Passirung der Linie war ich mit meinem Bruder in etwas uneinig worden, ob wir uns nach den Brasilischen Küsten zu schlagen wolten, oder nicht: da ich mir einbildete, einen näherern, sicherern und bequemern Weg nach der Insul Felsenburg gefunden zu haben. Weilen nun mein Bruder nicht leicht gewohnt war, mir zu wiedersprechen, zumahlen, da ich ihm im Vertrauen entdeckte, daß ich, wo es nur immer möglich wäre, aus gewissen Ursachen, das Cap. nicht gern mit unsern Schiffen berühren möchte, als ließ er sich auch dieses gefallen, allein der Himmel mochte es vielleicht nicht also haben wollen, sondern der Engels-Mann muste uns, fast wider unsern Willen, zum Wegweiser auf die Insul St. Helena dienen; jedoch hatten wir eine unvergleichlich schöne, stille Fahrt, und erreichten bemeldte Insul recht, ehe wir uns derselben vermutheten. Der Engels-Mann rühmte unsere Tapfferkeit, die wir bey seinem Entsatz bezeigt,[190] gegen seine Lands-Leute gantz ungemein, weßwegen uns dieselben alle ersinnliche Ehre anthaten; endlich aber, nachdem wir uns nur 4. Wochen auf der Insul St. Helena aufgehalten, unsere Schiffe aufs neue ergäntzt, und mit allen Bedürffnissen versorgt, seegelten wir ab, indem ich von nun an und von dar aus mich nunmehro wohl gantz allein nach Felsenburg zu finden getrauete, meines Bruders Haupt-Vergnügen war inmittelst dieses: daß uns der Himmel mit der Räuber ihrem Guthe so reichlich gesegnet, da wir schon wieder ein vieles erworben von demjenigen, was wir auf der Insul St. Jago im Stiche gelassen hatten.

Wie ich nun eines Tages meinen Bruder wider seine bisherige Gewohnheit gantz unbetrübt und bey recht guter Laune antraf, so fragte ich ihn erstlich um seine Religions-Veränderung, welches er mir endlich gestunde; was die Heyrath aber und vor sich selbst anbeträffe, hätte er geschworen, daß, wenn er lebte und gesund bliebe, er längstens binnen den 2. bestimmten Jahren wieder kommen wolte; solte aber ich, als sein Bruder, nach völlig verrichteten Geschäfften ihn zeitiger missen können, so würde er keinen Augenblick vorbey streichen lassen, sich auf St. Jago einzustellen, indem er sich nun nicht mehr länger zu leben getrauete, bis die Heyrath vollzogen wäre. Ich gratulirte ihm im Voraus darzu, und versprach alles anzuwenden, was mir nur immer möglich wäre, damit er nicht aufgehalten werden solte.

Nach der Zeit, und zwar bis auf diese Stunde hieher, hat er sich gantz ausserordentlich dienstfertig[191] gegen mich auf geführet, auch mich immer einer Mühe und Arbeit nach der andern überheben wollen, allein ich bedanckte mich deßfalls zum öfftern vor seine Höflichkeit und gute Meynung, die er vor mich hegte, anbey solle er nicht glauben, daß ich ein Freund der Bequemlichkeit und Feind der Arbeit wäre, hergegen beobachten, daß meine Leute, wenn sie sähen, daß ich selbst mit Hand anlegte, zehenmahl fleißiger wären, als wohl gewöhnlich, welches denn auch die klare Wahrheit war.

Mittlerweile seegelten wir auf dieser angenehmen Strasse, bey gutem Winde und Wetter, mit gröstem Vergnügen fort, und kan ich nicht sagen, daß uns eins oder das andere Verdrüßliche begegnete, ausgenommen die gräulich vielen Meer-Wunder und Meer-Thiere, welche uns dann und wann beunruhigen wolten, allein, da meine Leute nur ihren Spas und Spott darmit trieben, und viele derselben ertödteten, gab ich ihnen zu vernehmen, daß es mir eben nicht allzuwohl gefiele, wenn sie sich mit diesen unvernünfftigen Creaturen in einen Kampff einliessen, und ob ich schon nicht abergläubig wäre, so könte ihnen dennoch versichern, daß mir und meinem Geleite zum öfftern, nach Kränckung dieser Dinger, das gröste Unheil wiederfahren, als dessen Propheten oder Wahrsager sie gemeiniglich zum Voraus wären. Demnach könten sie zwar mit den See-Hunden, See-Löwen, See-Pferden, See-Kälbern und dergleichen mehr so umgehen, wie sie selber wolten, weil diese zum Theil zur Speise dieneten, vor allen Dingen aber solten sie sich hüten, ein Meer-Wunder[192] zu touchiren, welches nur ein eintziges Merckmahl, entweder gantz menschlicher, oder wenigstens Affens-Gestalt, an sich hätte, als worauf, wie ich selbsten erfahren, zum öfftern üble Folgerungen entstanden wären. Wie nun unsere Leute vernahmen, daß ich keinen besondern Wohlgefallen an dergleichen Wasser-Jagd hatte, so stelleten sie dieselbe nach und nach ein, lieferten aber doch erstlich, nicht selten manchen schönen See-Löwen, See-Pferde, See-Hunde, See-Kälber und dergleichen.


Bald nach dieser Lust entstund eine andere, da wir bemerckten, daß die Nächte fast noch einmahl so schwartz und dunckel wurden, als gewöhnlich, zumahlen, da wir doch, obschon nur noch in etwas, Mondenschein hatten; Ich ließ mich dieses gantz und gar nicht befremden, weilen sich dergleichen wohl zum öfftern vor oder nach einem gehabten Sturme zu zutragen pfleget. Meine Leute aber stelleten sich einstmahl ohngefähr um die Mitternacht-Stunde dergestalt wunderlich an, als ob sie den Koller hätten, oder denselben kriegen wolten; Als ich nun nach der Ursach ihres hefftigen Gelächters fragte: führeten sie mich auf das Oberdeck des Schiffs, und zeigten mir, mit ihrer grösten Verwunderung gantze Regimenter und Esquadrons auf der offenbaren See herum hüpffend, springend und tantzend. Die wenigsten wolten mir Glauben beymessen, daß keine Sache natürlicher seyn könne, als diese, indem vielleicht die See in selbiger Gegend gegen das andere See-Wasser[193] ausserordentlich saltzig wäre, oder sonsten vielleicht was zähes und schleimiges in sich hätte.

Demnach war einer, und zwar ein alter wohlversuchter See-Mann dermassen behertzt und frevel, daß er auf einen grossen Irrwisch, den er vor einen commandirenden Officier der Irrwische ansehen und ausgeben wolte, sein Gewehr lösete, denselben auch, dem Scheine nach, dermassen wohl traf, daß er sich schleunig untertauchte, und wie wir alle glaubten, versincken muste.

Indem ich ihn nun vor dem Schusse gewarnet hatte, solche Possen bleiben zu lassen, so gab es ein ziemlich starckes Gelächter, als gleich nach geschehenem Schusse oben vom Mastbaume herunter eine ziemlich starcke Stenge ihm vor die Füsse fiel, so daß er noch Ursach hatte, dem Himmel zu dancken, welcher abgewendet, daß sie ihm nicht auf den Kopf gefallen, und etwa gar ein Loch hinein geschlagen. Demnach gab es abermahls etwas zu lachen, denn seine Cameraden hiessen ihn nicht anders als den Irrwisch-Schiesser. Als aber mein Bruder, der zu mir und auf mein Schiff gekommen, sich selbsten über die Irrwische zu ärgern schien, sprach ich: stille, mein Bruder! wir wollen bald keinen Irrwisch mehr sehen: Derowegen ließ ich, nicht etwa aus Frevel, sondern zu Reinigung der Lufft, mit Canonen Feuer unter die Irrwische geben, welche denn binnen einer halben Minute Schaarenweise verschwunden, oder sich in die See versenckten.

Fernerweit kan ich eben nicht sagen, daß uns fatal zu seyn scheinende Begebenheiten zugestossen[194] wären, sondern wir hatten, wie schon gemeldet, eine stille und geruhige Fahrt. Zwar wolten einige von unsern Leuten die Mäuler hängen, weilen sie gemercket hatten, daß wir das Cap. vorbey geseegelt wären, und sie nicht dahin gebracht hätten; Allein ich stopffte ihnen allen die Mäuler mit wenig Worten, die also lauteten: »Ihr habt mir nunmehro schon eine ziemliche Zeit daher die Ehre gegeben, unter meinem Cammando mit mir zu fahren; wer was auszusetzen hat an mir und meiner Aufführung, der thue es noch bey Zeiten, und lasse sich in soweit dienen, daß ich die Wege zur See vielleicht wohl besser weiß, als einer unter uns allen. Ich bin auf der Fahrt, mich glücklich und vergnügt zu machen, welches alle, die bey mir sind, zugleich mit geniessen sollen, denn ehe einer von uns ja verderben solte, so will ich der erste seyn. Es kömmt auf wenige Tage an, so werdet ihr vielleicht erfahren, daß euch der Capitain Horn nicht übel, sondern wohl geführet hat, und ihm vor seine Mühe und Arbeit Danck wissen.« Hierauf schryen alle meine Leute mit vollem Halse! Vivat! Vivat! Capitain Horn, unser Vater.

Der Himmel gab, daß mir wenig Tage hernach alle Zeichen in die Augen fielen, welchergestalt wir nicht weit mehr von dem geehrtesten und liebsten Felsenburg wären, darum ließ ich allen Kummer und Sorge verschwinden, bin auch, wie ihnen bekañt, in so weit glücklich und vergnügt vor der Insul angekommen. Wie es nun meine Hochgebietende Herren, Freunde und Gönner fernerweit zu verordnen belieben wollen, solches will ich mir, sonderlich[195] wegen Ausladung der Schiffe, alle Stunden gefallen lassen, voritzo aber bis auf Dero Befehl und Verordnung meine Reise-Geschichte in so weit, wiewohl nicht gäntzlich zum Schlusse bringen, indem ich auf eine andere Zeit ein weitmehrers zu melden mich schuldig erkenne.

Solchemnach machte der Capitain Horn abermahls einen Abschnitt, seiner, obschon noch nicht völlig geendigten Reise-Geschichte, und wurde dieserwegen nicht allein von dem Regenten, Aeltesten, Herrn Geistlichen, sondern auch von uns allen nochmahls aufs freundlichste complimentirt und bewillkommet. Nachhero aber, da vor dißmahl eben der gantze obrigkeitliche und geistliche Stand versammlet waren, wurde vor allererst berathschlaget, wie es mit Ausladung der Waaren und Sachen, ingleichen mit der Ausschiffung der fremden Völcker wohl von ohngefähr zu halten sey?

Wie nun der Capitain Horn von allen, so zusagen, fast einstimmig ersucht wurde, seine Meinung deßfalls am ersten von sich zu geben, weilen man von seiner besondern Treu und Liebe zu uns vollkommen überzeugt wäre, daß er keinen andern, als guten Rathschlag ertheilen würde; als öffnete derselbe seinen Mund, und sagte: Meine Hochgebietende allerseits hoch- und werthgeschätzte Gönner und Freunde! Ihnen nicht vorzuschreiben, so halte ich es nicht vor rathsam, sondern vielmehr vor ein wichtiges Staats-Versehen, wenn man die fremden Völcker, die bishero unter meinem und meines Bruders Commando[196] gestanden, ohngeachtet dieselben grösten Theils so ziemlicher Massen civilisirt, und in Ordnung gebracht sind, auf die Insul Groß-Felsenburg wolte kommen lassen. Nein! ich hielte, jedoch ohnmaßgeblich darvor, daß man dieselben bey dieser vortrefflichen Witterung auf der Insul Klein-Felsenburg unter Zeltern und Laub-Hütten campiren liesse, so wie wir solches wohl ehemahls andern fremden Völckern erlaubet haben. Auch müste ihren Officiern auferlegt werden, diese Leute fleißig in Acht zu nehmen, und dieserwegen keinen Tag oder Nacht lang von ihnen zu bleiben, ausgenommen, wenn sie specielle Erlaubniß hätten, sich dann und wann einige Tage in Groß-Felsenburg aufzuhalten. Ob sie meinem Bruder vergönnen wolten, bey uns zu bleiben, damit wir ihn stetig in Augen hätten, und auf sein Thun und Lassen Achtung geben könten, solches stellete in dero Belieben, sonsten wäre ich wohl gesonnen, ihn Woche um Woche oder alle 3. oder 4. Tage auf Klein-Felsenburg ordentlich abzulösen, und allen Verdacht zu vermeiden, bey den Leuten so wohl als er zu bleiben. Inzwischen zweiffelte nicht, daß man beschliessen werde, daß Volck mit hinlänglichen und nothdürfftigen Lebens-Mitteln zu versorgen, so wie wir denn wohl ehermahlen Blut-fremden gethan, die uns gar nichts angegangen. Was die Ausschiffung des Volcks und der mitgebrachten Sachen anbelanget, ist mein Vorschlag, daß dieselbe je eher je lieber vor sich gehe, indem ich befürchten muß, daß sonsten an einen und andern kostbaren Sachen, ein fernerer Schade geschehen möchte etc.[197]

Wie nun dieser gethane Vorschlag nicht nur dem Regenten, sondern auch allen andern Mit-Regenten vollkommen wohlgefiel, so wurde beschlossen, keine Zeit noch Stunde mehr zu verabsäumen, sondern erstlich das Volck auf die kleine Insul, und den meisten Theil der mitgebrachten Sachen erst an den Fuß unsers Felsens zu schaffen, allwo, weiln ohnedem die See um selbige Zeit sehr weit zurück gewichen, Platz genug vor dieselben vorhanden zu seyn geschätzt wurde.

Nächstfolgenden Tages, da Kirch-Tag war, wurden im Herausgehen aus der Kirche 300. Mann von unsern Leuten, nemlich die besten und stärcksten Felsenburger ausgelesen, welche zu Ausschiffung der Sachen Hand mit anlegen solten; hierauf setzte sich der Capitain Horn nebst mir und vielen ansehnlichen Felsenburgern in Boote, und fuhren hinüber zu den Schiffen, da denn Capitain Horn seinem Bruder so gleich den Antrag thät, daß, weilen auf der grossen Insul nicht so viel Raum und Platz anzutreffen, dem Volcke genugsame Bequemlichkeit zur Verpflegung zu verschaffen, als woll er sich gefallen lassen, dasselbe auf die kleinere Insul zu führen, fernerweit aber vor nichts Sorge tragen, indem allhier mehr der Uberfluß, als Mangel regiere.

Der jüngere Capitain Horn ließ sich alles gefallen, was ihm sein Bruder zumuthete, und derowegen richteten beyde Schiffe ihre Seegel nach der kleinen Insul, erreichten auch dieselbe noch, ehe es Nacht wurde. Folgenden Morgens stiegen sie also mit dem Allerfrühsten in eben demjenigen[198] Haafen aus, allwo vor einiger Zeit einige Portugiesen als Gäste ausgestiegen waren, ja diese Leute erwähleten sich auch eben den lustigen Platz zu ihrem Lager-Platze, den sich damahls die Portugiesen darzu erwählt hatten, indem wir noch die Rudera ihrer gehabten Hütten und Feuerstädten daselbst antraffen. Ich kan nicht gnugsam sagen, wie fleißig sie sich insgesamt anstelleten, ihre Hütten in Ordnung zu bringen, und es war immer einer mehr, als der andere beschäfftiget, seinen Nachbar wegen seiner Hütte so wohl an Zierlichkeit, als Bequemlichkeit zu übertreffen. Da das Volck nun vollends sahe, was ihm vor eine erstaunliche Menge Speise-Vorrath, Wein, Brandtewein etc. zugeführet wurde, wusten die wenigsten zu sagen, was sie mit allen diesen guten Sachen, auch grösten Theils herrlichsten Delicatessen anfangen solten, indem es zu viel vor sie, und nur einigen ihrer besten Freunde in ihrem Vaterlande, oder hie oder da, etwas weniges von diesem ihren Uberflusse wünschten. Demnach hatten diese guten Leute dererjenigen Gedancken, so auf der Insul Groß-Felsenburg leben, gar sehr viel; Jedoch die guten Leute bey ihrer gemachten Einrichtung und zu guter Ordnung abzielenden Arbeit nicht zu stöhren, oder ihnen wenigstens verhinderlich darinnen zu seyn, als blieben wir vor dieses erste mahl nur 3. oder 4. Tage bey ihnen, und fuhren darauf nach Groß-Felsenburg los, als wohin wir die beyden Capitains Horn vorerst alle beyde mit uns nahmen, ingleichen des ältesten Capitains Schiffs-Fähndrich und des jüngern Capitains[199] Lieutenant, den übrigen beyden zurückbleibenden subalternen Officiers wurde mitlerweile das Commando über die Völcker, so sich bereits völlig einquartirt hatten, aufgetragen.

Es sperreten so wohl mein Bruder, als die bey ihm befindlichen Officiers die Augen gantz entsetzlich auf, als ihnen, nachdem sie durch den hohlen Felsen-Weg herauf stiegen, und zwar bey der angenehmsten Zeit und Witterung, ohngefähr 1. oder 2. Stunden nach Aufgang der Sonnen, der gantze Prospect von unserer grossen Insul plötzlich und auf einmahl in die Augen fiel. Mein Bruder, der auf einen kleinen Hügel von ohngefähr zu stehen kam, war fast in vielen Minuten nicht von der Stelle zu bringen, doch endlich, da er sich besonnen hatte, wo er sich befände, sagte, indem er die Hände über dem Kopffe zusammen schlug, nur so viel: Du, mein GOtt! du hast mich doch seit meiner Kindheit an unzählig viele schöne Landschafften in mehr als einem Welt-Theile sehen lassen, aber dergleichen Gegend habe ich noch nie gesehen, die ohne allem Zweiffel ihres gleichen in der gantzen Welt nicht hat. Die bey ihm stehenden Officiers gaben ihm in diesem Stücke den allergrösten Beyfall, worbey sie mehr als einmahl darzu schwuren; Indem aber bereits einige, theils mit zahmgemachten Hirschen, theils mit den schönsten Pferden bespanneten Staats- Carossen gegen uns angerückt waren, als bestiegen wir dieselben. In der 1ten Chaise saß der Capitain Horn Sen. an meiner Seite; in der 2ten dessen Bruder bey dem Capitain Wolffgang, in der 3ten der SchiffsLieutenant[200] bey Mons. Litzbergen, in der 4ten der Schiffs-Fähndrich bey M. v. Blac; diesen Chaisen folgeten noch verschiedene andere dergleichen, worinnen sich auch einige der so genannten Vornehmsten dieser Insul befanden, ingleichen waren etliche zu Pferde, wenigstens hundert Mann, die den Schluß machten. In dieser Ordnung fuhren wir nach der Alberts-Burg zu, denn es ist vorjetzo gegen sonsten gantz anders, so, daß man gleich auf dem Berge vor der grossen Burg-Thür absteigen kan.

Nachdem uns 6. graue Häupter zur Bewillkommung entgegen geschickt waren, stiegen wir die Treppe hinauf, und traffen daselbst auf einem grossen Saale, (denn es ist zu wissen, daß Zeit währender, des Capitain Horns, Abwesenheit nicht allein dieser Saal, sondern fast das gantze Gebäude, Alberts-Burg genannt, abermahls ungemein vergrössert und verbessert worden) den Regenten oben an einer oval-runden Taffel auf einem etwas erhabnern Stule sitzend an, als diejenigen hatten, die um ihn herum sassen, und dieses waren bekannter Massen die grauen Häupter und Vorsteher der Gemeinden in den Pflantz-Städten. Zur rechten und lincken Seiten dieser oval-Taffel, oben neben dem Stule des Regenten, befanden sich noch 2. etwas kleinere runde oval-Taffeln, an welcher jeden 4. Herrn Geistliche sassen, und zwar in ordinairen Sächsischen Priester-Habit, denn unsere Herrn Geist lichen hatten sich nur vor etwa 2. Jahren einen neuen Amts-Gehülffen erwehlet, und denselben nach heiligem Gebrauche [201] ordinirt, damit er das Werck des HErrn nebst ihnen nach der Ordnung unsers Heils unermüdet forttreiben könte, weilen allem Ansehen nach denen dreyen alten und ersten die geistliche Arbeit in die Länge allzu sauer werden wolte. Jedoch hiervon weiter unten ein mehreres. Sonsten aber ließ sich die Verwunderung aus meines Bruders so wohl, als der mit ihm geko enen Officiers Augen nicht undeutlich lesen, die sie über die grossen grauen Bärte und Eiß-grauen Haupt-Haare hegten.

Es sassen demnach, wie schon gemeldet, diese venerablen Männer in der Rundung um den Regenten herum, und zwar alle in schwartzer Kleidung, auf Stühlen, die mit rothen weichen Wild-Leder überzogen waren, endlich aber, da die Fremden sich vor ihnen geneiget, trat der Regente auf seinem Stuhle in etwas in die Höhe, und redete dieselben selbst zu erst also an:


Meine Herren, auch werthesten Freunde und Gönner!

Dieselben treffen hier an diesem Orte Leute an, welche von den so genannten Complimenten, oder wie die Sachen sonsten Nahmen haben mögen, so wenig wissen, als von dem äuserlichen Pracht in Kleidung und von andern Welt Gepränge, so vielleiche an andern Orten in der Welt vorgehen mag; sondern sie finden, wie ich sage, an uns Leute, die in ihrer gottesfürchtigen Einfalt leben, mit unserm geringen Stande und wenigem[202] Vermögen vollkommen zufrieden sind. Wir machen uns allerseits eine gantz besondere Freude, Sie wertheste Herren und Freunde! nach einer (wie wir von unserm lieben Capitain Horn dem Aeltern bereits in etwas vernommen haben) beschwerlichen und verdrüßlichen Reise glücklich bey uns zusehen, wünschen uns anbey nichts mehr, als dieses, daß Sie uns im Stande finden mögen, Ihnen nach Würden ein und anderes Vergnügen zu machen; Jedoch, weilen wir ohnfehlbar das Glück haben werden, Dieselben noch eine gute Zeitlang bey uns zu sehen, um vollkommen auszurasten, als werden sich vielleicht binnen dieser Zeit, mit Hülffe des Himmels, Mittel finden, Ihnen unsere Wohlgewogenheit und Erkänntlichkeit zu zeigen, zumahlen, da wir vernommen, daß Sie auf der ganzen Fahrt und vor einige uns mitgebrachte Sachen viele Sorge getragen. Wir bitten nochmahls allerseits, Sie belieben es sich bey uns wohlgefallen zu lassen, und mit möglichst guter Bewirthung vorlieb zu nehmen.

Da nun der Regente ausgeredet, und sich wieder hingesetzt hatte, redete mein Bruder also:


Hochgebietende, Hochgeehrteste Herren!

Es hat uns mein Bruder, sonderlich auf der Rück-Reise, 1000. fach viel Gutes von Ihnen und dieser gantzen hochgeschätzten Republique erzählet, sonderlich aber, daß die[203] Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Friede, Liebe, Treue, Redlichkeit, Aufrichtigkeit und andere unvergleichliche Tugenden mehr an keinem Orte in der Welt in grösserer Vollkommenheit anzutreffen, als auf dieser glückseligen Insul, derowegen schätzen so wohl ich, als meine gegenwärtigen Herren und Collegen es uns vor ein besonderes Glück und Vergnügen, Dero Grund und Boden betreten zu haben, und mit Ew. Hochgebietenden unsern Hochgeehrtesten Herren bekannt zu werden. Was wir sonsten auf der gantzen Fahrt gethan, als absonderlich gut Commando unter unserm Volcke zu halten, hiernächst die uns anvertrauten Sachen bestmöglichst bewahren zu helffen, ist unsere Schuldigkeit gewesen, und protestiren wir hierbei vor alle Erkenntlichkeit, weilen wir von meinem Bruder bereits ein sattsames Honorarium bekommen, und werden wir, wenn uns ja erlaubt seyn solte, eine kurtze Zeit hier zu bleiben, uns bestmöglichst hüten, einige Ungelegenheit zu machen, damit wir Dero allerseits gute Meynung von uns nicht verschertzen.

Nachdem diese Reden gehalten worden, giengen mein Bruder und die beyden Officiers erstlich zum Regenten, welchen sie umarmeten und küsseten, und denn ferner zu allen, die da gegenwärtig waren, mit denen sie es gleichfalls also hielten, worauf an verschiedenen grossen Taffeln gespeist, und dabey ein freundliches Gespräch mit abwechselnder sanffter Taffel-Musique gehöret[204] wurde. Folgende Tage über liessen sich die Fremden von den Unsrigen auf der Insul in allen Pflantz-Städten herum spatzieren führen, da sie denn viele Merckwürdigkeiten und Seltenheiten ungemein bewundert, endlich aber, da Capitain Horn Sen. das Commando und die Visitation auf der kleinen Insul zum ersten mahle auf eine Woche übernehmen wolte, reiseten nebst dem Regenten die meisten von den grauen Häuptern und Vorstehern auch mit, ingleichen blieben die Herrn Geistlichen nicht zurücke, ja es folgten ihnen auch eine ziemliche Anzahl Groß-Felsenburger, so daß unsere Insul in langer Zeit nicht so leer von Leuten gewesen, als damahls. Wie nun der Capitain Horn Jun. voraus gegangen, um uns zu empfangen, als wurden, so bald wir aus den Booten stiegen, 50. Canonen gelöset, nachhero aber von der in Ordnung gestelleten Mannschafft eine 3. mahlige Salve gegeben.

Wir bewunderten, daß unsere Gäste binnen so wenig Tagen alles nach ihrer schönsten und besten Bequemlichkeit eingerichtet, indem sie nicht nur so viele zierliche Hütten erbauet, sondern auch auf verschiedenen grünen Plätzen, 12. bis 16. Taffeln von Bauholtz und Bretern aufgerichtet, so, daß wir sie mit gröster Lust nach ihrem Appetite daran speisen sahen. Nachdem sie sich wohl gesättiget, und auch den Wein und Brandtewein darbey, nach eines jeden Belieben, nicht vergessen, vertheileten sie sich in Hauffen, und fiengen allerhand Lust-Spiele an, deren einige so poßirlich heraus kamen, daß sich der Regente und die grauen[205] Häupter, ja so gar unsere Herrn Geistlichen zuweilen fast nicht satt lachen konten, denn die wenigsten von ihnen hatten Zeit ihres Lebens nicht gesehen, was vor aufgeräumte und lustige Leute sonderlich die Boots-Knechte sind.

Nachdem wir uns aber 3. gantzer Tage bey ihnen aufgehalten, und dabey bemerckt, wie artig und künstlich ihre Jagden und Fischereyen angestellet waren, kehreten wir insgesamt wieder zurück nach Groß Felsenburg, und nahmen in den Booten, welche abermahls frische Lebens-Mittel vor unsere Gäste mitgebracht hatten, eine starcke Ladung von den Waaren und Sachen, so uns Capitain Horn aus Europa mitgebracht hatte, mit uns, um selbige an Ort und Stelle zu bringen, hierbey befanden sich auch die von den Barbaren erlöseten Christen-Sclaven, deren schon gedacht worden. Weilen nun unserm Frauenzimmer die Wittbe des Englischen Schiff-Capitains vor allen andern in die Augen fiel, als reitzten sie mich an, sie zu bitten, uns ihren Lebens-Lauff zu erzählen, demnach wagte ich es, und fand die Dame dergestalt gefällig, willig und bereit darzu, als ich mir kaum eingebildet hätte: denn sie machte den Anfang ihrer Lebens-Geschichte in Gegenwart unserer meisten und vornehmsten Frauens-Bilder alsobald mit diesen Worten:

Mich Unglückselige hat der Himmel zu Londen in Engeland lassen zur Welt gebohren werden, in welchem Jahre aber kan vorjetzo selbst nicht mehr sagen: denn die Ursache dessen wird sich am Ende finden, weilen mir unter andern richtigen[206] Urkunden auch mein Geburts-Schein verlohren gegangen. Unterdessen bin ich aus einer guten adelichen Familie, Harrison benahmt, entsprungen. Mein Vater war, so viel ich von meinen Kinder-Jahren annoch dencken kan, Schloß-Haupt-Mann eines der Königlichen Schlösser, nicht allzuweit von Londen gelegen, und ich habe nachhero vernommen, daß er diese Charge gantzer 10. bis 12. Jahr geführet, endlich aber dieselbe wegen einer ihm begegneten fatalen Begebenheit niedergelegt, und sich mit meiner Mutter und seinen Kindern nach Londen begeben, um daselbst noch ruhiger und vergnügter zu leben, als er seinen Gedancken nach bishero gelebt hätte, weiln es ihm an Mitteln gantz und gar nicht fehlete, uns zu ernähren, indem er nicht nur vor sich ein ziemlich starckes Vermögen gehabt, sondern auch dasselbe durch die Heyrath mit meiner Mutter um ein wichtiges vermehret. Uber dieses alles ist mein Vater im Actien-Handel dergestalt glücklich gewesen, daß er sich die schönsten und austräglichsten Ritter-Güther hätte kauffen können, wenn er nur gewollt hätte; Allein er mag, wie mir meine seel. Mutter zum öfftern erzählet hat, wohl mehr als einerley, jedoch eben nicht gar allzu löbliche Ursachen gehabt haben, ein solches nicht zu thun, vielmehr hat er sich auf das verzweiffelte Spielen und Wetten gelegt, und ist dadurch dem Banquerout mehr als einmahl sehr nahe gewesen, jedoch das Glück im Spielen und Wetten, hauptsächlich aber der Actien-Handel hat ihm nach und nach doch immer dergestalt wohlgewollt, und[207] ihm das, was er vorhero verlohren gehabt, gedoppelt und dreyfach wieder zugeführet, so daß es noch hohe Zeit gewesen wäre, eine andere und bessere Lebens-Art anzufangen; Allein an dessen Statt fängt er an den Trunck zu lieben, und zwar den Brandtewein, auf eine gatz excessive Art, welches alles doch möchte hingegangen seyn, wenn er nur dann und wann sich bereden lassen, den Rausch auszuschlaffen; jedoch dieses war sein Werck nicht, sondern, wenn er den Kopff voll gehabt, war er in die Spiel-Häuser gegangen, hatte um geringer Ursachen wegen mit diesem oder jenem Händel angefangen, da denn fast keine Woche verstrichen, daß er nicht blessirt nach Hause gekommen wäre, entweder mit dem Degen, oder mit der Kugel. Wiewohl er nun auch manchen blessirt, mithin seinen Hohn einsmahls gnugsam gerochen zu haben vermeinet, so redete ihm doch meine Mutter aufs allerbeweglichste zu, vom scharffen Spielen und Wetten, hauptsächlich aber von dem leidigen Truncke abzustehen, allein sie hatte eine lange Zeit tauben Ohren geprediget; Doch endlich ändert mein Vater seine Lebens-Art plötzlich, und stehet so wohl vom Truncke, als vom Spielen ab, sucht auch keine andere, als honette, douçe Compagnien, weßwegen meine Mutter so froh wird, als ob sie ihn zum zweyten mahle geheyrathet hätte. Allein, diese ihre grosse Freude währete nicht länger, als bis ihr von einer vertrauten Freundin in gröstem Geheim vertraut wurde, daß ihr Mann, nemlich mein Vater, sich an ein lüderliches Frantzösisches Comœdianten WeibsStücke[208] gehenckt, welche ihn dergestalt eingenommen, daß er ohne dieselbe fast nicht zu leben wüste; ja, er wendete nicht geringe Geld-Summen an dieses Luder, und hätte demselben in einer gewissen Vorstadt ein kostbares Logis gemiethet, um sie vor sich allein zu behalten, wäre aber in diesem Stücke nicht nur zum öfftern schändlich betrogen worden, sondern hätte auch bereits mit vielen Cavaliers, dieser Canaille wegen, Händel gehabt, und nur vor wenig Tagen einen gewissen Frantzösisches Cavalier in der rechten Seite der Brust fast durch und durch gestochen, so daß es mißlich um des Blessirten sein Leben gestanden, worbey noch das gröste Glück, daß der Blessirte kein Engeländer, sondern ein gebohrner Franzose wäre. Wie gesagt, meiner seeligen Mutter Kummer und Sorgen und der Verdruß über die erhaltene Nachricht von meines Vaters neuer Lebens-Art, die ihr, als einer ziemlich ehrgeitzigen Dame, fast mehr als alles vorhergehende zu schmertzen schien, verursachten, daß sie gantz plötzlich in eine schwere Kranckheit fiel, so daß wir alle an ihrem Leben zu zweiffeln anfiengen, zumahlen, da sie sich nicht nur täglich, sondern offt stündlich im rechten Ernste nach dem Tode sehnete. Als mein Vater sie in ihrer Kranckheit einstmahls zu besuchen kam, und ihr diese und jene Medicamenta recommendirte, gab ihm die Mutter zur Antwort: Macht euch nur keine Mühe mit euren Medicamenten, denn sie werden mir nichts helffen, sondern die ungebührliche Liebe zu eurer schändlichen Comœdianten-Hure wird mich mit nächsten ins Grab[209] stürtzen, sodann habt ihr Freyheit, euch um ihr zu vereheligen, weilen ich ohnedem mercke, daß ich euren Augen nicht mehr gefalle. Wie wehmüthig nun auch meine Mutter diese ihre Worte vorgebracht hatte, so ließ sich mein Vater doch dadurch nicht erweichen, sondern sagte mit einem höhnischen Gelächter: Man merckte wohl, daß sie grosse Hitze hätte, und sehr starck phantasirte, derowegen solte man ihr nur noch etliche mahl nach einander eine Ader öffnen, so würde sich das Phantasiren vielleicht bald verlieren. Gehet mir, (gab meine Mutter hierauf zur Antwort) vor meinen Augen weg! denn dieses ist eine Cur, die ihr ohnfehlbar von eurer Französischen Canaille werdet gelernet haben etc. Mit solchen und dergleichen Reden, die mir und allen, so zugegen waren, selbst zu Hertzen giengen, kränckten sich meine lieben Eltern von einer Zeit zur andern, jedoch es geschahe bald, daß wir unsern Vater nicht so offt wieder zusehen bekamen, weßwegen wir anfänglich nicht wusten, ob er lebendig oder todt wäre. Jedoch, nachdem er sich in gantzer 16. Wochen nicht blicken lassen, erhielten wir eine, wiewohl unsichere und ungegründete Nachricht, daß er mit nach West-Indien geseegelt wäre, worüber meine Mutter gantz froh wurde, nur darum, daß er auf solche Art von der Canaille losgekommen wäre, denn an Geld und Güthern fehlete es uns zur selbigen Zeit gantz und gar im geringsten nicht, anbey hatte sie die Hoffnung, daß, wenn er glücklich und gesund wieder zurück käme, er wenigstens etliche 1000. Thaler an Gold und Silber mit sich bringen würde; Allein[210] diese Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach der Zeit um so viel desto gewisser versichert wurden, wie sich mein Vater noch beständig in Londen aufhielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte, von daraus aber, einmahl wie immer seine Frantzösin so wohl bey Tage, als bey Nacht besuchte. Demnach aber meine Mutter in sichere Erfahrung gebracht, wo eigentlich sein Logis wäre, warff sie sich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ sich durch einen getreuen Menschen dahin bringen. Sie ist so glücklich, meinen Vater zu Hause anzutreffen, weßwegen sie in sein Zimmer gehet, sich zu seinen Füssen wirfft, und um alles dessen, was heilig ist, bittet, mit ihr in unser Logis zurück zu kehren, auch fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und seinen Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene in Vergessenheit zu stellen etc. An statt aber, daß sich meines Vaters Hertz hätte sollen erweichen lassen, karbatscht er sie Gottes-jämmerlich in dem Zimmer herum, und läst sie durch seinen Bedienten die Treppe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen, als ob er eine falsche Visite von einem Spitzbuben bekommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Kostbarkeiten beschnellen wollen.

Solchergestalt kam meine Mutter in erbärmlichem Zustande zurück nach Hause, und wuste sich weder zu rathen noch zu helffen, indem sie sich das wichtigste Bedencken nahm, diese gantze Begebenheit vor die Obrigkeit kommen zu lassen.

Noch ehe aber hätten wir uns des Himmels-Einfall versehen, als bey so gestalten Sachen unsern Vater in dieser Welt wieder mit Augen zu erblicken;[211] Allein er kam, da wir eben damahls seiner am wenigsten gedachten, einstmahls in der Mitternachts-Stunde auf einer Post-Chaise gefahren, gab ein Zeichen mit pfeiffen von sich, und rief, daß man ihm aufmachen solte. Wie wir nun seine Stimme wohl kañten, wurde ihm so gleich aufgemacht, da wir denn höreten, daß mehr als eine Person die Stiegen herauf gestolpert kamen, weswegen denn meine Mutter so gleich in jede Hand einen Leuchter mit einem grossen Wachs-Lichtenahm, gegen die Thür des Zimmers zugieng, um selbige zu eröffnen, und zu sehen, was auf dem Vor-Saale passirte. Ich, die ich gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte ihr auf dem Fusse nach, und erblickte meinen Vater in Lebens-Grösse, auch in seiner gewöhnlichen Kleidung, bemerckte aber anbey gantz klar und deutlich, daß er einen blossen Degen mitten in der Brust stecken hatte, dessen Gefässe vorne auf der Hertz-Grube fast Spannenlang heraus ragete, ingleichen bemerckte ich, daß das Blut sehr starck aus der Brust und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern ist es demnach, daß ich vor Schrecken nicht so gleich augenblicklich zu Boden gesuncken bin, weiln mir noch auser dem die hinter ihm stehenden 2. langen, weissen Geister, oder Gespenster, die einen grossen schwartzen Reise-Couffre zwischen sich trugen, einen erstaunlichen Anblick verursachten. So wahr der Himmel über mir lebt und schwebt, ich kan nicht wissen, woher ich in selbiger Stunde alle Hertzhafftigkeit muß herbekommen haben, und glaube dieserwegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes recht übernatürlicher Weise muß gestärckt haben,[212] denn meine Mutter hatte kaum meinen Vater oder dessen Gespenst in die Augen gefasset gehabt, als sie, wie sie sich nachhero wohl zu besinnen wuste, augenblicklich wie ein Mehl-Sack umgesuncken war. Ja, was noch mehr? ich fassete mir so gar ein Hertze, meinen Vater anzureden, und mich in ein kurtz Gespräch mit ihm einzulassen; allein, indem ich die Worte auf der Zunge hatte, kam er mir mit Reden zuvor, und sagte gegen uns beyde: Nun habt ihr nach eurem Wunsche, mich noch einmahl gesehen in dieser Welt, denn ich bin bereits an einem andern Orte, als in der zeitlichen Welt. Nehmet ohne Bedencken, was vor euch allhier auf dem Saale stehen bleibt; gedencket meiner im Besten, und lebet wohl!

Unter diesen letzten Worten löscheten alle unsere Lichter aus, auch sogar die, so ordentlicher Weise auf dem Saale zu brennen pflegten, jedoch bemerckten wir zu gleicher Zeit, daß das gantze Gesichte oder Gauckelspiel des Satans eben so geschwind und hurtig verschwand, als man ein Licht oder zwey auszublasen, und dasselbe zu verlöschen pflegt; blieb also nichts davon übrig, als ein blosser Schatten eines schwartzen Reise-Couffers, welchen wir nicht länger anzusehen würdigten, sondern uns in unsere Zimmer zurück begaben, allwo wir alles, was Athem hatte, im allertiefsten Schlafe fanden. Meine Mutter war fast auf allen Vieren hinein gekrochen, ich aber nur froh, daß ich sie erstlich mit Kummer und Noth auf ein Faul-Bette bringen konte.

Den übrigen Theil der Nacht brachte ich noch[213] in gröster Verwirrung zu, da ich aber meine Mutter gegen Morgen in ziemlichen gesundem Zustande antraf, gab sich mein Hertz doch einiger Massen zufrieden, ja, ich bemerckte in demselben, daß es gedoppelte Courage bekam. So bald ich recht zu unterscheiden mir zugetrauete, was schwartz oder weiß wäre, nahm ich zu allem Uberflusse noch 2. Wachs-Lichter in meine Hände, gieng nochmahls zum Zimmer gantz allein hinaus auf den Saal, allwo ich denn ohnfern vor unseres Zimmers Thür den vorhero schon erblickten schwartzen Reise-Couffre erblickte. Weiln nun der helle Tag bereits angebrochen, auch die Sonne schon aufgegangen war, so nahm ich mir (ich weiß selbst nicht, aus was Krafft) die eigene Hertzhafftigkeit, den schwartzen Couffre in unser Zimmer zu tragen, an welchen meine liebe Mutter nicht die geringste Hand anlegen wolte, sondern auch gebot, daß man dieses Teuffels-Ding solte stehen lassen, bis zum wenigsten der Seegen darüber wäre gesprochen worden.

Ich schickte zu einem mir wohl bekannten religieusen Geistlichen, und erzehlete ihm die gantze Geschichte und Gesichte, so uns in voriger Nacht begegnet und erschienen war. Dieser nahm sich kein Gewissen, nachdem er sein Christlich Bedencken darüber gegeben, auch den Seegen über den Couffre zu sprechen. Worauf wir denn sogleich nach einem Schlösser schickten, und den Couffre eröffnen liessen, worinnen sich 6000 Thaler theils an baarem Gelde theils Gold, theils Silber-Müntzen befanden, nebst noch mehr als einmahl so viel an Wechsel-Briefen und Actien Zetteln, wobey ein Memorial[214] lag, welches meine Mutter, so bald ich dasselbe mit grossem Bedacht gelesen, wieder zu sich nahm, und in 1000 Stücken zerriß.

Das gröste Wunder war bey dieser Sache, daß, ohngeachtet der Couffre binnen 24. Stunden fast zu Staub und Asche worden, jedennoch die Brieffschafften darinnen unversehrt geblieben waren, mithin hatten wir noch ein schönes Capital einzuheben, welches zum Theil vielleicht auch noch viele Weitläuftigkeiten, unserm Bedüncken nach, verursachen möchte.

Jedoch die eigentliche und Haupt-Sache war diese: zu erfahren, ob unser Vater noch am Leben, oder bereits todt wäre; derowegen schickte erstlich meine Mutter verschiedene Kundschaffer aus, und als sie binnen wenig Tagen durch getreue Leute mit schweren Kosten endlich so viel vernommen, als was, so zu sagen, in ihren Kram dienete, warff sie sich abermahls in Manns-Kleider ließ 2 von unsern Bedienten nach unserer ordinairen Livree gantz neu kleiden, und begab sich mit ihnen mehrentheils bey Nachts-Zeit auf den Weg, bat darbey uns zurück im Logis bleibenden, jederzeit ein andächtiges Gebet vor ihre Person gen Himmel zu schicken.

Mir war angst und bange, meine Mutter von uns gehen zu sehen, jedoch, da ich mich endlich begriff, und bedachte, daß sie nicht allein einen durchdringenden Verstand, sondern auch dabey ein Manns- ja ein recht Löwen-Hertz im Leibe hätte, setzte ich mein Vertrauen auf die göttliche Hülffe, und ließ sie unter vielen 1000. Glückwünschungen so wohl, als Vergiessung häufiger Thränen hingehen,[215] wohin es ihr selbst beliebte, zumahlen, da sie alle Abende wieder zu kommen, und uns zu besuchen versprach.

Es verstrichen demnach nicht mehr, als 8. oder 10. Tage, als sie das erste mahl zurück kam, und uns die traurige Nachricht brachte, daß mein lieber Vater von einem Frantz- Manne, den er bey seiner Maitresse angetroffen, so zu sagen, meuchelmörderischer Weise ermordet, wessentwegen auch der Mörder so gleich in gefängliche Hafft gebracht worden; Hergegen lebte die Maitresse lustig und guter Dinge, und sähe sich nur blos allein nach unserm Vater um, ob derselbe den Geld-Sack bald schickte, oder selbsten mit sich brächte. Es hatte meine Mutter diese Nachricht nicht allein in des Vaters, sondern auch so gar in der Maitresse Logis mit vielen Umständen vernommen, sich aber an beyden Orten gantz und gar nicht darvor ausgegeben, als ob ihr sonderlich viel daran gelegen wäre. Der Maitresse Schönheit konte sie nicht gnugsam beschreiben, zweiffelte aber sehr, ob selbige nicht etwa eine falsche Schmincke wäre, dem ohngeachtet schwur sie in der ersten Hitze, ihren Hohn auch so gar mit Darstellung ihres Lebens zu rächen, und nicht eher zu ruchen, biß die Canaille entleibt wäre.

Ich bat den Himmel mit bittern Thränen, meiner Mutter diese Gedancken zu benehmen, allein mein Gebet wurde in diesem Stücke dißmahl nicht erhöret, denn wenig Tage hernach kam ihr der Rummel auf einmahl wieder an, derowegen zohe sie abermahls eins von meines Vaters käñtlichen Kleidern an, die ihr sehr wohl passeten, wie sie denn[216] in allen Stücken eine sehr grosse Gleichheit mit seiner Person hatte; ausser dem steckte sie einen Degen mit einer geschliffenen Klinge an die Seite, und noch über dieses in jede Tasche 2. Taschen-Pufferte, oder Terterols. Wie sie sich nun dergestalt blos in meinem alleintzigen Beyseyn wohl besorgt, rief sie zwey von unsern getreuen Laqueyen, befahl ihnen, ihr zu folgen, und sie nicht aus den Augen zu lassen, hergegen, wo es die äuserste Noth erforderte, getreulichen Beystand zu leisten, indem es ihr Schade nicht seyn, sondern ein jeder von ihnen vor diesen Weg 100 Ducaten zur Recreation haben solte. Auf dieses umarmete sie mich, die ich an einem Fenster stunde, und Thränen vergoß, mit diesen Worten: Gebt euch zufrieden, meine liebste Tochter! und lasset mich nur immer in meiner gerechten Sache unter eurem Gebete fortgehen, denn die Gefahr, darein ich mich itzo begebe, um eures Vaters Tod, so viel als mir nur immer möglich ist, zu rächen, wird vielleicht so groß nicht seyn, als ihr euch dieselbe vorstellet, und ich hoffe, wo ich anders glücklich bin, noch vor Mitternachts-Zeit schon wieder bey euch zu seyn.

Wie nun diese letztern Worte meine Thränen einiger Massen hemmeten, so ließ ich sie unter dem Schutze des Allmächtigen, in Begleitung der beyden Laqueyen fortgehen, blieb aber am Fenster stehen, und mit Vergiessung vieler Thränen abzusehen, was erstlich auf der Strasse vorgehen möchte, hernach mahls aber ihre Zurückkunfft abzuwarten, worbey ich denn dergestalt fleißig betete, als ich wohl sonsten zum öfftern in vielen Jahren nicht gethan, indem[217] es mir fast ein unerträglicher Schmertz seyn und heissen wolte: Vater und Mutter binnen so kurtzer Zeit auf einmahl zu verlieren.

Jedoch dieser wurde ziemlicher Massen gelindert, da ich meine liebe Mutter ohngefehr zwischen 10 und 11 Uhren des Nachts nebst ihren beyden Laqueyen zurück kommen sahe. Sie machte die Thür des Zimmers ohne langes Verweilen auf, und fragte nichts mehr, als dieses: Meine Tochter! wenn ihr Caffée habet, so gebet mir und diesen Leuten etliche Schälchen zu trincken, lasset uns auch ein gut Glas Rosoli holen, denn das Glück hat meine Faust gesegnet und geführet, daß ich ein so gutes, ja fast noch bessers Meister-Stück gemacht, als die Iudith bey dem Holoferne.

Indem ich nun darnach fragte, welcher Gestalt ihre Verrichtungen abgelauffen wären, erstattete der eine Laquey mir folgenden Bericht: Nachdem wir unten im Hause, wo die Conquette logirte, angelangt, und ein paar oder mehr Boutellen-Weins vor unsern Herrn gefordert, säumete die Wirthin nicht lange, uns dieselben zu bringen, worauf so wohl der so genannte unser Herr, als wir Diener den Wein versuchten, auch uns etwas zur Kost reichen liessen; Indem wir uns aber hierauf etwas bey Seite begaben, ließ sich unser so genannter Herr mit der Frau Wirthin in ein vertrauliches Gespräche ein, und mochte wohl nach und nach so viel aus ihrem treuhertzigen Hertzen erforschet haben, daß die Frantzösische Comœdiantin, wornach er gefragt, bereits in ihrem Bette versorgt sey, und zwar mit demjenigen Frantzösischen Cavalier, der ihrentwegen nur vor wenig Tagen einen andern Cavalier[218] erstochen hätte. Ob nun gleich der Entleibte ein Engeländer von Geburt, so sähe man doch wohl, daß Geld und Gold alles niederdrückte, indem der Frantzose bereits Pardon erhalten. Ohngeachtet, daß sich unser gebietende Frau, zumahlen, da sie Manns-Kleider am Leibe anhatte, ziemlich zu verstellen wuste, so merckten wir beyden Bedienten doch bald, was passirte, zumahlen, da unsere Frau die Wirthin vermittelst eines Geschencks a 3. Guineen gantz vollkommen treuhertzig machte, und dieselbe inständig bat, ihn nur hinauf in das Zimmer zu führen, wo beyde Frantzosen schliefen, indem er ein recht vertrauter Freund von allen beyden sey, indem er so gut Frantzösisch als Englisch parliren könte. Die Wirthin ließ sich also ohne ferneres Bedencken, und in Betrachtung der schönen Gold-Stücke, deren sie vielleicht noch mehr zu fischen verhoffte, dahin bewegen, daß sie uns alle 3. in das Zimmer hinauf führete, allwo beyde verliebte Frantzösische Seelen im Bette angetroffen wurden, und einander umarmten, auch sich keines Bösen befahreten, bis ihr mein Herr oder Frau, wie ich sagen mag, seinen geschliffenen Degen zwischen beyden Brüsten gantz sanffte hindurch bohrete, da sie denn der Wirthin rieff und dieselbe fragte: was im Hause und hier oben vorgienge. Nichts, Madame, antwortete die Wirthin) schlafet nur gantz ruhig, denn ich bin selber da.

Mir kam so wohl über die Frage, als über die Antwort dieser beyden Personen, ein hertzliches stilles Lachen an, doch, da ich merckte, daß sich der Franzose rührete und umwenden wolte, stieß ich meinen Cameraden[219] in die Seite, um auf allen Fall unsere Pistolen parat zu halten, weilen man bereits das Blut unter dem Bette hervor lauffen sahe. Mein Herr wolte zwar der Wirthin mit 6. Guinees ein Stillschweigen auferlegen, allein diese wolte sich nicht weiter treuhertzig machen lassen, sondern durchaus nach der Wache schicken. Demnach begaben wir uns erstlich an die Fenster, um frische Lufft zu schöpffen, wurden aber gewahr, daß sich eine gewaltige Menge vom Pöbel in selbiger Gegend versammlete, fragten demnach die Wirthin, was der Lerm auf der Strasse zu bedeuten hätte? worauf sie zur Antwort gab? Meine Herrn! dieser Lerm gehet nicht uns, sondern die Zoll-Bedienten an, welches nichts ungewöhnliches ist, wird sich aber mit Anbruch des Tages wohl legen. Indem wir nun die Frau Wirthin in allen Stücken gantz höflich und freundlich sahen, begaben wir uns wieder hinunter in das Haus, und forderten 3 Bouteillen Wein, nebst etwas Zubehör, welches alles die immer liebreicher scheinende Frau Wirthin sogleich brachte, und sich mit unsern so genannten Herrn in ein vertrauliches Gespräch einließ, welches wir beyden Diener nicht verstehen konten.

Ich will euch, fiel hier meine Mutter dem Laquay in die Rede, dasselbe allerseits dergestalt noch vorsagen, als es gehalten worden: denn erstlich fragte die Wirthin, wie es möglich gewesen, daß ich ein so wunderschönes Frauenzimmer hätte in ihrer besten Ruh entleiben können? worauf ich derselben zur Antwort gab: Madame! es laufft allerdings wider mein Naturell, einen guten Hund, geschweige denn ein Frauenzimmer zu tödten, weilen ich, wie[220] sie sehen können, selbsten dieses Geschlechts bin, allein diese Frantzosen-Hure hat mir erstlich meinen Mann verführet, und zum Ehebruche verleitet, hiernächst mich und meine Kinder um gewaltige Geld-Summen gebracht, aber alles dieses möchte noch hingegangen seyn, wenn sie mir nur diesen Tort nicht angethan, und meinen Ehemann, der von den Vornehmsten des Englischen Adels herstammet, durch ihren Beyschläffer, so viel ich vernommen, auch so gar meuchelmörderischer Weise um sein noch ziemlich junges Leben bringen lassen. Es hat mir (sprach ich ferner zu der Wirthin) hier in ihrem Hause an weiter nichts gefehlt, als an der Zeit und Gelegenheit, allein ich hoffe, daß mir der Himmel doch noch diesen mörderischen Frantzosen in die Hände führen wird, da ich denn nicht fackeln werde, ihm durch meine eigene Faust das Lebens-Licht auszublasen, und meinen Mann zu besuchen, in das Reich der Todten zu schicken, solte ich auch gleich meinen Kopff auf dem Chavotte müssen fliegen lassen, so mache ich mir dennoch eben so wenig daraus, als ob ich zehen Köpffe hätte. Hierauf sagte die Wirthin gantz heimlich und vertraulich: Madame! ich habe genug gehört, kan aber nicht gar viel darzu sagen, unterdessen, weiln ich ihnen zu Gefallen, noch nicht nach der Wache geschickt, und die Sache melden lassen, so folget meinem getreuen Rathe, und mischet euch noch bey guter Zeit mitten unter den Pöbel, wessentwegen euch denn auch meine Haus-Thüre nicht soll abgeschlossen werden.

Nachdem ich der Frau Wirthin vor dieses gute Erbieten einen Kuß auf gute Landsmännische[221] Manier versetzt, war mir noch einmahl so wohl ums Hertze, als vorhero, befahl auch derselben, meinen beyden Leuten auf mein Conto noch so viel zu trincken zu geben, als sie nur immer beliebten, weiln ich alles bezahlen wolte; als zu dem Ende ich ihr der Wirthin noch 3. Guinees in die Hand drückte, und meine Leute nach meiner Pfeiffe stimmete, Wie nun der helle lichte Tag bereits angebrochen war, als kam der Monsieur Franzmann die Treppe herunter spatzieret, und gieng in einen kleinen hinter dem Hause gelegenen Lust-Garten, um sich daselbst zu divertiren, ich folgte ihm auf dem Fusse nach, und wunderte mich über weiter nichts mehr, als daß er keinen Verdacht weder auf meine Person, Kleidung, noch sonstes etwas legte. Wir waren aber kaum etliche 20. Schritte zwischen den Blumen-Beeten herum spatziert, als ich mir gefallen ließ, einige der schönsten Blumen, die nach meinen Appetite waren, abzupflücken, worüber sich der Franzose mit allerhand anzüglichen Reden verlauten ließ, daß dieses keine Manier, sondern eine Anzeigung eines schlechten Verstandes und geringer Höflichkeit sey, so kam es unter uns bald zu häßlichen Schimpff-Worten, und obgleich die darbey stehende Wirthin, fernern Streit zu verhüten, sich erklärete, wie sie sich aus dergleichen Kleinigkeiten nichts machte, sondern dieselben allen ihren Gästen, welche Belieben darzu trügen, Preiß gäbe, so wolte der Franzose sich jedennoch nicht zufrieden geben, sondern schimpffete immer noch hefftiger auf mich los, da ich ihm denn mit Worten gleichfalls nichts schuldig blieb. Er aber zog seinen Degen, gieng mir[222] damit in einem breiten Wege sehr hitzig zu Leibe, ich hergegen war gelassen, und gieng anfänglich sehr behutsam mit Ausparirung seiner Stösse, da er mir aber endlich immer gefährlicher zu Leibe gieng, versetzte ich ihm oben einen Stoß durch die rechte Brust, dem noch einer folgte, welcher vermuthlich durch sein Hertze gieng, indem er mit den Worten, die auf deutsch, ich habe genug, heissen, wie ein Baum umfiel, und fast gar kein Zeichen des Lebens wehr von sich gab. Nunmehro begunte mir erstlich recht sehr bange zu werden, wie es mir ergehen würde, allein die Wirthin, die entweder aus Mittleyden, weil sie wuste, daß ich ein Frauenzimmer war, oder vielleicht aus ihren eigennützigen Ursachen durch diesen Zufall gantz bestürtzt worden, kam mit sachten Schritten auf mich zugegangen, und sagte: Meine Freundin! Ihr habt euch ritterlich genug gehalten, derowegen seyd auf eure Flucht bedacht, denn mir ist mit eurem Schaden und Unglück nicht gedienet. Hiermit öffnete mir die gute Frau die Hinter-Thür des Gärtgens, wodurch sie mich hinaus ließ, da ich ihr denn noch 3. Guinees in die Hand druckte, und bat, dahin besorgt zu seyn, daß auch meine 2. Bedienten mir bald nachfolgen könten. Dieses zu bewerckstelligen, lief sie selbsten vor ins Haus, und brachte zu meiner grösten Freude meine Bedienten geführet, welche denn so wohl als ich von ihr hinaus gelassen wurden, da wir uns denn alle 3. gar bald erstlich unter den Pöbel vertheileten, jedoch auch gar bald einander wieder antraffen, und keinen Augen blick Zeit versäumeten, euch,[223] meine liebe Tochter, heimzusuchen, weilen wir alle wohl wissen, daß ihr Zeit unserer Abwesenheit euch tausend Kummer und Sorgen werdet gemacht haben.

GOtt sey ewig gelobt! (sprach ich zu meiner Mutter) daß er ihre Person bey diesem gefährlichen Handel so väterlich behütet hat, dieser ist mein lebendiger Zeuge, daß meine Augen Zeit ihrer Abwesenheit gar nicht sind trocken worden; und dieser wolle fernerweit unser Beystand seyn, denn wir haben meines Erachtens noch viel schwere Berge zu übersteigen vor uns.

Indem nun meine Mutter und ich, so wohl bey Tage als bey Nachts-Zeit, mit sorgsamen Gedancken beschafftiget waren, weiln mir keinen Schluß fassen konten, an wen wir uns wegen unserer Forderungen addressiren wolten, führete endlich der Himmel unverhofft eine Person in unser Logis, welche wir beyde recht als einen Engel bewillkommeten.

Es war diese Person Mons. Barley, ein junger Lord, der schon in meinem 13ten Jahre, da mein Vater noch Schloß-Hauptmann gewesen, bey meinen beyden Eltern angehalten, mich als diese ihre Tochter an keinen andern Menschen zu verheyrathen, als an ihn. Wie nun meine Eltern ihm zur Antwort ertheilet, daß es noch viel zu frühzeitig mit ihrer Tochter sey, dieselbe zu verheyrathen, er aber wohl schwerlich, von wegen seiner eigenen Jahre, Standes und grossen Vermögens, nicht leicht vor rathsam befinden würde, auf dieselbe zu warten, weilen er mittler Zeit, als diese[224] vollkommen aufgewachsen wäre; 10. ja mehr weit profitablere Parthien im Heyrathen antreffen könte. Demnach solle er sich eine Sache, die ihm vielleicht bald hernach, als er seinen Zweck erreicht, gereuen könte, viel lieber aus den Gedancken schlagen, so könne er vergnügt und wir alle ohne Sorgen leben.

Allein dieser mein Liebhaber, welchen ich, zu mahlen bey unsern offtmahligen verwirrten Haus-Sachen, jederzeit treu und redlich erfunden, hatte sich damahls und auch in folgender Zeit an alle dergleichen ihm verdrüßlichen Abfertigungen wenig gekehret, sondern war mir eine Zeit, wie die andere getreu und beständig geblieben, und zwar, ohne daß ich einen besondern Wohlgefallen darüber empfunden: Denn ich fürchtete mich schon von meiner Jugend an gantz entsetzlich vor dem Heyrathen, weilen mir der so genannte Englische Wahrsager, und zwar der Uralte, nicht viel Guts in der Helffte meiner Jahre zu geniessen vorher gesagt hatte. Um aber meine Geschichte nicht weitläufftig zu machen, so will nur so viel sagen: daß dieser Mons. Barley noch bey Leb-Zeiten meines Vaters, ehe derselbe in die letztern Verdrüßlichkeiten gerathen, zum öfftern in Londen zu uns gekommen, und die ehemahlige Bekanntschafft erneuert, nachhero aber nur sehr sparsame Visiten bey uns abgelegt, weilen er wohlge merckt, daß es nicht allzu gut um unsere Wirthschafft stünde; da ihm aber unsere Fatalitäten zu Ohren kamen, kam er, so zu sagen, als ein von GOtt gesandter heiliger Engel, und brachte uns zu allererst die besondere[225] Nachricht: daß die Entleibung der Französin so wohl als auch des Franzosen nicht allein in der gantzen Stadt, sondern auch bereits bey Hofe ruchtbar worden, indem die Wirthin und Domestiquen des Logis, worinnen die Französische Comœdiantin logirt, alles umständlich erzählen, und endlich bekräfftigen müssen, jedoch hätten Ihro Majestät der König selbst sich dergestalt allergnädigst verlauten lassen: Man müsse bey der angegebenen Deliquentin, zumahlen, da sie eine gebohrne vornehme Engeländerin wäre, die Sache recht wohl untersuchen, indem Allerhöchst-Dieselben vor dießmahl gewisser Ursachen und Umstände wegen lieber Gnade als recht ergehen zu lassen, gesonnen wären etc.

Dieses war nun schon ein ziemlich starcker Trost vor mich und meine Mutter, den uns dieser Freund zum ersten mahle brachte, allein der ehrliche Mensch dienete uns in weit mehrern Stücken, denn da ihm meine Mutter das Geheimniß wegen unserer starcken Schuld-Forderungen entdeckte, war seine erste Anfrage diese: Ob er, wenn er auch nur die Helffte davon ausgeklagt, auch mich zur Gemahlin haben solte? welches denn meine Mutter und auch ich ihm mit Hand und Mund versprachen. Demnach war Barley vollkommen wohl mit uns zufrieden, und ließ sich unsere Geschäffte dergestalt angelegen seyn, daß er weder Tag noch Nacht Ruhe hatte, bis er, versprochener Massen, die Helffte unserer Forderungen ausgeklagt, und noch ein weit mehreres, welches alles er[226] denn zu meiner Mutter sichern Händen lieferte. Hierauf drunge er auf das Beylager mit meiner Person, ohngeachtet ich ihn nun an meine Mutter verwiese, indem dieselbe, obgleich etwas älter, jedoch weit schöner und reicher, als ich wäre, so wolte doch mein Barley auch hiervon nichts hören, sondern sagte nur soviel: Kurtz, ich liebe eure Person eintzig und allein auf der Welt, und setzte gegen euch Printzeßinnen zurücke, wenn sie mich auch haben wolten, aus was Ursachen aber ich euch liebe, solches ist mir ohnmöglich zu sagen.

Sich zu einer Heyrath zu entschliessen, mag wohl eine solche Sache seyn, die dem Menschen vorhero lange im Kopffe herum gehen muß; allein bey unsern damahligen Umständen erforderte es allerdings wohl die Noth, mich nicht länger zu weigern, zumahlen, da mir meine Mutter und mein Liebster fast keine Stunde mehr, zur weitern Bedenck-Zeit vergönnen wolten.

Demnach wurden wir endlich, fast ehe es mir gefällig war des Handels vollkommen einig, und celebrirten unser Beylager, ohne gewöhnliches unnöthiges Gepränge, hatten auch niemanden auser meiner Mutter dabey, als 12. Herrn und Frauen aus Londen, die wir noch vor unsere besten Freunde schätzten.

Nachdem nun auch dieses geschehen, und vorbey war, wir beyde neugebackenen Eheleute auch kaum 4. Wochen vergnügt beysammen gelebt hatten, kam eines Abends mein Barley sehr starck verwundet nach Hause, indem er zu sagen wuste: wie er einiger Massen recht unter die Mörder gefallen,[227] und dergestalt von ihnen zugerichtet worden, daß er vielleicht seinen Geist dieserwegen aufgeben müste.

Es waren eben zwey Englische Kauff-Leute bey uns, welche einige Geld-Summen vor uns zahleten, und dem Herrn von Barley das Verständniß ziemlicher Massen eröffneten, indem sie ihm sagten: daß dieses sein Unglück von niemanden anders herrührte, als von einem gewissen Mäckler, den man noch zur Zeit nicht in die Gülde der Kauffmañschafft einnehmen wollen, und mit dessen Tochter der Herr von Barley sich zu vermählen vor einiger Zeit, auch ihm ein Schiff nach Ost-Indien auf dessen Verlag zu führen, anheischig gemacht, nachhero aber das Wort nicht gehalten, ohngeachtet der Mäckler gesonnen gewesen, vor ihn und seine Gemahlin, als dessen Tochter 20000 Gulden in Banco, so zu sagen, als zum Heyraths-Guthe einschreiben zu lassen. Mein Barley befand sich einiger Massen in seinen Gewissen betroffen, sagte aber dieses: Mein Unglück mag herrühren, wo es immer wolle, jedennoch werde ich nicht verzagen, weilen, nächst GOtt, meine Redlichkeit und mein noch (wiewohl eben nicht so gar sehr starckes) Vermögen mir durchhelffen muß. Kurtz: ich verlasse mich auf den Himmel, meine Jugend und meine Tapferkeit. Wenn sie (sagte der eine und älteste Kauffmann,) das Principium haben, so kan es ihnen nicht fehlen; unterdessen, weilen wir beyde einen guten Schiffs-Capitain nothig haben und zwar eine Person von Condition, indem wir in Compagnie ein vollkommen wohl[228] ausgerüstetes Schiff liegen haben, welches nach Ost-Indien geführet werden soll, als haben wir das besondere Vertrauen zu Ew. Herrl. dieselben zu unsern Schiffs-Capitain anzunehmen, in Hoffnung, daß sie unsern Nutzen und Vortheil aufs best-möglichste besorgen werden, und hiervor lassen wir ihnen gleich morgendes Tages, oder, wenn es gefällig, ausser dem Ordinario alsofort 6000. Fl. in Banco schreiben.

Mein Barley wolte sich anfänglich nicht entschliessen, mit diesen Leuten etwas zu thun zu haben, indem er nicht allein seine noch allzu neue Heyrath, sondern auch seine schlechte Erfahrung im See-Wesen vorschützte, jedoch alles dieses und noch mehrere Entschuldigungen wolten bey diesen Capitalisten nichts gelten, sondern sie trilleten ihn so lange, bis er einen Contract mit ihnen schloß, der zumahlen vor mich, nächst dem vor meine Mutter, ja alle die Meinigen, ungemein raisonable und profitable abgefasset war.

Aber ich verfluche fast noch die Stunde, da dieses geschehen ist, denn dieser Contract hat mich um meinen lieben Mann gebracht. Er hatte, nachdem er sich einmahl engagirt, wenig Zeit zu versäumen, zu Schiffe zu gehen, wessentwegen auch meine Mutter und ich unsere Maaß-Regeln darnach nehmen und einrichten musten, jedoch schon gemeldte zwey redliche Kaufleute, als meines Mannes Principalen, halffen uns, was die Geld-Affairen anbelangete, binnen wenig Tagen aus allen unsern Nöthen, indem wir das allermeiste Geld eincaßirten, das übrige aber im Banco schreiben liessen.[229]

Endlich rückte der strenge Tag heran, da ich mit meinem Manne unter Seegel zu gehen, uns beyde nicht länger entbrechen konten, derowegen machten wir noch eine kurtze Disposition, nach gehaltener fernerer Verabredung auf alle Fälle mit unserer lieben Mutter, und traten nachhero unsere Reise in Gottes Nahmen an, waren auch so glücklich in der Gegend des grünen Vorgebürges anzulangen, ohne vom Sturm und Wetter befallen zu werden, bis uns endlich 3. Barbarische Schiffe auf einmahl überfielen, und mit alleräusersten Gewalt zum Treffen zwungen. Zwar hätte ich fast glauben sollen, wir hätten ihnen noch bey guter Zeit entkommen können, zumahlen, da sie meinen Gedancken nach, eine ziemlich billige Forderung an uns thaten, allein mein Mann war, wenn ich es deutlich sagen soll, damahls wohl ein wenig zu hitzig, und hielt mit behertztem Muthe Stand, ohngeachtet er sich weit übermannet sahe, und eben dieses hat ihm sein, mir sehr kostbares Leben, gekostet, indem ihm eine Canonen-Kugel den Kopff abgerissen. Ich gerieth demnach in die Barbarische Sclaverey, zusamt allen den Meinigen, habe es aber den beyden Herrn Capitains Horn zu dancken, daß sie uns nebst vielen andern Christen-Slcaven erlöset, wiewohl ich den Barbaren eben nicht nachsagen kan, daß sie mir und den Meinigen viel Uberlast gethan hätten, allein dieses hatte seine besondere Ursachen, indem ich ihnen nicht allein eine ziemlich starcke Summa Ranzion-Gelder so gleich versichert und verschrieben, sondern ein weit mehrers zu thun versprach, wenn[230] sie uns wohl tractirten, und je eher je lieber nach Engeland, oder wenigstens nach Gibraltar lieferten; Allem wir haben, GOtt sey gedanckt, ihnen keinen Flitter geben dürffen, weilen es uns von unsern tapffern und freygebigen, theuren Erlösern durchaus verboten wurde, ihnen auch nur das geringste zu zeigen, geschweige denn zu geben. Anbey muß die edle Tugend der Großmuth und Freygebigkeit zu rühmen nicht vergessen, welche nicht allein die beyden nie genug gepriesenen Capitains Horn, sondern auch 2. Portugiesische Capitains in unserm damahligen betrübten und verwirrten Zustande allen erlöseten Christen-Sclaven, vornemlich aber auch mir und den Meinigen erwiesen. Der Himmel vergelte es ihnen, und seegne sie alle auf Lebens-Zeit. Dieses muß ich aber noch melden, daß die Portugiesen so gütig waren, und versprachen, mich mit allem meinem Zubehör und Haabseeligkeiten frey und franck in den ersten Englischen Capital-Hafen zu liefern; Allein wie gern ich das Land und die Stadt meiner Geburt vor meinem Ende wohl noch einmahl sehen mögen, so hatte ich doch in meinem Hertzen einen besondern Wiederwillen gegen die Portugiesen, nicht so wohl vor ihre Personen (denn es waren in Wahrheit 2 artige Cavaliers von Person und Ansehen) aber ich fand etwas an ihnen, das mir nicht gefiel, und welches ich itzo nicht sagen kan oder will. Derowegen addressirte ich mich an unsern Haupt-Commandeur, den ältesten Capitain Horn, und bat ihn gewisser Ursachen wegen, weil ihm die Treue und[231] Redlichkeit gegen seinen bedrängten Nächsten, recht aus den Augen leuchtete, aufs allerwehmüthigste, mich nicht in die Hände der Portugiesen kommen zu lassen, sondern mir die Gefälligkeit zu erweisen, und mich so wohl als meinen Zubehör aufs Vorgebürge der guten Hoffnung mit sich zu neh men, von dannen ich mich denn schon weiter nach einer gewissen Ost-Indischen Insul zu kommen getrauete, allwo mein seeliger Mann im Nahmen seiner Principalen ungemein starcke Geld-Posten einzuheben, auch deßfalls ein Blanquet zur Vollmacht bekommen, welches er mir unter seinen Schrifften hinterlassen hatte. Es versprach mir itzt gemeldter Capitain Horn zwar, mich um weiter nichts zu bekümmern, sondern versicherte mich mit nächsten, so bald es nur möglich wäre, auf das Cap zu bringen, allein in diesem Stücke muß ich ihn, wiewohl mit frölichem und vergnügtem Hertzen einer Unwahrheit beschuldigen, indem er mich an Statt des Möhrischen Vorgebürges an diesen angenehmen Ort gebracht, allwo ich den Himmel, oder so zu sagen, nur eine der besten Haupt-Cammern des Himmels auf dem Erdboden angetroffen, und mich nunmehro Zeit meines Lebens von dieser glückseeligen Insul nicht wünschen will, wenn einer von den vornehmsten Einwohnern derselben, mir nur das Glück gönnen will, mich als eine Magd, oder Kinder-Frau bey sich zu behalten, denn ich bin, ohne eitlen Ruhm zu melden, geschickt, nicht nur die saubersten Sachen mit der Neh-Nadel zu verfertigen, sondern weiß auch mit Spitzen-machen, Weben,[232] Spinnen und Stricken gantz wohl umzugehen, bin auch sonsten allerhand andere Haus- und Küchen-Arbeit von Jugend auf gewohnt. Mein allerbester Trost ist dieser, daß ich meine liebe Mutter versorgt weiß, weilen ich derselben nebst meinen kleinern Geschwister ein solches Capital zurück gelassen, welches sie, als eine gute Wirthin wohl schwerlich Zeit-Lebens mit ihren Kindern verzehren wird, und wenn sie sich auch in künfftiger Zeit zur andern Heyrath bequemete, indem sie noch eine wohl ansehnliche vigoreuse Frau, und fast noch in ihren beste Jahren ist. Kurtz zu sagen: Ich werde mich weiter weder um mein Vaterland so wenig, als um die gantze Welt bekümmern, wenn ich nur, wie schon gemeldet, die gütige Erlaubniß erhalten, auf dieser glückseeligen Insul und unter dem Zusammenhange der ungeheuchelten auserlesensten Frauen mein mühseeliges Leben zu enden.

Wie nun hiermit auch die Madame Barley den ersten Theil ihrer Lebens-Geschichte endete, jedoch dabey meldete, daß sie viele zur Haupt-Geschicht nicht eben allerdings gehörige Weitläufftigkeiten bis auf eine andere Zeit versparen wolte, so steckte unser Insulanisches Frauenzimmer erstlich die Köpffe ziemlich zusammen, endlich aber wurde der Madame de Blac, als einer Lands-Männin der Madame de Barley, ingleichen des Herrn Mag. Schmeltzers Sen. Frau Liebste aufgetragen, dieser Dame wegen bey dem Regenten und Mit-Regenten Vorstellungen zu thun, damit alles fein ordentlich zugehen möchte. Diese beyde nahmen die Commission mit Vergnügen auf sich, kamen[233] auch, weilen sie eben die grauen Häupter, Vorsteher und Herrn Geistlichen bey dem Regenten versammlet angetroffen, noch vor Verlauf zweyer Stunden wieder, und brachten vor die Madame von Barley diesen erwünschten Bescheid zurück: »Daß der Madame von Barley vollkommene Erlaubniß ertheilet wäre, im Nahmen der hochheiligen Dreyfaltigkeit auf dieser Insul bey uns zu bleiben, so lange es ihr gefällig wäre. Auser dem solte sie von dieser Stunde an, vor keine Einkö lingin, etwa angesehen und gehalten werden, im Gegentheil aber alles Recht geniessen, dessen sich die Groß-Felsenburger zu erfreuen hätten, so wohl als ob sie auf dieser Insul gebohren und erzogen wäre; wie sie denn ein jeder von uns, er sey männliches oder weibliches Geschlechts, dergestalt achten und halten solte, als ob sie eines jeden leibliche Schwester wäre etc.«

Dieser Bescheid verursachte in dem Hertzen unserer Frauenzimmer eine ungemeine Freude, als welche die neu eingenommene Schwester Wechselweise dermassen umarmten, hertzten und küsseten, daß es fast zu verwundern, wie diese solche übermäßige Liebkosungen ausstehen konte.

Da nun Mons. Litzberg und andere mehr das Frauenzimmer so auserordentlich lustig sahen, wurden dieselben auf einen grossen Saal geführet, und ihnen daselbst eine unvergleichliche Vocal- und Instrumental Musique gemacht, denn ich kan ohne eitle Prahlerey theuer versichern, daß sich unsere Felsenburgischen Musici, so wohl Vocal- als Instrumentalisten seit wenig Jahren in der [234] Musique dergestalt gebessert, daß viele unter ihnen manchen so genannten Virtuosen in Europa beschämen solten, woraus denn abzunehmen, daß der Natur, wie man spüret, fast alles möglich ist, zumahlen, wenn Lust und Liebe zu einer Sache bey einem tüchtigen Subjecto vorhanden sind. Demnach weilen zumahlen von unserm Frauenzimmer immer Wechselsweise die schönsten und auserlesensten moralischen Cantaten, auch andere Arten von Composition abgesungen wurden, gieng die Nacht darüber hin, und der Tag begunte schon anzubrechen, ehe wir uns dessen versahen; doch fand sich niemand unter uns allen, der die gehabte Lust und das Vergnügen bereuete, welches wir in abgewichener Nacht genossen hatten.

Des folgenden Morgens, da sich die Aeltesten und Vorsteher, so wohl als auch die Hrn. Geistlichen beym Regenten auf der Alberts-Burg zum Thée eingefunden, schickte der Regente auch an uns übrigen, vom so genannten engern Ausschusse, und ließ uns auf den Thée zu sich bitten, indem er mit einem und andern etwas nothwendiges zu sprechen hätte; demnach säumeten wir nicht, uns bey ihm einzustellen. Es folgten also dem Capitain Wolffgange und mir noch viele andere, als Mons. de Blac, Litzberg und andre Einkömmlinge, auch kam der Capitain Horn Sen. als wenn er geruffen wäre, und berichtete, wie er gestern abermahls eine Visitation der von ihm mitgebrachten Leute angestellet, und dieselben in voller Lust und Vergnügen angetroffen, woraus zu schliessen, daß[235] ihnen die Lebens-Art auf der kleinen Insul eben nicht übel gefallen müste.

Der Regente und alle Beysitzer lobten seinen Fleiß in Besorgung unseres Besten, und gaben anbey zu vernehmen, wie sie allerseits nicht wüsten, womit sie ihm eine rechte angenehme Gegen-Gefälligkeit erweisen könten. Alles, was, (versetzte hierauf der Capitain Horn Sen.) ich bis auf diese Stunde zum Nutzen und Wohlstande dieser Insul Felsenburg nach meinem wenigen Vermögen etwa beygetragen habe, solches hat diejenige Schuldigkeit erfordert, worzu ich mich gleich von Anfange unserer Bekanntschafft anheischig und verbindlich gemacht, auch so gar des allerkleinesten Kindes Bestes, nach meiner menschlichen Möglichkeit zu befördern; derowegen haben meine allerseits höchst- und hochgeehrteste Herren, Obern, Freunde und Brüder, sich nicht die geringste Mühe zu geben Ursach, mir einige Gegen-Gefälligkeiten zu erweisen, es sey denn, daß dieselben allerseits meinem lieben Freunde und Bruder, Eberhard Julio, einstimmig auferlegen wolten, mir eine umständliche Nachricht zu geben von allen dem, was seit meiner Abwesenheit auf dieser Insul und was darzu behörig ist, vorgegangen.

Wie nun so wohl der Regente, als die andern alle mich, Eberhard Julium, inständig baten, des Capitains Verlangen zu erfüllen, als fieng ich die Fortsetzung dessen, was ich ihm bereits gemeldet, folgender Gestalt an:

Ich zweiffele fast, mein werthester Freund und Bruder, daß ihr nach eurer letztern Abreise[236] von uns kaum etwa die Linie erreicht habt, als wir wegen des beständigen Sturm-Wetters eurentwegen sehr besorgt waren, und um so viel desto fleißiger vor euch und eure Reise-Geferten beteten, weiln ein beständiger Nord-Wind dergestalt tobte, als man sich seit langer Zeit nicht zu entsinnen wuste, es währete derselbe mit seinem Wüten fast bis in die dritte Woche, und wir bekamen dadurch von Tage zu Tage ein erstaunliches Stück Arbeit, weilen die Wellen alle Nächte dergestalt viel von zerscheiterten Schiffen auf unsere Sand-Bäncke und an den Fuß unsers Felsens geführet, daß wir immer mehr und mehr aufzuräumen bekamen, ja, mit wenig Worten zu sagen: unserer bevorstehenden Arbeit kein Ende sahen; Jedennoch liessen wir uns endlich dieselbe anzutreten nicht verdrüssen, sondern es machte sich Alt und Jung von beyderley Geschlechte mit gröstem Eifer daran, da wir denn die auserlesensten, besten und kostbarsten Sachen immer nach und nach in die Höhe auf die Insul brachten; das Mittel-Guth und Waaren verschiedener Sorten aber, so wir nicht eben allzu höchstnöthig brauchten, brachten wir unten in die Klüffte des Felsens, und weilen die Menge des Holtzes von zerscheiterten Schiffen dergestalt groß war, daß wir selbiges bald unmöglich alles auf die Insul bringen konten, so liessen wir vieles liegen, wo es lag, hergegen wurde so wohl bey Tags als Nachts-Zeit unten am Fusse des Felsens auch eine gantz erstaunliche Menge verbrannt, weilen es wegen des hefftig tobenden Nord-Windes eine so grimmige Kälte war, daß wir des[237] Feuers nicht wohl entbehren konten. Es ist nicht zu läugnen, daß wir um diese Zeit entsetzliche Schätze an Gold, Silber, Perlen, Edelgesteinen von mancherley Sorten auffischeten, und auf die Insul schafften; was nun die Pack-Fässer, Ballen und verwahrten Kisten anbelangete, so bedeckten wir damit das Land vor Davids- und Alberts-Raum bis zur Burg des Regenten, dergestalt, daß fast kein Apffel dazwischen auf die Erde fallen konte. Demnach hatten unsere Obern zu steuren und zu wehren gnug, um das Volck von der Arbeit abwendig zu machen, weilen wir ja alles dessen im grösten Uberflusse hätten, was sie mit so blutsaurem Schweisse herauf brächten. Unter der Zeit war Mons. Plagern und sei nen Mit-Gehülffen die Lust angekommen, Glocken zu giessen, und zwar aus dieser Ursache, weilen sich in einem Theile unserer Ertz-Gebürge ein so vortreffliches Metall befände, welches sich unvergleichlich schön zum Glocken-giessen schickte, wie sie denn auch 6. schöne Glocken gegossen, deren zum Theil einige noch unaufgehenckt zu sehen sind. Da diese Giesserey ihnen so wohl von statten gegangen, versuchten sie auch Canonen von verschiedener Grösse zu giessen, in welchen sie so glücklich, jä fast noch glücklicher waren, als im Glocken-giessen, indem sie 12. unvergleichliche Canonen von verschiedener Grösse zu Wege brachten, ingleichen 8. Feuer-Mörser, um Bomben daraus werffen zu können, auch gossen sie eine gewaltige Quantität Kugeln von verschiedener Grösse. Das Bomben-giessen, welches doch eine schlechte Kunst zu seyn scheinet, wolte[238] ihnen anfänglich gar nicht gelingen, jedoch da ein eintziger unter den Künstlern plötzlich hinter den Vortheil kam, gossen sie binnen 14. Tagen mehr als 2000. Bomben, ebenfalls von verschiedenem Gewichte oder Grösse. Wir brachten also die neu gegossenen Canonen zum Theil ins Zeughaus, zum Theil aber oben auf die Höhen, bey die Schilder-Häuser, und nahmen die alten genug gebrauchten davor mit zurück herunter, wie denn die Feuer-Mörser auch nach 3. Gegenden zu eingetheilet wurden, ausgenommen 2. welche auf der Alberts-Burg liegen blieben. Bey jeglicher Station wurde eine hinlängliche Menge Bomben und Kugeln hingelegt, nicht anders, als ob wir uns eines feindlichen Angriffs und Belagerung zu besorgen hätten. Unterdessen sperreten alle Felsenburgische Einwohner, fast die Mäuler und Nasen auf, als sie uns die Probe mit den Bomben nach der kleinen Insul hin, ingleichen gegen Norden nach den Sand-Bäncken zu, machen sahen, wie wir denn auch verschiedene zur Lust in die offenbare See spieleten, und darinnen versincken liessen. Es hatten weder der Regente, noch unsere Aeltesten, ingleichen die Herrn Geistlichen sonsten keine besondere Wissenschafft von der Bomben-Spielerey, als was sie etwa aus Büchern gelesen, jedoch will ich es Zeit meines Lebens nicht vergessen, daß Herr Mag. Schmeltzer Sen. eines Abends, da er Mons. Plagern von ohngefähr antraf, also zu ihm redete: Mein Bruder! eure Kunst ist Lobens- und Rühmens werth, allein GOtt verhüte, daß wir nicht erleben, selbige anders,[239] als zur Lust und gegen keine Feinde zu gebrauchen. Ich sage noch einmahl, GOtt verhüte dieses, denn in meinem Lande, wenn die jungen Knaben mit Drommeln und Gewehr das so genannte Soldaten-Spiel zu spielen anfangen, machen sich die Alten so gleich sorgsame Gedancken wegen eines bevorstehenden Krieges. Wie wir nun Herrn Mag. Schmeltzern, weilen wir in unsern Jugend-Jah ren ebenfalls dergleichen erfahren, und zwar, daß zum öfftern ein blutiger Krieg darauf erfolgt, wohl Recht gaben, so hätten wir unsers Ort eben doch noch keine Ursach, uns sorgsame Gedancken wegen eines Kriegs zu machen, zumahlen, da wir uns täglich ja stündlich im Stande befänden, unsern Feinden Wiederstand zu thun. Wohl gut, mein Bruder! (gab Hr. M. Schmeltzer darauf zur Antwort) Felsenburg ist mit recht eine Capital-Vestung zu nennen, aber nur ewig Schade, daß sie nicht mit Ketten am Himmel hanget, auch habe ich an der Garnison gantz und gar nichts auszusetzen, weilen dieselbe aus lauter tapffern Leuten bestehet, so wohl männliches als weibliches Geschlechts, allein, wenn Verrätherey und List mit ins Spiel kömmt, so hat man nicht ein, sondern viele Exempel, daß auch die allervestesten Berg-Schlösser sind überrumpelt und erobert worden.

Ich kan nicht anders sagen und glauben, als daß Herr Mag. Schmeltzer damahls gegen mich und viele andere noch bey mir stehende deßfalls einen rechten Propheten-Geist gehabt, denn was darauf erfolgte, will ich bald vollends erzählen,[240] vorjetzo aber nur so viel sagen, daß wir wenig Tage hernach dieses Gespräch, wie man zu sagen pflegt, bald wieder verschwatzten, und fast gar nicht weiter daran gedachten, sondern unser Gebet und Arbeit, wie sonst gewöhnlich, verrichteten, im übrigen den lieben GOtt walten liessen.

Nachdem aber das bisherige grausame Sturm-Wetter sich gäntzlich gelegt, und wir eine gantz stille Lufft, zwischen Westen und Norden daher streichend, empfanden, so besänfftigten sich auch unsere Gemüther wieder, zumahlen, da wir uns nach so entsetzlichen Stürmen eines angenehmen Frühlings und darauf folgenden ebenmäßig lieblichen Sommers getrösteten. Wir hatten diese Hoffnung gantz und gar nicht umsonst, indem es die alles erquickende Sonne, dem gemeinen Sprichworte nach, dergestalt gut mit uns meynete, daß wir dem Allerhöchsten, vor dieses grosse Wunder-Geschöpffe, auch dessen Krafft und Würckung zu loben und zu preisen, in unsern Seelen ermuntert wurden, und recht darnach lieffen, sonderlich die Kinder, welche sich eine besondere Freude daraus machten, wann sie die Sonne konten auf- und niedergehen sehen. Bey solcher Gelegenheit bemerckten wir nach etlichen Tagen, daß allezeit früh, wenn sich die Sonne aus dem Ost-Meer erhub, um uns mit ihren holden Strahlen zu ergötzen ein gewaltiger Schwarm grosser Vögel, die noch etwas, ja ein sehr vieles grösser, als die wilden Endten waren, von der Gegend zwischen West-Nord daher gezogen kamen, und ihren Flug nach dem Süd-Pol über unsere Insul hinnahmen.[241]

Anfänglich, oder in den ersten 20. bis 30. Tagen bemerckten wir, daß dieselben nur in eintzelnen Schaaren geflogen kamen, deren Zahl ohngefähr von etliche 100. starck seyn mochte, weilen dieselben zu zählen, eine fast unmögliche Sache zu seyn schien, jedoch sahen wir, daß eine jede Schaar derselben, ihre Abtheilung und Eintheilung ungemein wohl observirte, wie denn auch eine jede solche Schaar ihre besondern Führer hatte, welche gemeiniglich als ein Kleeblat voraus gezogen kamen, und etwas größer und wichtiger zu seyn schienen, als die hinter ihnen folgenden gemeinen Vögel, jedoch sahe man klärlich, daß einige, welche ihre besondern subdivisiones führten, ebenfalls etwas grösser von Gestalt waren, welche Gestalt man aber wegen der gewaltigen Höhe mit dem Gesichte auch nicht einmahl mit den Fern-Gläsern genau in Obacht nehmen konte. Wie nun nach Verlauf beynahe eines gantzen Monats die Schaaren, deren wir einige über 1000. Stück starck schätzten, sich alle Morgen und Abende bey Auf- und Niedergange der Sonnen immer näher und näher an einander schlossen, so verdunckelten sie die Lufft und den Himmel dergestalt, daß wir, wenn die Haupt-Armée gezogen kam, auch noch bey hellem lichten Tage weder schreiben noch lesen konten, sondern in einer würcklichen Demmerung zu sitzen uns musten gefallen lassen. Da die von mir so genannte Haupt-Armée über unsern Horizont fort passirt war, kamen in etlichen Tagen hernach nur einzelne Schaaren gezogen, welche meines Erachtens eine so genannte kleine Arrier-Guarde vorstellen solten. Wie nun mir der unordentliche [242] Appetit gleich vom Anfange dieses Vogel-Zuges angekommen war, dererselben einen oder etliche zu schiessen, so ärgerte mich aber dabey nur dieses, daß sie sich mir zu dem Schusse in der Lufft nicht in etwas niedersencken, geschweige denn sich gar auf den Erdboden niederlassen wolten, vielmehr ihre Sicherheit in der ihnen, nach ihrem Geruch und Geschmack temperirten Lufft fort und fort suchten. Auser dem fanden sich einige Abergläubige, die da gern wolten läuten hören, aber noch nicht alle wusten, wo unsere Glocken hiengen, zumahlen die letztern neuen und sehr wohlgerathenen Glocken noch nicht einmahl alle aufgezogen, und an gehörigen Ort und Stelle gebracht waren. Wie nun aber gemeiniglich ein Aberglaube den andern zu Hülffe rufft, die Geister der Menschen zu verwirren, so wurde mir auch von den Obern und Hn. Geistlichen sehr verübelt, wenn ich den so genannten Frevel begehen, und nur einen eintzigen von diesen fremden Vögeln zu schiessen, mich unterfangen würde, indem dieses eine Sache wäre, die uns allen zum allergrösten Schaden und Verderben gereichen könte.

Was dieser Sache wegen, ob nemlich bey solchen fürchterlichen Zeiten, so wohl dieser Art Vögel, als Verkündiger göttlicher Straff-Gerichte vorsetzlicher und freveler Weise todt zu schiessen, billig, christlich und rathsam sey? unter uns nachhero vor öfftere ordentliche so genannte Disputationes gehalten worden, will ich vorjetzo nicht eben weitläufftig melden, sondern nur einen jeden fragen: ob, wenn uns GOtt Heuschrecken,[243] Frösche, Kröten und anderes Ungeziefer, von vielerley Arten, zum Schrecken und Züchtigung zuschickt, wir uns ein besonderes Gewissen machen solten, eine solche Heuschrecke, Maus, Ratte Kröte, Schlange, oder was es sonsten vor eine Art von Plage-Geistern seyn möchte, zu ertreten, zu erspiessen, zu verbrennen, oder auf allerhand anderer Manier, um ihr uns schädlich scheinendes Leben zu bringen.

Ich kan nicht leugnen, daß mir die Herrn Theologi in den meisten Stücken ziemlicher Massen überlegen waren, welches gantz und gar nicht zu verwundern ist, indem ich mich beydes vor einen schlechten Philosophum, und noch schlechtern Physicum auszugeben die vollenkommenste Ursache habe.

Dieses aber sey vor dißmahl bey Seite gesetzt, denn ich will nichts anders reden, als die Wahrheit, wie es mir nemlich damahls nicht anders erging, als wie unserer Ur-Groß-Mutter der Eva im Paradiese, welche nicht eher Friede und Ruhe zu haben vermeynete, bis sie den verbotenen Apffel im Munde, oder wohl gantz und gar im Leibe hatte; Ohngeachtet ich nun kein Frauenzimmer, sondern bekannter Massen eine Manns-Person bin, so erstreckte sich die Lüsternheit doch dergestalt einiger Massen über meine gesunde Vernunfft, daß ich weder Tag noch Nacht ruhen noch rasten konte, bis ich mir, meiner Einbildung nach, das eintzige Vergnügen geschafft einen solchen Vogel in meinen Händen zu haben und zu rupffen. Demnach ließ ich 3. leichte Stückgen-Geschütz, die ich mit[244] Cartetschen laden konte, unten an den Fuß unsers Berges bringen, eben so viel pflantzte ich auf die Alberts- und noch so viel auf die Davids-Raumer-Höhe, bestellete mir auch getreue Leute und Anhänger, die vermittelst gantz leichter Boote, die Vögel, wenn ich deren ja allenfalls einige treffen solte, aus der See sogleich herauf langen möchten.

Dieses alles aber stellete ich in gröster Geheimniß an, damit die Aeltern von unserm Vorhaben nichts erfahren solten, indem es ihnen zu wissen ohne dem dieses mahl eben nicht nöthig zu seyn schiene. Auch muß ich nicht zu melden vergessen, daß der Capitain Wolffgang, Mons. Blac und Mons. Litzberg eben dergleichen leichte Stücke, woraus man vortreffliche Cartetschen schiessen konte, auf einige Sand-Bäncke pflantzen lassen, sich so wohl als ich, und zwar abgeredeter Massen, selbst mit einiger Mannschafft dahin begeben hatten; demnach wolten wir auf beyden Seiten unser Glück erwarten, ob es nemlich denen, die oben auf dem Felsen stunden, oder denen, so unten auf den Sand-Bäncken sich befänden, am allergeneigtesten sich erzeigen wolte.

Wir, die wir die oberste Nummer auf dem Felsen genommen hatten, gaben zwar so wohl Achtung auf die Ankunfft der Vögel, musten aber geschehen lassen, daß die unten auf den Sand-Bäncken glücklicher waren, als wir, indem nach Loßzündung dreyer Geschütze eine ungezählte Anzahl von Vögeln gefallen, von denen sie uns aber nicht mehr als 11. Stück, und zwar gleich mit Aufgang der Sonnen herauf schickten, um uns, so zu sagen, zu [245] braviren, daß wir nicht auch Feuer gegeben, und etwas getroffen hätten.

Mir war nur lieb, daß ich einen, oder etliche von dieser Art Vögeln zu sehen bekam, indem mich, wie schon gemeldet, weit mehr darnach gelüstert, als einer auf schwerem Fusse gehenden Frau; Jedoch, wir, auf dem Felsen Laurende, waren dennoch auch so glücklich, in 4. Schüssen so viele herunter zu schiessen, daß davon 6. Stück aufgefischt, und zu uns gebracht werden konten.

Nun war mein sehnliches Verlangen zwar in diesem Stücke gestillet, allein ich konte mich dennoch nicht eher zufrieden geben, bis ich diese Vögel, mit Beyhülffe Mons. Cramers und anderer, erstlich von aussen sehr bedachtsam gerupfft, nachhero von innen recht nach der Kunst anatomiret hatte. Da wir denn befanden, daß sie alle, einer so wohl als der andere, (NB. Hier muß ich melden, daß meine Consorten und ich auf dem Felsen so glücklich gewesen, einen so genannten Officier oder Anführer des Heers zu treffen) eine feuerfarbene Crone oder Feder-Fusch auf den Häuptern trugen, denn hierinnen war so wohl bey den grossen als kleinen kein Unterscheid. Nächst dem hatten dieselben einen aus dem Kopfe heraus ragenden Schnabel, so wie fast eine Gans bey uns zu haben pflegt, nur um ein gut Theil länger, in welchem Schnabel inwendig eine Art von Zähnen befindlich, welche mit den Zähnen oder Kienbacken der Hechte eine grosse Gleichheit haben. Auf beyden Seiten der Kienbacken unter den Augen sahe man zwey recht zierliche und auch recht sehr[246] scharffe kleine Schwerdterchen hervor gehen, welche sie so schnell bewegen konten, als man ein Scheer-Messer in seiner Schaale und Angel zu bewegen pflegt. Der Hals zeigte sich bund, als: grün, gelb, röthlich und blaulich durch einander vermischt. Die Brust Aschfarbe und der Bauch mit lauter schönen weissen Federn bewachsen. In den Flügeln fanden sich die schönsten Spulen, die man sehr wohl zu Schreibe-Federn gebrauchen konte, und der Schwantz machte so wohl, als die Flügel eine ungemeine Parade, wenn dieselben ausgebreitet wurden, indem die Federn so wohl im Schwantze als in den Flügeln in recht artiger Verwechselung stunden, nemlich roth, grün, gelb, blau etc. so daß wir unser Vergnügen daran hatten, dieselben, ohne ihnen die Haare abzustreiffen, zum Gedächtniß dieser Sache, mit gröster Behutsamkeit aufzutrocknen und zu verwahren.

Wie glücklich nun aber unsere Vogelschiesserey auch abgelauffen war, so musten wir uns doch alle gefallen lassen, von unsern Obern und Aeltesten einen kleinen Wischer oder Verweiß einzunehmen, denn ob sie die besondern Vögel gleich mit gröster Verwunderung betrachteten, und deren Zierlichkeit nicht gnugsam rühmen konten, so blieben sie doch bey dem Aberglauben, daß es weit besser wäre gethan gewesen, wenn wir alle dieselben ungestöhrt hätten ihres Weges ziehen, und sie ihr vorgesetztes Ziel erreichen lassen, zumahlen, da es eine Art von Vögeln, die uns sehr wenig, oder wohl gar keinen Schaden, weder an den Feld-Früchten, noch Wohnungen verursachen können. Wir Vogel-Schützen[247] aber liessen alles dieses zu einem Ohre hinein, und zum andern wieder heraus gehen, wurden auch, ich weiß selbst nicht warum, immer hitziger auf das Kriegs-Handwerck.

Demnach legte Monsieur Plager noch eine gantz neue Fabrique an, allerhand Hand-Gewehr zu verfertigen, als worzu er in einem Tage mehr als 20. Gesellen und Lehr-Pursche zu übernehmen bekam indem diese alle gantz besondere Lust zu dergleichen Profession bezeigten, und sich recht darzu drungen. Auch wurde das Mörser, Bomben, Granaden und Kugel- giessen, von mancherley Grösse, vom gemeldten Monsieur Plagern und seinen Gehülffen, auch zum öfftern so gar bey Nachts-Zeit fortgesetzt um einen recht wichtigen Vorrath herbey zu schaffen, und wenn man ihn fragte: worzu ein so starcker Uberfluß dienen solte? gab er gemeiniglich zur Antwort: Ists noch kein Danck, daß ich unsere Zeughäuser anfülle? was wir nicht brauchen, können vielleicht wohl unsere Kinder und Nachkommen nöthig haben, denn man kan nicht wissen, wie sich die Zeiten ändern, ists nicht eher, so geschichts vielleicht nach unserm Tode.

Solcher Gestalt wurden binnen weniger Zeit unsere Zeughäuser dergestalt angefüllet, daß fast kein Platz und Raum mehr vorhanden war, wo das grobe Geschütz stehen solten, ja, es war kein leerer Haacken oder Nagel anzutreffen, an dem nicht eine Büchse, Flinte, Pistole etc. Palläsche und andere dergleichen Geräthschafft hieng, wie es denn bis diese Stunde noch also beschaffen und anzutreffen ist.[248]

Endlich aber wurde die martialische Arbeit bey Seite gesetzt, hergegen bemühete sich ein jeder Hauswirth, alles das, was ihm in seinem Hause, Gärten und Feldern zu Schaden gekommen, wieder in behörige Ordnung zu bringen, damit wir den Frühling und Sommer desto vergnügter leben könten, da man zu sagen pflegt: nach vorher gethaner Arbeit ist gut ruhen.

Allein der Höchste hatte vor diesesmahl, nach seinem gnädigen Wohlgefallen, und zwar noch deutlicher zu sagen, wohl ehe unserer Sünden wegen, in seinem Zorne beschlossen, unsere stoltze Ruh abermahls zu stöhren, und uns zu zeigen, daß er als der Allmächtige über uns lebte, und nach seinem Gefallen mit uns umgehen könne, wie er nur immer selber wolle.

Dieses konten wir zu allererst aus dem Berichte eines Davids-Raumer-Schild-Wächters bemercken, als welcher zu vernehmen gab, daß man nun schon seit 2 bis 3. Tagen her in der Gegend der Sand-Bäncke ein Schiff herum irren sehen, weilen es aber keine Noth-Schüsse gethan, so hätte auch er Bedencken getragen, auf der Insul Lerm zu machen, zumahlen, da gedachtes Schiff nur ein und andere Waaren aufgefischt. Capitain Wolffgang, ich und noch verschiedene andere mehr bestiegen derowegen die allerhöchste Davids-Raumer Klippe, und wurden so gleich gewahr, daß es eine leichte Fregatte wäre, von welcher wir zwar die gelben Flaggen, keines wegs aber die darein gemahlten Wappen weder mit unsern Fern-Gläsern, viel weniger mit den blossen Augen eigentlich zu erkennen vermögend[249] waren. Indem wir nun diese Fregatte immer zwischen den Sand-Bäncken herum treiben sahen, und nicht wusten, was solches zu bedeuten hatte, kamen wir derselben mit unserer Höflichkeit zuvor, und löseten 2 Canonen, zum Zeichen, daß Menschen auf diesem Felsen vorhanden wären, welche, wenn sich vielleicht Nothleidende darinnen befänden, ihnen zu Hülffe kommen könten. Es wurde uns demnach so gleich mit 3 Canonen-Schüssen geantwortet, und ein Boot von derselben ausgesetzt, worinnen sich 3. Männer befanden, die allerhand Zeichen von sich gaben, daß sie gern Sprache mit uns halten möchten.

Demnach setzten sich Herr Wolffgang, ich und noch ein Mann auch in eine Chalouppe, und fuhren ihnen auf den halben Weg entgegen, da sie denn gantz sanffte ruderten, und uns zu vernehmen gaben, wie sie Portugiesen, und im verwichenen Sturme verunglückt, auch in solchen elenden Zustand gerathen wären, daß sich nur noch ohngefehr bis 30. gesunde Leute unter ihnen befänden, baten demnach, wenn wir, wie es das Ansehen hätte, Christen-Leute wären, ihnen die Barmhertzigkeit zu erzeigen, und sie aufzunehmen, auch mit Speisen und Geträncke zu erquicken, wovor sie uns denn gern alles ihr noch übriges weniges Vermögen zustellen wolten. Hierauf ertheileten wir ihnen zur Antwort: daß wir nicht allein gute Christen, sondern auch bereit und willig wären, sie nach unserm besten Vermögen, ohne einiges Entgeld gern mit allen Bedürffnissen zu erquicken, nur aber dieses einzige bäten wir uns aus, nicht zu begehren sie in unsere Hütten zu führen,[250] weiln wir nicht wissen könten, ob sie etwa eine böse ansteckende Seuche oder Kranckheit von der weiten Reise mit anhero brächten; jedoch solten sie uns auf eine ohnweit von hier gelegene kleine lustige Insul folgen, sich auf derselben vortrefflich fruchtbarn Lande, nach ihrer Bequemlichkeit, Hütten bauen, im übrigen aber vor weiter nichts im geringsten Sorge tragen, weilen ihnen noch vor Nachts; vor erst ein hinlänglicher Vorrath von den besten Lebens-Mitteln vor noch einmahl so viel Personen, als sie angäben, bis auf weitern Bescheid, solte zugeschickt werden. Es schien dieses ein unvergleichlich angenehmer Ton in den Ohren dieser Leute zu seyn, indem sie sich in allergröster Geschwindigkeit, uns zu folgen fertig machten, da wir sie denn gar bald nach der Insul Klein-Felsenburg hinüber brachten, ihnen die Stellen anwiesen, wo ehedem ihre Landes-Leute sich wohl gepflegt, und eine ziemliche Zeit darauf zugebracht hätten, worbey wir vernahmen, daß einige unter ihnen hiervon schon einige Wissenschaft haben wolten, oder sich zum wenigsten dessen berühmten; allein wir liessen dieses, um alle unnöthige Weitläufftigkeiten zu vermeiden, vor diesesmal an seinen gehörigen Ort gestellet seyn, wiederholten nach gethaner Anweisung nochmahls unser Versprechen, ihnen bestmöglichst hülffliche Hand zu leisten, als worvon sie noch heute die Würckung vor Mitternachts empfinden solten, schieden darauf von ihnen, und seegelten nach Groß-Felsenburg zu, nachdem wir solchergestalt würcklich ein neues Lazereth in Klein-Felsenburg angelegt, welches aus 1 Capitain, 1 Subaltern, 53 Unter-Officiers und Gemeinen bestunde, ohne etliche Personen,[251] Weiber u. Kinder, auch allerley liederlichen Gesindels. Demnach sahen wir nun wohl, daß uns die Hrn Gäste ihre Liste ziemlicher Massen falsch gemacht hatten, indem wir solcher Gestalt viel mehr zur Fütterung antraffen, als sie angegeben, allein wir liessen es auch darauf nicht ankommen, zumahlen wir wusten, daß unsere Obern nicht so gar genau mit Lebens-Mitteln, auch so gar gegen die Heyden waren.

Dem Regenten und allen Wohlgesinneten gefiel es bey unserer Zurückkunfft gantz ungemein, daß wir barmhertzige Samariters agirt, und diese Bedrängten in so weit an- und aufgenommen hätten; demnach wurde der Befehl gegeben, diesen Bedrängten beyzuspringen, und sie aufs aller bestmöglichste zu versorgen.

Der Felsenburgischen Art nach, seinem Nächsten nach menschlichen, geschweige denn Christlichen Vermögen, wohl zuthun, wurde gantz und gar im geringsten nichts gesparet, diese neu-angekommenen Gäste zu bewirthen und zu verpflegen; ja, in Wahrheit, es wurde ihnen so gleich ohne den geringsten Zeit-Verlust, eine so starcke Menge, und zwar von unsern allerbesten Speisen und Geträncke auf 3. Booten zugeführet, worbey sich denn auch verschiedene Sorten von Delicatessen oder Lecker-Bißgen eingemachte Sachen, Obst und dergleichen vor die Krancken zum Labsale befanden.

Sie nahmen anfänglich alles mit bewundernswürdiger Danckbarkeit an, pflegten und warteten sich bey der angenehmsten Witterung aufs allerbeste, wobey denn auch unsere Felsenburgischen Herrn Chirurgo-Medici ein ziemliches Stücke Arbeit[252] fanden, weilen sich viele gefährliche Patienten unter ihnen hervor thaten, vornemlich aber der Capitain der Fregatte, welcher an einer so genannten Galanterie-Kranckheit aufs hefftigste laborirte. Jedoch nicht allein dieser, sondern auch alle die andern, (so daß nicht ein eintziger von ihnen crepirte) wurden binnen kurtzer Zeit, und ehe sie es selbst vermeynet hätten, vollkommen glücklich curirt und gesund hergestellet, so, daß sie nach Verlauf eines Monats herum hüpften, wie die Lämmer. Nun hätte zwar der Artzt den bekannten Vers aus dem Juvenali hersagen können:


Ingratus labor, quem præmia nulla sequuntur;

allein er schwieg stille darzu, dieweilen er weder Geld noch Gold vonnöthen hatte oder brauchen konte; wir andern Felsenburger aber konten und musten nach weniger Zeit diese Worte ausruffen:

Ingrato homine terra nihil pejus creat.

als welche zu untersuchen, ich auch so gar einem vernünfftigen Heyden anheim gebe.


Allein, bey der Haupt-Sache zu bleiben, so passirte abermahls wenig Tage hierauf ein besonderer Streich, denn da, wio gesagt, die Herren Portugiesen sich alles sehr wohl gefallen lassen, indem wir dieselben, ja recht über die Gebühr tractirten, rapportirte der Schild-Wächter, der auf Davids-Raum stunde, daß ihm in dem engen Wege nach der See hinunter in verwichenen Mitternachts-Stunden etwas begegnet hätte, welches, wie er vorhero vielmahl gehöret, einen Laut von einer Menschen[253] Stimme von sich hören lassen, nachhero einigemahl etliche unvernehmliche Worte geredet, worauf er dieses Ding, welches er vor ein Unthier gehalten, indem es ihm als auf allen Vieren entgegen gekrochen vorgekommen wäre, auch nicht anders gekruntzet hätte, als eine Sau, zu verschiedenen mahlen in allen ihm bekannten Sprachen, mit den Worten: Wer da? wer bist du? gib dich zu erkennen, oder ich schiesse dich auf den Kopf, angeruffen hätte, weilen er aber weiter keine Menschen-Stimme, noch Antwort, sondern nur ein beständiges Schweins-Gruntzen vernommen, so wäre ihm, zumahlen bey solcher fürchterlichen Zeit endlich bange worden, hätte Feuer auf das Unthier gegeben, als welches er bey dem Glantze der Sterne nur in etwas vor sich weblen gesehen. Er hoffe (sagte der Schildwächter ferner) in diesem Stück seiner ihm gegebenen Ordre nachgekommen zu seyn, und verlange weitere Untersuchung dieser Sache.

Wir untersuchten, so bald der helle lichte Sonnenschein angebrochen, die Sache etwas genauer, und fanden den Erschossenen, etliche 20. bis 30. Schritt im ausgehauenen engen Wege liegen; Bey noch fernerer Nachsuchung entdeckten wir 2 verunglückte Manns-Personen in leinenen Kitteln, blos mit Seiten-Gewehr und Pistolen versehen, zwischen den Klippen und Felsen-Rissen steckend, und vermeyneten anfänglich nicht anders, als daß sie Hals und Beine gestürtzt und zerbrochen hätten, allein, da wir ihnen heraus und in die Höhe halffen, erholten sie sich bald wieder, der Blessirte aber, welcher solcher Gestalt fast blindlings durch den Unterleib getroffen[254] war, muste auf der Stelle seinen Geist aufgeben, jedoch wir gaben uns die Mühe, ihn so säuberlich als möglich, hinunter auf die Insul zu schaffen, als wohin wir auch die beyden lebendigen Gefangenen mitnahmen, und dieselben anfänglich in aller Güte ausforscheten, was sie denn wohl immer mehr bewogen hätte, sich an solche gefährliche Oerter und unersteiglichen Klippen zu begeben? da sie denn, und sonderlich der Blessirte so gleich in den ersten Verhören bekannten: daß sie alle 3. würckliche Spions wären, welche diese Insul einer gewissen Potenz verrathen, und in die Hände spielen solten. Wir redeten ihnen sehr freundlich und gütig zu, um damit den Verdacht zu benehmen, als ob wir ihnen etwa Leid zufügen, und das Spions-Trinck-Geld geben wolten, machten uns auch bis dahin keine kümmerlichen Sorgen, sondern verpflegten sie aufs beste, liessen uns auch gantz und gar nichts von allen dem mercken, was in diesen Tagen vorgegangen wäre;

Allein die Gestalten verwandelten sich unverhofft gar anders, indem wir nach etlichen Tagen 3. wohl ausgerüstete Kriegs-Schiffe gegen unserer Insul Groß-Felsenburg liegen und laviren sahen. Sie dreheten und wendeten sich darauf bald hier, bald dort hin, als ob sie vielleicht etwa gesonnen wären, die Strasse nach Ost-Indien zu suchen. Da wir dieselben nun ebenfalls vor Portugiesische Schiffe ansahen, und eben nicht vor rathsam hielten, ihnen mit unserer Höflichkeit entgegen zu kommen, zumahlen da wir bemerckten, daß alles stille zuging, und wir von ihnen mit nichts begrüsset wurden, so hielten wir uns auch so stille, wie die Mäuse.[255]

Endlich am dritten Tage, nachdem sie lange genug vergeblich herumgewebelt, thaten sie 3. Canonen-Schüsse, um vielleicht Menschen zu sich zu locken, allein wir hielten uns noch einige Tage gantz stille, bis ihre zweyte Canonade so viel bey uns würckte, daß wir ihnen behörig antworteten, auch ihnen eine Chalouppe entgegen schickten, worinnen sich Herr Wolffgang, Mons. de Blac und noch eine gewisse Person nebst mir befanden.

Der Capitain des vordersten Portugiesischen Schiffs ließ uns salutiren, und da er die Parole von sich gegeben, ein freyes und aufrichtiges Gespräch mit uns zu halten, auf seinem Schiffe bewillkommen, und zwar unter vielen Ehren-Bezeugungen, worauf er uns in seine besondere Cajüte einzusteigen bat, als welche fast Königlich ausgezieret, wie denn auch er der Capitain selbst ein sehr ansehnlicher und ziemlich hochtrabend- scheinender Mann war.

Nachdem uns die Erlaubniß gegeben worden, sein Schiff zu besichtigen, fanden wir alles darinnen sehr herrlich, kostbar und dergestalt magnifique zugerichtet, daß keiner von uns ein dergleichen Reise-Schiff jemahls gesehen zuhaben sich rühmen konte.

So bald wir von der Taffel gekommen, welche sehr unvergleichlich wohl bestellet war, bat er uns zu bleiben, und eine und andere Vorstellungen von gröster Wichtigkeit anzuhören. Indem wir nun alle sehr neugierig waren, solche Wichtigkeiten zu vernehmen, als begaben wir uns, nach vielen gewechselten Complimenten, abermahls in seine [256] Cajüte, allwo der Herr Capitain sich auf einen etwas erhabenen Commode-Stul setzte, jedoch so höflich war, uns Felsenburgern auch Stüle setzen zu lassen, welche wir denn ohne allzu vieles Nöthigen in Besitz nahmen, worauf der selbe in Portugiesischer Sprache, (ohne zu fragen, ob wir dieselbe auch alle verstünden) folgende Anrede an uns that:


Meine lieben Herren und Freunde!

Ich bin einer von den vornehmsten Schiff-Capitains Sr. Königl. Portugiesischen Majestät, und zwar, wie man zu sagen pflegt, einer vom ersten Range. Vorjetzo bin ich im Begriff, mich mit einer starcken und sehr reich beladenen Flotte nach Europa zurück zu begeben, allwo sich dermahlen Ihro Königl. Majestät nebst Dero Hofstadt befinden und aufhalten. Auf dieser meiner Reise oder Fahrt nun, habe ich, ohngeachtet ich viel ältere Commandeurs, als ich bin, über mir habe, die gantz besondere Commission bekommen, die Insuln und Republiquen Groß- und Klein-Felsenburg, so wie man dieselben zu nennen pflegt, erstlich mit der allergrösten Gelindigkeit und Güte; im Verweigerungs-Fall aber, mir der grösten Strengigkeit und Schärffe unter Ihro Majestät, meines allergnädigsten Königs und Herrn Ober-Herrschafft und Bothmäßigkeit zu bringen, und Dero Ihnen von dem Himmel verliehenen Gerechtsame, die Ihnen vor allen andern [257] Puissancen, es seyen dieselben auch, wer sie nur immer wollen, gantz alleine von Rechtswegen zustehet, eignet und gebühret, vollkommene Genugthuung zu leisten, inzwischen aber, so viel als immer möglich seyn will, alles vergeblich zu vergiessende Menschen-Blut zu verhüten. Wenn nun ich, meine Herren und Freunde! vor meine Person heilig und theuer versichern kan, daß sie keinen bessern Schutz-Herrn, als meinen allergnädigsten König, erhalten werden, und wenn sie auch alle Potenzen, ja so gar die Barbarischen Nationen darum ansprächen: als will hoffen, es werden sich dieselben in Güte weisen lassen, und mich erstlich dero Oerter des Aufenthalts besser besehen, hernach, wenn es zum fernern Accord kömmt, mit einer proportionirlichen Guarnison dieselben einnehmen lassen, unter der theuren Versicherung, daß ihnen allen kein Leides wiederfahren, sondern sie unter dem Schutz Sr. Portugiesischen Majestät jederzeit in Ruhe und Friede leben sollen.

Alles dieses höreten wir Felsenburger mit aufmercksamen Ohren an, stutzten aber jedennoch ziemlicher Massen über diesen Antrag und Vorschlag, allein ich schlich unter dem Schatten der Dunckelheit auf die Seite, um am ersten derjenige zu seyn, welcher diese gantz besondere Neuigkeit nach Groß-Felsenburg überbrächte, ließ mich also in einem gantz kleinen Nachen, und zwar mit gröster Lebens-Gefahr, zur Mitternachts Zeit dahin[258] bringen, welches gewisser Massen fast ein Frevel von mir zu nennen war, denn ich hätte dieses eben nicht Ursach gehabt, weilen meine Consorten nächstfolgenden Vormittags unter Lösung der Stücken wieder zu uns zurück gebracht wurden, denn Herr Wolffgang hatte vor diesesmahl ein recht Meisterstück seiner Kunst erwiesen, und nach seiner berühmten Erfahrenheit den Portugiesischen Capitain, welcher meine Abwesenheit auch nicht einmahl gewahr worden war, im Canari-Sect vollends dergestalt begeistert, daß er sich alles das, was er ihm vorgesagt, aufs beste gefallen lassen. Die letztere Verabredung und Versicherung des Herrn Wolffgangs war diese gewesen, daß wir uns 3. Tage Bedenck-Zeit ausbäten, nachhero schrifftliche oder mündliche Antwort von uns geben wolten. Wir waren froh, daß wir die Unserigen wieder bey uns sahen, immassen uns mit den 2. Gefangenen wenig oder gar nichts gedienet war; Derowegen wurde Rath gehalten, was dem Capitain wohl ohngefehr zu antworten wäre, wie es nun eben nicht diensam schien, demselben durch einen Abgeordneten eine mündliche Antwort ertheilen zu lassen, als wurde folgendes Schreiben an Sr. Majestät den König von Portugall abgefasset:


Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster Monarch!

Deiner, von dem allerhöchsten GOtt geheiligten, mit unaussprechlicher Macht und Gewalt ausgerüsteten, auch mit überschwenglichen Reichthümern gesegneten, ja, so zu sagen, überschütteten,[259] Olorwürdigsten Majest. entbieten wir armen, einfältigen einwohner der so genannten Insul Felsenburg, welche von der heutiges Tages im Schwange gehenden Staats-Klugheit wenig oder gar nichts wissen oder verstehen, vom Aeltesten bis zum Jüngsten, vom Grösten bis zum Kleinesten, auch so gar die Säuglinge in unserer Vormundschafft, unsern allerunterthänigsten Gruß; tragen anbey Deiner Majestät wehmüthigst und demüthigst vor, daß wir als arme, einfältige Leute leben, und mit fremden Nationen sehr geringen, ja fast gantz und gar keinen Handel, Wandel, und Verkehr treiben, ausgenommen, was uns zuweilen bishero zu unserer allerhöchsten und alleräusersten Bedürffniß zum Theil fast unumgänglich nöthig zu seyn geschienen. Wir sind Leute, die von unserm wenigen Feld-Garten-Bau und möglichster Hand-Arbeit leben, und uns davon ernähren müssen, weilen es der Himmel nach dem Tode unserer Vorfahren, vielleicht aus besondern Ursachen, dahin abgepasset und abgemessen, daß das Land nur seine wenigen Einwohner nach Nothdurfft versorgen solle, derowegen haben wir wenig übrig, und solte auch ja etwas übrig seyn, so sind wir als gute Protestantische Christen jederzeit bereit, den letzten Bissen mit unsern nothleydenden Nächsten zu theilen, und so gar aus dem Munde zu nehmen. Im übrigen haben wir keine Zufuhre von Geträyde und andern Früchten, welche wir auch eben so gar sehr nothdürfftig nicht brauchen, und uns zur Zeit der Noth mit Kräutern, Wurtzeln und Fischen aus der See behelffen, zumahlen, wenn das Fleischwerck[260] welches gantz rar ist, unserm Appetite gemäß, nicht zulänglich seyn will.

Unsere Vorfahren haben diese von der gütigen Natur mit Felsen und Klippen ohne dem bevestigte Insul, mit tausendfacher Mühe und Arbeit noch etwas mehr bevestiget, weilen sie wegen der Barbarischen See-Räuber in beständigen Sorgen geschwebet, die uns, als Christen-Leute, mit unsern Kindern vielleicht vertilgen und ausrotten möchten; Allein wir können eben nicht sagen, daß wir nach dem Ableben unserer Vor-Eltern besondere Attaquen von den Barbaren, vielweniger von den Christen, als unsern Glaubens-Genossen, gehabt, indem sie vielleicht Bedencken getragen, uns armes Häuflein in seiner stillen Ruhe zu stöhren, da sie bey uns wenig oder nichts, das sich der Mühe belohnete, zu finden vermuthet, als nebst dem wenigen Hausrath und Kleidern, unser Leib und Leben.

Hiermit ist Dir ohn allen Zweiffel, o Unüberwindlichster Monarch! gantz und gar nichts gedienet, weilen wir von Fremden, auch so gar von Barbaren erfahren, daß Du ein mächtiger Beherrscher vieler gantzer Königreiche, Fürstenthümer und anderer Landschafften in allen 4. Theilen der Welt bist.

Vorjetzo aber finden wir uns gemüßiget, Dir aufs beweglichste vorzustellen, daß einer von Deinen allervortrefflichsten See-Capitains, und zwar, wie er sich ausgiebt, einer vom ersten Range, Nahmens Don Juan de Silves, sich ins Angesicht unserer Insul mit 3. der allerbesten KriegsSchiffe[261] und einer Fregatte gelegt, anbey verlangt, daß sich die Republique Felsenburg, (worvor wir arme Sünder, da wir viel zu ohnmächtig sind, dergleichen hohen Titul zu führen) benebst den beyden Insuln Groß- und Klein-Felsenburg, ohne alles fernere Verweigern, unter die absolute Gewalt und Schutz Deiner Majestät begeben solten, da wir doch bis auf diese Stunde keinen andern Schutz Herrn vonnöthen gehabt, als den allmächtigen GOtt im Himmel, mit weltlichen Schutz-Herrn aber uns einzulassen, nicht die allergeringste Ursache von Wichtigkeit absehen, weiln wir unter GOttes Schutz Ruhe, Friede und Sicherheit genug geniessen können, wenn uns der Allmächtige dieses alles, so wie bishero zum alleröfftern geschehen, nicht durch erschröckliche Erdbeben, Sturm-Winde, erstaunliche Gewitter und anderes Ungemach verbittert, welches wir alles mit der grösten Gedult und Gelassenheit erlitten, ertragen, und erdultet, in Betrachtung dessen, daß uns ein weltlicher Schutz-Herr, welcher dennoch gegen GOtt ein blosser Mensch ist, um so viel desto weniger von diesen Gefährlichkeiten befreyen oder schützen könne.

Warum woltest Du also, Großmächtigster König und Herr! die armen, elenden und einfältigen Felsenburger, durch Ungerechtigkeit, Verrätherey und List dererjenigen, die sich vielleicht mehr bey uns zu finden einbilden, als wir in unserm wenigen Vermögen haben, ihrem Geitze oder Eigennutze damit ein Genügen zu leisten suchen, und sich eine besondere Ehre und Freude daraus[262] machen, unschuldiges Menschen-Blut zu vergiessen.

Warum woltest Du also, Du Gerechtigkeit liebender König und Herr! zu geben, daß man uns verderben solte? da wir Dir so wenig als unsere Vorfahren Zeit-Lebens das allergeringste zu Leide gethan, vielmehr allen denen, die sich seit vielen Jahren daher vor Portugiesen ausgegeben, wenn sie nemlich etwa hier oder da auf der See verunglückt, alle möglichsten Gefälligkeiten und Dienstleistungen erwiesen.

Wir erkennen Dich ja, o König, wie wir schon gemeldet, vor den allermächtigsten Beherrscher so vieler Königreiche, Fürstenthümer und Staaten in allen 4. Theilen der Welt, und schätzen uns nicht würdig zu seyn, den Staub von Deinen Schuhen abzuwischen, derowegen gönne uns den bishero genossenen Frieden und einfältige Ruhe noch fernerweit. Geruhe demnach dem tapfern Capitain Don Juan de Silves, als welcher uns dermahlen bereits mit Feuer und Schwerdt gedrohet hat, wenn wir ihn nicht in unsere Hütten aufnehmen wolten? allergnädigsten und ernstlichen Befehl zu ertheilen, uns hinführo unbehelliget zu lassen, damit wir die wenigen Gaben unsers GOttes nicht in Kummer und Sorge zu geniessen Ursach haben. Und eben dergleichen Ordre wollest Du, Großmächtigster, an alle andere dergleichen Deine allerhöchst- bestallten See-Officianten ergehen lassen, damit wir den Nahmen der edlen Portugiesischen Nation hinführo nicht als einen feindseeligen Nahmen erkennen müssen, sondern[263] fernerweit geneigt erhalten werden, sie als unsere guten Freunde und Gräntz-Nachbarn zur See zu erkennen, auch ihnen im Nothfall ferner Gutes zu thun.

Wie nun, wie uns gesagt worden, bey Dir, Du Großmächtigster König, ungemein viele Leutseeligkeit anzutreffen ist, so getrösten wir armen, elenden und einfältigen Leute uns desto leichterer Erhörung unsers Bittens, wünschen Dir ein glückseeliges und langwährendes Regiment und Leben, zum Troste vieler Bedrängten, die sich hie und da auf Deinen Schutz und Hülffe, auch in den allerentferntesten Ländern verlassen. Der GOtt Zebaoth segne Dich und Dein allerhöchstes Königliches Haus, mit allerley geistlichen und leiblichen Seegen, damit man sagen möge, Du seyest der Gesegnete des HErrn unsers GOttes. Wir aber verharren allerseits vom Aeltesten bis zum Jüngsten, vom Grösten bis zum Kleinesten


Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster Fürst und Herr! Deiner Majestät

Dienstgehorsamste

Die Einwohner auf der

Insul Felsenburg.


Dieser Brief, wie einfältig er auch von mir entworffen und gesetzt war, denn NB. es solte derselbe ohnedem nicht allzu hochtrabend oder spitzig heraus kommen, wurde von allen Insulanern [264] approbirt, und von Alberto Julio II. auch XII. Aeltesten unterschrieben und besiegelt, und zwey Abschrifften davon genommen, davon wir die eine in unser Archiv beylegen, die andere aber dem Portugiesischen Capitain zu seiner Nachricht in die Tasche geben wolten.

Die accordirten 3. Tage waren also unter dieser Arbeit, nemlich des Rathschlagens und Schreibens, verstrichen, weilen nun dem Portugiesischen Capitain vielleicht die Zeit zu lang zu werden begunte, als ließ er am 4ten Tage gleich früh mit Aufgang der Sonnen 3. Canonen abfeuren, wir beantworteten dieselben auf behörige Art und Weise, wurden aber bald nachhero von der Davids-Raumer-Höhe gewahr, daß von den 3. Kriegs-Schiffen eine Chalouppe gegen unsere Insul hergeseegelt kam, in welcher 2. Trompeter sassen, die immerzu in ihre Trompeten stiessen, und sich lustig hören liessen, auser denenselben aber erblickte man in eben dieser Chalouppe noch etliche 20. Manns-Personen, welche alle weisse Fähnlein in ihren Händen führeten, und damit wedelten, welches wir als ein Zeichen des Friedens erkannten, und derowegen in allergröster Geschwindigkeit Anstalt machten, der so genannten feindlichen Chalouppe auf eben die Art, nemlich mit 2. Trompetern und einiger Mannschafft, die gleichfalls weisse Fähnlein in den Händen führeten zu begegnen, da mittlerweile von den Portugiesischen Schiffen immer ein Lufft-Schuß nach dem andern gen Himmel gethan, und von unsern Felsen-Höhen beantwortet wurde. Unserer Seits waren abermahls[265] eingestiegen Herr Wolffgang, Mons. de Blac und ich, weilen wir 3. der Portugiesischen Sprache am mächtigsten waren.

Der Capitain ließ uns zu Ehren bey unserer Ankunfft an seinem Schiffe eine starcke Salve geben, nöthigte uns nach gethanem Aussteigen so gleich in seine Cajüte, und gab die Cavalier-Parole von sich, daß wir bey ihm so sicher und geruhiges Hertzens seyn könten, als ob wir unter unsern eignen Dächern wohneten: wie wir nun versicherten, daß wir alle nicht das geringste Mißtrauen in seine Redlichkeit setzten, so ließ er uns an der Taffel, wo er mit seinen andern vornehmsten Officiers gewöhnlich zu speisen pflegte, den obersten Platz einnehmen, welches wir denn halb gezwungener Weise thun musten. Die Tractamenten waren vor einen See-Oficier mehr als zu kostbar, nur beklagte er sich über Mangel an frischem Fleische, und sonderlich Wildpret, als wovon er ein gantz auserordentlicher Liebhaber wäre. Diesem Mangel, (gab hierauf der Capitain Wolffgang zur Antwort,) wird leichtlich abzuhelffen seyn, wenn sie uns auf die Insul Klein-Felsenburg zu folgen belieben, allwo sich ihre bisherigen Krancken befunden, die aber vielleicht wegen unserer bestmöglichsten Wartung und Verpflegung nunmehro keine Kranckheiten mehr an sich spüren werden, weilen sie Ziegen-Fleisch, Wildpret und die allerbesten Fische, so wohl aus der See, als aus den süssen Flüssen im grösten Uberflusse vorräthig haben, des Flügelwercks, der Schildkröten und anderer See-Creaturen, als womit sich mancher ehrlichen See-Mann zu gewissen[266] Zeiten schon was zu Gute thun, ja sich zum öfftern ein rechtes Labsaal daraus machen kan, nicht zu gedencken. Sie haben wohl recht, mein Herr! sprach hierauf der Portugiesische Capitain, denn sie wissens aus der Erfahrung, unterdessen, ob uns nun gleich die Leute von der Fregatte so gar viel eben nicht angehen, so möchte sie doch wohl sehen und sprechen.

Es beruhet nur auf ihrem Befehle, versetzte Herr Wolffgang, so können wir gleich morgenden Tages dahin abseegeln, weilen es eine gantz kurtze Reise ist. Nein, mein Herr! (replicirte der Portugiese,) sie erlauben mir, daß ich mich einer gewissen Ursache wegen, und da ich eine gantz besondere Medicin nur noch auf 4. bis 5. Tage zu gebrauchen habe, wenigstens auf so lange Zeit in meinem Apartement inne halte, und vollends auscurire. Bey diesen Worten gab ich zu vernehmen, daß wir ja Zeit genug darzu hätten, die Insul Klein-Felsenburg vor allererst in Augenschein zu nehmen, und uns dieserwegen eben nicht übereilen dürfften, zumahlen da man nicht wüste, wie die Krancken daselbst ihre Wirthschafft trieben, und ob sie nicht vielleicht Hütten gebauet hätten, die auch den Gesundesten einen Eckel und Abscheu verursachen könten, derowegen wäre mein bester Rath, mich mit einem Boote vorhero nach Hause zu schicken, um daselbst ein paar grosse geraumliche Zelter, nebst Erfrischungen und andern zur Bequemlichkeit dienenden Sachen dahin zu schaffen. Ich, als der Jüngste unter meinen mitgekommenen Herrn Collegen, wolte diese Mühwaltung gern auf mich nehmen, in Hoffnung, daß auf Groß-Felsenburgischer[267] nachhero alles besser, ordentlicher und kostbarer hergehen würde, als auf dieser kleinen, miserablen, und ohne dem durch die Krancken eckelhafft gemachten Insul.

So war der Fuchs, der uns zu überlistigen vermeynete, selbsten gefangen, denn er erklärete sich, ohne ferneres Bedencken, daß mein Rath der beste wäre, und es käme eben auf die 4. oder 6. Tage nicht an, da er denn im Stande zu seyn verhoffte, sich aller Orten, wo man ihn hin verlangte, hinzubegeben. Nachhero wurde starck gebechert, wobey wir Felsenburger uns zu wundern Ursach hatten, daß wir den delicatesten Canari Sect so wohl als die andern stärcksten Weine, deren Sorten ein jeder nach seinen Appetite kühnlich fordern durffte, noch weit besser vertragen konten, als die Herrn Portugiesen selbst, deren Element dieselben fast jedoch zu seyn schienen. Hierbey entstund denn ein liebreiches Gespräch, indem die Herrn Portugiesen, und sonderlich Don Juan de Silves, uns blos allein darum verschiedene Liebkosungen erwiesen, weilen wir die Portugiesische Sprache so rein, ja fast noch reiner redeten, als sie selbst, da doch ich vor meine Person weder das A.B.C. noch das Buchstabieren in Portugall gelernet. Herrn Wolffgangen wurde von allen Anwesenden mit gröster Ausmercksamkeit zugehöret, da er eines und anderes Stücke seiner Lebens-Geschichte erzählete; ja, ich glaube, die Herrn Portugiesen hätten uns wohl noch in 6. Tagen und 6. Nächten nicht von sich gelassen, wenn nicht Herr Wolffgang endlich, da es ihm Zeit zu seyn dünckte, mit gröster Bescheidenheit[268] von seinem Gespräche abgebrochen hätte, und zwar unter dem Politischen Vorwande einer empfindlichen Brust-Beschwerung, worbey er aber versprach, das Ubrige in Zukunfft zu melden, weilen wir doch wohl noch etliche Tage dürfften beysammen bleiben.

Mittlerweile, da wir aus der Portugiesen Gesprächen und heimlichen Ohren-Pflispern mehr als zu viel geschlossen, wie ihre Kreite schriebe, und was sie mit uns in Willens hätten, waren wir alle auch ohnbemühet, uns diese Figuren in aller Stille hinter die Ohren zu zeichnen, machten demnach, da wir mehr, als 3. mahl 24. Stunden bey ihnen zugebracht, freundschafftlichen Aufbruch, um uns wieder nach Hause zu begeben, welches Don Juan willig erlaubte, und versprach, uns mit allen Ehren- Bezeugungen abseegeln zu lassen, jedennoch war er in der Betrunckenheit so neubegierig zu fragen: Wessen sich unsere Aeltesten und Obern auf seinen Vortrag entschlossen hätten? und ob sie geneigt wären, sich Sr. Königl. Portugiesischen Majestät zu unterwerffen, oder nicht? widrigenfalls er gantz andere Mittel anzuwenden, sich noch bey guten Zeiten genöthiget sähe. Wir gaben ihm hierauf einstimmig zur Antwort, wie wir keinesweges Zweiffel trügen, daß die Sache nach seinem Vergnügen lauffen würde, unterdessen, da wir 3. Abgeordnete nichts weiter vernommen, als daß sie sich schrifftlich an Ihro Königl. Majestät gewendet, und wir über dieses keine fernere Vollmacht bey uns hätten, als wolten wir die Vornehmsten von unsern Aeltesten dahin[269] bereden, ihre Erklärung auf der Insul Klein-Felsenburg vor erst selbsten mündlich von sich zu geben, bis die Sache verglichen würde, und zum Schlusse käme.

Wer war froher, als wir alle 3. da wir unter Trompeten und Paucken-Schall, auch Lösung der Canonen, unbeschädigt und in guter Musse nach Hause rudern durfften, doch hätte bald vergessen zu sagen, daß Don Juan de Silves noch die Verabredung mit uns nahm, daß, so bald er 3. Bomben in die Lufft würde springen, oder, wie man spricht, darinnen crepiren lassen, wir uns nicht säumen solten, uns auf die Reise nach der Insul Klein-Felsenburg zu begeben, weilen dieses das Signal seyn solte, daß er eben um dieselbe Zeit dahin abführe, da er sich den Weg dahin schon ohne Wegweiser zu finden getrauete; wir solten ihm aber ja! (wie er hinterher uns sagen ließ,) keine Nase drehen, sonsten würde es uns zur sauren Suppe gereichen.

Wenn ich damahls nicht mehr Courage im Leibe gehabt hätte, als eben jetzo, so wäre mir fast ein bißgen bange bey der Sache worden, allein, da ich eine und andere Umstände in Erwegung zog, ward mir das Hertze im Leibe so groß, als eine 2. pfündige Jesmin-Oels-Bouteille oder Büchse, derowegen nahm meine Liebsten und Allergetreuesten zu mir, als welche sich, nachdem sie der Sachen Beschaffenheit erfahren, meinem Commando gantz freywillig unterwarffen, auch sich gantz und gar nicht wolten abweisen lassen, ohngeachtet Knaben von 15. 16. bis 18. und wenig mehr Jahren[270] darunter befindlich waren, die aber sonderlich mit dem Hand-Schieß-Gewehr unvergleichlich wohl umzugehen wusten: Jedoch, da ich ohne dem zum Voraus wohl wuste, daß es mit unsern Feinden nicht würde zum Handgemenge kommen, machte ich mir nur einen heimlichen Spas und Lust daraus.

Ausser diesen hatte sich ein starckes Regiment Frauenzimmer zusammen geschlagen, so wohl Weiber als Jungfrauen, welches die Madame de Blac als Obristin commandirte, und ihre wohl ausgesuchten Subalternen um und neben sich hatte. Es war dieses in meinen Ohren erstlich eine lächerliche Historie, ohngeachtet meine eigene Frau, da sie vielleicht Zeit-Lebens keinen todten Hund gesehen, einen Hauptmanns-Platz erworben, um eine gantze Compagnie von 200. und mehr Frauenzimmern anzuführen. Wie gesagt, es kam nicht allein mir, sondern auch vielen andern recht lächerlich vor, solches von diesen Amazoninnen zu hören; die aber, so bald sie dieses gemerckt, daß wir uns über sie aufhielten, um so viel desto hitziger und begieriger wurden, ihren Willen vor dißmahl zu haben, weßwegen man denn binnen wenig Tagen das gantze Regiment Frauenzimmer in artiger und sehr netter Forme vor sich stehen sahe.

Ihr Ober-Kleid war von leichten Zeuge, und zwar himmelblau, gefärbter gedoppelter Leinewand, oder, wie man es nennen will, Barchent, mit gelben Schnüren; das Camisol aber rosenfarbe, mit weissen Schnüren verbrähmt, und der Schurtz eben so, wie in Deutschland ein gewöhnlicher[271] Läuffer-Schurtz, nebst den Bein-Kleidern, vom weissen Barchent, und mit gelben Schnüren bordirt. Auch hatten sie sich rothe lederne Stiefeln machen lassen, worüber ich mich gantz besonders wunderte, daß sie dieselben binnen so kurtzer Frist fertig kriegen können, indem sie dieselben, wie ich nachhero erfahren, selbst verfertigen helffen, und weder Tag noch Nacht gefeyert, bis die gantze Montur vollkommen fertig gewesen. Zur Bedeckung des Haupts hatte eine jede eine hohe Mütze auf, welche mit denen in Deutschland und anderer Orten üblichen Granadier-Mützen, oder, besser zu sagen, Abts-Mützen eine starcke Gleichheit hatten, ohngeachtet sie dergleichen Tracht, Zeit ihres Lebens, niemahls gesehen.

Allein, mein werthester Hr. Bruder kan ja leichtlich nachsinnen, daß unsere Hn. Europæischen Landes-Leute diese gantze Comœdie angestifftet, und ich schäme mich nur vorjetzo diejenigen mit Nahmen zu nennen, welche vielleicht die Haupt-Ursächer davon mögen gewesen seyn. Mit dem allen aber war es eine unvergleichliche Lust, dieses wohlansehnliche Regiment zu Fuß, (und NB. nicht zu Pferde) in Parade stehen zu sehen, denn erstlich guckten gemeiniglich unter der schwartzen Haube, oder so genannten Granadier-Mütze ein paar charmante Augen hervor, welche, dem Ansehen nach, rechte feurige Pfeile in sich führeten, um ihren Feind damit zu verletzen. Das eintzige, was ich an ihnen auszusetzen hatte, war dieses, daß sie keine schwartzen grossen Schnurr-Bärter führeten; Allein diesen Fehler ersetzte entweder ein[272] Alabasterweisses, oder bräunliches Angesichte wie ich denn angemerckt, daß auf dieser Insul die Blondinen und Brunetten einander an der Zahl um ein sehr weniges überlegen seyn mögen.

Jedoch unsere neugebackenen Amazoninnen noch weiter zu beschreiben, so hätte ich wohl aus Neugierigkeit bey einer jedweden die Anfrage thun mögen: ob sie nach Art der alten Amazonen sich auch wohl wolten entschliessen, eine jede ihre lincke Brust abschneiden zu lassen? weilen aber befürchtete, daß sie mir eine spitzige Antwort geben und etwa sagen möchten, daß sie keine Amazoninnen nach der alten Art wären, indem sie keinen Schild zu führen brauchten, der ihnen zum Schutze ihrer Brust etwa nöthig seyn, und mir noch fernere verdrüßliche Reden geben möchten, so ließ ich die Sache gut seyn. Unterdessen führeten sie tödtliche Waffen, denn es hatte eine jede in ihrer rechten Hand einen leichten Wurff-Spieß, wie nicht weniger einen leichten Pallasch an der lincken Hüffte hangen, in dessen ledernem Bauch-Gurte eine kleine Pistole stack; Uber die lincke Schulter bis auf die rechte Hüffte herunter sahe man einen 3. Finger-breiten Riemen herab lauffen, an welchem, wie man das Ding in Deutschland zu nennen pflegt, eine gätliche Patron-Tasche hieng, worinnen 12. Pistol-Patronen und 6. gätliche gefüllete Granaden stacken, auch hatte eine jede ihre brennende Lunte an der Brust, so wie es gebräuchlich ist, in einem Futterale hangend. Kurtz zu sagen: Fast alles unser Frauenzimmer hatten sich vollenkommen als Granadiers armirt. Wer[273] ihnen die Waffen, als nemlich die kleinem Palläsche, kleinen Pistolen, Wurff-Spiesse oder Piquen verfertigen lassen, will ich eben nicht sagen, nur wunderte mich dieses, daß nicht allein die völlige Montur, sondern auch das Leder-Werck und anderes Zubehör in solcher Geschwindigkeit verfertiget werden können; aber da mochte wohl das Sprichwort ein treffen: Viel Hände machen Ende. Denn, wie gesagt, ich habe nach dem vernommen, daß alles daran gearbeitet, was nur Hände und Finger gehabt, auch so gar die kleinen Mägdleins, die kaum eine Neh-Nadel zu regieren wissen.

Viele von unsern Europæischen Mit-Brüdern hatten sich die Mühe gegeben, dieses unser Frauenzimmer-Granadier-Regiment, welches über 600. Köpffe starck war, auch so gar des Nachts bey den Scheine angezündeter Fackeln, ordentlicher Weise auf Europæische Art zu exerciren, und zwar in Führung des Pallasches und Wurff-Spiesses, Ladung und Gebrauchung der Pistolen, Werffung der Granaden und dergleichen, auch so gar ferner in Wendungen und andern üblichen Exercitiis dergestalt zu perfectioniren, daß wohl nirgendwo ein Frauenzimmer anzutreffen seyn möchte, welches eine Hand-Granade mit grösserer Geschicklichkeit und Geschwindigkeit werffen könte, als ein Felsenburgisches, ja die kleinen Mägdlein wissen schon ziemlicher Massen damit umzugehen.

Endlich kam es zur Musterung dieses Helden-Regiments, welches sich auf dem grossen Platze unter der Alberts-Burg und der Kirche in Parade gestellet hatte. Es war dieses Regiment[274] in 3. Bataillons eingetheilet, deren jedes Bataillon seine besondere Fahne führete, als nemlich das Erste eine blaue; das Andere eine rosenfarbene und das Dritte eine weisse Fahne. In eine jede dieser Fahnen hatte unser berühmter Herr Kunst- Mahler zur Devise die Insul Groß-Felsenburg mit ihren fast bis an den Himmel reichenden Felsen-Spitzen gemahlet, mit der Uberschrifft:


Sie ist vest gegründet.

Und der Unterschrifft:

GOTT ist bey ihr drinnen.

Mir zum wenigsten gefiel diese Invention ungemein wohl, und fast noch besser, als das gantze Gemählde, welches zwar sehr wohl gerathen war, jedoch seiner Kunst gemäß, weit schöner und zierlicher würde heraus kommen seyn, wenn die Zeit darzu nicht allzu kurtz gewesen wäre.

Unterdessen begegnete mir ein poßierlicher Streich: Denn da ich mit Herr Wolffgangen, Mons. de Blac, Mons. Litzbergen und andern speciellen Freunden mehr, vor der Fronte dieses erstaunens-würdigen Regiments auf und nieder spatziren gieng, fragte mich Herr Wolffgang mit lachendem Munde dieses: Nun, mein Herr! was düncket euch bey diesen fürchterlichen Leuten? und wie kommen sie euch vor? Sie kommen mir (gab ich zur Antwort) nicht anders vor, als diejenigen bund gekleideten Personen, welche in Deutschland, Holland und anderer Orten mehr, den Hn. Zuschauern eine Lust machen, und denen man, wie[275] ihnen nicht unbekannt, Arlequins, Jean Potage, Scharmuzgen, und noch mehrere Affections-Nahmen beyzulegen pflegt.

Kaum hatten einige nur von dem so genannten grimmigen Thieren diese Worte von mir aussprechen hören, als es immer eine der andern ins Ohr sagte, worauf denn in gröster Geschwindigkeit unter allen dreyen Bataillons erstlich ein sanfftes Gemurmele, bald hernach aber, so zu sagen, fast eine kleine Rebellion entstund, worauf sich meine Geferten und Freunde der Sache etwas genauer erkundigten, und erfuhren, daß das Frauenzimmer durch meine Reden, die ich so hin in den Wind fliegen lassen, sich insgesamt aufs allerhöchste beleidiget befände, und dieserwegen durchaus eine hinlängliche Satisfaction verlangte.

Indem wir nun alle hertzlich darüber lachen musten, so trat die Madame de Blac vor die Fronte, und proponirte eben dieses in weitläufftigen Terminis, mit dem Zusatze, daß das sämtliche Frauenzimmer sich nicht eher zufrieden geben könte, bis es Satisfaction, und zwar nach dieserhalb gehaltenem Krigs-Rechte erhalten hätte, widrigenfalls wären sie gewilliget, alle vor einen Mann zu stehen, und sich mit gesamter Hand selbsten Satisfaction zu verschaffen.

Der Regente, einige Aeltesten und andere guten Freunde waren inzwischen herbey gekommen, und hatten den Vortrag der so betitulten Frau Obristen mit angehöret, da ihr denn der Regente, welcher so wohl als die andern, nachdem sie die gantze Ursache des Streits vernommen, so, wie wir,[276] dergestalt lachen musten, daß wir alle, so zu sagen, die Bäuche halten musten; ja der Regente, als ein besonders ernsthaffter Mann, hat nachhero selbsten bekennet, daß er sich nicht zu entsinnen wisse, Zeit seines gantzen Lebens so viel gelacht zu haben, als über diese lustige Begebenheit. Es nahm aber nachhero der Regente das Wort selbst auf sich, und gab der Frau Obristin dieses zur Antwort: Meine allerseits liebwerthesten Engels-Kinder! es ist allerdings an dem, daß sich mein Vetter, Eberhard Julius, recht sehr mit Worten gegen euch vergangen hat, und ob er es auch gleich so böse nicht gemeynt zu haben vorwenden möchte, so ist es doch billig und recht, daß er dieserwegen, dem Kriegs-Rechte gemäß, abgestrafft werden müsse, es sey denn, daß ihr euch dieserhalb in der Güte mit ihm vertrüget: denn das ist keine Sache oder Mode, daß man diejenigen, welche ihr Blut und Leben vor das Beste des Vaterlandes aufzuopffern sich ohngeruffen und gantz freywillig darstellen, höhnischer Weise durchziehen oder schrauben wolte. Daß ihr, lieben Engels-Kinder! aber gesonnen, alle vor einen Mann zu stehen, um euch mit gesamter Hand Satisfaction zu verschaffen, ist eine zweydeutige Redens-Art, und möchte viele Weitläufftigkeiten und Verdrüßlichkeiten nach sich ziehen; demnach ist mein getreuer Rath dieser, daß ihr die Sache auf den Spruch des Kriegs-Rechts ankommen lasset, als zu welchem ihr die Personen nach eurem eigenen Belieben erwählen möget.

Das Frauenzimmer war ungemein erfreuet[277] über diesen Ausspruch des Regenten, nicht anders, als ob bereits eine Bataille geliefert, und der Sieg darinnen erhalten wäre. Demnach stöhrete ich meine speciellen guten Freunde an, dem Frauenzimmer unter den Fuß zu geben, daß sie 6. Personen aus ihrem Mittel erwählen solten, welche einstimmig darauf dringen möchten, daß ich, Eberhard Julius, erstlich dem honorablen Frauenzimmer vor der Fronte eine billige Abbitte und Ehren-Erklärung thun, an Statt höherer Leibes- und Lebens-Straffe aber, nur blos durch alle 3. Bataillons 12. mahl durch ihre Strumpf-Bänder lauffen solte, ohngeachtet nach militairischer Art, von Rechtswegen Spitz Ruthen darzu erfordert würden.

Wie es angegeben war, so lief es auch ab, denn nachdem nicht allein 6. Deputirte von dem Frauenzimmer, sondern auch 6. Personen von unsern Aeltesten mein Urtheil nach des löblichen Frauenzimmers Verlangen abgefasset, so schickte mich in die Zeit, und machte mich fertig, meine Straffe zu leiden. Ein solcher poßierlicher Streich ist wohl nie paßirt, so lange Felsenburg gestanden, es sey denn, daß die Affen zu den Zeiten unserer Felsenburgischen ersten Eltern noch thörichtere Streiche gemacht hätten, welche jedoch mit denenjenigen nicht in Vergleichung zu ziehen sind, welche die vernünfftigen Menschen zuweilen wohl zu spielen pflegen. Unterdessen war dieses eins kleine Lust vor uns, worbey, meines Wissens, gantz und gar nichts sündliches mit unterlief, es müste denn dieses uns zur Sünde gerechnet werden, daß wir bey dieser kleinen Comœdie gar allzuviel[278] lachten, und zwar die Alten so wohl, als die Kinder, und daß ich ferner, nachdem ich meine Straffe ausgestanden, noch einmahl repassirte, und jedem Frauenzimmerlichen Granadier von oben an bis unten ans Ende einen keuschen Kuß gab, und zwar diesen noch zum Uberfluß der schuldigen Danckbarkeit vor gnädige Straffe, welcher Kuß mir denn von den allermeisten wieder zurück gegeben wurde, so, daß wir fast einen halben Tag mit diesem Lust- (oder wie unsere Feinde vielleicht wohl sagen möchten) Narren-Spiele zubrachten.

Allein es ist bekannt, daß der Himmel seinen Kindern, wenn sie sonsten aufrichtig und fromm wandeln, eine zuläßige oder mittelmäßige Lust gantz und gar nicht mißgönnet, wovon wir sehr viele Exempel in heil. Schrifft finden und nachschlagen können.

In Abrede will ich nicht seyn, daß wir dieses Possen-Spiel bey damahligen Umständen und gefährlich scheinenden Zeiten wohl hätten können bleiben lassen, zumahlen, da immer einer dem andern hätte in die Ohren sagen mögen: Hannibal ante Portas!

Jedoch einmahl war es geschehen, derowegen giengen wir in den folgenden Tagen desto fleißiger in die Kirche, beteten auch zu Hause weit andächtiger, als vor derselben Zeit, und verrichteten darbey unsere Arbeit, ein jeder nach seiner Nothdurfft, Bequemlichkeit und Wohlgefallen: Deñ ich kan bis dato nicht sagen, daß ich auf unserer Insul einen recht faulen Menschen zu suchen und zu finden wüste, als wovor dem Allmächtigen gedanckt sey, der den Menschen[279] zur Arbeit erschaffen, so wie den Vogel zum fliegen.

Mittlerweile schlich immer ein Tag und eine Nacht nach der andern dahin, ohne daß sich die Hrn. Portugiesen weder mit Bomben, noch Canonen-Schüssen meldeten und hören liessen, weßwegen wir auf die Gedancken geriethen, es würden dieselben vielleicht in aller Stille abgeseegelt seyn, und ihren Lauf anders wohin genommen haben, jedoch die Davids- und Alberts-Raumer Schildwachten versicherten, daß sie sich nicht allein noch alle 3. bey den Sand-Bäncken aufhielten, sondern es wäre auch seit ehegestern noch ein Schiff zu ihnen gestossen, welches jedoch nicht gar so groß zu seyn schiene, als die 3. Kriegs-Schiffe, jedoch etwas wichtiger, als ihre Fregatte, welche in Klein-Felsenburg läge.

Diesen Rapport bekamen wir eben an einem Sonnabende Abends, weßwegen unsere Aeltesten vor rathsam halten wolten, gleich morgendes Tages in einer Chalouppe etliche Deputirte an den Don Juan de Silves mit einigen Erfrischungen abzusenden, ihn complimentiren zu lassen, sich dessen Gesundheits-Zustandes wegen zu erkundigen, um hauptsächlich zu erfahren, ob er noch lebte, oder tod sey, und was er etwa fernerweit unserer Sachen wegen angeben und vortragen möchte. Wie nun dieserhalb die gantze Nacht hindurch hin und her gerathschlaget wurde, so fielen doch die allermeisten Stimmen wider und entgegen den Rath der Aeltesten aus, so daß vor diesesmahl die erste Haupt-Werwirrung auf dieser Insul vorgieng, und wir Europæer, oder so genannten Einkömmlinge, selbst genug[280] zu thun fanden, das Felsenburgische wallende Geblüte zu besänfftigen, indem so wohl Männer, Weiber, als Kinder dem Himmel angelobten, lieber sich tod schlagen zu lassen, und in ihrem eignen Blute zu ersticken, als sich den Portugiesen zu unterwerffen, hergegen wolten sie sich alle wehren bis auf den letzten Bluts-Tropfen, und ihren Feind beschädigen, so lange sie nur noch die geringsten Kräffte hätten, und ein warmer Athem in ihrer Brust sich spüren liesse. Hierbey muß ich bekennen, daß sich unser Frauenzimmer weit desperater aufführete, als die Männer selbst; ja, die kleinesten Kinder, wenn sie nur den Nahmen Portugiese nennen höreten, spyen gegen die Erde, als welches, meines Wissens, ihnen niemand weiß- oder vorgemacht hatte, sondern es schiene, als ob dieser Widerwillen ihnen schon im Geblüte und in der Natur stäcke.

Da nun aber, wie ich bereits gemeldet, vor diesesmahl der Rath uñ die Verordnung unserer Aeltesten nicht allein verworffen wurde, sondern sich auch ein jeder, er mochte ein Einheimischer, oder Einkömmling seyn, aufs hefftigste und äuserste entschuldigte und wehrete, noch einmahl die Ambassade zu dem Don Juan anzutreten, als muste solcher Gestalt der Streit von selbsten aufhören; Derowegen beschlossen wir, uns stille und ruhig zu halten, den Klein-Felsenburgern aber nicht das geringste mehr von Lebens-Mitteln zu schicken, weiln wir so wohl sie, als alle andere Portugiesen von nun an vor unsere offenbaren und abgesagten Feinde zu erkennen die gröste Ursache hätten, zumahlen, da wir nachrechnen könten, daß sie wenigstens noch so viel Vorrath von den Victualien[281] haben müsten, welche wir ihnen seithero zu verschiedenen mahlen zugeschickt hätten, 3. bis 4. Wochen, ja viel länger davon zu zehren, hierbey daureten uns zwar eben nicht die Klein-Felsenburgischen Fische so gar sehr, um so viel desto mehr aber das vortreffliche Wildpret, weilen bekannter Massen die allerbesten Auer-Ochsen, Hirsche, Rehe, wilde Schweine und dergleichen von ungemeiner Grösse in dasigen Wäldern herum spazieren; Allein, wie wir nachhero verspüret, ist der Verlust sehr geringe gewesen, und hat vielleicht der Himmel nicht zugeben wollen, daß die Portugiesen unser Wildpret vertilgen sollen.

Jedoch in der Geschichts-Erzählung ordentlich fort zu fahren, so giengen wir, nachdem die fatale Nacht verschwunden war, am Vormittage des darauf folgenden Sonntags in die Kirche, um den Gottesdienst abzuwarten, worbey zu gedencken, daß wir damahls, wie doch sonsten gewöhnlich, keine Carthaune abfeuerten, um das Volck zur Kirche zu ruffen, sondern es richtete sich dasselbe nach der Zeit und nach dem Läuten der Glocken, kam auch in so häuffiger Menge herzu gelauffen, so daß, wie man in Deutschland zu sagen pflegt, die Kirche gekribbelte und gewibbelte voll war. Ja ich glaube, daß damahls keine eintzige Seele aus der Kirche geblieben ist, ausgenommen einige wenige Krancken, die nicht zu Fusse fortkommen können, und sich auf andere Art fortbringen zulassen, Bedencken getragen.

Im gemeinen Sprichworte pflegt man zu sagen: Wo GOtt eine Kirche bauet, so bauet der Satan seine Capelle darneben. Dieses[282] konten wir daraus bemercken, denn unter der Zeit, da nach vollbrachter Kirchen- Musique der Christliche Glaube, gewöhnlicher Art nach, abgesungen wurde, ließ unser Feind, Don Juan, von seinen Schiffen die 3. abgeredten Bomben springen. Worbey unter einem jeden Verse dieses Liedes, wie wir alle insgesamt mit besondern Nachsinnen in Acht genommen haben, auch der Knall einer Bombe zuhören und zu vernehmen war. Und dieses ist gewiß und wahrhafftig kein ohngefährer Zufall zu nennen, sondern gute Christen hatten ihre besondern Gedancken darbey, da es so accurat zutraf, daß das Lied: Wir gläuben all an einen GOtt etc. eben 3. Verse haben muste, und wir auch nicht mehr, als 3. Schreck-Schüsse hören durfften, nicht anders, als wenn dieserwegen ein besonderes Zeichen gegeben wäre.

Die gantze Christliche Gemeine schien zwar anfänglich einiger Massen in ihrer Andacht beunruhigt u. gestöhrt zu werden, allein, der unvergleichliche Herr M. Schmeltzer erfand solgeich ein Mittel, die beunruhigten und allenfalls ängstlichen Gemüther zu besänfftigen, und wieder in Ordnung zu bringen, indem er sogleich, nachdem wir den dritten Bomben-Knall vernommen, den Choral von der Cantzel herunter intonirte: JEsus, meine Freud etc. Wie nun die gantze Christliche Gemeine dieses Lied in der grösten Andacht absunge, so beschäfftigten sich auch unsere Herren Musicanten mit Zincken und Posaunen, der Andacht einen desto grössern Eindruck, oder, so zu sagen, Nachdruck zu geben; Nachhero aber setzte er vor diesesmahl das ordentliche SonntagsEvangelium[283] bey Seite, und erwählete sich an Statt dessen den 35. Psalm, welcher also lautete:


HErr! hadere mit meinen Haderern, streite wider meine Bestreiter. Ergreiffe den Schild und Waffen, und mache dich auf, mir zu helffen. Zücke den Spieß, und schütze mich wider meine Verfolger. Sprich zu meiner Seelen: Ich bin deine Hülffe. Es müssen sich schämen und gehöhnet werden, die nach meiner Seelen stehen, es müssen zurücke kehren, und zu Schanden werden, die mir übel wollen. Sie müssen werden, wie Spreu vor dem Winde, und der Engel des HErrn stosse sie weg. Ihr Weg müsse finster und schlüpfferig werden, und der Engel des HErrn verfolge sie. Denn sie haben mir ohne Ursach gestellet ihre Netze, zu verderben, und haben ohne Ursach meiner Seelen Gruben zugerichtet. Er müsse unversehens überfallen werden, und sein Netze, das er gestellet hat, müsse ihn fahen, und müsse darinnen überfallen werden; Aber meine Seele müsse sich freuen des HErrn, und frölich seyn auf seine Hülffe etc.


Ich bin nicht im Stande diesen Psalm bis ans Ende her zu recitiren, weilen mir das Gedächtniß in dem Stücke, was ich in der Jugend gelernet, nummehro seine Dienste ziemlicher Massen versagen will, dero wegen ist derselbe nachzuschlagen, da sich denn finden wird, daß sich alle Zeilen, ja fast alle Worte desselben auf unsere damahligen Umstände dergestalt schicken, als ob der Königliche[284] Prophet David unsere Umstände und Beschaffenheit zu seiner Lebens-Zeit lange voraus gesehen hätte. Nach der Predigt wurde das Te Deum laudamus unter Paucken und Trompeten-Schall, auch abwechselnden Zincken und Posaunen-Klange abgesungen, mithin vor dißmahl der vormittägliche Gottesdienst geendiget.

Durch alle diese Veranstaltungen, zumahlen, da die Herren Musicanten die Melodeyen dieser 3. Lieder, als:


Wär GOtt nicht mit uns diese Zeit etc.

Ein veste Burg ist unser GOtt etc.

Es woll uns GOtt genädig seyn etc.


vom Thurme unter Läutung der Glocken abbliesen; machten sie einen noch fernern Eindruck in die Gemüther, wodurch denn das sämtliche Volck, so wohl Männer, Weiber als Kinder, ungemein ergötzt wurden, sich Hauffenweise auf dem Platze vor der Kirche und unter der Alberts Burg versammleten und stehen blieben, da denn der Regente alle Anwesenden vom Grösten bis zum Kleinesten speisen und träncken ließ. In der Nachmittags-Predigt hatte Herr Mag. Schmeltzer Jun. nur diese wenigen Worte zum Texte seiner Predigt erwählet: Fürchte dich nicht, du kleine Heerde etc. und sprach uns allen einen großmüthigen Trost zu, weßwegen wir alle ohne besondere Bangigkeit aus einander giengen. Folgenden Montags früh gleich bey Aufgang der Sonne, ließ Don Juan abermahls, nachdem es die gantze Nacht gantz stille gewesen, 3. Bomben gegen unsere Insul in die See spielen, allein wir regten und bewegten uns nicht,[285] bis wir endlich abermahls eine Chalouppe mit 2. Trompeten und einiger Mannschafft, die alle weisse Fähnlein in den Händen führeten, gewahr wurden, die so schnell, als nur immer möglich war, auf unsere Insul zugefahren kamen; Allein wir thaten derselben nicht einmahl die Ehre an, ordentlicher Weise zu begegnen, sondern es begaben sich nur Herr Wolfgang, Mons. de Blac und ich mit einer Bedeckung von 50. Mann der auserlesensten tapffersten Leute durch den Wasser-Gang hinunter an das Ufer der See, welche 50. Mann aber sich in den Wasser-Gange verborgen halten musten. Wir pflantzten ebenfalls 3. weisse Fahnen in die Erde, da denn die Chalouppe anländete, aus welcher 3. vornehme Officiers herauf gestiegen kamen, und erstlich in hochtrabenden Worten anfragten: Warum wir nicht Parole gehalten hätten, uns bey dem Don Juan de Silves auf der Insul Klein-Felsenburg einzufinden?

Hierauf antworteten wir mit gantz gelassenen Worten: daß wir einfältigen Leute nicht gewust hätten, wie wir daran wären, indem uns eine Zeit von 4. bis 6. Tagen bestimmt gewesen, welche aber verlauffen, und noch etwas drüber, ehe wir sein Signal mit dem Bomben gehöret, weiln nun dieses eben unter der Zeit unseres Gottesdienstes geschehen, und wir auch anderer Ursachen wegen, nicht wohl abkommen können, so hätte ein solches vor dißmahl bis auf eine andere Zeit unterbleiben müssen. Zum andern wurde von ihnen gefragt: ob wir uns denn nun würcklich resolvirt hätten, die allerhöchste Protection Ihro Königl. Majestät von Portugall[286] anzunehmen? worauf ihn zur kaltsinnigen Antwort gegeben wurde: hiervon könten wir eben itzo nicht viel reden, weiln wir keine besondere Vollmacht darzu hätten, unterdessen wäre allhier ein allerunterthänigstes Schreiben an Ihro Königl. Portugiesischen Majestät vorhanden, und zugleich die Copia oder Abschrifft desselben vor den Don Juan de Silves, als andere, welche solches zu lesen beliebten. Zum dritten waren die 3. Herren so treuhertzig zu begehren, daß wir sie hinauf auf unsere Insul führen solten, um ihnen unsere Lebens-Art und andere Anstalten zu zeigen; welches, wenn es nicht geschähe, der Don Juan vor den allergrösten Affront aufnehmen würde.

Aber dieses war vollends eine Sache, die uns anzunehmen eben nicht gar zu vortheilhafft zu seyn schiene; derowegen sagten wir ihnen allen 3. zur Antwort, wasmassen es allerhand Ursachen wegen, unser Werck gantz und gar nicht sey, fremde Personen, geschweige denn solche, die uns mit lauter Feindseligkeiten bedroheten, in unsere Hütten zu führen, und derowegen könten sie sich nur in aller Güte zurück begeben. Hierbey aber wurde ihnen ein Præsent von 2. lebendigen Auer-Ochsen, 2. lebendigen überaus grossen Hirschen, und andern lebendigen Thieren gemacht, nebst einem oder etlichen Fässern des besten Canarien-Sects, auch anderer delicaten Weine, Confituren, Obst und dergleichen. Allein es schien, als ob die Herren Portugiesen unsere Gaben verschmähen wolten, indem sie mit aller Gewalt darauf drungen, daß sie eher nichts anzunehmen gewillet, bis sie den Zustand und Verfassung[287] unserer Insul aufs genaueste betrachtet und untersucht hätten. So bald ihne nun dieses rotunde abgeschlagen wurde, wolte der Ansehnlichste unter den 3. Vornehmsten, aus einem höhern Tone zu reden anfangen, indem er sagte: Was nicht in Güte zu erlangen stünde, müste man mit Gewalt zu erhalten suchen, denn sie ja als vernünfftige Menschen doch wohl endlich mit der Zeit die Schlüssel, Thore, Thüren und Pforten zu diesem Neste finden würden, welches seinen Gedancken nach, doch wohl nicht etwa vor ein verwünschtes und verzaubertes Schloß oder Burg zu halten sey. Wir musten diese Thorheit fast wider unsern Willen belachen, jedoch der hitzige Herr gab nur einen Winck mit dem rechten Arme, worauf augenblicklich, ohngefähr 30. bis 40. mit Ober und Unter-Gewehr wohl versehene Männer aus der Chalouppe ins Wasser heraus sprungen, wie die Wasser-Hunde, und sich zu uns an das Land begaben. Wir hielten dieses vor einen unbesonnenen, unnöthigen und desperaten Streich, da sie sich aber, nachdem sie festen Fuß gefasset, so zu sagen, in vollkommene Schlacht-Ordnung stelleten, gab Herr Wolffgang auch ein Zeichen von sich, da denn unsere 50. Mann der allertapffersten und freywilligen Junggesellen aus der Felsen-Klufft, die man bis jetzo ihm zu Ehren noch den Wolffgangischen Wasser-Fall zu nennen pflegt, in allerschönster Ordnung, ebenfalls mit Ober- und Unter-Gewehr wohl versehen, heraus rückten, und sich darstelleten, den Feinden die Spitze zu bieten. Ich will eben das uralte Sprichwort nicht mißbrauchen, und sagen, daß die Herren[288] Feinde einen rechten terrorem Panicum bekamen, da sie unsere Verfassungen und Anstalten sahen. Dem allen ohngeacht aber war der hitzige Herr subaltern-Officier dennoch so desperat, Feuer auf uns und unsere Leute geben zu lassen; da denn Herr Wolffgang bey der ersten Salve eine Kugel in den lincken Arm, ich eine dergleichen in die rechte Hüffte und Mons. de Blac ebenfalls eine Kugel in die lincke Schulter bekamen. Von unsern Leuten schiene es anfänglich, als ob ihrer zwey auf dem Platze wären tod geschossen worden, indem sie zu Boden fielen, da der eine in die Brust, und der andere in den Unterleib sehr gefährliche Kugeln bekommen hatten, allein der Himmel und die Kunst unsers nie genug zu rühmenden Chirurgi, Mons. Kramers, hat geholffen, daß sie alle beyde noch am Leben geblieben, und frisch und gesund seyn. Herr Wolffgang hat es mir und andern mehr theuer zugeschworen, daß, ohngeachtet er vielen hitzigen Treffen und Scharmützeln so wohl zu Lande, als zur See beygewohnet, er dennoch niemahls Leute von mehrerer Hertzhafftigkeit gesehen: Denn das Schiessen wolte ja fast kein Ende nehmen, und wir wunderten uns nur darüber, wo sie auf diesesmahl alle Patronen herbekommen hätten. Auser dem hatten wir auf unserer Seite nur noch 5. Blessirte, die aber nur gantz leichte Wunden hatten, und ihr Gewehr dem allen ohngeacht beständig fortbrauchten. Ja es wurde immer ein kleines Heck-Feuer, wie man es sonsten zu nennen pflegt, nach dem andern gemacht, da wir denn klärlich bemerckten, daß auf feindlicher Seite 10 Mause-tode und 9 Blessirte auf der Stelle[289] vorhanden waren, welche sie in gröster Eile auf ihre Rücken nahmen, zurück ins Wasser sprungen, und dieselben in ihre Chalouppe trugen. Es war ein artiger Spas, da eben zur selben Zeit, da dieses geschahe, eine gantze Bataillon von unsern Frauenzimmerlichen Granadier-Regimente durch den Wolffgangischen Wasser-Fall herunter marchirt kam, um uns in der Gefahr-schwebenden armen Männern aus getreuem Hertzen aufs bestmöglichste zu Hülffe zu kommen. Ich will und kan nicht sagen, was dieser Anblick vollends den Feinden vor ein besonderes Schrecken einjagte, zumahlen, da sie die ungewöhnliche Montur derselben in Betrachtung zohen.

Unsere Granadiers aber führeten sich eben nicht auf, als wie die Zieper-Katzen, sondern sie musten in gröster Geschwindigkeit ihre Granaden dergestalt accurat zu werffen, daß nicht alle viele durch das Wasser badende Feinde, sondern auch noch weit mehrere in der feindlichen Chalouppe theils getödtet, theils hefftig blessirt wurden. Unaussprechlich war die Geschwindigkeit unserer Feinde, welche sie gebrauchten, um nur von unserm Ufer hinweg zu kommen, da wir denn, weiln uns mit Vergiessung vieles Menschen-Bluts eben nicht gedient, uns in so weit an der Ehre begnügen, und den überwundenen Feind fernerweit ohngestört fortrudern liessen.

Was Don Juan de Silves in der ersten Hitze bey der Zurückkunfft seiner Leute, welche ziemlicher Massen mit blutigen Köpffen anzusehen waren, gesagt haben mag, möchte ich wohl wissen, jedoch mit[290] wem hat er sich wohl sonderlich zancken mögen, da seine beyden commandirenden hitzigen Herrn subalternen Officiers tödlich verwundet waren, und wie man vernommen, nachhero bald ins Reich der Toden gereiset sind.

Wir unterdessen schlichen uns gantz sanfft und stille durch den Wasser-Fall wieder auf unsere Insul hinauf, eben als wenn wir kein Wasser betrübet hätten, sobald wir aber oben auf der Höhe angelanget waren, vergönneten wir der Wasser-Fluth wieder ihren strengen Fall und Sturtz, und bekümmerten uns vor dißmahl weiter um keine Feinde.

Gewöhnlicher Massen werden sonsten in andern Ländern die Sieger, welche ihren Feind bezwungen, oder doch zurück geschlagen, im Triumphe eingeführet; allein dergleichen hochspringende Gemüther hatten wir armen Felsenburger auf keinerley Art und Weise, sondern, so bald wir zurück kamen, war das allererste, daß man uns in die Kirche führete, da wir uns insgesamt, ohngeachtet unsrer annoch blutenden Wunden, mit Freuden und Vergnügen da hinein begaben, allwo die gantze Christliche Gemeine in erstaunlicher Menge versa let war.

Herr Mag. Schmeltzer Sen. ließ erstlich den Choral singen: Du Friede-Fürst, HErr JEsu Christ etc. hernach hielt er einen nicht eben allzu langen Sermon, in welchem er unsere Geschichte mit der Maccabäer Begebenheiten unvergleichlich wohl zusammen reimete, nachhero aber aus Psalm am 37. vers. 37. den Schluß damit machte: Bleibe fromm und halte dich recht, denn solchen wird es zu letzt wohl gehen; Die Ubertreter[291] aber werden vertilget mit einander, und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet. Aber der HErr hilfft den Gerechten, der ist ihre Stärcke in der Noth. Und der HErr wird ihnen beystehen, und wird sie von den Gottlosen erretten, und ihnen helffen, denn sie trauen auf ihn.

Nach diesem Sermon, worinnen er sonderlich das auf beyden Seiten unschuldig vergossene Blut mit fast weinenden Augen bedauerte, wie denn wir Streiter selbst keinen Wohlgefallen daran hatten, sondern nach vollbrachter Sache einem jeden von unsern Feinden auch den kleinsten vergossenen Bluts-Tropffen gern wieder mit einem Loth Golde zurück in den Leib gekaufft hätten, wenn es anders möglich gewesen wäre: denn unsere Nation ist, bekannter Massen, eben so barbarisch nicht, sondern vielmehr christlich gesinnet, da sie es aber nicht anders haben wollen, als mochten sie auch mit demjenigen vorlieb nehmen, was ihnen von GOttes- und Rechtswegen wiederfahren war. Hierbey aber kan ich nicht sagen, daß nur einem eintzigen Felsenburger das Hertze, wie man sonsten zu reden pflegt, in die Kniekehlen gesuncken war. Nein! im Gegentheil waren so wohl Manns-Personen, als das Frauenzimmer recht begierig, bald noch ein Scharmützelgen zu wagen; Jedoch, da Hr. Mag. Schmeltzer zum Schlusse dieser ausserordentlichen Betstunde oder Kirchen-Andacht noch das bekannte christliche Kirchen Lied.


GOtt, der Friede hat gegeben,

Laß den Frieden ob uns schweben etc.
[292]

absingen lassen, begaben sich alle und jede nach Hause in ihre Wohnstädte, da denn wir und die andern Verwundeten desselben am allermeisten vonnöthen hatten.

Die darauf folgende Nacht war alles sehr stille; jedoch, weiln einem schlaffenden Feinde eben so sonderlich viel nicht zu trauen ist, besetzten wir unsere Posten, so wohl auf den Gebürgen, als in der Ebene drey und vierfach, ich aber, weiln ich wegen der Schmertzen an meiner empfangenen Wunde ohne dem wenig Ruhe noch Rast zu finden verhoffte, begab mich auf die höchsten Felsen Spitzen bey die Davids-Raumer-Schildwächter, da ich denn gleich mit Anbruch des Tages gewahr wurde, daß nicht allein die 3. grossen Kriegs-Schiffe, sondern auch noch ein Schiff, benebst der elenden Fregatte, die bishero bey Klein-Felsenburg gelegen, weit näher an unsere Insul Groß-Felsenburg heran gerückt waren, und dem Scheine nach nur absehen wolten, wo etwa der Wind herkäme; Allein es zeigte sich bald anders: denn der Don Juan, welcher vielleicht mehr Feuer im Kopffe, als im Hertzen hatte, machte den Anfang, uns auf eine gantz erstaunenswürdige Art zu bombardiren und zu canoniren; Jedoch! wir hatten ja die gröste Ursach, diese seine Thorheit hertzinniglich zu belachen und zu verspotten, indem nicht mehr, als eine eintzige Bombe, deren er doch wohl 3. bis 400. gegen uns spielen liesse, auf unsere Insul herunter gekollert kam, welche jedoch nicht den allergeringsten Schaden verursachte, ausgenommen, daß dieselbe ein kleines Fleckgen Grase-Land umwühlete, worüber wir und unsere[293] Kinder eine gantz besondere Freude hatten. Wie unsers Orts sassen gantz stille, so wohl als wie unser Felsen, der alle Bomben und Canonen-Kugeln mit lachendem Muthe von sich abwiese. Jedoch endlich, nachdem das Bombardiren und Canoniren gantzer 2. mahl 24. Stunden unaufhörlich gewähret, riß bey Ms. Plagern und mir der Gedult-Faden entzwey, weßwegen wir nicht allein aus unsern neugegossenen Mörsern etliche 50. Bomben ihnen entgegen spieleten, jedoch listiger Weise mit allem Fleisse bald seitwärts, bald über ihre Schiffe hin: Damit sie aber ja allenfalls nicht vermeynen solten, als ob es uns am Pulver fehlete, so hatten wir eine gantz besondere Art von Bomben, die mit Schwärmern, Lust-Kugeln und dergleichen Feuerwerckers-Possen angefüllet waren, wel che wir ihnen sehr geschicklich zum Zeitvertreibe in ihre Schiffe zu werffen wusten, um ihnen auch damit zu zeigen, daß es unser Ernst eben nicht sey, sie tödlich zu verletzen, sondern nur ein kleines Lust-Spiel mit ihnen zu haben. Auser dem wurde fast alle Abend, so zu sagen, zu unserer eigenen Lust und Vertreibung der unruhigen Gedancken, oder Grillen, (wie man dieselben sonsten zu nennen pflegt) immer ein kleines lustiges Feuer-Werck nach dem andern den Herren Feinden entgegen præsentirt, worbey wir uns auch nicht scheueten, zu gewissen Zeiten und Stunden nach Beschaffenheit der Sachen unsere Carthaunen, Canonen und Mörser abzufeuern, weiln wir uns nebst göttlicher Hülffe bis zu der Zeit noch in der Verfassung befanden, allen unsern Feinden die[294] Spitze zu bieten, es möchten dieselben auch gleich Christen, oder Barbaren seyn.

Endlich kam Don Juan in so weit zum Verstande, daß er das erschröckliche Bombardiren und Canoniren einstellete, indem er vielleicht selbst absehen mochte, daß damit gegen uns nichts im geringsten auszurichten wäre, da wir ihm fast nur zum Spase, unzählige Bomben und Canonen-Kugeln entgegen spieleten, die Lust-Feure, so wir ihnen und uns nach unserer Bequemlichkeit machten, will ich darbey ausnehmen, weilen es zur Haupt-Sache eben nicht zu dienen scheinet, sondern nur so viel sagen: daß, nachdem noch einige Tage verstrichen waren, der Don Juan de Silves in einem kleinen Boote einen abermahligen Trompeter an uns schickte, und von uns verlangte, daß 3. Personen der Unsern als Deputirte auf die grosse Sand-Banck zu ihm kommen möchten, indem er in eigener Person mit ihnen Sprache zu halten gewillet sey, und dieserwegen ihnen auf Treu und Glauben alle vollkommene Sicherheit wegen ihrer Ehre und Lebens verspräche, wie er denn auch nicht mehr, als 3. Personen zu seiner Bedeckung mit sich bringen würde, und zwar, allen bösen Verdacht zu vermeiden, ohne alles tödliche Gewehr: Hiernächst wäre er gesonnen, nach Kriegs-Gebrauch, Geisseln mit uns zu vertauschen, indem er 3. von seinen vornehmsten Officiers in unsere Verwahrung liefern wolte, wenn wir ihm dargegen 3. Mann von unsern Aeltesten oder Befehlshabern auf sein Schiff hinüber zu schicken uns entschliessen könten, als welche er keinesweges wie Gefangene,[295] sondern als gute Freunde und Bruder halten, und nach seinem allerbesten Vermögen aufs herrlichste und kostbarste wolte verpflegen lassen.

Nachdem ich, der ich unten am Fusse unsers Felsens mit einigen guten Freunden spatziren herum gegangen war, und das mündliche Compliment des Trompeters angenommen hatte, (welches unser Feind ihm in den Mund gelegt) muste ich in meinem Gedancken die Geschicklichkeit und sonsten überaus artige Person dieses Trompeters bewundern, weßwegen seinem Principal eben nicht zu verargen war, daß er ihm unter seiner eigenen Hand und Siegel ein Blanquet, ohngefehr in folgenden Worten mitgegeben:


Diesem meinem Leib-Trompeter und Vorzeigern dieses Schreibens ist in allen Stücken und in allen seinen Worten ein vollkommener Glaube beyzumessen, eben als ob ich dieselben selbst aus meinem eigenen Munde gesprochen hätte, und zwar Cavalier-Parole etc.

Don Juan de Silves.


Der Mons. Trompeter aber bekam gestallten Sachen nach vor diesesmahl nichts weiter zur Antwort, als daß sein Principal Morgen, so gleich mit dem Aufgange der Sonne, Antwort haben solte.

Nunmehro war bey uns abermahls guter Rath theuer, derowegen brachten wir die gantze darauf folgende Nacht zu, diesen zu finden. Endlich wurde beschlossen, uns auf alle Fälle in behörige[296] Ordnung zu setzen, worauf denn Mons. Wolfgang, Mons de Blac und ich abermahls fort musten, um das Wort zu führen; Hierbey aber wurden uns 3. Personen von den Aeltesten mit hinzu gegeben, weilen wir uns wiedrigenfalls weigerten, vom Flecke zu gehen, indem man ja nicht verlangen könte, daß wir 3. Einkömmlinge uns allein allen Gefährlichkeiten unterwerffen, und so zu sagen, unsere Seele in der blossen Hand tragen solten, zumahlen, da unsere Leibes-Wunden, die wir in dem letztern Treffen empfangen, noch kaum zur Helffte geheilet wären etc.

Diese Vorstellungen, welche von uns dreyen mit redlichem und aufrichtigem Hertzen und Munde geschahen, erreichten ihren Zweck in allen Felsenburgischen Gemüthern, so viel auch deren nur immer um und neben uns waren, welches die Liebes-Thränen, die so wohl von den Aeltesten, als Jüngern vergossen wurden, klärlich bezeugeten. Demnach gieng mit anbrechenden Tage die Reise fort, da wir denn den Don Juan bereits mit sein je schwachen Begleitung auf der grösten Sand-Banck angeländet erblickten, und gewahr wurden, daß sie bey einem angemachten Feuer auf ausgebreiteten Teppichen ein Schälchen Caffée truncken, indem die Sonne eben im Aufgange begriffen war. Ehe ich weiter rede, will ich vorerst noch dieses melden, daß uns dreyen Deputirten, als nemlich Herr Wolffgangen, Mons. de Blac und mir, nicht nur von dem Regenten, sondern auch von den Aeltesten und Vorstehern unserer Gemeinden, eine schrifftliche vielfach unterschriebene[297] und besiegelte ausführlich und deutliche Vollmacht mitgegeben, und in derselben gemeldet wurde, daß alles NB was wir 3. schliessen, verabreden und handeln würden, eben so gut verabredet, erkannt und geschlossen zu seyn gehalten und geachtet werden solte, als ob alle Felsenburgischen Einwohner, vom Aeltesten bis zum Jüngsten, und vom Grösten bis zum Kleinesten, selbst zugegen wären, und vor ihre Wohlfahrt redeten, welche sie vor diesesmahl blos allein, nechst dem Vertrauen auf göttlichen Schutz und Hülffe, unserer Treue, Redlichkeit, Klugheit und Erfahrenheit gäntzlich anheim gestellet hätten.

Hierbey muß ich den geheimen besondern Haupt-Punct zu melden nicht vergessen: wie nemlich uns auch dieser delicate Punct einzugehen erlaubt war, den Don Juan mit so viel Begleitern, als uns etwa nicht gar allzu nachtheilig scheinen möchte, auf die Insul herauf zu führen; alldieweilen wir uns eben kein besonderes Bedencken dabey nehmen durfften, weilen uns die Portugiesen jedennoch nicht mit Gewalt verderben könten, und wenn sie auch mit der allerstärcksten Flotte gegen uns überlägen, denn wir hätten ja die klaren Exempel davon nunmehro schon zur Gnüge erfahren. Ich meines Theils hatte das allerwenigste hierwider einzuwenden, zumahlen, da ich an allen meinen Fingern abzählen konte, daß eine ungewöhnlich stärckere Macht darzu erfordert würde, die Insul Groß-Felsenburg mit Gewalt der Waffen einzunehmen. Um aber in der Geschichts-Erzählung ohne fernern Umschweiff fortzufahren, so[298] muß versichern, daß, so bald wir bey der Sand-Banck angeländet, uns der Don Juan also gleich, nachdem er von den Teppichen aufgesprungen war, ohne Begleitung nur eines eintzigen Dieners entgegen gegangen, erstlich Herrn Wolffgangen, hernach die andern mitgekommenen Felsenburger aufs allerfreundlichste umarmete, und bat, ihn bey jetzigen Umständen nicht zu verschmähen, sondern ein Schälchen Caffée, vor das Nüchterne mit ihm zu trincken, und zwar auf dem Sande. Wir liessen uns eben nicht lange nöthigen, indem wir befürchteten, daß er es sonsten übel nehmen, oder aber gar einen unbilligen Verdacht auf uns legen möchte; demnach truncken wir ein jeder etliche Schälchen bey einer Pfeiffe Toback, nachhero aber nach Belieben auch einige Gläsergen des allerbesten Frantz-Brandteweins, da denn Don Juan de Silves mit lächelndem Munde zu sagen anfieng: Meine Herren! ich habe eure Conduite von vielen See-Fahrern rühmen hören, allein, das hätte ich mir fast nicht träumen lassen, daß ihr mein letzteres an euch abgeschicktes Commando dergestalt feindseelig abgefertiget, wie mir denn dieserwegen die Grillen noch im Kopffe herum gehen, zumahlen, da euch seithero, kein ordentlicher Streit oder Krieg angekündiget worden, sondern wir sind ja nur zu euch gekommen, als gute Freunde und Brüder, in Hoffnung dessen, daß ihr die Ober-Herrschafft und den Schutz meines Königs annehmen würdet; so aber fangt ihr den Krieg unbedachtsamer Weise von euch selbsten an.[299]

Keineswegs, mon Patron! (gab hierauf Herr Wolffgang zur Antwort) haben wir Streit und Krieg von uns selber angefangen, denn wir sind ein friedliebendes Völcklein; da aber wider alles Vermuthen und Verhoffen unter unsere Leute, die uns gefolgt waren, um nur zu sehen, wo wir hin wolten, und wie es uns etwa gehen möchte, so gleich Feuer gegeben wurde, als wie unter die Hunde, so haben dieselben auch einiger Massen ihre Hertzhafftigkeit gezeigt, welche dieserwegen zu bedauren, weilen sie den Ihrigen in etwas zum Schaden mag gereicht seyn. Ich kan ihnen (redete Herr Wolffgang weiter) heilig versichern, daß unsere Felsenburger, ohngeachtet sie von Jugend auf, so zu sagen, gantz einfältig auferzogen worden, dennoch Hertzen in ihren Cörpern haben, wie die Löwen und Tyger, inmassen sie sich blos auf GOtt, ihre gerechte Sache, gutes Gewissen und sonsten angebohrne natürliche Freyheit verlassen, anbey sich eher auf der Stelle tod schlagen liessen, als nur einen Fuß zurücke zöhen, um den Schein von sich zu geben, als ob sie ihren Feinden nachgeben oder weichen wolten. Ich will hiervon weiter nicht viel Redens machen, damit es nicht etwa als eine bey gewissen Völckern gebräuchliche Rodomontade oder Prahlerey heraus kommen möchte.

Der Himmel ist mein Zeuge, (versetzte auf dieses Don Juan de Silves,) daß ich meinen Leuten nicht mit dem geringsten Worte Befehl gegeben, Feindseligkeiten zu gebrauchen, geschweige denn mit dem Feuer-geben den Anfang zu machen, da aber die Anführer derselben bereits an ihren[300] Wunden gestorben sind, als kan ich sie weiter nicht dieserhalb zur Rede setzen.

Hierwider haben wir (war meine Gegen-Rede) gantz und gar nichts einzuwenden, allein, was solte denn aber das darauf erfolgende hefftige Bombardiren und Canoniren wohl etwa zu bedeuten haben? vielleicht uns Felsenburgern etwa ein besonderes Schrecken einzujagen, oder uns sonsten in Verzweiffelung zu bringen? wenn dieses ihre Gedancken gewesen sind, so haben sie sich gantz entsetzlich geirret, denn wir sind bis auf diese Stunde noch nicht anders gesinnet, als eine gewisse Art einer noch jetzo florirenden Nation, welche sich vor nichts hefftiger, als vor dem Einfall des Himmels zu fürchten pflegt, auser dem aber die übrigen Feinde und Verfolger, zum Theil, en bagatell tractiret. Uns dauret nichts, meine Herren! (so redete ich weiter) als die hefftige Mühe und Arbeit, die sie angewendet haben, uns zum bombardiren und zu canoniren, ausgenommen noch, das viele Pulver, welches sie vergeblicher Weise verschossen und verplatzt haben. Wir haben zwar auch gegen sie viel Pulver verschossen und verplatzt, sonderlich bey den Feuerwerckergen, die unsere lustigen Knaben und Junggesellen zuweilen gespielet, allein, dieses ist unser allergeringster Schade, da wir des Schieß-Pulvers fast so viel haben, als des Sandes am Meere, und je mehrern Abgang, um so viel desto grössern Zuwachs desselben verspüren.

Don Juan nebst den Seinigen horchte hoch auf, da sie mich also reden höreten, unterdessen aber, da wir mit einander auf der Sand-Banck[301] herumspazieren giengen, hatte er Befehl gegeben, etwas zu einer guten Mahlzeit dienliches von seinem Schiffe herüber zu bringen. Ob nun schon dieses alles mehrentheils in kalter Küche bestund, so kam es doch unsern hungrigen Magens eben annoch zu rechter Zeit, zumahlen, da etliche Fäßlein des besten Canari-Sects zugleich mitkamen, und wir uns an demselben hertzlich labeten; worbey sich Don Juan dergestalt freundlich, lustig und aufgeräumt aufführete, als wenn er Zeit seines Lebens nichts feindseeliges gegen uns verhängen, vielweniger eine, und zwar die allererste Bombe auf die Insul Groß-Felsenburg werffen lassen.

Nachhero, da wir uns wieder nach orientalischer Art auf die Teppiche niedergelassen, gieng der Freuden-Becher unter einem friedlich-jedoch auch ernsthafften Gespräche dergestalt hurtig herum, daß die Nacht darüber eingebrochen war, ehe wir uns deren vermutheten; Jedoch Don Juan, der sehr lustig und aufgeräumt zu seyn schien, wolte uns wegen der Gefahr eines gekommenen Sturm-Windes nicht von sich lassen, sondern bat, was er bitten konte, nur erstlich den Tag abzuwarten, und vor allen andern Dingen blos seine Person nebst zweyen Bedienten, oder wenigstens einem, auf unsere Insul mitzunehmen, da er denn seiner Religion nach, bey GOtt und allen seinen Heiligen, Ertz- und andern Engeln etc. unter freuem Himmel mit aufgereckter rechter Hand, einen freywilligen so genannten leiblichen Eydschwur that, nicht zu uns zu kommen, als ein Feind oder Spion, sondern als ein aufrichtiger, ehrlicher, guter[302] Freund, der uns und die Unserigen gern möchte besser kennen lernen, anbey verspräche, daß er von jetziger Stunde an, so wohl bey Sr. Majestät, dem Könige in Portugall, als sonsten, so viel als nemlich in seinem Vermögen stünde, unser Bestes und zu unserer Wohlfahrt gereichendes suchen wolle, und dieses blos allein zur Vertilgung und Vergessung des Schreckens, welches er uns auf Anstifften ungetreuer Leute, die ihn schändlicher Weise hintergangen und betrogen hätten, zuzufügen gemeynet gewesen. Wie nun solcher Gestalt der Don Juan sich mit Worten und theuren Versicherungen über alle Massen aufrichtig gezeuger, als wurden nach einer kurtzen fernern Verabredung die Geisseln unter beyden streitigen Parthien gewechselt, da denn 3. von unsern Alt-Vätern mit ihren grauen Bärtern hinüber auf sein Schiff, an Statt derselben aber 3. seiner vornehmsten Officiers von dannen zu uns zurück gebracht wurden, worauf wir so gleich die Reise mit den Don Juan, zweyen seiner Bedienten und den jetzt gemeldten 3. Officiers, als so genannten Geisseln, antraten.

So bald wir am Fusse des Felsens angeländet und ausgestiegen waren, sagte Don Juan: Nun so gönnet mir doch einmahl die Lust, meine Freunde! zu erfahren, ob ich von mir selbst den Eintritt oder den Aufgang auf eure Insul finden kan. Wir musten aber hertzlich lachen, da er die allergefährlichsten Fußsteige, auf welchen gantz und gar nicht fortzukommen, wohl aber man mit leichter Mühe Hals und Beine brechen konte, zwar sehr behutsam suchte, jedoch jederzeit gewahr werden[303] muste, daß seine Mühe vergeblich zu seyn schien. Unterdessen war er mehr als 10. bis 12. mahl vor dem so genannten Wolffgangischen Wasserfalle hin und her vorbey spatzirt, da aber die Fluth eben im allerwildesten Falle und Sturtze da heraus gerauschet kam, als schien es ihm freylich wohl unmöglich zu seyn, sich darauf zu besinnen, daß eben dieses die Haupt-Pforte wäre, derowegen gaben wir unsern auf den Höhen stehenden Schildwächtern das gewöhnliche Zeichen, die Schleusen zu mithin den Gang trocken zu machen, welches in gröster Geschwindigkeit geschahe, da wir denn alle trockenes Fusses hinauf spatzirten, den Don Juan aber, welchen wir nebst den Seinigen zwischen uns hatten, in die allergröste Bestürtzung und Verwirrung gerathen sahen, woraus sie sich nicht ehe recht wieder erholeten, bis wir sie oben an das Tages-Licht und auf das Land brachten. Wir traffen gleich oben 3. leichte Chaisen an, deren jede mit 6. der allergrösten, jedoch ungemein zahm gemachten Hirschen bespannet war, worein sich die mitgebrachten Fremden setzten, und auser diesen waren unsere Freunde noch mit einigen andern Chaisen herbey gerückt, die aber nur mit wohlgewachsenen Pferden bespannet, worein sie uns nahmen, und also nach einer kurtzen Verweilung mit uns auf die Alberts-Burg zufuhren, allwo auf dem grossen Saale Don Juan, wie auch seine bey sich habenden Officiers, so gleich vor den Regenten und die Aeltesten zum Gehör gebracht wurden, und viele Zeichen einer gantz besondern Bewunderung von sich blicken liessen. Sie wurden nachhero[304] aufs allerkostbarste von uns mit Speisen und Geträncke bewirthet, auch wurden ihnen die vornehmsten und zierlichsten Zimmer zu ihrer Bequemlichkeit eingeräumet, anbey die Erlaubniß gegeben, alles auf unserer Insul in Augenschein zu nehmen, als womit sie denn einige Tage zubrachten, und wie sie selbsten sagten, sich fast nicht satt sehen könten, weilen sie sich dergleichen Anstalten und Verfassungen nimmermehr hätten träumen lassen, so wie sie dieselben nemlich auf der von aussen so rauhe scheinenden Felsen-Insul angetroffen hätten.

Es war gewiß so wohl auf unserer, als der Portugiesen Seite ein merckwürdiges Exempel zu nehmen, wie veränderlich die Hertzen und Gemüther der sterblichen Menschen sich in einen und anderen Begebenheiten, sonderlich aber Glücks- und Unglücks-Fällen aufzuführen oder zu verhalten pflegen: Denn diejenigen, welche wir kurtze Zeit vorhero vor unsere abgesagten Tod-Feinde gehalten, ihnen auch dergestalt, wie man zu sagen pflegt, Spinnenfeind gewesen, so daß wir sie nur immer alle Augenblicke anspeyen mögen; eben diese wurden nunmehro von uns aufs allerliebreichste und freundlichste tractiret, nicht anders, als ob sie schon lange Zeit unsere guten Freunde gewesen, sondern auch immerfort bey uns zu bleiben, sich möchten gefallen lassen. Anderer Seits gab der Don Juan sich in so weit blos: Meine Herren und Freunde! ich schwöre zu GOtt, daß ich allhier in diesem kleinem Stückgen des Erd-Kreyses angetroffen habe, was vielleicht in der gantzen Welt im so kurtzen Begriff aller Annehmlichkeiten nicht zu[305] finden und anzutreffen ist. Ich vor meine Person müste mir das gröste Gewissen daraus machen, wenn ich zugeben solte, daß man euch ferner beunruhigte. Nein! ich halte vielmehr davor, daß man alles dieses, was wir gehöret und gesehen haben, vorhero Sr. Portugiesischen Majestät aufs allergenaueste vortragen müsse, als welche keinen weltlichen Fürsten über sich haben, der die Gerechtigkeit mehr lieben solte, wie jetzt gemeldete Sr. Königl. Majestät. Wie gesagt, von mir und den Meinigen sollet ihr und die Eurigen nicht im allergeringsten mehr beunruhiget werden, bis auf Ihro Majestät fernerweitige allergnädigste Verordnung. Anbey wolte euch wohl den treuhertzigen Rath geben, eine Deputation von euren Leuten an Sr. König Majestät abzuschicken, um euren Zustand selbsten vorzustellen; Inzwischen, da ich sehe, höre und weiß, daß ihr einen starcken Uberfluß an Lebens-Mitteln und Schieß-Pulver habt, so will euch angesprochen haben, uns eine zulängliche Menge desselben vor billigmäßige baare Bezahlung zu überlassen. Dieses wurde dem Don Juan so gleich versprochen, und zwar, so viel wir uns nur dessen zu entrathen getraueten, gantz ohne Geld, weilen, wie sie wahrgenommen, wir auf unserer Insul keinen Handel noch Wandel trieben, mithin auch kein Geld vonnöthen hätten. Im übrigen wurden auch die im Lazarethe auf der Insul Klein-Felsenburg aufs frische und neue mit fast überflüßigen Lebens-Mitteln besorgt, ja die Herren Portugiesen wusten ihre Schiffe dergestalt voll zu pfropffen, daß, so zu sagen, fast kein Ey mehr[306] Raum darinnen haben konte. So wurden auch die 2. Gefangenen, welche gleich anfänglich fast den Hals, als Spions gebrochen, jedoch wieder curirt waren, wieder zurück gegeben, der dritte aber, welcher von dem Davids-Raumer Schildwächter war erschossen worden, blieb an der Mauer unsers GOttes-Ackers ungestöhrt begraben liegen.

So bald demnach die Herren Portugiesen empfangen, was sie verlangt hatten, wurden auch die beyderseitigen bisherigen Geisseln wieder gegen einander ausgewechselt, da wir denn unsere lieben Alt-Väter mit so viel desto grössern Freuden auf unserer Insul zurück bewillkommeten, als wir sahen, daß alle Portugiesen sich immer alle nach Gerade auf ihre Schiffe begaben, da sie uns denn melden liessen, wie sie nur auf den ersten favorablen Wind warteten, um ohne längeres Verweilen unter Seegel zu gehen, derowegen sich unsere Deputirten auch aufs eiligste fertig machen möchten, wenn sie annoch gesonnen wären, mit nach Europa an den Königlichen Hof in ihrer Gesellschafft mit zu reisen; Allein dem Trompeter, welcher dieses Einladungs-Compliment brachte, wurde zur Antwort gegeben: daß wir dem Don Juan de Silves und seinem Geleite eine glückliche Reise wünscheten, weiln sich aber unsere Deputirten noch nicht in der Verfassung befänden, vor dißmahl mit ihnen zu reisen; wir auch einer und anderer Ursachen wegen uns noch ein besonderes Bedencken nähmen, dieserhalb zu übereilen, als möchten sie nur unter dem Geleite des Himmels voraus seegeln, weil ihnen die Unserigen zu rechter Zeit[307] auf zweyen leichten Schiffen nachfolgen solten, auch sie vielleicht einholen könten, ehe sie den Europæischen Grund und Boden erreichten.

Es mochte wohl denen guten Hrn. Portugiesen einiger Massen verdriessen, daß wir sie, so zu sagen, bis auf die letzte Stunde, unserer Deputirten wegen, bey der Nase herum geführet: Allein, was war daraus zu machen? zumahlen, da es eine unverbotene Sache ist, so wohl List mit List, als Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Unterdessen flanquirten sie noch einige Tage um die Gegend der Sand-Bäncke herum, da wir aber weiter nichts mehr mit ihnen zu schaffen hatten, auch ferner keine Antwort von uns geben wolten, und wenn sie auch alle Tage 15. Trompeter an uns schickten, so beobachten wir ihr Hin- und Herweddeln noch einige Tage in ruhiger Gelassenheit, ohne auf unserer Insul einen Laut von uns zu geben. Jedoch es trug sich bald hernach eines Morgens bey Aufgang der Sonnen auch etwas zu, wovon uns in der abgewichenen Nacht nichts geträumet hatte, denn es stelleten sich zwey Kriegs-Schiffe dem dritten, als des Don Juans Haupt-Schiffe in behöriger Weite entgegen, und fiengen dergestalt auf dasselbe zu canoniren an, daß man bald gewahr wurde, wie dieses kein Schertz, sondern des Don Juans Schiff sich in der grösten Noth befände, zu sincken, und dieses hefftige Canoniren währete bis die Nacht einzubrechen begunte, als wir aber bey aufgehender Sonne, nemlich des nächst darauf folgenden Tages uns abermahls nach den Portugiesischen Schiffen umsahen, so[308] waren dieselben insgesamt in der ausserordentlich stockfinstern Nacht verschwunden, so daß man auch nicht einmahl einen Span-Holtzes mehr auf der See herum treiben sahe. Wir wusten, wie gesagt, uns anfänglich keine Vorstellung in unsern Gedancken zu machen, was dieses zu bedeuten hätte, ob es ein bloses Gauckel-Spiel, oder Spiegelfechten wäre? oder, ob etwan die Portugiesen von einer Barbarischen, oder andern Nation im Ernste angegriffen, und zum Welchen gezwungen worden? Allein, kurtz: hier halff kein Kopffzerbrechens, und ihnen etwa ein leichtes Jagd-Schiff nachzusenden, um zu erfahren, wo sie hin gekommen wären, schiene eben kein Rath zu seyn, ohngeachtet sich, sonderlich von unseren tapfferen mannbaren Junggesellen verschiedene Wage-Hälse angaben, die nur Wunderswegen wissen möchten, wo sie geblieben wären, und ob sie sich etwa noch in den nähesten Gewässern aufhielten; so wolten wir es ihnen dennoch nicht zugeben, indem wir alle eine recht hertzliche Freude darüber hatten, daß unsere Feinde entwischet waren, wie die Katzen von den Tauben-Schlägen. Einmahl vor allemahl, da sie fort und hinweg waren, wünschten wir ihnen zwar Glück auf die Reise, ihre Personen aber sobald nicht wider zu sehen; Jedoch, was den Don Juan anbelanget, so hatte seine wohlgeartete Aufführung ihm, ohngeachtet er uns anfänglich zu verderben schien, dennoch bey den Felsenburgern ein ziemlich gutes Lob zurücke gelassen; Ja, ich kan sagen, daß der ziemlich starcke Vorrath an Lebens-Mitteln und andern Bedürffnissen, welche wir[309] den Portugiesen zukommen lassen, und zwar ohne die geringste Bezahlung, dennoch ihnen, als fast zu sagen ihren Feinden nicht einmahl mißgegönnet wurde, sondern etliche unserer Leute pflegten zu sagen: Lasset diese Hunger-Därme alle Jahr zweymahl kommen, und gebet ihnen so viel, daß sie die Rachen füllen können, nur aber sollen sie kein vergebliches Lerm machen, kein unschuldiges Blut vergiessen keine frommen und redlichen Leute tod machen, und uns nebst unsern Kindern in die Sclaverey zu bringen drohen. Wo nicht? so wollen wir bald die Oerter suchen, wo der Gifft begraben liegt, und ihnen an Statt der Lebens-Mittel Gifft geben etc. Diese und dergleichen Redens-Arten flossen aus vielen mißvergnügten Hertzen, sonderlich der Weiber und schon ziemlich verständigen Kinder, welche wir aber mit lachendem Muthe auf bessere Gedancken zu bringen suchten, indem wir ihnen vorstelleten, daß unsere Feinde so bald wohl nicht wiederkommen möchten, weilen sie es vieleicht sich selbst vor eine Grobheit auslegen dürfften, wenn sie einem gutwilligen Wirthe gar zu offt Ungelegenheit machten.

Nunmehro aber, da aller Krieg und Kriegs-Geschrey vorbey war, machte sich ein jeder nach vollbrachtem Gottesdienste wieder an seine ordentliche Arbeit, hauptsächlich aber die annoch in Stroh und Hülsen befindlichen Feld-Früchte, als Reiß und andere Sorten von Geträyde, zu gute zu bringen, um nicht allein den Abgang in unsern eigenen Wirthschafften, sondern vornemlich auch den Mangel in denen ziemlich ausgeleerten Magazinen[310] wieder zu ersetzen, und anbey zu bringen, was verlohren gegangen war; da denn Alt und Jung, Groß und Klein alle Kräffte daran streckten, so daß wir binnen weniger Zeit fast gantz und gar im geringsten nicht spüreten, was Massen wir so viele hungerige Gäste gehabt, die ein weit mehrers mit sich fort geschleppt, als sie bey uns verzehret hätten. Demnach gab sich das Volck vollends auf einmahl zufrieden.

Eines Abends aber, da ich mit andern bey mir befindlichen guten Freunden die Höhen und Wacht-Posten von Alberts- und Davids-Raum, auch noch weiter hin nach West- und West-Süden zu, visitirte, wurden wir auf der Insul Klein-Felsenburg ein sehr grosses, ziemlich starck und helle brennendes Feuer gewahr, dessen Flammen und Rauch einmahl über das andere bey damahligen stillem Wetter bis zu den Wolcken gen Himmel in die Höhe stiegen, und sich durch einander herschlugen, so, daß es zum öfftern gantz fürchterlich anzusehen war. Wie ich nun dieses abermahls vor etwas besonders neues erkannte, so sagten einige Schild-Wächter, daß dieses gantz und gar nichts neues wäre, indem sie dieses Feuer, seit dem Abzuge der Portugiesen, bey dunckeln Nächten schon zu mehrern mahlen gesehen, weilen sie aber davor gehalten, als ob sich etwa Schwefel- oder Salpeter-Löcher aufgethan, und von selbst entzündet hätten, so wäre es von ihnen nicht gewürdiget worden, selbiges anzuzeigen, um damit nicht etwa unsern Einwohnern ein vergebliches Schrecken zu verursachen, als welche ohne dem bishero Schrecken[311] und Verdruß genug gehabt. Ein eintziger aber unter den Schild-Wächtern sagte dennoch, wie ihm die Sache einiger Massen verdächtig vorkäme, indem er von Natur unter andern 100. ja 1000. Menschen ein solches scharffes Gesicht hätte, daß er sonderlich bey der allerdunckelsten Nacht, ohne Fern-Glas, oder Perspectiv, so helle sehen könte, wie man zu sagen pflegte, als ein Luchs; und derowegen wäre ihm nicht einmahl, sondern etliche mahl vor seine Augen gekommen, wie einige Personen um das Feuer herum wandelten, als ob sie mit einander redeten, es möchten nun Geister oder Gespenster seyn, darum wolle er sich eben nicht so sehr bekümmern. Indem wir nun so bey ihm stunden, und seinen Reden zuhöreten, versicherte er, bey seinem guten Gewissen, daß er wenigstens 4. bis 5. Personen um das Feuer herum spazieren sähe, da sich denn bald einige funden, die ihm Beyfall gaben, die gantze Sache aber vor ein blosses Schatten-Spiel hielten, welches durch das Feuer und den Rauch verursacht würde.

Dem mochte nun aber seyn, wie ihm wolte, so brachte mir dieses Gesichte eine schlaflose Nacht zu Wege, und ich beschloß bey mir, ehe in kein Bette zu kommen, oder geruhig zu schlaffen, bis ich in Klein-Felsenburg auf der Stelle gewesen, wo wir ohngefehr das grosse Feuer brennen sehen, welches denn auch bis gegen Anbruch des Tages fort brannte und rauchte. So bald viele von meinen besten Freunden, und über dieses etliche 30. hertzhaffte Junggesellen, oder, so zu sagen, Wage-Hälse meinen Vorsatz und Entschluß vernommen,[312] versammleten sie sich gleich um mich herum wie die Bienen, und verlangten mit hinüber zu fahren, da denn gleich mit Aufgang der Sonnen, 2. der besten und schönsten Boote in allergröster Geschwindigkeit zu rechte gemacht und ausgerüstet wurden; wobey wir alle unser Oder- und Unter-Gewehr nebst Pulver und Bley, auch Lebens-Mitteln, so viel wir nur in so hefftiger Eile finden konten, mit uns nahmen, und also fortruderten, auch noch Vormittags auf Klein-Felsenburg anlandeten.

Nachdem wir in der ordentlichen Bay angelanget und ans Land gestiegen, erfanden wir nach Verlauf etwa einer halben Stunde sogleich den Platz, allwo das beschriebene Feuer noch beständig fort brannte, jedoch zu unserm ersten Schrecken erblickten wir schon von ferne, daß 4. Personen darbey sassen, welche jedoch, so bald sie uns mit Gewehr auf sich zukommen sahen, augenblicklich aufsprungen, und uns auf Händen und Füssen, über die 50. Schritte daher, entgegen gekrochen kamen. Da wir dieselben nun so gleich vor Portugiesen erkannten, und zwar vor einige dererjenigen, welche schon eine Zeit daher in unserm so genannten Lazarethe gelegen hatten, so nahmen wir unsere Flinten verdeckt unter den lincken Arm, mit der rechten Hand aber winckten wir ihnen, näher zu kommen. Worauf sie auf ihre Füsse traten, und flehentlich baten, ihres Lebens zu verschonen, weilen sie vor die vielfältige genossene Gnade, Güte und Barmhertzigkeit, welche wir ihnen erzeigt hätten, weder uns noch den Unserigen, so wie[313] ihre unerkänntlichen Lands-Leute, auch nicht den allergeringsten Schaden jemahls zugefügt, ja weder Flinten noch Pistolen gegen uns losgebrannt hätten. Das kan seyn, meine Freunde! aber auch nicht seyn (gab ich ihnen hierauf zur Antwort) dem sey aber, wie ihm wolle, so will ich doch nur fragen, wer euch den Befehl oder die Erlaubniß gegeben hat, auf dieser Insul zu bleiben, da ihr doch curiret, und gesunde Leute seyd, die ihren Lands-Leuten wohl hätten folgen können. Auf diese meine Rede gab mir ein gantz seiner sehr vernünfftig scheinender Mensch, welcher eine Sergeanten-Stelle bekleidet, so viel zur Antwort: Mein großgünstiger Herr und Gönner! ich bemercke, daß dieselben in einer irrigen Meynung stehen, indem sie etwa glauben, wir wären entweder aus eigenem Antriebe zurück gebliebene faule Leute, um vielleicht noch fernerweit gute Bissen und Bequemlichkeit zu geniessen; oder sie haben wohl auch die Gedancken von uns, daß wir Spions, Land- und Leute- Verräther oder Spitzbuben wären, so, wie einige andere von unserer Nation sich aufgeführet, und demnach ungestrafft darvon gekommen sind. Woferne dieselben diesen letztern Glauben oder Meynung von uns hegen solten, so sind wir alle 4. Mann erbötig, gleich nieder zu knien, und eine Kugel entweder durch den Kopff, oder durch das Hertz von ihnen zu erwarten, denn unser 5ter Camerad ist von uns gegangen, um etwa eine oder ein paar wilde Ziegen zu schiessen, von mehrern Menschen oder wissen wir auf dieser kleinen Insul weiter nichts.[314]

Ich redete ihm nochmahls in sein Gewissen, uns ja nicht etwa zu betrügen, oder Lügen vorzuschwatzen, wiedrigenfalls aber, da wir gewahr würden, daß ein Hinterhalt auf uns lauren möchte, er der erste seyn müste, den wir ins Reich der Todten schickten. Indem kam ihr 5ter Camerad, und brachte 2. wilde Ziegen, die er geschossen hatte, hinter sich hergeschleppt, ließ aber dieselben gleich auf derselben Stelle, wo er stund, liegen, und legte seine Flinte darneben, kam darauf, und kniete ebenfalls auch neben seine 4. Cameraden nieder; allein, wir konten dieses gar nicht lange ansehen, sondern reichten ihnen die Hände, und hiessen sie von der Erden aufstehen, hergegen zwischen uns auf etliche zugehauene Bau-Stücke niedersetzen, anbey aber uns zu berichten, was es nicht allein mit ihren 5 Personen, sondern auch mit dem Verwunderungswürdigen Abzuge ihrer Lands-Leute vor eine Beschaffenheit hätte?

Hierauf fieng erstgemeldter Sergeant, nachdem wir uns alle in ordentlicher Gestalt um ihn herum gesetzt, seine Reden recht mit Bedacht zu vernehmen, also an: Wenn Don Juan de Silves gewust hätte, daß diejenigen Officiers von unsern Leuten, welche er mit sich auf die Insul Groß-Felsenburg nahm, um dieselbe zu besichtigen, seine heimlichen abgesagten, so zu sagen, fast geschwornen Tod-Feinde waren, würde er ihnen wohl nicht leicht vergönnet haben, auf diese jetzt bemeldte Insul zu kommen; Ja, ich sage nochmahls, wenn Don Juan dieses gewust hätte, so wohl als die allermeisten von seinen Untergebenen, so lebte[315] er vielleicht noch jetzo. Was? (rief ich nicht allein dem Sergeanten, sondern auch seinen Leuten recht im Schrecken entgegen) ist Don Juan todt? Nicht anders, mein Herr! (antwortete der Sergeant) und sein Cörper liegt kaum 2. bis 300. Schritte von dieser Stätte, worauf wir jetzo sitzen, begraben, wie aber dieses zugegangen, will ihnen vorjetzo bis auf eine andere Zeit nur in aller Kürtze zu wissen thun. So bald als unser Trompeter von den Felsenburgern die Antwort zurück gebracht: welcher Gestalt sie sich anders resolvirt, ihre Deputirten nicht mit uns fortschicken, sondern dieselben bis auf eine andere Zeit und Gelegenheit annoch zurück behalten, nachhero schon mit eigenen Schiffen nach Europa senden wolten, und wie die Worte etwa ferner lauten mochten etc. da sie uns, wie es denn genommen oder ausgelegt wurde, gantz spitziger und höhnischer Weise eine glückliche Abfahrt und Reise wünschten, auch vielleicht bald nachzukommen versprachen, und was dergleichen Redens-Arten mehr waren, die ich nicht alle von Wort zu Wort behalten können, sondern nur die Haupt-Sache, so den grösten Lerm verursachte.

Diesen Lermen machten hauptsächlich die aus der Insul mit gewesenen Officiers, indem sie die Commandeurs der andern 2. Kriegs-Schiffe unter dem Vorwande gegen den Don Juan aufwiegelten, daß alles dieses eine schändliche Verrätherey sey, die er mit den Felsenburgern abgedroschen, als zu deren Ober-Haupte, oder wenigstens Vice-Könige, er sich ohnfehlbar vor seine Person selbsten aufzuwerffen gesonnen, indem er sich zum öfftern[316] verlauten lassen, daß ihm diese Insul allein lieber seyn solte, als manches kleines Königreich, ingleichen bürdeten sie ihm auf, daß er sich mit dem wenigen Proviant und Schieß-Pulver abspeisen lassen, und nicht darauf gedrungen hätte, daß ihm die Felsenburger mehrere Kostbarkeiten an Gold, Silber, Perlen und dergleichen zinsen müssen, indem es schon längst durch verschiedene Spions verrathen worden, daß sie einen sehr starcken Vorrath von dergleichen Sachen im Vermögen hätten; doch würde er vielleicht die unschätzbaren Diamanten und andern edlen Gesteine, die sie ihm hie und da heimlich zugesteckt, wohl schwerlich zeigen. In Summa: es erhellete klärlich aus allen Umständen, daß Don Juan aus gewissen Absichten, die ihm vor seine eigene Person selbst etwa zum besondern Vortheil gereichen können, die Felsenburger begnadiget, und der Königlichen Ordre nicht behörig nachgelebt hätte, wiedrigenfalls man diese Insul wohl erobern können, und wenn dieselbe noch 10. mahl stärcker bevestiget und besetzt gewesen wäre.

So bald nun diese falschen Beschuldigungen dem Don Juan zu Ohren kamen, ließ er die Commandeurs der andern beyden Kriegs-Schiffe, ingleichen alle übrigen vornehmen See-Officiers zu sich auf sein, als das Haupt-Schiff beruffen, um mit ihnen See- oder Schiffs-Rath zu halten, und sich sonderlich wegen der ihm aufgebürdeten schweren Verbrechen zu entschuldigen.

Seine Feinde und Verfolger kamen hierüber zusammen, und der hefftige Streit mit Worten währete viele Stunden, ja fast die gantze Nacht[317] hindurch, da denn Don Juan de Silves, welchem seine Feinde nichts erweißlich machen, vielweniger ihn mit Worten überwinden konten, ihre Degens auf ihn zogen, und diesen wackern Commandeur mit etliche 20. Wunden ermordeten, wie wir denn solche gantz eigentlich gezählet haben. So bald aber dieselben ihn tod sahen, und bemerckten, daß dieserwegen eine Rebellion auf seinem als dem Haupt-Schiffe entstehen, die sich vielleicht wohl weiter noch auf die andern Schiffe ausbreiten möchte, gaben sie so gleich Befehl als die andern beyden Schiffe, auf das Haupt-Schiff los zu canoniren, und solches, wo möglich, in den Grund zu bohren. Wie wir, als des Don Juans überbliebene Getreuen, dieses kaum pfeiffen hören, warffen sich unser 12. Mann in das gröste Boot, nahmen auch den verblichenen Cörper des Don Juan mit hinein, indem wir gesonnen waren, denselben auf einer der höchsten Sand-Bäncke zu begraben; Allein der Himmel fügte es gantz anders, indem unser Boot auf einer verborgenen Klippe umstürtzte, so daß von unsern Cameraden ihrer 7. ersoffen, mithin bey dem todten Cörper nicht mehr, als wir 5. Mann übrig blieben, worauf uns ein sanfter Wind, an statt, wie wir erstlich vermeyneten, nach den Sand-Bäncken zufuhr, und durch die Gnade und Barmhertzigkeit des Himmels, zwar wider alles unser Vermuthen, an das Ufer dieser Insul trieb. Als welche Insul wir denn mit den allergrösten Freuden so gleich erkañten, einen bequemen Ort zum Anländen fanden, und unsere Leiche, als des im Leben liebgewesenen Commandeurs, Don Juan de Silves, mit[318] ungemeiner Mühe und Arbeit zu Lande brachten, dieselbe nach Soldaten-Art ehrlich begruben, und einen grossen Stein-Hauffen auf das Grab machten, wie denn, meine Herren! selbiges sogleich nach ihrem Belieben in Augenschein nehmen können, auch, so es gefällig, den Cörper können ausgraben, und durch einen Chirurgum besichtigen lassen, denn es kan dieser Cörper, weilen er so nahe an der See, und zwar im schönsten kühlen Sande stehet, binnen so kurtzer Zeit nicht vermodert oder angefaulet seyn. Sonsten aber kan man den Don Juan de Silves an den 3. starcken Narben, die ihm, wie ihnen bekannt, von 3. wichtigen Verwundungen übrig geblieben, gar leicht erkennen, ausgenommen des grossen braunen Muttermahls, welches er an seinem lincken Backen hat. Dieses sage ich darum, wenn sie ja zweiffeln solten, daß dieses der rechte angegebene Cörper wäre. Sonsten aber möchten sich meine Herren vielleicht auch wohl darüber verwundern, wo nemlich wir 5. Personen 5. Flinten, so viel Palläsche, Bajonetts und dergleichen anderes Gewehr hergenommen hätten, da doch unsere 7. Cameraden ersoffen, und ihr Gewehr wohl nicht würden zurück gelassen haben; allein, wenn sie sich bemühen wollen, mit nach unserm Boote zu gehen, welches uns durch des Himmels Fügung anhero gebracht, so werden sie gleich finden, daß wir Recht haben: denn dieses ist eines von der besten Portugiesischen Art, da man in den hohlen Seiten-Wänden des Boots verschiedene Stücke, Ober und Unter-Gewehr, Pulver, Bley und dergleichen verbergen kan, wie wir denn von diesem allen einen noch höchst nothdürfftigen Vorrath haben; so werden[319] sie denn daraus ferner beobachten, daß alles dieses gantz natürlich zugehet.

Nunmehro (so redete der Sergeant ferner) bitten wir uns bey unsern Hochgebietenden Herren dero mächtigen Schutz aus, und zwar in Erwegung dessen, daß uns der Himmel so wunderbarer Weise wieder anhero auf diese ihnen zuständige Insul geführet hat. Auf ihre grosse Insul verlangen wir nicht einmahl unsere Füsse zu setzen, um des Verdachts entübriget zu seyn, als ob wir etwa Spions oder Landes-Verräther wären, als welches der Himmel wolte lassen ferne von uns seyn. Kurtz: wir sind froh, daß wir von unsern Landes-Leuten mit guter Manier abgekommen sind, weilen uns deren Lebens-Art selbsten nicht länger anständig ist, darum wollen wir uns eine geruhigere Le bens-Art erwählen, und um unsere Nahrungs-Mittel zu verdienen, lieber so lange arbeiten, bis uns der Tod der Arbeit entlediget. Unterdessen sind wir, wie sie sehen, alle noch gesunde, frische und starcke Leute, deren der Aelteste etwa von 53. der Jüngste aber von etliche 30. Jahren seyn. Wir sind alle geschickt zu Zubereitung des Holtzes, sonderlich dessen, was zum Schiff- und Häuser-Bau erfordert wird, ausser diesem können wir ja in den Saltz- und Ertz-Gebürgen arbeiten, wenn uns ja unsere Herren dasjenige Brod gönnen wollen, welches wir nicht etwa, so wie vorhero als Faulläntzer, sondern mit ihrer allermöglichsten Hand-Arbeit zu verdienen gedencken.

Meine Freunde! (gab ich ihnen hierauf zur Antwort) nehmet mir nicht übel, daß ich euch dessen, was diese letztere Sache anbelanget, keinen gründlichen[320] Entschluß ertheilen kan, indem ein solches unsern Aeltesten und Befehlshabern erstlich muß vorgetragen werden. So viel aber will ich euch versprechen, daß, wenn ihr GOtt fürchtet, getreu und redlich, keinesweges aber etwa verrätherisch oder tückisch an uns handelt, so könnet ihr arbeiten nach eurem eigenen Belieben, so viel als ihr vermeynet, was etwa zu desto besserer Erhaltung eurer Gesundheit möchte dienlich seyn. Unterdessen möget ihr auch arbeiten, oder gantz und gar nichts thun, als eurer Ruhe pflegen, so soll euch doch von Zeit zu Zeit, und zwar im Uberflusse, so viel an Kost und Wein zugeführet werden, daß ihr nicht zu klagen Ursache haben sollet. Auser dem habt ihr ja die schönsten grossen und auch kleinern Vögel, die wilden Ziegen und noch vielmehr gutes Wildpret, worbey wir uns aber ausbitten, so wohl das Roth- als Schwartz-Wildpret ein wenig behutsam zu tractiren, weiln wir unsre Freude daran haben. Hergegen werdet ihr auser denen grösten Schildkröten und andern Meer-Thieren, welche man nebst den allervortrefflichsten Fischen zur Speise gebraucht, den stärcksten Vorrath ohne besondere Mühe antreffen, und euch dieselben, der Veränderung der Speisen wegen, zu Nutze machen können. Hiernächst wollen wir euch allerhand Handwercks-Zeug, als grosse und kleinere Sägen, grosse und kleine Holtz-Aexte und Hand-Beile, ingleichen Hacken, Picken, Schauffeln, Spaden und dergleichen, so viel, als nöthig zu seyn scheinet, zuschicken, als wormit ihr euch eurer Bequemlichkeit nach, diese oder jene Bewegung zu Erhaltung der Gesundheit, nicht aber zur Schwächung[321] des Leibes machen könnet, denn dieses verlangen wir nicht, weiln wir keine Tagelöhner nöthig haben, sondern unsere selbst eigene Tagelöhner nach eines jeden Vermögen sind.

Nachdem nun diese guten Leute, welche bis dato noch alle lebendig, lustig und guter Dinge anzutreffen sind, diesen Vortrag von mir angehöret, schienen sie von Hertzen darüber erfreuet zu seyn, und wolten uns allen die Hände küssen, allein wir schenckten ihnen diese unnöthige Höflichkeit, liessen uns aber doch aus Neubegierde zu des Don Juans Grabmahle führen, wobey sie denn fragten: ob wir dasselbe wolten eröffnen lassen, um seinen Cörper in Augenschein zu nehmen? da sie sich denn mit etlichen mit Eisen beschlagenen Rudern so gleich darüber hermachen, und dasselbe aufgraben wolten; Allein wir sagten ihnen, daß dieses nur unterbleiben könte, indem wir ihrer Redlichkeit traueten, und den Cörper nicht in seiner Ruhe stöhren wolten. Hierauf lasen wir Felsenburger allen unsern noch bey uns habenden Proviant zusammen, worunter etliche Flaschen Wein befindlich, die sich einige durstige Seelen auf die Reise füllen lassen; wie aber unser eigener Hunger und Durst schon ziemlich gestillet war, und wir binnen wenig Stunden wieder in unsern Wohnungen zu seyn uns vorstelleten, so liessen wir alles dieses unsern neuangekommenen Gästen zurück, die sich denn, wie sie hernach sagten, eine sehr kostbare Abend-Mahlzeit davon zubereitet, welche sie aber nicht alle verzehren können, sondern noch sehr viel bis auf den andern Tag übrig behalten hätten.[322]

Demnach nahmen wir auf dißmahl Abschied von ihnen, nebst der Versicherung, daß wir als Ubermorgen gantz gewiß wieder zu ihnen kommen wolten, da sie uns denn in aller Frühe mit ihrem Boote bis an den Absatz unsers Felsens entgegen fahren könten. Und dieses war der Verlaß, wir aber kamen noch bey guter Zeit nach Hause, so, daß noch Zeit genug übrig war, vor Schlafen-gehen dem Regenten und einigen bey ihm versammleten Mit-Regenten einen ausführlichen Rapport von unserer Reise und vorgefallenen Verrichtungen abzustatten.

Hier traf nun anfänglich wohl recht das gewöhnliche Sprüchwort ein: Laudatur ab his, culpatur ab illis; wie nemlich eine Sache zuweilen von diesem gelobt, von einem andern über getadelt oder verachtet wird; sonderlich muste sich zuerst der gute Eberhard Julius ziemlicher Massen durchhecheln lassen, daß er abermahls 5. neue Stipendiaten, oder wie man sie sonst anderer Orten zu nennen pflegt, Sanct Marx-Brüder gewonnen hatte. Jedoch, nachdem ich meinen Mund auch aufgethan, und mich in dieser meiner gerechten Sache bestmöglichst verantwortet hatte, auch meine mitgewesenē liebe Hn. Brüder u. guten Freunde aufs kräfftigste vor mich redeten, so wurde nach etwas genauerer Untersuchung der Sachen-Beschaffenheit mir zuvörderst und allen andern Mitgewesenen das Lob und der Ruhm beygelegt, daß wir unsere Dinge unvergleichlich wohl gemacht hätten, zur Straffe aber dessen, daß wir alles so wohl besorgt, solten wir auch fernerweit darauf bedacht seyn, daß uns diese[323] Leute nicht etwa mit der Zeit fatal werden, und wohl gar der Insul Groß-Felsenburg einen Stoß geben möchten etc. Hierbey wurde uns auch die Sorge vor ihre Verpflegung und alles dessen, was sonsten dabey vonnöthen seyn möchte, aufgetragen, damit man sehen könne, wie sich diese Leute (welche meine besten Freunde im Schertze nur die Eberhardische Colonie zu nennen pflegten) von Zeit zu Zeit anliessen. Sonsten hätte ich zur Vertheidigung dieser sehr redlich und aufrichtig scheinenden Leute, die, wie wir hernach erfuhren, nicht alle gebohrne Portugiesen waren, noch ein vieles beybringen können, unter welchen mir sonderlich der Sergeant sehr wohl gefiel, als welcher sich vor einen gebohrnen Edelmann ausgab, und sich Don Francisco del Rio nennete, auch nebst dem Spanischen sehr gut Latein redete; allein, es erforderte eben die Noth noch nicht, daß ich sie zu frühzeitig lobte, weiln ich daß feste Vertrauen zu ihnen hatte, daß sie sich durch ihre gute Aufführung bald selbsten Lob und Ruhm erwerben würden. Demnach sorgte nur davor, ihnen mein Wort zu halten, und bestimmten Tages wieder bey ihnen zu seyn. Meine mitgereiseten lieben Brüder, Vettern und Freunde nahmen in der That grossen Theil an diesen meinen ohnbesonnenen Sorgen, mithin wurden in geschwinder Eile 3. Boote ausgerüstet, und nicht allein mit Lebens-Mitteln sondern auch mit den allernöthigsten Stücken, welche zur guten Wirthschafft gehören, beladen. Als einige Stück Feder-Betten, etliche Matrazzen von verschiedener Grösse, Kessel, eiserne Töpffe, Tiegel, Pfannen, Schüsseln, Teller, Löffel, und[324] anderes Küchen-Geräthe, alles nach seiner Art, theils von Meßing, theils von Eisen und so fort, worbey eine erstaunliche Menge Töpffer-Zeug von verschiedener Art zum Gebrauche in die Küche befindlich.

Was die Haupt-Stücke unserer Verehrung aber anbelanget, so mochten es wohl diese heissen, daß ein jeder ein so genanntes Feyer- oder Sontags-Kleid, darbey auch ein von etwas gröbern Tuche, oder gemeines Werckel-Tags-Kleid bekam, welche beyde vollständig nach Felsenburgischer Mode gemacht waren, auser diesem bekam jedweder noch 2. paar Wild-Lederne Beinkleider, auch Schue, Stiefeln u. Strümpffe 3. und 4. fach. Unser Frauenzimmer, deren mancher sonsten ein Zwirns-Faden an das Hertze gewachsen war, wolte seine Freygebigkeit (ich weiß selber nicht warum?) auch auf einmahl zum Vorscheine kommen, und dero Lichter leichten lassen, denn sie beschenckten meine so genannte Colonie, jeden mit 12. Unter-und eben so vielen etwas feinern Ober-Hemden, Halstüchern, Servietten, Handtüchern, Schnupftüchern und andern dergleichen Kleinigkeiten, worbey aber auch die schönsten Bett-Überzüge und Bett-Tücher waren, des übrigen Hausraths gantz und gar nicht zu gedencken. Ja, ich wundere mich bis diese Stunde noch fast halb tod, daß unser Frauenzimmer ihrem zarten Hertzelein damahls dergleichen so gar gewaltige Stösse geben können; Allein die Wahrheit zu bekennen, so haben sie, dem gemeinen Sprichworte nach, nichts weiter gethan, als Speck-Seiten nach Bratwürsten zu werffen. Jedoch umgekehrt: denn ich bin ja lange noch nicht fertig mit erzehlen; hätte mir aber selbsten nicht eingebildet, daß alle diese unsere geringen[325] Geschencke, durch die Gelegenheit, hauptsächlich aber durch die Vorsorge der Himmels-Güte, bey eben dieser Leute Anwesenheit so reichlich solte ersetzt werden.

Jedoch, kurtz zu sagen: so sahen wir unserer Stipendiaten Boot, welches man wohl eine der besten Chalouppen nennen mochte, zu bestimmter Zeit angerudert kommen, weßwegen wir uns denn auch so gleich mit unserer verabredeten Equipage fertig machten, solches nicht lange aufzuhalten, da mir denn dieses am allerlächerlichsten vorkam, daß der liebe Töpfer und Bruder Schreiner, in unsäglicher Eile fast das halbe Schiff mit seinem auserlesensten Töpfer-Geschirre anfüllen ließ, so, daß wir ihn noch bitten musten, den mehresten Theil wieder zurück zu nehmen, und vor uns aufzubehalten, zumahlen, da noch andere Handwercks-Leute, als Böttcher, Tischer, so wohl auch die Künstler, ihre Gaben herbey brachten, und zwar dergestalt reichlich, als ob eine Colonie von etliche 100. Mann vorhanden wäre.

So bald wir aber unsere Sachen alle in beste Ordnung gebracht, fuhren wir mit unsern in der Chalouppe befindlichen Gästen, ohne fernere Weitläufftigkeiten zu machen, nach der Insul Klein-Felsenburg zu, allwo wir unsere Herren Liebhaber alle 5. bey ihrer sich selbst gemachten Taffel antraffen, worbey ich bemerckte, daß sie erstlich eine gute See-Krebs-Eyer-Suppe, die sehr wohl gewürtzt war, hatten; hernach zum andern Gerichte, ein recht unvergleichlich schönes, mit einer gewissen Wurtzel gekochtes Auer-Ochsen-Fleisch; zum[326] dritten Gerichte hatten sie gekochte kleine ungemein wohl schmeckende Vögel, die noch einmahl so groß waren, als in Deutschland die Tauben, aber weit angenehmer schmeckten; zum vierdten Gerichte erschienen zwey gantz gebratene Schmal-Thierlein, anbey 2. desto grössere gebratene wilde Schweine, worbey allerley Sallat in Menge, indem man weder in Klein- noch Groß-Felsenburg, in Betrachtung der Cocos- und andrer Bäume, deren letztern Arten den delicatesten Oel, so wie die erstern Früchte, Sauer und Süsse, von sich geben, auch demjenigen, der es recht verstehet und zu gebrauchen weiß, verschiedene Veränderungen seinem Geschmacke nach beybringen können.

Wir sahen also wohl, daß es diesen guten Leuten, um sich recht zu laben, blos an Wein und Confect fehlete. Da sie aber aus treuhertziger Liebe und Freundschafft uns zu Gästen geladen, wir auch dieselben nicht verschmähet, sondern von allen ihren Gerichten mitgenossen hatten; so liessen wir vorerst nur nach dem ersten Appetite so viel aus unsern Booten herbey bringen, daß wir alle insgesamt satt und zur Gnüge daran hatten.

Unser Medico-Chirurgus, Herr Cramer, war aus dem besondern Antriebe mit uns gefahren, um zu erforschen, ob uns etwa die Portugiesen einen falschen an Statt des Don Juan Cörper in die Erde gescharret, und ein Grabmahl darüber gemacht, mithin uns listiger Weise hintergangen hätten; derowegen wolte er das Grab baldigst eröffnet haben, diesen Cörper, den er im Leben sehr wohl gekennet, auch denselben unter seiner[327] Cur gehabt, aufs allerbedächtigste zu besichtigen, und wenn er auch schon halb verfault seyn solte. Wir baten ihn aber, unsere Lust nicht zu stöhren, zumahlen, da wir ohne dem gern abwarten wolten, wie sich die 5. Leute beginnen würden, wenn sie unsere Geschencke empfiengen, die eben zur selben Zeit von den Booten bereits des mehrersten Theils herbey gebracht waren.

Ich will nichts von der Freude sagen, welche diese Leute bezeugten, da sie sahen, was ihnen zugebracht und gewidmet war, denn dieses ist mir eine unmögliche Sache; jedoch, da sie alles besehen hatten, sagten wir ihnen, daß sie nur auf heute alles bey Seite bringen, und sich einen lustigen Muth machen möchten bis Morgen, da sie denn alles nach ihren eigenem Belieben in behörige Ordnung stellen könten, indem wir noch einen, oder wohl noch 2. Tage bey ihnen zu bleiben gesonnen wären, um ihre neuen Anstalten in Augenschein zu nehmen. Die Leute folgten unserm Rathe, und ohngeachtet, daß sie den allerbesten Wein und auch anderes starcke Geträncke vor sich zu geniessen im grösten Uberflusse sahen, so musten wir uns doch über ihre besondere Mäßigkeit, so wohl im Essen als Trincken, gantz ungemein verwunderen; Demnach begaben sie sich bald bey einbrechender Nacht ein jeder an seinen Ort zur Ruhe.

Hierbey muß ich melden, daß sich auf dieser Insul sehr artige Thierlein, und zwar in weit grösserer Menge befanden, als auf der grossen Insul, welchen unser Frauenzimmer den Nahmen Minions beygeleget hatte. Diese Thierlein waren[328] etwas grösser, als einer der allerstärcksten Hasen, hatten ein Schlos-Schleyerweisses Fell, gefräßig wie die Marter, und waren sehr schnell auf ihren 4 Füssen, hatten auch die besondere Art an sich, daß sie kein Pulver auch nur von ferne riechen konten und wenn nur ein eintziger Schuß in ihrer Gegend, allwo vielleicht ein besonderes Kraut, welches ihrem Appetite convenable war, wachsen mochte, geschahe; so stoben sie alle, wie ein Blitz darvon, und kamen wohl in etlichen Tagen nicht wieder auf denselben Platz. Im übrigen waren ihre Bälge so sein als Zobel-Bälge, oder die in Europa so genannten Wiesel-Fellchen.

Was thut man nicht, um dem Frauenzimmer eine Lust zu machen? derowegen, da die Portugiesen meldeten, daß diese obwohl kleine Thiere, die sie nicht einmahl zu fangen, viel weniger zu tödten gesonnen wären, ihnen dennoch vielen Schaden und Verdruß verursachten, weilen sie weit ärger wären, als die Füchse, Hunde, Katzen und dergleichen naschhaffte Thiere, indem sie ihnen nicht ein- sondern etlichemahl, ohne sich vor dem Feuer zu scheuen, die Bratens von den Spiessen gefressen, so bald es nur demmerig wäre worden. Solchergestalt baten wir die Portugiesen, uns nur in allergröster Geschwindigkeit eine kleine Laub-Hütte etwa auf 2. oder 3. Personen auszubauen, weilen wir eine besondere Art von Schlingen bey uns hätten, worinnen sich wenigstens einige derselbigen fangen müsten. Dieses mit den Schlingen war zwar wohl richtig, allein wir hatten, da wir vernommen, daß die Dinger kein Pulver[329] riechen könten, wir auch ohnedem wohl wusten, daß es eben nicht rathsam sey, bey Nachts-Zeit, zumahlen, einer so geringen Ursache wegen, eine Büchse oder Flinte abzubrennen, so liessen wir etliche Wind-Büchsen aus unsern Booten langen, deren wir sonsten gewöhnlicher Massen etliche bey uns zu führen pflegten, nur blos zur Lust, etwa dann und wann einen Vogel damit zu schiessen.

Des darauf folgenden Tages liessen unsere Gäste erstlich ihr recht vollkommenes Vergnügen über, alle die guten Sachen spüren, die wir ihnen mitgebracht hatten, ja einige waren schon beschäfftiget, sich gleich mit Sägen, Aexten, Beilen, Picken und Hacken etc. an die Arbeit zu machen, worvon wir sie aber abhielten, indem ihnen so wohl als uns dieser Tag noch ein Tag des Müßiggangs und Wohllebens seyn solte. Unterdessen war die schon gedachte grüne Laub-Hütte, welche Mons. Litzberg und ich vor uns aufzubauen bestellet, noch eher fertig, als wir uns deren versahen, welches uns denn anreitzete, sogleich alle unsere Geräthschafft in Ordnung zu bringen; demnach schliechen Mons. Litzberg, Mons. Cramer und ich, also 3. Personen, in diese Laub-Hütte, es hatte keiner aber, den wenigen Proviant ausgenommen, weiter nichts bey sich, als etliche Schlingen und seine Wind-Büchse. Die Dinger nahmen es als unvernünfftige Thiere nicht so bald gewahr, daß wir auf sie laureten, derowegen wurden ihrer 3. erstlich in Schlingen gefangen, 2. aber mit den Wind-Büchsen tod geschossen, so, daß sie auf dem Platze liegen[330] blieben; Allein die andern Herren Minions, als ihre Cameraden, oder Bluts-Freunde, ergriffen von der Stunde an das Hasen-Panier, was Massen wir denn binnen weniger Zeit, (weilen diese Thiere ohnfehlbar Blut gerochen, des Handels inne worden und wohl so bald nicht wieder zu kommen gedachten,) auch uns vor diesesmahl mit unsern 7. Sachen in unsere Hütten zurück begaben, unter der Verabredung, daß wir uns diese und dergleichen Lust noch ein- oder etlichemahl machen wolten.

Es wurde so wohl von unsern Gästen, als andern noch anwesenden Felsenburgischen Freunden bewundert, daß wir so glücklich gewesen waren, dergleichen Helden-Thaten gethan zu haben; Wir aber, nachdem ein jeder noch ein gut Glas Wein getruncken, sahen uns nach der Ruhe-Stätte unserer ermüdeten Glieder um, und da wir dieselben gefunden, streckten wir dieselben, welche ziemlich erkältet waren, darauf aus, ohne uns weiter um die Minions zu bekümmern, als diejenigen, welche wir gefället, und bereits in sichere Verwahrung gegeben hatten.

Es machte dieses ein grosses Aufsehen unter den 5. Portugiesen, indem sie heilig versicherten, daß sie diesen Thieren auf allerhand listige Art nachgetrachtet, ihnen Fallen und Schlingen gestellet, auch öffters mit Pfeilen nach ihnen geschossen, allein sie wären jederzeit unglücklich und ihre Mühe vergebens gewesen, derowegen begaben wir schon gemeldte 3. Personen uns in der darauf folgenden Nacht zum andernmahle in die Laub-Hütte, in[331] Hoffnung, daß wir noch mehr Minions, erlegen, und mit deren Bälgen unserm Frauenzimmer ein Præsent machen wolten.

Allein bey dieser Gelegenheit widerfuhr uns eine Erstaunens-würdige Begebenheit, denn da Mons. Litzberg, Mons. Cramer und ich, auf kleinen Klötzern neben einander sassen, und unsere Augen über die See, nach der Insul Groß-Felsenburg hingewandt hatten, kam, ehe wir uns deren vermutheten, eine erstlich dick scheinende Wolcke aus dem Meere, in Gestalt einer runden Kugel, auf das Ufer herauf gekollert, welche sich denn immer näher und näher nach unserer Hütte zu zukollern schien; allein wenige Minuten hernach verwandelte sich diese Wolcke in die Gestalt eines Mannes, der ein blutrothes Kleid anzuhaben schien, wie wir denn dieses bey dem hellgläntzenden Mondenschein, der, so zu sagen, fast die Nacht zum Tage machte, aufs allergenaueste beobachten konten; indem aber unsere Lauber-Hütte dem Grabmahle des Don Juan de Silves dergestalt nahe entgegen gelegen, daß man wohl mit einer Pistolen-Kugel in den Stein-Hauffen hätte schiessen können, so wurden wir mit fast noch grössern Erstaunen gewahr, daß aus jetzt gemeldten Stein-Hauffen ein dicker schwartzer Nebel aufstieg, welcher sich doch binnen wenig Minuten immer dichter zusammen zog, und endlich ebenfalls in die Gestalt einer Manns-Person verwandelte, die ein gleichförmiges blutrothes Kleid, mit der schon gemeldten aus der See gekommenen Person am Leibe zu tragen schien, denn wir konten bey dem unvergleichlichen[332] Mondenschein alles aufs allergenauste unterscheiden; Allein wir wurden fast gantz auser uns selbst gesetzt, da beyde blutroth gekleidete Personen einander begegneten, und zu dreyen mahlen um den Steinhauffen, oder des Don Juans Grab-Stätte herum giengen. Mir zum wenigsten stunden alle Haare zu Berge, und ich fieng vor Schrecken schon einiger Massen zu zittern und zu bebern an, dergleichen meinen Herrn Consorten, wie sie mir nach der Zeit bekennet, ebenfalls wiederfahren ist. Allein was geschahe? nachdem diese beyden Gespenster, oder Geister, 3. mahl um den Stein-Hauffen herum gegangen, machten sie ihre Wendung so, als ob sie auf unsere Hütte zu spazieren wolten, da denn unsere Angst und Furcht, wie leichtlich zu erachten, sich nicht um ein geringes vermehrete, jedoch wir blieben gantz stille sitzen, auser dem, daß wir unsere Schnupfftücher heraus zogen, und vor Mund und Nase hielten. Inmittelst fiel uns dieses als etwas recht erschröckliches in die Ohren, daß bey ihrer ersten Begegnung, der Geist des Don Juans mit einer gräßlichen und dumffigten Stimme dem Angekommenen also entgegen rief: Wer da? Wer bist du?

Hierauf anwortete der Angekommene ebenfalls mit einer gräßlichen und heisern Stimme.


Ich bin der Geist des Lemelié, eines in seinem Leben sehr berühmten See-Capitains, von welchem die Felsenburger viel werden zu sagen wissen, indem er sein Andencken bey ihnen verewiget hat, so daß seines Nahmens[333] Gedächtniß nimmermehr ersterben wird. Weilen ich nun im Reiche der Todten dein Schicksaal und einen guten Theil deiner Begebenheiten so wohl, als den Ort deines Begräbnisses erfahren, so habe, weil wir beyde fast einerley Verhängniß auf Erden gehabt, der meiner Nation angebohrnen Höflichkeit nach, mir eine Schuldigkeit daraus gemacht, aus meiner Grufft herüber zu dir zu kommen, und mich einer und anderer Sachen wegen mit dir zu unterreden.


Wem solte wohl die Haut nicht schaudern, wenn er dergleichen Worte hörte, die wir alle insgesamt gantz deutlich hören und vernehmen konten, zumahlen, da dieselben von einem verfluchten und verda ten Geiste ausgesprochen wurden? Jedoch, da wir vermeynten, sie würden uns näher kommen, sahen wir, daß sie sich anders bedachten, und vor unserer Laub-Hütte gantz sachte vorbey spazierten, da wir denn vernahmen, daß der erste, nemlich des Don Juans Geist, im währenden Gehen also redete:


Ich habe schon in meinem Leben viel von deinen seltsamen Begebenheiten erfahren, und bedaure nur, daß wir beyde nicht zu einer Zeit gelebet haben, und einander kennen sollen. Im übrigen habe ich nicht geringe Ursache, dir eine und andere wichtige Geheimnisse zu eröffnen, und deiner Verschwiegenheit anzuvertrauen; nicht aber auf dieser elenden Insul allein, sondern ich will über 3. Tage in der Mitternachts-Stunde bey deiner[334] Grab-Stätte erscheinen, und mich mit dir gantz allein, ohne Beyseyn weder Menschen noch Geister, besprechen.


Hierauf schien es, als wenn diese verfluchten Geister einander die Hände reichten, und weiter zusammen fort spazierten, bis in das Feuer-Loch, welches unsere Portugiesen sich zum Kochen und Braten gemacht, in welchem sie sich denn etlichemahl bald lincks, bald rechts herum dreheten, hernach aber nach dem Gebürge zugiengen, und in der Gegend des grossen Berges aus unsern Augen verschwanden; wir höreten zwar alle drey, jedoch nur in etwas, daß sie weiter mit einander redeten, konten aber wegen der Ferne nichts eigentliches verstehen, doch bemerckten wir, daß sie zum öfftern mit den Füssen auf den Erdboden stiessen, auch bald gegen das Gebürge, bald in das Feuer-Loch, bald in andere Gegenden mit Fingern zeigten.

Wie nun aber nicht allein die fürchterlichen Mitternachts-Stunden verschwunden waren, sondern sich auch schon einige Vorläuffer des Tags-Lichts blicken liessen, so bekamen wir gedoppelten Muth, und suchten unsere Ruhe-Stätte, nachdem wir in dieser schreckhafften Nacht noch 5. so genannte Minions in den aufgestellten Schlingen gefangen hatten, die wir mit zu den vorigen legten, im übrigen aber keinem Menschen etwas davon sagten, was uns in abgewichener Nacht erschienen wäre.

Auch dieses angebrochenen Tages musten sich die Portugiesischen Gäste annoch in unserer Gegenwart lustig machen, da wir ihnen denn von den[335] besten Speisen und Geträncken alles im Uberflusse se zukommen liessen. Was ihnen die gröste Freude machte, waren die Kleidungs-Bett- und weisser Wäsche-Stücke, den übrigen Hausrath aber hatten sie in aller Geschwindigkeit dergestalt ordentlich rangirt, daß wir vor dißmahl an ihrer Einrichtung eben nichts auszusetzen hatten, jedoch ihnen in einem und andern Stücken, besserer Ordnung wegen, guten Rath und Anweisung gaben.

Mittlerweile aber, zumahlen, da wir des fernerweitigen Minions-Schiessens überdrüßig waren, gaben wir unsern Gästen noch allerhand gute Lehren, und stelleten Ordres, wie sich dieselben hinkünfftig auch auser unserer Gegenwart verhalten und aufführen solten, mit dem Versprechen, daß wir bey Beobachtung ihrer guten Aufführung ihnen alle nur ersinnliche Gefälligkeiten erweisen wolten, da sie denn ihre Treue und Redlichkeit mit ohnabgeforderten feyerlichen Eydschwüren von selbsten abstatteten, worauf wir abermahls von ihnen hinweg und nach Hause zu ruderten, die Unserigen auch, nachdem wir ihnen die Conduite der Portugiesen, der Wahrheit gemäß, aufs beste vorgemacht hatten, ziemlich beruhigt zu seyn antraffen. Von der Begebenheit aber, der aus 3. offt gemeldten Personen erschienenen Gespenster, sagten wir vor dißmahl niemanden auch das geringste Wort, ausgenommen den Hrn. Geistlichen, welche sich ungemein darüber verwunderten, da sie aber höreten, daß ich die Zeit und Stunden abpassen wolte, wenn des Don Juans Geist dem Lemelié, seinem Versprechen gemäß, eine Gegen-Visite[336] geben würde, so wolten mir anfänglich die Hrn. Geistlichen ein solches aufs allervertraulichste widerrathen, und nicht zugeben, sich fernerweit in ein solches Satans-Spiel zu mischen, sondern riethen um selbige Zeit viel lieber ein andächtiges Gebet vor mich selbst und alle Insulaner gen Himel zu schicken; Allein hier traf bey mir das Sprichwort wohl recht ein: Nitimur in vetitum semper cupimusque negata. Das heist so viel, daß wir Menschen gemeiniglich am allerliebsten dasjenige thun, was uns verboten oder untersagt ist. Mithin wurde ich in meiner Neubegierde nur immer hitziger gemacht, und da Mons. Litzberg und Mons. Cramer auch Schwans-Federn, oder, besser zu sagen, Hasen-Hertzen bekommen hatten, und mir auf meine freundliche Anfrage: ob sie sich mit mir zu der bewusten Zeit auf den Gottes-Acker an des Lemelié Schand-Seule wagen wolten? eine kaltsinnige abschlägige Antwort gaben, ließ ich mich weiter gegen niemanden das geringstemercken, erwehlete mit aber in aller Stille in meinem Hertzen 2 wohlbekannte Felsenburgische Männer, die mir wohl ohngefehr an Jahren gleich waren, und von denen ich versichert war, daß sie eine vollkommene Hertzhafftigkeit besässen, auch sich weder vor Gespenstern, noch dem Satan selbsten, vielweniger vor Menschen scheueten, weilen ich von ihrer Hertzhafftigkeit nicht eine, sondern etliche Proben erfahren. Diesen beyden Brüdern vertrauete ich das gantze Geheimniß in aller Stille, eröffnete ihnen mein Vorhaben, und brauchte nicht viel Worte zu verlieren, als sie sich sogleich dergestalt[337] erkläreten: sie wolten niemanden nichts von der Sache sagen, hergegen sich GOtt befehlen, fleissig beten, und mitgehen, wo ich sie hinführete; da sie mich denn in der Mitten behalten, jedoch pro forma nur, ihr Ober- und Unter-Gewehr mit sich tragen wolten; Ich versprach dergleichen zu thun, ohngeachtet ich wohl wußte, daß bey solchen Begebenheiten weder Ober- noch Unter-Ge wehr viel nützen kan; Nachhero aber wurde verabredet, zu welcher Zeit und Stunde und auf welcher gewissen Stelle wir alle dreye einander antreffen wolten. Demnach hatte ich weiter nichts auf meinem Hertzen, als mich mit guter Manier von meiner Frauen abzuschleichen, weilen ich bereits merckte, daß eine und andere Weiber-Klatschereyen entstanden waren; allein dieses gieng gantz gut an, indem mich der Regente zur Abend-Mahlzeit zu sich bitten ließ, welches ich denn nicht absagen wolte, sondern mit meinem Vertrauten (an andern Orten werden solche Personen Bedienten genennet) der bekannter Massen ein recht sehr artiger Felsenburgischer Jüngling war, immer nach der Alberts-Burg zugieng. Jedoch, da ich meine Gelegenheit ersahe, und vermuthete, daß, da ich etwa allzu lange und über die, mit meinen Wagehälsen abgeredete Stunde, versäumen möchte, welche mit dem Glocken-Schlage der toten Stunde, (so bald die größte Glocken-Uhr dieselbe angezeiget hätte, bestimmt war,) so machte ich mit besagten meinem Vertrauten lincks um, marchirte mit ihm gerades Weges nach dem Gottes-Acker zu, da ich denn, weil ich auf der bestimmten Stelle[338] meine vertrauten Freunde abgeredter Massen antraf, noch fernere Abrede nahm, daß ich mich an des verfluchten Lemelié Schand-Seule postiren wolte; sie aber möchten sich darum vergleichen, welcher unter ihnen bey den beyden Pyramiden Alberti Julii I. und der Concordiæ als unseren Ur-Eltern, ihnen zu Ehren, Schildwacht halten wolte, indem wir solchergestalt alle 3. nur auf wenige Schritte von einander entfernet wären, und bey jetzigem vortreflichen Mondenscheine, einer dem andern fast das weisse im Auge erkennen könte, wessentwegen wir denn auch gantz und gar keine Ursache uns zu fürchten hätten, zumahlen, da wir uns insgesamt in den Schutz unsers allmächtigen GOttes befohlen, als welcher den Satan dergestalt binden könte, daß er uns, die wir als getauffte Christen ohne dem die Herrschafft über den Satan und sein gantzes höllisches Heer hätten, auch nicht die kleineste Haar unsers Haupts zu krümmen vermögend sey.

Nun weiß ich mich zwar, als ein guter Christ, sehr wohl zu bescheiden, daß GOtt seinen Schutz und Schirm nur denjenigen versprochen, die auf ihren Berufs-Wegen bleiben und nicht etwa extra vagiren; wie mir den dieses von unsern Herrn Geistlichen nachdrücklich genug vorgestellet wurde; Allein diese Sache hatte gantz eine andere Beschaffenheit, wovon ich eben jetzo nicht viel Worte machen will, weilen sonsten befürchten müste, daß einer oder anderer Blödsinniger unter uns vielleicht auf die Gedancken gerathen möchte, ich wäre etwa eben um dieselbe Zeit ein FanaticusManiacus[339] oder gar Delirante gewesen; es dienet inzwischen demjenigen, der etwa so dencken möchte, zur freundlichen Nachricht, daß er von seinen Gedancken betrogen wird; Was ich aber ausgestanden habe um dieselbe Zeit, so wohl bey täglicher als nächtlicher Weile, und was ich vor Anfechtungen und Streit mit solchen Gegnern gehabt, die unsichtbar und zum Theil nicht zu nennen sind, davon will ich auch nichts sagen, als nur dieses, daß meine redliche Meynung war, mein Leib und Leben dem Vaterlande, dem grossen GOtt aber meine Seele aufzuopffern.

Keinen fernern Umschweiff aber in meiner Erzehlung zumachen, so melde, daß wir 3. geschworne Brüder einander zu bestimmter Zeit am ebenfalls bestimmten Orte antraffen, weßwegen ich meinem lieben Vertrauten das consilium abcundi gab, allein, er war in der Philosophie doch so weit gekommen, zu erwegen, daß es jetzo keine Zeit sey, mich, den er aus getreuen Hertzen vor vielen andern liebte, im Stiche zulassen, ohngeachtet er sahe, daß ich 2. meiner allergetreusten Freunde bey mir hatte.

Aber weiter: wir machten unsere Sache gantz ordentlich, ich bekletterte ohne besonderes Grauen den Stein-Hauffen, der um des Lemelié Schand-Seule herum liegt, und lähnete mich auch so gar nach dem ich mich niedergesetzt, mit dem Rücken gantz genau an gemeldete Schand-Säule, (welches ich nun wohl hätte können bleiben lassen); Aber der Centner meiner damaligen Hertzhafftigkeit oder Courage, wie man das Ding heutiges Tages[340] zu nennen pflegt, (und welches Wort die Herrn Europæer mit herüber gebracht) wug zu derselben Zeit vielmehr Pfunde, als nach Rechnungen hier und dar ausgemacht ist, die doch, wie ich gehöret, auch hie uñ da ziemlicher Massen falliren, oder wenigstens eine starcke Confusion im Handel und Wandel verursachen.

Weilen aber alle diese Ausschweiffungen zur Erzehlung der Haupt-Geschichte wenig dienen, so melde weiter, daß, nachdem ein jeder von uns seinen erwehlten Posten wohl besetzt, endlich die Seiger-Glocken die 12te Stunde anzeigten; da denn, so bald die allergröste Repetir-Glocke kaum ausgebrummet hatte der Geist des Don Juans in eben der Gestalt erschien, als ich denselben schon vorhero gesehen hatte; führete aber so wohl in seinem Rachen und Händen solche Dinger, die Feuer-Funcken von sich sprüheten, worvor sich meine Person jedoch gantz und gar im geringsten nicht fürchtete, weilen mir die Feuerwerckerey eben nicht so gar sehr unbekannt (obschon nicht die höllische). Unter den Steinen, worauf ich saß, fieng es zu beben an, ja es kollerten ihrer viele ohnangerührt von dem Hügel hinunter. Hierauf stieg der Geist des Lemelié allmählig aus seiner Grufft empor, und bewillkommete, wie ich bemerckte, seinen angekommenen Gast, mit gantz besonderer Zärtlichkeit; von ihren Worten aber, die sie bey der ersten Zusammenkunfft mit einander wechselten, schweben mir noch diese hauptsächlich im Gedächtnisse:

[341] Don Juans Geist: Ich halte mein Wort, dich zu besuchen, es solte mir aber Leid seyn, wenn ich dich in deiner Ruhe stöhrete:

Hierauf antwortete der

Geist des Lemelié: Ich bin über deinen Zuspruch mit einem solchen Vergnügen überschüttet, als nur immermehr ein Geist empfinden kan, und wovon die Sterblichen gantz und gar nichts wissen, oder empfinden können; Allein! (sprach der verdammte Geist) wir wollen noch ein mehreres mit einander reden, darum folge mir nach.

Demnach fasseten sich beyde Geister-Personen an die Hände, und giengen in den grossen Garten, allwo sie unter beständigem Gespräch nicht anders thaten, als ob es in der schönsten Frühlings-Zeit gewesen wäre.

Meine Geferten folgten mir getreulich auf dem Fusse nach, und haben mit angehöret, was diese verfluchten Geister vor erstaunliche Worte mit einander gewechselt; Sie haben auch ihre Aussage nach der Zeit redlich gethan, und dieselbe recht mit einem cörperlichen Eyde bekräfftiget, wovon ich itzo, da ich doch noch vielmahl gehöret und verstanden, als sie, eben keine weitläufftige Wiederholung thun will, weil es schon in unser Archiv ad Acta gebracht ist.

Ich fahre nun aber in der Geschichts-Erzehlung weiter fort, und berichte, (weilen ich wegen Anwesenheit vieler unverständigen und unmündigen auch supersticiösen Leutchen kein besonders Lerm stifften will, bis der Ausgang so gar bis[342] auf die späten Nachkommen zeiget,) daß Eberhard Julius sich so wohl gegen GOtt, als Menschen vollkommen redlich aufgeführet, und jederzeit bey der Verantwortung wohl zu bestehen getrauet.

Als die beyden vermaledeyeten Geister nun vor der Alberts-Burg stunden, sagte der Geist des Lemelié: Dieses ist der verfluchte Hügel, welcher, wie man höret, nunmehro eine Burg genennet wird, unter welchem ich in einem Gewölbe bin umgebracht, und in das Reich der Todten geschickt worden.

Nachdem er nun noch viele erschreckliche Worte, ja die gräßlichsten GOttes Lästerungen ausgestossen, welche auch nur nachzusagen, ein Christe billig Scheu tragen muß, worbey uns allen die Haut schauderte und die Haare zu Berge stunden: giengen die Verfluchten weiter herunter, und blieben der Kirche, oder unserm Haupt-gemeinschafftlichen-GOttes-Hause gegen über stehen, worbey ich vor meine Person aber nur so viel sagen, daß ich zwar ein Gemurmele mit Worten unter ihnen vernommen, nicht aber berichten kan, worinnen diese Worte eigentlich bestanden, als welche mir durch einen fatalen Nord- Wind vor meinen Ohren hinweg gewehet wurden, geschweige denn das gantze Gespräch.

Mittlerweile, da eben ein Sonn- und zugleich ein Fest-Tag eingefallen war, wurde bey Anbruch des Tages die erste Losung mit einem Carthaunen Schusse von der Alberts-Burg gegeben, um den Insulanern gewöhnlicher Massen, ein solches anzudeuten, da denn in selbiger Minute die verdammten Geister vor unsern Augen gleich auf der Stelle vor[343] der Kirche verschwanden. Worauf wir Wagehälse erstlich einander noch einmahl ansahen, hernach aber noch vor der Kirche zu Herr M. Schmeltzern, sodann auch zu dem Regenten uns verfügten, und ihnen alles erzehleten, was wir gehöret und gesehen hatten; anbey baten: dieserwegen der Gemeine nicht sogleich die Ohren zu füllen, worinnen sie uns, sonderlich der Schwachen und Blödsinnigen wegen, auch den grösten Beyfall gaben, so, daß die allerwenigsten von unsern Insulanern gewahrt wurden, was sich vor eine sonderbare Begebenheit mit uns zugetragen.

Wenige Tage hernach verfügte ich mich mit Mons. Litzbergen, Mons. Cramern, meinen zweyen in der Gefahr gehabten Beyständen, hiernechst in Gesellschafft noch mehrerer hertzhaffter Leute, abermahls in 2. Booten hinüber auf die Insul Klein-Felsenburg, um zu vernehmen, was etwa allda inzwischen vorgegangen wäre. Unsere Gäste waren recht ungemein er freuet, uns wieder zu sehen, und da wir ihnen noch eine und andere Nothwendigkeiten und Bedürffnissen mitbrachten, beklagten sie sich mit recht traurigen Geberden darüber, daß wir sie mit allzu vielen Wohlthaten fast überhäufften. Da wir aber weiter nach ihrem Zustande und Lebens-Art fragten, konten sie nicht von Wunder genug sagen, was ihnen vor seltsame Streiche passirten, denn ohngeachtet sie bey Tage gantz vergnügt und ruhig lebten, inmassen allezeit ihrer 4 arbeiteten, der 5te aber Wechselsweise die Küche, den Fischfang und dergleichen besorgen müste, so würden sie des Nachts um so viel desto hefftiger gehudelt, nicht allein von den verzweiffelten Affen und so genannten [344] Minions, als welche ihnen alles Töpffer-Geschirre und andere zerbrechliche Sachen in tausend Stücken schmissen, oder öffters weit von der Stelle hinweg schleppten, so, daß sie immer zu, bald dieses bald jenes Hausraths-Stück mit gröster Mühe zu suchen, mithin die Zeit zu versäumen, und sich darbey zu ärgern gemüßiget wären. Nun hätten sie sich zwar seit kurtzem so wohl vor den Affen, als auch den Minions ziemlicher Massen Friede geschafft, indem sie sehr öffters Feuer auf sie gegeben, und sehr viele erlegt, auch viele in aufgestelleten Fallen, Schlingen, gemachten Löchern, woraus sie, wenn sie einmahl drinnen, nicht leicht wieder heraus kommen könten, lebendig gefangen; Allein dieses wäre das allergeringste, indem sie, einer wie der andere, nicht allein bey Nachts, sondern auch zum öftern bey hellem-lichten Tage von unsichtbaren Geistern oder Gespenstern gequälet und geknippen würden, als worvon sie noch itzo die braunen und blauen Flecke an Armen und Beinen, ja am gantzen Leibe aufzuweisen hätten, welches alles sie bishero mit ziemlicher Gelassenheit erdultet hätten, in die Länge aber ein solches Teufels-Spiel nicht vertragen, sondern dem Teufel zum Trotze schon andere Mittel vorkehren wolten, worzu ihnen nur noch eine und andere Sachen von gantz geringem Werthe fehleten, welche sie aber nicht bey sich hätten, vielweniger auf dieser Insul finden könten.

Wie wir nun fragten, was denn dieses eigentlich vor Sachen wären, und ob man nicht vielleicht Rath schaffen könte, dieselben herbey zu schaffen? so winckte Don Rio dem gegen ihm übersitzenden 53.[345] jährigen Manne, der Vincentius genennet wurde, nur mit den Augen, da denn derselbe mit ihm zugleich aufstunde, und beyde sich etliche Schritte weit von uns entferneten, jedoch Don Rio kam zurück, und bat Mons. Litzbergen, Mons. Cramern und mich, nur auf etliche Schritte mit ihnen Lustwandeln zu gehen, um ein und andere Worte von ihm und seinen Geferten anzuhören.

Wir stunden also alle 3. auf, und wandelten mit den vorbemeldeten zweyen des geraden Weges auf dem angenehmen grünen Rasen nach dem Geburge zu, da denn unterwegs Mons. Vincentius von ohngefehr also zu uns zu reden anfieng: Meine Herren! Sie halten mich 53. bis 54. jährigen Mann zwar vor einen Portugiesen, allein die Wahrheit zu bekennen, welches ich auch erweißlich machen kan, so bin ich ein gebohrner Spanier. Von meiner Geburt und Auferziehung, auch weß Standes meine Eltern gewesen, will voritzo, da es zu weitläufftig fallen möchte, wenig oder gar nichts, sondern nur so viel melden: daß ich schon in meinem 12ten Jahre mit einem gewissen Cavalier, der ein Sohn des allervornehmsten Grand d'Espagne war, auf eine ihnen vielleicht allen wohlbekannte Spanische Universität zog, um demselben als ein so genannter Page aufzuwarten. Es war in so weit dieses eine gantz gute Sache vor mich, da ich mich bey der Gelegenheit wohl auch in literis solcher Massen perfectioniren können, daß ich etwa einmahl mit der Zeit, unter der damaligen verwirrten Regierung mein Conto hätte zu suchen gewust; Allein mein Herr war ein wüster und wilder Kopff, schob alle[346] guten Bücher und Wissenschafften bey Seite, und erwehlete sich dagegen nichts anders zu seinem Vergnügen, als nebst dem Frauenzimmer, die Magiam, oder die so genañte Schwartze-Kunst, verwendete auch darauf, auser der edlen Zeit zu gebrauchen, als die er wohl hätte nützlicher anwenden können, entsetzlich starcke Geld-Summen, indem er jederzeit die allerberühmtesten Zauberer und Schwartz-Künstler aus allen Reichen der Welt zu sich kommen ließ, und dieselben zum öfftern recht Königlich bewirthete, auch über alle Gebühr kostbar beschenckte. Er erreichte zwar hierdurch seinen vorgesetzten Zweck, indem er es in der Magia, oder so genañten Schwartz-Künstlerey, ungemein hoch brachte, weiln er aber nicht allein einen, sondern vielleicht wohl 3. oder mehr hochtrabende Spanische Geister in seinem Cörper haben mochte, so setzte er nicht allein, wie gesagt, alles andere, sondern auch GOtt, alle seine Heiligen, ja sein gantzes Christenthum wider besser Wissen und Gewissen zurücke, und machte sich eben zu der Zeit, da er es aufs allerhöchste gebracht zu haben vermeynete, dergestalt jämmerlich und erbärmlich unglücklich, daß, so offt ich nur noch daran gedencke, mir alle Haare auf dem Kopfe zu Berge stehen. Es war aber hieran nichts Schuld, als sein eigenes hochtrabendes, unbedachtsames, zuweilen recht einer halben Raserey gleichendes unchristliches Verfahren, weßwegen denn gantz und gar nicht zu verwundern, daß der barmhertzige und langmüthige GOtt endlich des Erbarmens und seiner Langmuth müde wurde, seine Gnaden-Hand von ihm abzohe, und ihn den Klauen des Satans überließ.[347]

Ich vor meine Person, weilen ich bey damahligen Zeiten einen eben nicht allzu ungelehrigen Kopff hatte, positirte bey der Gelegenheit ein vieles, deñ ich erlernete das Geister-Bannen, Geister-Beschweren und viele andere Kunst-Stücke zwar aus dem Grunde, versuchte auch solches nicht einsondern sehr viele mahl, allein es kam eine Zeit, da ich an GOtt, seine Heiligen und meine eigene Seele zu gedencken anfing, ohngeachtet mir alles, was ich nur vorgenommen, nach Wunsche ergangen und abgelauffen war; Da ich aber niemahls ein recht ruhiges Hertze oder Gewissen in mir verspürete, als begab ich mich zu einem wohlbekannten vornehmen Geistl. welchem ich mein Anliegen entdeckte, auch von ihm Trost und Rath zur Gnüge bekam, indem er mir vorsagte, daß ich die Kunst zwar wohl beybehalten könte, weilen es eine gantz edle Kunst u. Wissenschafft wäre; nur aber würde ein gutes Christenthum und hiernechst eine gute gesunde Vernunfft darzu erfordert. Diese Lehren waren in Wahrheit nicht zu verwerffen; weiln ich aber, ohngeachtet ich noch ein junger wollüstiger Kerl war, ich weiß selbsten nicht warum, einen heimlichen Abscheu vor dieser Kunst bekam, da ich doch in einem und andern Stücken mich wohl einiger Massen hätte können glücklich machen, als suchte mein Vergnügen unter dem Soldaten-Leben, bekam auch bald Dienste beym Leib-Regiment des Königs, als Sergeant. Etliche Monate ließ ich mir diese Dienste gefallen, hernach aber, da ich bemerckte, daß das Glücke mit mir nur, wie mit einem leichten Feder-Balle, auf dem Lande zu spielen gesonnen, drehete ich meinen[348] Kopff auf die andere Seite, und nahm Dienste unter den See-Leuten, habe auch verschiedene Fahrten nach Ost- und West-Indien mitgethan, auch dieses und jenes, sonderlich mit Beyhülffe meiner Kunst und Wissenschafft, erfahren; Allein die Zeit will es vorjetzo nicht leiden, ihnen, meine Herren, etwas ausführlichers davon wissend zu machen. Derowegen will solches mit dero gütigen Erlaubniß bis auf eine andere Zeit versparen, hergegen unsern Herrn Wohlthätern ein Geheimniß und solche Sachen eröffnen, woran weit mehr gelegen ist.

Sie sind, (sprach Vincentius zu Mons. Litzbergen, Mons. Cramern und mir) meine Herren! wie ich meinem einfältigen Verstande nach vermuthe, ohnfehlbar weder die ältesten, noch jüngsten Befehlshaber unter ihrer gantzen Familie; allein, ohne sie in das Angesicht zu rühmen, so halte davor, daß ohne euch der andern Ruhm zu verdunckeln, eure Personen vor vielen andern die klügsten und geschicktesten seyn, welche zu kennen ich die Ehre nicht habe. Demnach, weil mich ein von Gott gesandter guter weisser Geist antreibt, und mir keine Ruhe läst, bis ich ihnen, wie er spricht, dasjenige Geheimniß offenbarer, woran so vielen 100. ja 1000. und noch mehr Menschen gelegen, so will ich es auch auf mein gutes christliches Gewissen thun; lassen sie sich nur vorhero erstlich von dem dritten Manne erzehlen, was uns seit ihrer letztern Abfahrt betrachtens würdiges begegnet ist, welches mit allen schon erzehlten Kleinigkeiten in so weit keine Gemeinschafft haben mag. Demnach rufften so wohl Don Rio, als Vicentius ihre Cameraden herbey, und[349] sagten zu ihnen, daß sie auf ihr gut Gewissen aussagen solten, was ihnen seit unserer Abfahrt vor hauptsächliche Streiche begegnet wären; da dann so viel heraus kam, daß, als sie gleich andern Tages nach unserer Abfahrt Feuer in ihrem Feuer-Loche, oder, besser zu sagen, Feuer-Heerde angemacht, ihre Töpffe mit dem Fleische und Gemüse angesetzt, auch die Braten ordentlicher Weise an die Spiesse gesteckt, kaum aber nur etwa 10. Schritte von dannen gegangen, sich, da sie sich umgesehen, der Erdboden unter dem Feuer-Loche, ja noch viel weiter herum dergestalt erhoben und erschüttert, daß sie nicht anders vermeynet, es würde alles in das Feuer und in die Asche geworffen seyn, weßwegen sie sich schon nach dem Behältnisse der trockenen Speisen umgesehen, weilen der Zweiffel bey ihnen entstanden, daß sie diesen Mittag etwa Warmes möchten zu geniessen bekommen; allein, da sie sich nach etwa 2. Minuten nochmahls umgesehen, wären sie gewahr worden, daß weder ein Feuer-Brand, noch ein Topff verrückt oder verwahrloset, vielweniger die Braten beschädigt worden, demnach hätten sie ihren Heiß-Hunger zu stillen, keine fernern Weitläufftigkeiten gemacht, sondern aufgetragen, und ohne Sorge, mit Appetite gespeiset, unter währenden Speisen aber, ohngeachtet sie doch ihr Tisch-Gebet verrichtet, wäre der Satan dennoch geschäfftig gewesen, indem Angesichts ihrer, auf etliche Schritte herum, mehr als 20. bis 30. grosse Maulwurffs-Hauffen aufgeworffen worden, die aber die gewöhnlichen Maulwurffs-Hauffen um ein gewaltiges übertroffen, da sie ohngefehr wohl noch 4[350] mahl grösser wären, als die sonst gewöhnlichen Maulwurffs-Hauffen, welche man noch bis diese Stunde in Augenschein nehmen könte. Bey der Abend-Mahlzeit wäre ihnen, wie sie sagten, ein gleiches wiederfahren, mit dem Zusatze, daß sie vor den so genannten Minions fast keinen Bissen-Brod in den Mund stecken können, sondern immer einen Dolch, oder wenigstens Messer in der Hand haben müsten, um sich dieser vermaledeyeten Thüre erwehren zu können, als welche sie einer und anderer Umstände wegen, vor verdammte Seelen und Plage-Geister der Menschen hielten.

Wir hätten fast über die Einfalt unserer Gäste lachen mögen, allein Vincentius gab uns einen Winck, ihm nebst dem Don Rio zu folgen: da er denn, als wir uns etwa auf die 50. bis 100. Schritte von der übrigen Gesellschafft abgewendet zu uns 3 Felsenburgern, die wir gantz allein auf einem bequemen Platze bey ihm stehen blieben, seinen Spruch also anfieng (ohne daß wir gewahr wurden, daß er uns in einen Circkel runden Creyß geführet): Ihr Herren! Ihr wisset nicht, worauf wir jetzo stehen und vermeynet vielleicht, daß wir auf einem blosem Grase-Lande stünden; allein, weit gefehlt, denn diese Insul hat nicht allein einen güldenen Grund und Boden, sondern auch über dieses so viele Schätze und Kostbarkeiten in sich dergleichen die besten Europæischen Königreiche aufzuweisen gantz unvermögend sind. Ich sage weiter nichts, als dieses, daß in dem gegen uns über liegenden Gebürge, sonderlich aber in dem Grunde des grossen Berges nur allein so viele Reichthümer stecken, welche weder[351] Portugall, noch Spanien an sich zu kauffen im Stande sind; Allein, meine Herren! (redete er ferner) ob ihr gleich noch zur Zeit nicht hintergangen, oder betrogen seyd, so könte es doch vielleicht in aller Kürtze geschehen, wenn nicht der allmächtige GOtt ein besonderes Auge auf euch hat, denn ich bin in meinem Christenthume so weit erfahren, daß derselbe Allmächtige heute bey Tage keine auserordentlichen Wunder mehr thut, sondern es auf der Menschen eigene Conduite ankommen lässet, ob sie seinem vorgeschriebenen Gesetze folgen wollen, oder nicht. Nun aber will euch Herren Felsenburgern nur so viel im Vertrauen sagen, daß ihr viel Feinde habt, und zwar eures guten und geruhigen Lebens halber, wer aber dieselben sind, solche will voritzo eben nicht alle mit Nahmen nennen, jedoch die Herrn H.-- nicht verschweigen, die schon seit einigen Jahren her, ziemlicher Massen nach euch geangelt haben, jedoch eure gantz besondere Vorsichtigkeit hat alle ihre Anschläge, ohngeachtet, daß sie alle eure Umstände, euren Reichthum und, so zu sagen, den Bissen, den ihr in den Mund steckt, und den Tropffen, den ihr aus euren Bechern trinckt, auf das allergenaueste wissen, bis hieher zu nichte gemacht. Wie es zugehet, daß ihr bey diesem und jenem so verrathen seyd, will ich eben jetzo nicht sagen, denn das ist res altioris indaginis; Dieses aber kan ich im allergröstem Vertrauen sagen, daß zwey verdammte-Geister gegen euch gedungen worden, so wohl euch, als uns armen 5. ehrlichen Kerls zu verderben, allein, ihr gantzes Vernehmen soll ihnen fehlschlagen. Ich weiß gewiß, daß ihr diese verda ten[352] Geister nicht allein hier auf dieser kleinen Insul, sondern auch auf Groß-Felsenburg in blutrother Kleidung gesehen habt, ich habe sie auch gesehen, und will sie euch wieder vorstellen, so bald die Mitternachts-Stunden heran nahen, da sie denn vermöge meiner Kunst, auf Händen und Füssen zu mir gekrochen kommen, und auf alle meine Fragen richtige Antwort geben sollen, wo dieses nicht geschicht, so will ich sie in eurer Gegenwart mit einer Knoten-Peitsche tractiren, wie die Hunde. Diese Curiosität abzuwarten, habt ihr weiter nichts zu thun, als daß ihr in meinem gemachten Circkel, ohne viele Worte mit einander zu reden, gantz stille sitzen bleibt, und euch auch so wenig, als nur immer möglich, bewegt, bis ich euch die Erlaubniß, mit Neigung meines Haupts, gebe. Ich setze alle meinen vollkommenen Theil der Seligkeit, die mir nicht entgehen kan, daran; ja ich will mich lieber von dem Teufel lebendig in den Lüfften wegführen und zerreissen lassen, als daß nur einem, von euch allen, eine Haare gekrümmet werden solte.


Wie denn dergleichen Leute solche harte und hefftige Constelationes ohne Bedencken sehr vielfältig zu gebrauchen pflegen.


Bey diesen Centner- schweren Worten sahen Mons. Litzberg, Mons. Cramer und ich einander ziemlicher Massen in die Augen, redeten auch erstlich ein wenig heimlich unter uns; Diese beyden aber wolten anfänglich gantz und gar nicht einstimmen, im Circkel zu bleiben, weilen es ihnen, wiewohl schon ehermahlen geschehen, an der Hertzhafftigkeit fehlete, mir aber gab ein guter Geist ein, daß[353] ich auf der Stelle bleiben, mein andächtiges Gebet zu GOtt verrichten, und mich weiter vor nichts fürchten solte. Derowegen fassete ich mir, vor mich selbst allein, einen frischen Muth, gieng hin zu dem so genannten Teufels-Banner, und sagte zu ihm: Don Vincentio! wir haben noch nicht vollkommen satt gespeiset, wäre es nicht Sache, daß wir um die Mitternachts-Stunden, nachdem wir das Unserige genossen, wieder anhero kämen, und sähen, was sodann passirte? Nein, meine Herren! (gab er zur Antwort wenn sie sich nicht selber im Lichten stehen wollen, so bleiben sie auf ihren Stellen sitzen: Wein und Confect ist genug da, ihren Appetit zu vergnügen, wo sie aber weggehen, sind nicht allein alle meine Anstalten vergeblich gemacht, sondern so wohl sie, als alle Felsenburger, können darunter den allergrösten Schaden leiden, welcher vorjetzo gar leichtlich zu verhüten ist wenn sie nur da bleiben, und meiner Treu und Redlichkeit trauen.

Endlich begunte doch bey meinen Herren Geferten der Puls aufs frische zu schlagen, da sie, zumahlen bey allen Umständen, die sie nachhero in etwas weiter überlegt, gantz vernünfftig schliessen konten, mir, ohngeachtet ich der Jüngste unter ihnen war, vor diesesmahl zu folgen, und bey mir zu bleiben; zumahlen, da sie zum öfftern von dem Vincentio die Worte aussprachen höreten, daß er uns allen kein theurer und kostbarer Pfand entgegen stellen könte und wolte, als seinen Leib und Seele, im Fall nur einem eintzigen von uns die geringste Haare am Leibe gekrümmet oder beleidiget würde.[354]

Also blieben wir alle drey nebst dem Don Rio im Circkel sitzen, truncken ein Glas Wein, und speiseten etwas von kalten Gebratens, wie auch Confect, welches alles uns der gute Vincentius procurirt hatte, erwarteten aber zum Theil mit unruhigen Hertzen die Mitternachts-Stunde.

So bald dieselbe heranzunahen begunte, legte sich auch eine solche Finsterniß und Dunckelheit auf den Erdboden nieder, die ich mit gröstem Rechte fast grösser, als die ehemahlige Egyptische Finsterniß gewesen, nennen möchte, indem wir weder Himmel, Mond, noch Sterne über uns sahen, vor uns aber nicht im Stande waren, unsere 5. Finger an den Händen zu zehlen; Jedoch es währete nur eine kurtze Zeit, und nicht länger, als etwa 1. Viertel-Stunde, worauf, da wir uns umsahen, in der gantzen Gegend alles helle war: Denn Vincentius hatte durch seine Cemeraden hie und dar, und zwar auf mehr als 100. Schritte von uns, um uns herum viele Fackeln und Wind-Lichter setzen lassen, und zwar, wie wir nachhero gewahr wurden, auch in einem Circkel- runden Creyse, anbey gemeldete seine Cameraden dahin beredet, daß sie uns allen zu Gefallen einmahl hie und da Schildwacht halten, auch alle Vorbeygehende mit gröster Freundlich- und Höflichkeit dahin bereden möchten, vor diesesmahl einen andern Weg zu nehmen, um uns nicht zu stöhren, weilen gantz ausserordentlich geheime Sachen unter uns tractiret würden.

Bald hernach sahe man zwar keine dicke Finsterniß mehr, jedennoch aber einen ziemlich dicken[355] Nebel um uns herum, so, daß wir den Schein der Fackeln von ferne, mit genauer Noth, kaum erkennen konten; in unserm Creyse aber, worinnen wir drey Felsenburger, als Mons. Litzberg, Cramer und ich, nebst dem Don Rio und der Haupt-Person, Don Vincentio, sassen, wurde auf einmahl alles so klar, als wie gewöhnlicher Massen am lichten-hellen Tage. Ich bewunderte, daß, da meine sehr kostbare goldene Repetir-Uhr, als welche ich bekannter Massen beständig bey mir zu führen pflege, kaum ihre hellklingende Schläge von sich hören lassen, sogleich ein ziemlich starcker Würbel-Wind entstunde, welcher manchem einen kleinen Schauer verursachte, jedoch Vincentius, der im Centro des Circkels auf einen Klotze saß, rief uns allen mit lauter Stimme zu: daß wir uns an nichts kehren, sondern nur unsere Augen nach Norden zu wenden solten. Wie wir ihm nun in diesem Stücke folgten, so erblickten wir mit gröster Verwunderung, theils aber auch ziemlichen Erschrecken, daß die beyden Gespenster: nemlich Don Juan de Silves und Lemelié, daher spaziert kamen, u. zwar mit gantz langsamen Spanischen Schritten, nicht anders, als ob sie, wie es heut zu Tage genennet wird, ihre Cour etwa bey Hofe machen, und einem grossen Potentaten aufwarten wolten; So bald sie aber sich dem äusersten unsers Circkels naheten, stund Vincentius von seinem Klotze auf, und schlug mit seiner, in der rechten Hand habenden Zauber-Ruthe den Tact auf eine recht poßierliche Art, dergestalt, daß sie 3. mahl um unsern Creyß herum tantzen musten, worauf er ihnen zwar erlaubte,[356] etwas langsamer zu gehen, allein, wie wir bemerckten, so hielt er diese blutroth gekleideten geschwornen Brüder dergestalt mit der Zauber-Ruthe unter seiner Zucht, so, daß sich keiner unterstehen durffte, auch nur eines Fingersbreit über den ab- und ausgestochenen Rand unsers Circkels zu schreiten.


Endlich citirete er sie alle beyde zu ihm hinein in den Circkel zu kommen, den engern Circkel aber, welcher um seinen Sessel geschlossen war, ja nicht zu berühren widrigenfalls er sie alle zwey auf eine solche empfindliche Art züchtigen wolte, dergleichen wohl viele 1000. Geister nicht ausgestanden, und welche Art der Züchtigung, woferne sie anders noch vernünfftige Geister wären, ihnen nicht unbekannt seyn könte. Demnach kamen beyde auf Händen und Füssen gekrochen, bis an den engern Circkel, worinnen er, Vincentius, auf einem runden Klotze saß, sie nahmen sich aber ungemein in Acht, den engern Circkel auch so gar nicht einmahl mit den Händen zu überschreiten. Als er nun ihren Gehorsam sahe, that er mehr als 20. Fragen an sie, und bedrohete sie abermahls mit der allerschärffsten Geister-Züchtigung, wenn sie ihm nicht aufrichtige Antwort darauf gäben.


Wir Felsenburger haben alle diese Fragen, und die darauf erfolgten Antworten, bald hernach, da dieselben noch im frischen Gedächtnisse waren, und wir über dieses nicht allein den Don Rio, sondern auch den Vincentium baten, uns einzuhelffen, wenn wir etwa dieses oder jenes vergessen hätten, in unsere bey uns führenden Schreib-Taffeln eingezeichnet, aus[357] welchen es hernach weiter protcollirt, und zu den übrigen dieser Sache angehenden Acten gebracht, mithin in unser Archiv gelegt worden.


Nachdem aber dieses Verhör vorbey, entstunde abermahls ein, jedoch gantz gelinder Würbel-Wind, welcher einen recht angenehmen und lieblichen Geruch mit sich brachte, so daß, an Statt darüber zu erschrecken, wir uns vielmehr erquickten; Indem wir aber unsere Augen von neuen aufschlugen, sahen wir noch eine andere Geister-Person im Circkel herum wandeln, welche ein hell gläntzendes goldfarbenes Kleid an sich hatte. Vincentius redete demnach den Geist des Lemelié also an: Kennest du diesen, oder nicht? Ja, ich kenne ihn, (gab der Geist des Lemelié zur Antwort,) es ist Carl Franz von Leuwens Geist, welchen ich meuchelmörderischer Weise ins Reich der Todten geschickt habe. Hiervor must du, (sagte Vincentius,) auch noch in dieser Stunde und auf diesem Platze eine kleine wohlverdiente Züchtigung leiden. Demnach nahm Vincentius seine Zauber-Ruthe, und peitschete damit dergestalt auf den Geist des Lemelié zu, daß derselbe zu Boden fiel, und sich wie ein Aaal auf dem Grase herum weltzete, ja er winselte nicht allein wie ein Hund, sondern mit einer weit gräßlichern Stimme, so, daß uns allen fast die Haut zu schaudern begunte; Der Geist des Don Juans aber gieng mittlerweile im Circkel spaziren herum, so lange, bis Vincentius, ohngefehr nach Verfluß einer halben Viertel-Stunde, seine Zauber-Ruthe in die Höhe gen Himmel reckte, da[358] denn nicht allein des Lemelié und Don Juans, sondern auch des van Leuwens Geister unvermuthet vor unsern Augen verschwanden, hergegen præsentirten sich, an statt derselben, zwey weiß-gekleidete Personen oder Machinen; da denn Vincentius fragte: Nun, meine Herren Felsenburger, kennet ihr diese beyden Personen? Wie ist uns möglich, (gab ich ihm zur Antwort) dieselben zu kennen, indem sie dergestalt verkappt und verschleyert sind. Es sind (sprach er hierauf) eure Ur-Eltern, Albertus I. und Concordia, mit denen ihr euch, nach Belieben, in ein Gespräch einlassen könnet.

Da uns allen dreyen aber sehr mißfällig war, daß er diese seligen Personen in ihrer Ruhe gestöhret, als wünschten wir nunmehro wieder von dieser Stelle hinweg, und in unsern Hütten bey der andern Gesellschaft zu seyn, liessen aber unsere Gedancken dem Zauberer gantz und gar nicht mercken, sondern stelleten uns vielmehr an, als ob wir durch seine Kunst ungemein vergnügt worden, weilen wir aber dergleichen Sachen nicht so wohl, als er gewohnt, und über dieses solchen fürchterlichen Schau-Spielen Zeit Lebens noch niemahls beygewohnt, so wäre nicht zu läugnen, daß wir aus Furcht und Schrecken einiger Massen schwach und ermüdet worden, wessentwegen denn der beste Rath wäre, daß wir uns zur Ruhe begäben, und unsere annoch übrige Verabredung bis auf Morgen verspareten.

Vincentius, der, wie ihm zum Ruhme nachzusagen ist, viel Verstand bey aller seiner Geschicklichkeit[359] besaß, nahm diese Sache vor bekannt an, und, nachdem er uns gefragt: ob wir noch etwa einen oder andern Geist von solchen Personen, die uns angiengen, oder mit welchen wir etwas zu schaffen gehabt, zum Beschlusse vor uns sehen wolten, so wäre er noch bereit, uns zu dienen; wir aber baten ihn, alles dieses, bis auf eine andere Nacht, zu versparen, demnach gab er seinen Portugiesischen Cameraden ein vielleicht abgeredetes Zeichen, worauf denn diese sogleich mit brennenden Fackeln und Wind-Lichtern uns entgegen kamen, wir alle aber von dem guten Vincentio bis an unsere Schlaf-Stätte begleitet wurden.

Vor meine Person kan ich wohl sagen, daß ich nicht leicht in meinem Leben unruhiger mein Lager gesucht, um auf demselben einige Ruhe zu finden, weilen mein Kopf von allen dem, was ich gehöret und gesehen hatte, dergestalt mit Grillen, Sorgen, und Bekümmernissen angeschwängert war, so, daß ich nicht die geringste Ruhe finden konte, ich mochte mich auch lincks, oder rechts auf meinem Lager umwenden und kehren. An diese Nacht will ich Zeit meines gantzen Lebens gedencken, so lange, als nur meine Augen offen stehen, ich will aber von demjenigen, was ich in derselben eintzig und allein gehöret und gesehen habe, voritzo weiter nichts melden, jedoch habe aus Antrieb meines zarten Gewissens auch alles dieses der Geistlichkeit und dem Regenten getreulich offenbaret, ohngeachtet solches nicht einmahl nöthig gehabt. Weilen nun gantz und gar keinen Zweiffel trage, daß auch dieses bona fide wird ad Acta[360] gebracht seyn, so möchte es mir vielleicht vor eine Groß-Prahlerey ausgelegt werden, wenn ich hier von fernerweit viele Worte machen wolte.


Kurtz: des Tages, nach der merckwürdigen Nacht, erschütterte sich die Insul Klein-Felsenburg einiger Massen, weßwegen ich den Vincentium besuchte, und ihn fragte: ob dieses etwa Böses, oder Gutes zu bedeuten hätte? Er gab mir zur Antwort, daß diese kleine Erd-Erschütterung eine ungemeine gute Bedeutung vor uns Felsenburger mit sich brächte, die Haupt-Sache aber wäre diese: daß wir die vermaledeyten Cörper des Don Juan und des Lemelié von beyden Insuln wegschaffen, und dieselben dergestalt in Asche verwandeln müsten, daß auch nicht der kleineste Knochen mehr von ihnen zu finden sey; worauf sich denn die Aspecten zu unserer Ruhe und Frieden bald besser zeigen würden.

Es stellete mir Vincentius diese Sache dergestalt nach drücklich vor, daß ich mich bewegen ließ, nur vorerst einen sehr kurtzen Bericht an den Regenten u. an die Geistlichen von unsern bisherigen Begebenheiten zu machen; hierbey aber war die Haupt-Sache diese, daß sie den verfluchten Cörper des Lemelié solten aus graben lassen, alle seine Knochen, auch nicht den allerkleinesten zu versehen, in einen kleinen Nachen auf Schwefel, Pech, Pulver, Hanff, Werg und dergleichen Feuerfangende Waaren legen, und denselben mit einer starcken Quantität des besten Feuerhaltenden Holtzes bedecken, hernach den Nachen, oder das kleine[361] Bootgen nur nach den Sand-Bäncken zu stossen-möchten.

Mir aber bat ich aus, eine ziemliche Quantität von Pulver, Schwefel, Pech und dergleichen zu übersenden, indem ich mit dem Cörper des Don Juan ein gleiches zu thun gesonnen, und ihn in lichterlohen Flammen der offenbaren See anvertrauen wolte. Damit aber beydes zu gleicher Zeit geschehen könte, bat mir noch dieses aus, daß sie mir von der Insul Groß-Felsenburg nur etwa eine Viertel-Stunde vor der bestimmten Zeit und Stunde ein Signal durch einen Carthaunen-Schuß geben möchten, damit ich mich darnach richten könte. Mit diesem Berichte und Verlangen schickte ich 12. Mann, worunter meine Allergetreusten befindlich, in einem Boote sogleich nach der Insul Groß-Felsenburg hinüber, die denn des andern Tages, gegen Abend, ohne daß ich mich einer solchen Geschwindigkeit versehen, glücklich zurücke kamen, und alles, ja noch mehr mit sich zurücke brachten, als ich und meine bey mir befindlichen werthen Freunde, verlangt hatten. Demnach wurde in gröster Geschwindigkeit erstlich der Cörper des Don Juan ausgegraben, besichtiget und nachhero mit demselben Sarge, welchem ihm seine Lands-Leute von alten Schiffs-Bretern zusammen gehefftet, in einen grossen Kahn ooer Nachen gebracht, da denn in, bey und neben dem Sarge lauter Feuerfangende Materien, als Pulver, Schwefel, Pech, Hanff, Stroh, Werg, und dergleichen Zeug gelegt ward. Wir brachten also dieses abscheuliche Cadaver mit gröster[362] Mühe hinunter in die Mündung des Flusses, da denn Vincentius auftrat, und sagte: Meine Freunde! ich bin zum Zeitvertreibe mit zur Leiche gegangen, und habe gesehen, daß ihr Mühe und Arbeit genug mit dem Cörper eures Feindes gehabt, nunmehro aber lasset mich gantz alleine schalten und walten.

Wenige Minuten hernach höreten wir den Carthaunen-Knall von der Insul Groß-Felsenburg erschallen, als welcher das Signal war, daß unsere Obern und Freunde eben um selbige Zeit den Cörper des vermaledeyeten Lemelié von sich fortschaffen, und der offenbaren See anvertrauen wolten.

Demnach entstunde so gleich ein unvermutheter hefftiger Würbel-Wind, welcher den Nachen oder Kahn, als Vincentius hie und da Feuer hinein gelegt, gantz schnell fort und in die offenbare See nach den Sand-Bäncken zuführete. Es war dieses, wenigstens in meinen Augen, ein gantz poßierliches Schau-Spiel, indem immer eine Raquete, Schwärmer und dergleichen Zeug in die Lufft flogen, doch kan nicht läugnen, daß dennoch wegen des todten Cörpers einiger Abscheu mit unterlieff; allein es währete kaum eine halbe Stunde, als wir den Nachen, nachdem er sich vielemahl in der See herum getummelt, in lichten lohen Flammen brennen, und endlich versincken sahen.

Wir wolten also nach abgewarteter Tragœdie zurück gehen, um uns in unsern Hütten der Ruhe zu bedienen; doch Vincentius hat, daß[363] wir wenigstens noch eine halbe Stunde verharren, und wohl in Obacht nehmen solten, was etwa weiter möchte vorgehen. Blos ihm zu Gefallen blieben wir also noch da, und sahen, daß ein gräßliches Monstrum, wie mir etwa die allergrösten Arten von Wallfischen von andern beschrieben worden, gerades Weges auf unsere Bucht zugeschwommen kam! welches aus seinem Rachen und Nasenlöchern nicht allein die fürchterlichsten Wasser-Ströme, sondern auch feurige Funcken und Flammen aussprützte.

Fürchtet euch nicht, meine Freunde! (sprach hier Vincentius) denn dieses Ungeheuer will mit mir allein zu thun haben. Und in dem er diese Worte aussprach, warff er sich, so, wie er da gegangen und gestanden war, mit völliger Kleidung in den Fluß, und schwumme dem Meer-Wunder entgegen.

Mir wurde bey dieser Verwegenheit zwar angst und bange, jedoch, da ihm niemand weder zunoch abgerathen hatte, diese gefehrliche Schwimmerey anzutreten, als überließ ihn seinem Schicksale, da wir denn bey der finstern Nacht, indem sich der Mond unter eine schwartze Wolcke verborgen, so viel gewahr wurden, daß unser Vincentius, nach einem hefftigen Streite mit dem Meer-Wunder, von demselben unter Donner, Blitz, Hagel, ja dem grausamsten Sturm-Wetter aufgeschnappt und verschlungen wurde, mithin den Sieg über dasselbe nicht erhalten können, sondern den Kürtzern ziehen müssen.

Ich glaube nicht, daß einer unter uns allen[364] gewesen, dem bey dieser Begebenheit nicht so wohl, als mir selbsten, die Haare zu Berge gestanden und alle Glieder des Leibes gezittert hätten; und eben dieserwegen beschlossen wir des anbrechenden Tages zu erwarten, ehe wir uns nach unsern Obdache und Lager-Stätten verfügen wolten. Dieses geschahe, nachdem die Sonne aufgegangen war, und alles Ungewitter vertrieben hatte; Als wir nun unterweges das klägliche Schicksal des Vincentii überlegt und bedauert, so traffen wir denselben in seiner Hütte gesund und frisch an, und zwar in der Verfassung, daß er seine Kleider und Schuhe ausbesserte. Anfänglich entsetzten wir uns über seine Person, indem wir zum Theil würcklich auf die Gedancken gerathen, als ob er vom bösen Feinde wäre weggeführet worden; jedoch Vincentius, so bald er dergleichen Gedancken von uns vernommen, fieng überlaut zu lachen an, und sagte: Nein, meine Freunde! ihr müsset meiner Kunst und Geschicklichkeit ein mehreres zutrauen lernen: denn dieses, was ich mit dem Meer-Wunder vorgehabt, ist ein bloses Schatten-Spiel gewesen, von nun an aber, sollet ihr erstlich rechte Wunder-Dinge sehen, hören und erfahren, die nicht allein euch, sondern auch wohl euren späten Nachkommen zum Nutzen gereichen können.

Mittlerzeit, da er diese und noch weit mehrere Worte, seiner gewöhnlichen Beredsamkeit nach, vorgebracht hatte, unsere Magens aber, weiln es bald Mittags-Zeit war, nach denen im Feuer-Loche befindlichen Fleisch-Töpffen, Gemüsen und andern guten Gerichten vom Gebratens und Fischen[365] entgegen delleten, so wurde unsere Hoffnung auf einmahl, allem Ansehen nach, zu nichte gemacht, indem sich aus dem Feuer-Loche ein ziemlich hoher Hügel aufthürmete, der, wie wir uns nicht anders einbilden konten, in kurtzer Zeit alles Gesottene und Gebratene in die Asche verschütten würde; Jedoch, je mehr sich einige unter uns darüber mißvergnügt bezeigten, desto mehr fieng Vincentius darüber zu lachen an, und ehe wir uns umsahen, war nicht allein der Hügel verschwunden, und das Feuer-Loch in seiner gewöhnlichen Ordnung, sondern wir sahen auch, daß auf dem grünen Rasen etliche Tücher aufgedeckt, Teller und alles zurechte gelegt waren, was sonsten zum Tisch-Zeuge gehöret. Demnach speiseten wir unter wunderlichen Gedancken, doch mit noch so ziemlichen Appetite, zumahlen, da wir sahen, daß um und neben uns herum viele gantz frische Hauffen aus der Erde aufgeworffen wurden, die doch sehr weit grösser waren, als die gewöhnlichen Maulwürffer-Hauffen.

Wie nun Vincentius dieserwegen unsere Erstaunung und Verwandelung gewahr wurde: sagte er: meine Freunde! kehret euch an alles dieses nicht, sondern ein jeder speise nur seinem Appetite nach so viel, als er vertragen, und sich Kräffte in den Cörper schaffen kan: Denn so bald die Sonne untergangen ist, müssen wir alle insgesamt zu graben, zu schauffeln und zu hacken anfangen.

Wie nun also die Sonne untergegangen, und die erste Dunckelheit der Nacht eingetreten war, zeigte sich nicht allein in dem Feuer-Loche, sondern[366] auch über den aufgeworffenen Hügeln lichterlohe Flammen, und zwar, wenn ich es ja recht beschreiben soll, dergestalt, als wenn man Spiritum Vini darauf und darüber gegossen, und selbigen angezündet hätte: denn die Flammen waren alle gelb-grün-blau- und röthlich unter einander vermischt Vincentius nahm also, nachdem er uns allen einen hertzhafften Muth eingesprochen, und sein Handwercks Zeug, als Hacke, Schauffel, Spaten und dergleichen aufgefasset, erstlich den geraden Weg nach dem Feuer-Loche zu, als welches um allerfürchterlichsten zu brennen schien. Wir, so viel unserer waren, folgten ihm Paarweise nach, trugen und schleppten auch das Handwercks-Zeug, so gut wir konten; So bald aber dieser unser Führer, Vincentius, an das Feuer-Loch gekommen war, und dasselbe untersucht hatte; sprach er: Meine Freunde; hier ist vorjetzo noch nichts zu thun, so lange bis die Mitternachts-Stunde da ist; unterdessen aber folget mir und meinem Rathe, und nehme ein jeder, so wie ich, einen kleinen Hügel vor sich, und wenn unsere Arbeit nicht bezahlet wird, will ich mir binnen 3. Tagen selbsten, einen Scheiter-Hauffen machen, mich darauf setzen, und mit Pulver, Schwefel und Pech verbrennen. Allein dieserwegen hat sich niemand Sorge zu machen, denn der Himmel ist mit im Spiele, als welcher durch mich geringen Menschen euer Glück, Reichthum und Wohlstand zu befördern gewillet ist.

Ich will eben nicht sagen, wie mir vor meine Person bey dieser Begebenheit um die Lunge und[367] Leber zu Muthe war, jedoch zu zeigen, daß ich kein Hasen-Hertz hätte, mithin auch andere nicht gern feige machen wolte, als nahm ich, da ich erblickte, daß Vincentius den Anfang machte, auch meine Schauffel, Spaten, und grub bey dem Scheine der vielen angesteckten Fackeln, da ohnedem es noch sehr Mond-und Stern-helle war, eine Urnam, oder so genannten heydnischen Todten-Topf, aus der gantz lockern Erde heraus. Indem ich mir aber in meinen Gedancken darauf gantz viel einzubilden getrauete, so wurde um und neben mir gewahr, daß meine andern Mit-Geferten eben dergleichen Dinger aus den kleinen Hügeln (oder wie ich dieselben vorhero genennet, Maulwürffer-Hauffen) zum Vorscheine brachten. Vor meine Person habe nicht mehr als 9. derselben Stück ausgegraben; jedoch da Vincentius das abgeredete Zeichen von sich hören ließ, daß wir uns alle insgesamt wieder bey ihm versammlen solten, machte ich auch meiner Arbeit vor dißmahl ein Ende, und gieng mit an die Haupt-Arbeit, welche in Ausgrabung des Feuer-Loches bestund.

Hier hätte man sein Wunder sehen sollen, welcher Gestalt sich die artigen Thiergens, die wir nur immer sofort Minions nenneten, auf das allerkräfftigste bemüheten, uns in unserer Arbeit zu verhindern, wie denn auch allerhand andere Gespenster, als Feuerspeyende Drachen, feurige Schlangen und dergleichen Ungeziefer ebenfalls auf uns zu gegangen, geflogen und gekrochen kamen, welche aber alle, so bald Vincentius nur[368] seinen Zauber-Stab aufhub, augenblicklich zurücke wichen, oder auf der Stelle ohnmächtig liegen blieben.

Endlich, da meine Taschen-Schlag-Uhr die vollkommene Mitternachts-Stunde mit 12 Schlägen angezeigt, geschahe ein gewaltiger Donnerschlag, worüber wir insgesamt erstaunete, allein, da wir die Sache recht betrachteten, so war uns hierdurch alle unsere Mühe und Arbeit erleichtert, denn es hatte sich in dem Feuer Loche eine Machine über 2 Ellen hoch von selbsten aus der Erde empor gehoben, welche Vincentius so wohl, als die ausgegrabenen Urnen mit seiner Wünschel-Ruthe berührete, uns aber bat, nur stille und ruhig zu seyn, des Tages zu erwarten, inzwischen aber etwas von stärckenden Geträncke zu uns zu nehmen, denn es hätte auf diesesmahl nunmehro alles seine vollkommene Richtigkeit.

Sehr selten bin ich wohl in meinem gantzen Leben nach dem Anbruche des Tages begieriger gewesen, als eben diesesmahl; da aber derselbe endlich erfolgte, so, daß einer dem andern das Weisse in den Augen erkennen konte, giengen wir vor allererst in der gantzen Gegend herum spaziren, und zehleten, daß wir 53 Urnen oder Todten-Töpfe ausgegraben hatten; Es waren dieselben von verschiedener Grösse, theils steinerne, theils küpferne, theils silberne; güldene aber nur 2 nicht allzu grosse. Auf deren Deckeln befanden sich eben dergleichen Zeichnungen, wie ich schon ehemahlen gemeldet und abgerissen, nur aber bey diesem oder jenem mit einer oder anderen Veränderung der Charactern.[369] Wer Lust und Belieben hat dieselben noch vor sich abzuzeichnen, kan es alle Tage thun, indem wir sie mit hieher gebracht haben, ich aber sage vorjetzo nur so viel, daß, nachdem wir alle diese Urnen vor unsere Hütten getragen, und in Ordnung gestellet hatten, Vincentius uns einen Winck gab, mit ihm zu gehen, und die Machine genauer zu betrachten, die sich in dem Feuer-Loche erhoben hatte. Demnach befand sich, daß es ein silberner, mit vielen Zierrathen und Charactern versehener, ordentlicher Todten-Sarg, dessen Länge 4 Ellen, die Breite oben zum Häupten 2 und 1 halbe Ellen, unten zum Füssen aber nach Proportion etwas schmäler zugelauffen war.

Nachdem wir nun auf Anregung des Vincentii den Sarg-Deckel, und zwar mit ziemlicher Mühe, auf- und abgehoben, erblickten unsere Augen 2 Cörper darinnen, neben einander liegend, welche dergestalt gelegt zu seyn schienen, als ob sie einander umarmeten. Ihre Gesichter zeigten sich nicht gräßlich, wie etwa sonsten Leichen-Gesichter auszusehen pflegen, indem, wie ich aus vielen Umständen spürete, beyde Cörper einbalsamirt seyn mochten, von den Kleidungsstücken aber war wenig zu sehen, weilen dieselben ziemlicher Massen vermodert, jedoch ich hatte das Glück, aus einem gewissen Zeichen zu bemercken, daß sie alle beyde in Purpur-Kleidern möchten seyn beerdiget worden; wie denn auch beyde gantz zierliche güldene kleine Cronen auf ihren Häuptern trugen, die mit den kostbarsten Diamanten und andern Edelsteinen besetzt waren.[370]

Wir allerseits nahmen uns ein nicht unbilliges Bedencken, diese Cörper fernerweit zu beunruhigen, zumahlen, da wir befürchteten, daß dieselben etwa entzwey brechen, oder gar zerfallen möchten, giengen also insgesamt um den Sarg herum, wie, dem gemeinen Sprichworte nach, die Katzen um den heissen Brey, befanden aber dennoch bey einiger weiterer Untersuchung, daß dieselben auf lauter geprägten Gold-und Silber-Müntzen vielerley Gepräges lagen und mit den auserlesensten orientalischen Perlen überschüttet waren.

Wir 3. der ansehnlichsten Felsenburger, wie man uns damahls nennete, gaben demnach dem gantzen Volcke so wohl die Urnen, als den silbernen Sarg zum Preise, baten uns aber nur dieses darbey aus, daß sie ja die Cörper und Gebeine verschonen, nicht beschimpffen, sondern in Ehren halten, sonsten alles Geld, Gold, Silber und Perlen heraus nehmen, und unter sich theilen möchten; Allein, nachdem alles, wie es war, gantzer 3. Tage und Nächte also stehen geblieben, verspüreten wir, daß weder ein Fremder, geschweige denn ein Felsenburger sich an dem allergeringsten vergriffen, auch nicht einmahl eine Perle heimlicher Weise zu sich genommen hätte. Die Ursache dessen ist leicht zu errathen, weilen unsere Felsenburger Gold, Silber, Perlen, Edelgesteine und dergleichen Sachen vor gar nichts besonders halten, da ihnen dieselben wenig oder gar nichts nützen, und bewust, daß wir bereits im Uberflusse damit versorgt sind. Als wir aber den Vincentium[371] und seine Geferten darum ansprachen, daß sie vor ihre allerseitige Bemühungen und uns erzeigte Gefälligkeiten sich der Billigkeit gemäß bezahlt machen, und das Beste von den gefundenen Schätzen auslesen möchten; so giengen die Portugiesen über 100. Schritt von uns hinweg, und unterredeten sich fast über eine halbe Stunde lang mit einander, da sie aber wieder zurück kamen, bat Vincentius, daß wir Felsenburger uns um ihn herum setzen, und seine Reden anhören möchten.

Da es nun eben zu keiner fürchterlichen Zeit und Stunde war, indem die Sonne mitten am Himmel stund die, weilen keine eintzige trübe Wolcke zu sehen, uns recht ungemein erquickte, so nahmen wir uns um so viel desto weniger Bedencken, seinem Bitten zu gehorsamen, da er denn folgende Worte vorbrachte: Meine lieben Herren und Freunde! ich bin in meinem Hertzen durch viele Merckmahle dahin überredet, daß die meisten unter euch mich vielleicht vor einen Ertz-Zauberer oder Hexen-Meister ansehen und halten; Allein, ich bin keiner von beyden, sondern bey allem dem, was heilig ist, betheure ich, auf meiner Seelen-Seligkeit, daß mich die allerhöchste Macht angetrieben, euch einen und andere Dienste zu leisten, und mir anbey dero allerkräfftigsten Schutz und Beystand versprochen; als wovon ich vor dißmahl nicht viel reden und prahlen will.

Kurtz: ich habe bis auf diese Stunde getreulich so viel bey euch ausgerichtet, als[372] mir bis hieher befohlen ist wovon ihr denn verhoffentlich sattsame Zeugnisse haben werdet; zumahlen, da mir auch die unterirrdischen und verfluchten Geister nicht widerstehen, vielweniger mich in meinem Vorhaben verhindern können. Nunmehro aber, da ihr von einer Belohnung meiner euch geleisteten getreuen Dienste zu reden anfanget, möchte mich dasselbe fast verdriessen, weiln ich nicht eigennützig bin, auch vor meine gehabte Mühe nicht die allerkleineste Perle verlange. Meine Cameraden, mit denen ich mich vor kurzer Zeit besprochen, sind eben dieses Sinnes. Die Ursache aber ist diese: weiln ihr uns eine Zeit dahero auf das allerkostbarste und herrlichste tractirt habt, und, wie ihr sagt, uns den Aufenthalt auf dieser Insul, nebst nothdürfftiger Verpflegung zu reichen und zu vergönnen noch fernerhin gesonnen. Demnach nehmet so wohl den Sarg, als die Urnen mit hinüber auf die grosse Insul, um euren Freunden ein Vergnügen damit zu stifften, vergesset unserer darbey auch nicht mit Zuführung einer und anderer leckerhafften Speisen und Geträncke, als worvon wir gantz besondere Liebhaber sind; Folget meinem Rathe, und fahret gleich Morgen früh mit Aufgange der Sonnen zu euren Freunden hin, und bringet ihnen alles das, was wir gefunden haben, doch dieses ist ein bloses Kinder-Spiel gegen diejenigen Schätze zu rechnen, welche ich binnen wenig[373] Tagen noch zu finden, oder wenigstens euch anzuweisen verhoffe. Nur aber bitte ich mir dieses aus, daß wenigstens 10. bis 12. Mann der hertzhafftesten Männer oder Junggesellen bey mir bleiben, um mit ihnen das Gebürge, sonderlich aber den grossen Berg durchzustreichen und zu besichtigen, da ihr denn, wenn ihr etwa binnen 8. oder 14. Tagen wieder anhero zu kom men euch bemühen woltet, ohnfehlbar weit mehrere Neuigkeiten, als bishero vorgefallen, erfahren werdet, und zwar zu eurem eigenen allergrösten Nutzen.

Die Felsenburger hatten den Vincentium kaum ausreden lassen, als sogleich nicht nur 10. oder 12. sondern noch viel mehrere, so wohl Männer als Junggesellen, heraus traten, und sich als Freywillige angaben, bey dem Vincentio zu bleiben, mitlerweile wir die gefundenen Sachen hinüber auf die grosse Insul zu den Unserigen schaffen, und so bald, als möglich, wieder zurück kommen solten. Nachdem nun Vincentius mich und meine beyden Herren Beystände ersucht, mit ihm annoch vorhero in etwas spatziren zu gehen, inmassen er uns noch viele wichtige Dinge zu offenbaren hätte, als folgten wir ihm nach, und erfuhren solche Geheimnisse aus seinem Hertzen und Munde, von welchen wir uns vorhero keine Vorstellung machen können; weiln aber voritzo, gewisser Ursachen wegen, ein billiges Bedencken trage, dieselben zu wiederholen, so verweise einen jeden treugesinneten Felsenburger an unser ordentlich Archiv, (als worinnen die deßfalls unsere damahlige gethane Aussage protocolliret[374] worden, um seine Curiositée zu vergnügen, weiln ein solches keinem Treu-meynenden zum Lesen abgeschlagen wird.

Gleich des darauf folgenden Tages machten wir uns reisefertig, um mit unsern Booten fort zu rudern; welches denn auch geschahe, nachdem wir nicht allein den silbernen Sarg, sondern auch alle 53 Urnen eingeschifft, von den Portugiesen, unter Versprechung baldiger Zurückkunfft, Abschied genommen, und bey ihnen 12 Mann der hertzhafftesten Felsenburger da gelassen hatten. Es ist leicht zu erachten, daß die Unserigen über unsere glückliche Zurückkunfft eine besondere Freude, wie auch über die mitgebrachten Antiquitäten eine ausnehmende Verwunderung gehabt; Nachdem aber dieser letztern wegen verschiedene Zusam enkünfte von den Aeltesten und der Geistlichkeit gehalten worden, wurde endlich beschlossen, von allen diesen Sachen fernerweit nichts anzurühren, sondern dieselben, (weiln wir nicht wüsten, ob es Christen oder Heyden, wenigstens Menschen gewesen, die an den allerhöchsten GOtt geglaubet hätten) zwar nicht auf unsern ordentlichen Gottes-Acker, viel weniger in unsere Kirche zu bringen; sondern es solte hinter unserm Kirch-Thurme, als welches Plätzgen sich wohl darzu schickte, ein besonderes Gewölbe angemauert, und alle diese Sachen, so wohl der Sarg als die Urnen hinein gesetzt, auch wohl verwahret werden, damit nicht etwa Unmündige und Unverständige sich daran vergreiffen möchten. Dieser Schluß und Verordnung gefiel mir zwar gewisser Massen wohl, allein, die angebohrne Curiositée [375] protestirte darwider, indem ich gern weiter und besser untersuchen wolte, was etwa hie und ha, so wohl in dem Sarge, als in den Urnen versteckt seyn möchte, denn ob mir zwar an Golde, Silber Diamanten, Perlen und andern Edelgesteinen so wenig, als an meinem Huthe gelegen, den ich noch jetzo auf dem Kopfe trage; so reitzeten mich doch eine und andere erblickten Müntz-Sorten an, meiner Neigung vor dißmahl Folge zu leisten, und das abergläubige Sprichwort: Man solle die Todten nicht berauben etc. gewisser Massen hinten an zu setzen.

So bald ich demnach meine Gedancken den mir allervertrautesten Freunden, die ich eben itzo mit Namen zu nennen Bedencken trage, fanden sich ihrer 6. die nicht allein mit mir einerley Meinung hegten, sondern sich auch, nachdem das gemauerte Gewölbe fertig, und der Sarg so wohl als die Urnen in bester Forme hinein gebracht waren, wenig Tage hernach, und zwar nicht etwa um die Mitternachts-Stunden-Zeit, sondern gantz früh Morgens mit aufgehender Sonne, zugleich mit mir in das Gewölbe begaben, da wir gewiß, bey noch darzu angezündeten Wachs-Kertzen, unserer Neugierigkeit ein sehr starckes Vergnügen leisteten, denn wir fanden unter den gold- und silbernen grossen Medaillen einige Stück, deren Zeichnungen diese waren: wie der Welt-Heyland Christus am Creutze hieng wieder andere, da die Mutter GOttes Maria das Christ Kind auf dem Arme trug; anderer so genannter Schaustücke oder Medaillen, auf welchen die Bildnisse der heiligen Aposteln und Evangelisten mit leserlichen[376] Umschrifften befindlich, zu geschweigen, wie ich denn auch von dem zur übrigen Politischen Historie einschlagenden Müntzen itzo gar nichts reden will, weilen ein solches mir ohnedem zu weitläufftig und verdrießlich fällt, ein jeder Curiosus aber dieselben in unserm Archiv und Bibliotheque alltäglich zu sehen bekommen kan.

So bald demnach alles dieses in möglichster Stille nach meinem Wunsche zum Stande gebracht, wir auch erfahren, auf was vor Art die Unserigen den verda ten Cörper des Lemelié von sich geschafft, hatte ich weder Ruh noch Rast, bis ich wieder eine abermahlige Reise nach der Insul Klein-Felsenburg antreten konte. Und diese geschahe ohne fernere weitläufftige Uberlegung wenige Tage hernach in Begleitung vieler der allervertrautesten und sonst hertzhafften Freunde. Vor die Klein-Felsenburger nahmen wir also auf 3 Booten abermahls einen starcken Vorrath von Lebens-Mitteln, und zwar der allerbesten und leckerhafftesten, welche so wohl den Unserigen als unsern Gästen, die uns einer so wohl als der andere mit ausgereckten Armen zur Bewillkommung entgegen gelauffen kamen, ein nicht geringes Vergnügen erweckten. Wir fanden alle noch gesund, frisch und lustig, so, daß man ihnen keinen Hunger, Kummer, oder Noth ansahe, denn sie hatten sich binnen der Zeit mit Essen und Trincken wohl gepflegt, waren zum öfftern Lustwandeln gegangen, und hatten auser den vorigen, die wir schon mitgenommen, noch 19 herrlich schöne Urnen ausgegraben, ingleichen die Minions vertilgt, von welchen sie mehr als 100 Bälge aufzeigten, sonsten aber[377] war ihnen gantz und gar nichts schreckhafftes oder wiederwärtiges begegnet. Nachdem wir nun 2. Tage ausgeruhet, und uns die niedlichsten Speisen und Geträncke wohl bekommen lassen, trat Vincentius auf, und sagte: So zu leben ist keine Kunst, meine Herren und Freunde! allein, ich halte nicht vor rathsam, daß wir so länger auf der Bärenhaut liegen, darum wollen wir, wenn es euch gefällig ist, uns eine Bewegung machen, denn es hat mir in verwichener Nacht ein guter weisser Geist angedeutet, daß unser Gang nicht vergeblich seyn soll, vielmehr würden wir etwas gantz besonders neues antreffen.

Wie wir nun insgesamt der Faulheit eben so sehr nicht ergeben, als wurde verabredet und beschlossen, eine Reise nach dem grossen Gebürge, (NB. welches auf dem Grund-Risse dieser Insul Klein-Felsenburg pag. 452 im andern Theile mit N. bezeichnet) vorzunehmen, da denn Vincentius mit seiner Wünschel-Ruthe eine und andere Probe zu machen versprach. Ob nun gleich einem jeden frey gestellet war, entweder mitzugehen, oder in den Hütten bey unsern Sachen zu bleiben, so war doch kein eintziger, der zurück zu bleiben Lust bezeigte, sondern sie giengen alle mit, und zwar früh Morgens mit Anbruche des Tages, da sich denn ein jeder mit Proviant und Gewehr aufs beste versorgte, und auser diesem allen führeten wir auch noch viele Picken, Hacken, Aexte, Schauffeln und Spaten mit uns.

Als wir nun das Gebürge bey Untergang der Sonnen erreicht, machten wir am Fusse desselben etliche Feuer an, lagerten uns um dieselben herum,[378] und brachten dieselbe Nacht unter allerhand guten Gesprächen ungemein vergnügt und ruhig zu, bis der Tag wieder angebrochen war, da wir denn dem Vincentio, nach verrichtetem Morgen-Gebet, weiter in und auf das Gebürge folgten.

Zeit meines Lebens habe ich keine grössern Wunderdinge (ich verstehe nemlich solche, welche der Sage nach, blos in der Natur stecken sollen) verrichten sehen, als Vincentius mit seinen Wünschel-Ruthen verrichtete: Denn er hatte auser seinem gewöhnlichen Zauber-Stabe nicht nur eine, sondern mancherley Arten von Wünschel-Ruthen bey sich, und zwar, wie er sagte, nach den mancherley Arten der Metallen und Mineralien zugerichtet. Wie gesagt, es war bewundernswürdig, wie wir denn alle, die dabey gewesen, und es mit angesehen haben, ein solches bezeugen werden: Denn die Ruthen sprungen zum öfftern gantz schnell in die Höhe, zur andern Zeit aber blieben sie auf dem Boden dergestalt feste kleben, so, daß Vincentius dieselben mit der allergrösten Gewalt wieder an sich ziehen muste. Wo nun ein vortheilhaffter Platz war, ließ er alsobald durch unsere Leute ein Spannen-tieffes Loch einhauen, und zum Wahrzeichen einen behauenen Stein hinein setzen, deren jeden er selbst vermittelst bey sich habender Stein-Meissel mit Ziffern und allerhand Charactern bezeichnete. Es war mit gröster Lust anzusehen, wie sauer es sich unsere bey uns habenden Leute mit der Arbeit werden liessen, dergestalt, daß sie sich kaum Zeit zum Essen und Trincken nehmen wolten, anbey auch, wie man zu sagen pflegt, wie die Braten schwitzten, denn die unvergleichlich[379] grossen Ertz-Stuffen, welche zum Theil Gold, Silber, Kupfer und andere Metaillen in sich hielten, fielen uns allen dergestalt entzückend in die Augen, daß wir uns nicht satt daran sehen konten, zumahlen, wenn nach ihrer Abwaschung die Strahlen der Sonne darauf fielen. Solchergestalt arbeiteten wir alle insgesamt die Wochen, oder so genannten Werckel-Tage immer mit glücklichem und vergnügtem Fortgange unsers angefangenen Wercks fort, so lange, bis der Sonntag heran nahete, da denn beschlossen wurde, alle Arbeit stehen und liegen zu lassen, GOtt zu Ehren aber den Sabbath oder Sonntag, ein jeder nach seiner Religion, heiligen und feyren wolte.

Vincentius ließ sich vernehmen, wie er nicht vermeynet, daß wir so gar sehr gewissenhaffte Christen wären, unterdessen aber wäre es löblich, billig und recht, vor allen Dingen dem allerhöchsten GOtte, als dem Geber aller Güther, Lob, Danck und Preiß zu bringen, und um fernern Beystand anzuflehen.

Demnach giengen etliche der Unserigen auf die Fischerey aus, um etwas tüchtiges zu fangen, weilen vielleicht unsere Lebens-Mittel vor so viele Personen nicht hinlänglich seyn möchten; brachten auch noch vor Einbruch des Sonnabends-Abends, eine gewaltige Menge der auserlesensten delicatesten Fische von allerhand Gattung, die wir auf Kohlen braten liessen, weiln kein Geschirr, auch nicht gnugsames Saltz vorhanden war, dieselben zu kochen. Jedoch Vincentius schaffte bald Rath, indem er sagte: wem es am Saltze fehlet, der nehme nur[380] diese meine Wünschel-Ruthe, und folge derselben so lange nach, bis sie ihm von sich selbsten aus der Hand springet, da sich denn zeigen wird, daß auf derselben Stelle, wo sie niederfällt und liegen bleibt, das allervortrefflichste und gesundeste Saltz sich finden wird, von welchem oberhalb nur einer Hand hoch, die darüber liegende Erde, Staub oder Steine dürffen abgeräumet werden.

Ohngeachtet nun der Saltz-Mangel eben so gar sehr groß nicht war, indem der annoch bey uns habende Vorrath wohl noch zur Noth auf 3. bis 4. Tage hinreichend gewesen: so war doch ich so gar sehr neugierig, dieses Experiment mit der Wunschel-Ruthe zu machen; bat also den Vincentium, mir diese Wünschel-Ruthe anzuvertrauen, und anbey die Vortheile zu zeigen, wie man mit derselben umgehen müste? da er denn sagte: Mein Herr! ihr habt weiter nichts zu thun, als die Ruthe vor euch in der Hand zutragen, und dabey zum öfftern die Worte auszusprechen: Sal sursum folget ihr nur so lange nach, als sie sich in eurer Hand regt, mithin, so zu sagen, den Weg zeiget, wohin ihr wandeln sollet, wenn die Ruthe aber springt und liegen bleibt, so scharret das oberste auf, alsdann werdet ihr Saltz in Menge finden.

Demnach, zumahlen da die vorgesprochenen zwey Worte mir eben nicht verfänglich vorkamen, begab ich mich nebst 3. Felsenburgischen Geferten, welche Säcke bey sich führeten, auf den Weg, und empfand erstlich in Wahrheit, daß sich die Ruthe in meinen Händen sehr öffters regte und bewegte, bis sie endlich, da wir ohngefehr 4. bis 500. Schritte[381] nach der kleinen See zu, fortgewandert, auf einmahl gantz plötzlich aus meiner Hand sprung, und auf einem kiesigen Erdreich liegen blieb. Meinē Geferten und ich machten uns also an die Arbeit (um zu erfahren, ob wir belogen oder betrogen wären) und kratzten in möglichster Geschwindigkeit, auch so gar mit den blosen Händen, die oberste Erde, Kieß und Steine weg, da wir denn, weiln nach dem Untergange des Sonnen-Cörpers es noch ziemlich helle war, so viel sehen konten, daß sich die feineste weisse Materie erhub, welche wir dem Geschmacke nach, sogleich vor das allerbeste Saltz erkannten, unsere 3. Säcke damit anfülleten, die Stätte und Gegend wohl bezeichneten, und uns hernach wieder zu der übrigen Gesellschafft begaben. Vincentius machte die erste Probe mit diesem unsern gefundenen Saltze, indem er vor sich allein verschiedene grosse, mittelmäßige und kleine Fische gebraten, und dieselben starck damit würtzete, ja fast über die Gebühr, um uns nur den Argwohn zu benehmen, als ob dieses Saltz etwa ein gifftiges Saltz wäre; allein es ist es nicht, sondern wir haben nach der Zeit befunden, daß diese und noch mehrere herum liegende Saltz-Gruben das allerbeste und kostbareste Saltz in sich führen.

Nachdem wir aber damahls uns alle wohl gesättiget, und um die angemachten Feuer herum gelagert, der Ruhe zu erwarten, höreten wir ohngefähr in der Mitternachts-Stunde eine Stimme zu dreyen verschiedenen mahlen dergestalt starck ruffen, als ob dieselbe durch ein Sprach-Rohr redete, und zwar, so kam der Schall aus dem gegen uns über liegenden hohen Berge, die Worte aber waren diese: [382] Vincent, Allah! Dio. Wie nun ich bemerckte, daß Vincentius munter war, so fragte ich ihn, als ich die Stimme zum dritten mahle ruffen, und noch etliche mehrere Worte aussprechen hörete: was dieses zu bedeuten hätte? Hierauf trat er auf, und rief etliche mahl mit lauter Stimme Allah! Allah! Dio. Wendete sich hernach wieder zu mir, und sagte: Mein Herr! diese Stimme kömmt aus dem Heyden-Tempel unter dem grossen hohen Berge, welchen ihr, wie ich vernommen, schon vor einiger Zeit zerstöhret habt, allein dieses soll uns nicht irren, Morgen, so GOtt will, gleich mit anbrechendem Tage uns auf die Füsse zu machen, und unsern christlichen Gottesdienst in diesem ehemahliger Heyden-Tempel zu verrichten, wir werden auch, wie ich euch gantz gewiß versichern kan, keine Gespenster oder Geister darinnen antreffen, sondern nur drey menschliche lebendige Personen.

Ich meines Orts brachte vor Grillen wegen dieser neuenn Begebenheit den wenigen übrigen Theil der Nacht ohne allen Schlaf zu; so bald aber der Himmel zu grauen anfieng, machte ich nicht allein den Vincentium, sondern auch alle meine Freunde munter, da wir denn nach gesprochenem Morgen-Gebet uns abermahls auf die Reise, nach dem grossen Berge O zu, begaben. Die meisten unter uns wusten in selbiger Gegend von vorigen Zeiten her noch guten Bescheid, und eben dieserwegen fiel uns der Weg eben so gar sehr verdrießlich nicht. Kurtz: nach dem wir den grossen Wald glücklich passiret, gelangeten wir in den Mittags-Stunden alle gesund und frisch am O Berge an, fanden auch bald die Wege, in den so genannten Heyden–Tempel zu[383] gelangen. Vincentius gieng voran, und sprach uns immer guten Muth zu, weiln im Tempel alles stockfinster war; jedoch es wurde auf einmahl heller-lichter Tag darinnen, so, daß wir sehen konten, wir sich 3. lebendige Menschen in einen Winckel verkrochen hauen, die aber auf die Anrede des Vincentii sogleich hervor traten, und eben so seltsame Complimenten gegen uns machten, als ihre Kleidungen beschaffen waren. Ehe wir was weiteres vornehmen, meine Freunde! (sagte Vincentius allhier) wollen wir erstlich ein jeder nach seiner Religion unsere Andacht verrichten; welches denn auch geschahe. Als dieses vorbey war, trat die älteste Person von diesen dreyen hervor, und redete ihn, ich möchte fast sagen in einer kauderwellischen Sprache, wovon ich aber doch sehr viel verstehen konte, erstlich ohngefehr mit folgenden Worten an: Ihr Herren! meinem Bedüncken nach, muß ich euch vor Christen erkennen, welches ich daraus schliesse, weil ihr das Zeichen des heiligen Creutzes so offt vor eure Brüste und Stirnen macht.

Da ich nun weiß, daß die Christen barmhertzige Leute sind, so erbarmet euch doch einer armen von aller Welt verlassenen Persianischen vornehmen Printzeßin, deren Wart-Frau ich bin, und dieses bey uns stehende Mägdgen ist ihre Bediente. Es ist die Printzeßin zwar nicht arm an zeitlichen Güthern, nemlich an Gold, Silber, Perlen und Juwelen, als welche Schätze an sichern Orten verwahrt liegen; allein sie ist dennoch arm, weilen sie darum verfolgt wird, daß sie keine Feuer-Anbeterin werden, sondern eine rechte Christin bleiben will;[384] da sie sich blos allein in das Christenthum und in den wahren allein seligmachenden Glauben verliebt hat, auch durch keinen Marter-Zwang sich davon abtreiben zu lassen gesonnen ist. Vincentius gab hierauf zur Antwort: wie er diese Sache erstlich mit seinen Geferten überlegen müßte, inzwischen möchten sie nur erstlich alle drey aus dieser Höhle heraus, und an das Tages-Licht kommen, damit wir einander recht in die Augen sehen, und fernerweitige Worte wechseln könten. Sie leisteten also Gehorsam, und folgten uns heraus in die freye Lufft, da wir uns denn alle nicht genugsam über die besondere Schönheit der Persianischen Printzeßin verwundern konten, die, ob sie gleich eine Brunette ist, wenig Blondinen gegen sich hat, welche sie an der actigen Gesichts-Bildung übertreffen solten. Zum guten Glücke hatten einige von meinen Freunden noch ein paar Bouteillen Canari-Sect nebst etwas Confect und andern eingemachten Sachen bey sich, derowegen langete ein jeder hervor, was er hatte, um nur diesen furchtsamen und verdüsterten Seelen oder Cörpern einen frischen Muth zuwege zu bringen. Sie nahmen alles an, was man ihnen reichte, führeten sich aber sehr schamhafftig und mäßig im Essen und Trincken auf, endlich aber wurde ich gewahr, daß die Furcht nach und nach bey allen, dreyen verschwande, und ihre Geister wieder lebendig zu werden schienen, welches uns allen denn gantz sehr angenehm war.

Indem wir aber allgemach von unserer Rückreise zu reden anfiengen, zumahlen, da der Proviant[385] mehr ab- als zunahm, so zog Vincentius nebst andern guten Freunden auch mich auf die Seite, und stellete vor, daß, weilen wir einmahl doch da wären, er aber versichern könte, daß noch weit wichtigere Sachen zu unserm Nutzen abgehandelt werden könten, wenn wir uns nur wenigstens noch eine gantze Woche in dieser Gegend aufhielten; so höreten wir vorhero erstlich dessen deutlichere Erklärungen an, und da wir vieles darinnen fanden, welches unserm Hertzen wohl gefiel, so wurde gleich in der Geschwindigkeit beschlossen, noch einen Sonntag in dieser Gegend abzuwarten, um zu erfahren, ob des Vincentii Versprechungen und Künste fernerweit so gut eintreffen und wohl ablauffen würden, als wir eine Zeit daher von ihm bereits durch viele Proben vergewissert waren.

Demnach wurden ohne ferneres Bedencken 20. der hertzhafftesten und hurtigsten Felsenburgischen Männer und Junggesellen nach unsern Hütten geschickt, um Proviant und was uns sonsten etwa mangelte, so bald als immer möglich, herbey zu schaffen. Wie nun dieselben diese Strapaze mit Lust angetreten hatten, so sahen wir sie am Abende des dritten Tages nach ihrem Weggehen glücklich und wohl beladen zurückkommen: Denn sie hatten sich Trage-Bahren gemacht, auf welchen sie alles, was unser Hertz begehren konte, im Uberflusse herbey brachten, ja, sie wolten nicht einmahl eingestehen, daß ihnen diese Reise sauer angekommen wäre, indem sie lauter Zeitkürtzende Gespräche unter sich geführet, bey der Tragungs-Last[386] aber immer einer den andern nicht mit Verdruß, sondern mit gröster Lust abgelöset hätte.

Vor allen Dingen aber muß ich die besondere Begebenheit zu melden nicht vergessen, welche des Abends vor der Zurückkunfft unserer Ausgeschickten vorgieng: Denn, da ich mit der Printzeßin und ihrer Wart-Frau, die sich Anna nennete, bey der kühlen angenehmen Abend-Lufft auf etwa 100. Schritt weit vom Berge und der übrigen Gesellschafft Lustwandeln gieng, traffen wir unterwegs einen grossen ausgehauenen viereckigten Stein an, vor welchem die Printzeßin erstlich wohl eine Minute lang stehen blieb, hernach aber sich auf denselben niedersetzte, und so wohl mir, als der Anna mit Worten und Zeichen zu vernehmen gab, daß wir beyde uns neben sie setzen solten; wie nun dieses geschehen, und wir die Printzeßin also in der Mitte hatten, rieff diese ihrer Bedientin, welche auch nicht weit von uns entfernet war, da wir denn sahen, daß das Mägdgen dem Ruffe augenblicklich gehorsamete, und sich hinter der Printzeßin Rücken auf die Knie niederließ, und zwar gantz stillschweigend, ohne sich mit den Händen, oder sonsten mit dem Leibe zu bewegen.

Mirzamanda, (dieses ist der Nahme der Persianischen Printzeßin) fieng an, in einer verdorbenen und vermischten Sprache folgendes mit mir zu reden: (doch weilen die allermeisten Worte Holländisch auch zum Theil Lateinisch waren, so konte ich vorerst doch nur so viel verstehen, daß sie mich dieses fragte) Mein Herr! es hat mir meine Anna sehr viel von[387] den Christen, ihrem Christenthume, und sonderlich von einem gecreutzigten Heylande vorgeschwatzt, welcher alle Sünder, wenn sie sich nur im wahren Glauben an sein Verdienst zu ihm wendeten, nicht nur zeitlich, sondern häuptsächlich ewig selig und glücklich machen wolte und könte. Darum bitte ich gehorsamst, mir zu eröffnen, ob ich in diesem Stücke vollkommen recht berichtet, oder nur etwa bey der Nase herum geführet bin?

Allerwertheste Printzeßin (gab ich ihr zur Antwort) Sie sind von der Frau Anna nicht im allergeringsten belogen noch betrogen worden, sondern es hat dieselbe einen vortrefflichen guten Grund zu Dero wahren Christenthum gelegt; der gecreutzigte Heyland, als wahrhaffter GOtt und Mensch, wird, wenn Sie ihn fleißig anruffen, verleihen, daß Sie nicht allein hier auf dieser Welt glücklich, hauptsächlich aber nach Ihrem Tode, im Himmel ewig selig werden. Jedoch, weil bey unsern jetzigen Umständen von dieser wichtigen Sache, zumahlen wegen Kürtze der Zeit, nicht viel gründliches gesprochen und überlegt werden kan; so verlassen Sie sich in diesem Ihren christlichen Glauben nur auf unsere christliche Vorsorge und Beyhülffe, als womit Sie nicht betrogen, sondern durch den gecreutzigten Heyland gesegnet werden sollen.

Ich merckte, daß diese meine Worte der Mirzamanda sehr wohl gefielen, indem sie solches mit freudigen Geberden zu erkennen gab, auch mir so gar die Hand küssen wolte; allein diese Höflichkeit schien mir, vor eine Printzeßin etwas gar[388] zu sehr niederträchtig, da sie sich doch sonsten gegen jederman sehr demüthig und gelassen aufführete, als worzu sie ohnfehlbar durch die Betrachtung ihres damahligen Zustandes angetrieben wurde. Hergegen küssete ich ihr die Hände zu vielenmahlen, und gab in zusammen gestoppelten halb Holländischen, halb Lateinischen Worten derselben so viel zu vernehmen, daß sie getrost und gutes Muths seyn möchte, weilen wir vor ihr Wohlseyn alle möglichste Sorge, und zwar vom heutigen Tage an, aufrichtig tragen wollen, damit sie sich binnen kurtzer Zeit darüber zu erfreuen Ursach haben könte.

Kaum hatte ich diese letztere Rede vollendet, so kam ein schöner grosser Löwe mit sachten Schritten auf uns zu gegangen, weßwegen ich meine bey mir habende Flinte zur Hand nahm, als mit welcher ich unter währenden Lustwandeln etliche Vögel von den Bäumen herunter geschossen, und worüber die Printzeßin ein besonderes Vergnügen bezeugt hatte; machte mich also fertig, daferne der Löwe näher käme, Feuer auf denselben zu geben; So bald aber Mirzamanda diese meine Anstalten merckte, und sahe, fiel sie mir zum Füssen, und sagte: Ach nein, mein Herr! unterlasset, dieses schöne Thier zu tödten, denn es ist, ob es gleich ein wehrhaffter Löwe ist, von seiner allerzärtesten Jugend an, so zu sagen, mein Schooß-Hündlein gewesen, er beleidiget auch niemanden anders, als diejenigen, so meine Person beleidigen oder verletzen wollen, denn ich habe diesen Löwen gantz allein auferzogen, und dieserwegen hat er sich[389] auch nicht gescheuet, mir über die See bis an diesen Ort nachzufolgen.

Ich ließ diese Geschichts-Erzehlung anfänglich auf ihrer Wahrheit oder Unwahrheit beruhen, doch ohngeachtet die Printzeßin selbige auf eine gantz angenehme Art vorbrachte, so hatte ich noch immer einen heimlichen Grauen und Abscheu, so lange ich den Löwen um uns herum wandeln sahe, endlich aber, da sie ihn ruffte, kam er gantz kleinmüthig zu ihren Füssen gekrochen, küssete ihr alsobald die Hände, welches er denn auf ihrem Befehl, auch mir und der Frau Anna thun muste, hernach weltzete er sich etlichemahl auf der Erde herum, und legte sich darauf zu ihren Füssen, blieb auch so lange stille liegen, bis wir alle drey aufstunden, und uns weiter hin nach den Feuern begaben, allwo sich unsere übrige Gesellschafft zum Genuß der Abend-Mahlzeit versammlet hatte. Es war manchem und mir selbst einiger Massen lächerlich anzusehen, daß die Printzeßin den Löwen an ihren zusammen geknüpften Strümpfe-Bändern mit sich geführet brachte, anbey aber zu bewundern, daß sich kein eintziger Mensch vor dieser grimmigen und grausamen Art der Thiere so gar besonders scheuete und entsetzte, da doch sonsten eine blose Löwen-Haut so wohl Menschen als Thieren, jedoch einem vor dem andern, einiger Massen Furcht und Schrecken einzujagen pflegt. Bey dieser meiner Verwunderung that ich die heimliche Frage an den Vincentium: was wohl von diesem Löwen zu halten sey, und ob es ein würcklicher natürlicher Löwe, oder nur eine blose[390] Machine wäre, mit welcher die Geister ihr Spiel trieben? Hierauf gab uns Vincentius diese Antwort: Ich will nimmermehr auf dieser Welt glücklich werden, wenn dieses nicht ein würcklicher und natürlicher Löwe ist, mit dem zwar in Persien die bösen Geister allerhand Gauckel-Spiele getrieben haben; Jedoch dieses alles ist vorbey, und gehet uns allhier nichts an. Genug, wenn ich euch dieses nochmahls hoch und theuer versichere, daß es ein bloser natürlicher Löwe, allein, durch die kluge und behutsame Auferziehung seiner Printzeßin dahin gebracht ist, daß er fast mehr Verstand, als mancher Mensch im Gehirne hat.

Nachdem nun Vincentius mir alles, was er von dem Löwen gesagt, noch mit vielen Eyd-Schwüren betheuert, verschwand nicht allein bey mir aller Argwohn und Mißtrauen, sondern auch die Furcht vor dieser wilden Bestie, ja! ich gewann den Löwen dergestalt lieb, daß ich fast nirgends hingehen konte, wenn ich den Löwen nicht bey mir sahe, als woraus sich die Mirzamanda ein besonderes Vergnügen machte. Jedoch auf das vorige zu kommen, so war doch zu bewundern, daß dieser Löwe, als er uns zum erstenmahle mit der Printzeßin bey der Abend-Mahlzeit besuchte, sich hinter seine Gebieterin stellete, und derselben also aufwartete, wie bey uns die abgerichteten Hunde aufzuwarten pflegen; nach diesem legte er sich vor ihr nieder, seinen Kopff in ihren Schooß, und ließ sich von ihr speisen, hierauf gieng er weiter von einem zum andern, und wer ihm einen rechten wohlschmeckenden Bissen zu verschlingen gab, dem[391] leckte er nicht allein die Hände, sondern auch zum öfftern das Gesichte, welches denn zu verschiedenen mahlen bey uns, zu einer hefftigen Verwunderung und vielen Lachen Anlaß gab. Kurtz: der Löwe führete sich dergestalt artig auf, daß ihn ein jeder von uns liebte, und in besondern Ehren hielt.

Nachdem wir abgeredeter Massen noch die Woche daselbst zugebracht, in den Werckel-Tagen manchen sauren Schweiß-Tropfen vergossen, da uns Vincentius nicht allein in dem Heyden-Tempel, sondern auch in den neben liegenden Grotten dergestalt viel Arbeit angewiesen, daß wir von Morgen an bis zur Abends-Zeit alle Hände voll zu thun fanden, worbey aber niemand saul oder verdrüßlich wurde, weilen wir mit offenen Augen betrachten konten, wie unsere Mühe von Zeit zu Zeit 100. (ja ich lüge nicht, wenn ich sage, 1000, sach) belohnet war; so beschlossen wir noch den einen Sonntag abzuwarten, und des darauf folgenden Tages nach unsern Hütten zu kehren. Es wurde also bemeldter Sonntag ohne Arbeit, sondern in gutem Vergnügen zugebracht, weiln wir uns hauptsächlich die von unsern Leuten aus dem Hütten abgeholten Speisen und Weine wohl schmecken liessen, ausser diesen aber war noch ein gantz besonderes Gerichte von einer Art ungemein grosser, wie auch mittelmäßiger und kleiner Fische, welche unsere Leute lebendig herbey gebracht hatten, und die alle, in Wahrheit gegen andere Arten von Fischen einen gantz besondern Geschmack hatten; es waren aber diese Fische in der Klein-Felsenburgischen grossen See und den daraus fliessenden[392] kleinen Ströhmen und Bächen gefangen worden. Auser diesem allen wurde ich mit besondern Vergnügen gewahr, daß alle unsere Leute, so wohl Römisch-Catholische, als Protestanten, sich in jeglicher Gesellschaffts-Sorte auf die Seite begaben, und den Gottesdienst, ein jeder nach seiner Weise, verrichteten.

Desto schreckhaffter aber kam mir und allen Anwesenden die Tragœdie vor, die bald hernach der Satan spielete, und welche ich etwas umständlich vortragen will. Als demnach die Printzeßin, ihre Wart-Frau Anna, ich und noch einige meiner vertrautesten Felsenburgischen Freunde gegen Untergang der Sonnen bey der gantz ungemein angenehmen Witterung einen Spaziergang nach einem kleinen Gebüsche zu nahmen, so traffen wir unter Weges den Stein an, dessen ich schon gedacht, derowegen verlangte Mirzamanda, Müdigkeit halber, ein wenig auf demselben auszuruhen, setzte sich also zwischen mir und der Anna auf demselben nieder, unsere übrigen Geferten lagerten sich auf dem schönen grünen Grase-Boden um uns herum, der Löwe kam, legte seinen Kopf seiner Gebieterin in den Schooß, Hadscha aber, als der Printzeßin Aufwarte-Mägdgen, fiel abermahls hinter ihrer Gebieterin auf die Knie nieder, hub ihre Augen beständig gen Himmel und nach dem grossen Berge zu, als welcher letztere sonderlich den Augen aller Anwesenden einen bewunderns-würdigen Anblick verursachte, weilen die matten Strahlen der untergehenden Sonne und die aufsteigende, allerhandfärbige[393] Abendröthe denselben, allem Ansehen nach, fast als einen Spiegel zu gebrauchen schienen. Indem sich aber die Sonne kaum gäntzlich verkrochen hatte, ließ es auf dem Berge nicht anders zu seyn, als ob ein helles lichterlohes Feuer auf dessen allerobersten Gipfel brennete, ja, man sahe so gar Funcken heraus und gen Himmel fliegen, eben als ob dieser Berg es andern Feuerspeyenden Bergen, als dem Aetna, Vesuvius und deren gleichen mehr, auf einmahl nachthun wolte; Jedoch die allermeisten unter uns waren der Meynung, daß es kein würckliches natürliches Feuer, sondern ein bloses Blendwerck wäre, welches von den Sonnen-Strahlen und der Abendröthe gemacht würde. Hadscha aber gab uns binnen wenig Minuten gantz etwas anders zu erfahren, denn sie sprunge plötzlich von der Erden auf, und that etliche dergestalt hellkungende Schreye, welche in denen Gebürgen ein gräßliches Echo verursachten, so, daß wir alle in ein nicht geringes Entsetzen gebracht wurden. Hierauf lieff sie, die Hadscha, noch schneller als ein Hirsch über 500. Schritte weit von uns nach dem Berge zu; Anna bat sich aus, es möchten 2. oder 3. dreuste Manns-Personen mit ihr gehen, um dieses thörichte Mensch wieder zurück zu holen, und hierinnen wurde ihr sogleich gewillfahret: denn es fanden sich ohne unsern Befehl und Willen nicht nur 2. oder 3. sondern 8. bis 10. dreuste Felsenburger, welche mit der Anna der Hadscha nacheileten. Diese Nacheilenden mochten aber wohl kaum den halben Weg nach dem grossen Berge zu zurück gelegt haben, als Vincentius[394] gantz tiefsinnig gegen uns, die wir noch bey der Printzeßin versammlet waren, anspatziert kam. Ich rieff ihn zu mir, ein Glas Canari-Sect Bescheid zu thun, und da er kam, so erzehlete ich ihm, was uns begegnet wäre, vornemlich aber die Geschichte mit der Hadscha, als welcher wir vor kurtzer Frist Boten nachgeschickt hätten. Eurer aller Mühe (sprach hierauf Vincentius) wird vor diesesmahl wohl vergebens seyn, weilen der Satan, dem diese Hadscha, als eine Anbeterin des Feuers und Ertz-Verächterin des Christlichen Glaubens von Jugend auf, bis auf diesen heutigen Tag, gedienet, vor kurtzer Zeit den Hals gebrochen, welches ich, so weit es auch euch zu seyn vorkömmt, dennoch ohne Perspectiv mit meiner leiblichen Augen gesehen habe.

Man kan leicht glauben, daß uns diese Worte des Vincentii ein nicht geringes Schrecken verursachten: jedoch, da wir doch abwarten wolten, was die Nachgeeileten uns vor einen Bericht erstatten würden, so machten wir Feuer an, uns zu wärmen, weilen es allmählig gar zu kühle zu werden begunte; durfften aber besagten Nachgeeileten nicht länger, als noch etwa 2. Stunden entgegen sehen, da denn dieselben benebst der Frau Anna gesund und frisch zurück kamen. Ihr Bericht war dieser: daß sie die Hadscha noch gantz unten am Fusse des grossen Berges angetroffen, da sie denn Frau Anna, mit gantz freundlichen Worten bereden wollen, wieder mit ihnen zurück und zu ihrer Printzeßin zu kehren; allein Hadscha[395] hätte sich fast gantz rasend angestellet, wäre immer fort geeilet, worbey sie diese Worte ausgestossen: Hebet euch weg von mir! lasset mich gehen! ich will, soll und muß heute meine Andacht verrichten, denn dieses ist eben der Tag meines Heyls. Wie man nun, (so lautete der Bericht ferner) gesehen und gespüret, daß weder der Frau Anna, vielweniger der andern Zureden, etwas bey dieser verzweiffelten Person fruchten wollen, so hätte man ihr endlich ihren garstigen Willen gelassen, da sie denn eine sehr steile Klippe hinauf, und zwar einem ziemlich grossen Feuer entgegen geklettert, jedoch, ehe sie noch die Spitze derselben vollkommen überstiegen, wäre, nachdem man einen lauten Schrey von ihr gehöret, ihr Cörper von etlichen schwartzen Personen, die man nicht unbillig vor böse Geister halten könte, herunter in die Tieffe gestürtzt worden, allwo er noch läge, und nach Gutbefinden aufzuheben und nach Gefallen beerdigt werden könte.

Wie nun Mirzamanda diese Begebenheit so wohl aus ihrer Frau Annen, als unserer Felsenburger Munde in allen Stücken übereintreffend vernommen, sagte sie: Meine Freunde! lasset den verfluchten Teufels-Braten liegen, wo er liegt, und würdiget ihn keines Begräbnisses, sondern gönnet ihn denjenigen, so ihn den Hals zerbrochen, oder den wilden Thieren und Vögeln zur Speise, denn Hadscha ist von ihrer Jugend an eine Ertz-Feindin und Spötterin der Christin und ihres Glaubens gewesen.

Vincentius war noch zugegen, und stimmete[396] der Printzeßin Meynung in allem bey; wie es nemlich nicht nöthig wäre, daß wir uns fernerweit um den unglückseligen Cörper der Hadscha bemühen, oder uns dieserwegen solten von unsern anderweitigen Geschäfften abhalten lassen; fragte anbey, ob wir auch aus dieser geringen Begebenheit nicht erkenneten, daß er ein aufrichtiger Freund, Beförderer und Wahrsager unsers Glücks und Wohlergehens wäre?

Demnach wurde von der Stunde an alle Anstalt gemacht, uns in Ordnung zu bringen, um mit anbrechenden Tage die Rückreise nach unsern Hütten anzutreten, welches denn auch geschahe, nachdem sich vorhero in der Nacht weiter niemand mehr um den Cörper der Hadscha bekümmert, mithin bekamen wir des dritten Tage, weilen wir uns aus gewissen Ursachen im Gehen eben nicht übereilen wolten, glücklich bey und in unsern Hütten an, da denn noch alles richtig und wohlbestelt befunden wurde.

Mittlerweile passirre mir ein artiger Streich, denn, da ich kaum in die allerdickste Waldung dieser Gegend eingetreten war; begegnete mir einer der allergrösten Hirsche, so, wie ich derselben einen nur immer Zeit meines Lebens gesehen, ohngeachtet ich nun sonsten ein grosser Vertheidiger des Wildprets, zumahlen dessen bin, was zur Zucht dienet, so fiel mir doch dieser schöne Hirsch wegen seiner besondern Grösse dergestalt in die Augen, (weil ich wuste, daß er in den Klein-Felsenburgischen Waldungen noch vielmehr Brüder seines gleichen hatte) daß ich der Mirzamanden[397] Hand fahren ließ, als welche sich bis dahin von mir an der Hand führen lassen, hergegen meine auf der Schulter hangende, gezogene Büchse ergriff, und aus derselben diesem starcken Thiere eine Kugel in den Leib schickte, weilen aber diese Kugel nicht das rechte Fleckgen getroffen, sondern nur einen Streif-Schuß gemacht, als kam der Hirsch in der grösten Geschwindigkeit auf mich zugesprungen, und wolte mir im Ernste zu Leibe gehen; Doch, da der Löwe dieses sahe, oder merckte, riß er das Band entzwey, woran ihm Mirzamanda neben sich herleitete, und sprunge dem Hirsche ebenfalls in gröster Geschwindigkeit entgegen, machte auch kurtze Arbeit mit dem Hirsche, indem er demselben die Gurgel abgebissen, so, daß der gute Hirsch augenblicklich zu Boden sincken muste; er, der Löwe, aber vergriff sich weiter nicht an diesem seinem vermeynten Feinde, leckte auch, wie ich wohl bemerckte, nicht einen Tropffen Blut oder Schweiß von demselben auf, sondern kam gantz langsam wieder zurück, legte sich erstlich zu seiner Gebieterin Füssen, leckte ihr nachhero die Hände, ließ sich auch in aller Gelassenheit wieder anbinden und führen; wir aber liessen uns nebst unsern Geferten die Mühe nicht verdriessen, dieses vortreffliche Küchen-Stück, mit in unsere Hütten zu tragen, da wir denn dasselbe alle wohl nutzen konten, indem wir beschlossen hatten, noch 3. Tage, als Rast-Tage, allda zu halten, des 4ten Tages aber in aller Frühe nach Groß-Felsenburg abzuseegeln.

Binnen diesen 3. Tagen, da wir unsern Mäulern auch eben keine Stief-Väter und Stief-Mütter[398] waren, versuchten wir, uns manche Lust mit dem Löwen zu machen, indem wir denselben in einen wohl verzäuten Garten einsperreten, darbey allerhand Arten von Thieren, als wilde Ziegen, wilde Schweine, junge Reh-Böcke, auch einiges Flügelwerck, Gänse, Endten, Turckische Hähne und Hühner etc. zu demselben hinein jagten; allein er trieb zwar seine Kurtzweile mit allen diesen Thieren, tödtete aber keine, bis wir 2. Reh-Böcke, 4 Schweine und 6 wilde Ziegen auf die Köpffe schossen; da er denn, weilen er vielleicht merckte, daß man ihn nur vexirte, die angeschossenen Stücke zwar beroch, hernach aber dieselben weiter ohnbeschädigt auf ihren Plätzen liegen ließ. Als er nun keinen Ausgang finden konte, eröffnete er sich, mit Ausreissung 3. oder 4. Staqueten, selbst eine Thür, so, daß er eben zur Abend-Mahlzeit bey seiner Gebieterin eintraff, sich vor derselben niederlegte, zur Lust etlichemahl auf dem Erdboden herum weltzete, und hernach allerhand andere Possen machte.

Nun muß ich mit Wahrheit bekennen und sagen, daß ich mein Lebtage nicht geglaubt hätte, was Menschen-Hände, wenn sie gleich lustig und guter Dinge sind, ausrichten können: denn am 3ten Abende unserer verflossenen 3 Rast-Tage war schon unsere völlige Ladung vorhanden, und diese bestunde in den auserlesensten grössesten Ertz-Stuffen, die Vincentius in dem so genannten grossen Gebürge N. blos zur Probe aushauen lassen, von dem übrigen, was wir noch in dem Heyden-Tempel gefunden, will ich vorjetzo nicht viel Reden[399] oder Worte machen, glaube aber, daß es demjenigen, was wir bereits vor Olims- Zeiten aus eben diesem Heyden-Tempel erworben, wenig nachgeben wird; ja, ich solte fast meynen, daß wir in gewissen Stücken weit mehrere Kostbarkeiten und Schätze, und zwar mit eben so grosser, ja wohl noch weit grösserer Lebens-Gefahr erobert hätten, als unsere Vorgänger.

Jedoch ich will alles dieses vorjetzo bey Seite gestellet seyn lassen, und nur so viel melden, daß, nachdem wir mit den Portugiesen, sonderlich aber mit dem Vincentio, zur Nachts-Zeit ein gantz geheimes Gespräch gehalten, Morgens frühe, mit voller Ladung von ihnen abruderten, unter dem Versprechen, sie alle wohl zu bedencken, und binnen 6. oder 8. Tagen unsere bey ihnen zurücklassenden Landes-Leute, deren 20. an der Zahl waren, wieder abzulösen. Es waren diese 20 Mann, die wir also dazumahl auf der Insul Klein-Felsen burg zurück liessen, mit wenig Worten zu sagen: Leute, von vollkommener Hertzhafftigkeit; und uns geleitete der Himmel nebst der Persianischen Printzeßin, ihrer Frau Anna und dem Löwen, glücklich bis auf die Insul Groß-Felsenburg.

Was da abermahls vor ein Aufsehen entstunde, davon will gar nicht viel reden; Die mitgebrachten Sachen aber machten bey den Manns-Personen noch lange nicht so viel Wunder, als bey unserm Frauenzimmer die 2. auf eine so seltsame Art gekleidete Weibs-Personen, der Löwe aber brachte zu Anfangs in allen Augen so wohl Verwunderung, als Schrecken zu Wege, welches letztere[400] aber binnen wenig Tagen gäntzlich verschwunde, indem die Insulaner des Löwens gar bald gewohnt wurden, als welchen die Printzeßin zuweilen frey herum spatziren ließ, zu andern Zeiten aber, auch hie oder da anbunde, da denn auch so gar die Kinder, so kaum lauffen konten, sich um den Löwen herum versammleten, welcher auf das allerpoßierlichste mit ihnen spielete, und ihnen die Gesichter, Hände und Füsse leckte.

Unser Frauenzimmer war vor allererst dahin besorgt gewesen, die angekommenen beyden Gäste in reinliche Kleidung und Wäsche zu werffen, hatten denenselben also verschiedenes von dergleichen Sachen vorgelegt; da aber Anna zu vernehmen gegeben, wie sie dergleichen schöne Sachen nicht eher anlegen würden, als bis sie sich alle beyde in den Abend-Stunden in dem nächst vorbey fliessenden Flusse würden gebadet und gewaschen haben, so machten unser Frauenzimmer gleich andere Anstalten, indem sie eine Bad-Stube heitzen liessen, da denn die Printzeßin nebst der Anna hinein geführet wurden, um ihre Bequemlichkeit in der Wärme mit warmen Wasser und andern Zubehör darinnen zu finden und zu gebrauchen. Demnach kam die Printzeßin gleich des andern Morgens in einem Felsenburgischen Festtäglichen Frauenzimmer-Habite aufgezogen, und ihre darunter hervor leuchtende gantz besondere Schönheit wurde von jedermänniglich bewundert, ohngeachtet sie aber etwas hohes nicht allein in ihren Kohl-Pechschwartzen Augen, sondern auch in allen ihren Minen und Geberden an sich hatte, und man aus[401] allen ihren Gesichts Zügen und gantzem Wesen sogleich urtheilen konte, daß sie von hoher Herkunfft seyn müsse, so muste man sich dennoch auch über ihre Gelassenheit, Sanfftmuth und stilles Wesen, welches sich bey verschiedenen Begebenheiten zeigte, ungemein verwundern; jedoch bey lustigen Begebenheiten wuste sie ihre Rolle auch zu spielen, und sich nicht etwa mürrisch, sauertöpffisch oder einfältig aufzuführen, so, wie viele schwartzen, braunen und weissen Frauenzimmer, sonderlich in Deutschland sich zu vielenmahlen belachens-würdig und häßlich vergalloppiren, wenn ihnen nicht alles sogleich nach ihren Köpfen gehet, eben, als wenn an einer Person allein so gar allzu viel gelegen wäre etc.

Allein, wie gesagt, in allen diesen Stücken zeigte Mirzamanda eine gantz andere Aufführung, die ich wohl mit Recht Fürstlich nennen kan, und hiermit erwarb sie sich in der Geschwindigkeit die Liebe aller Insulaner, vom Grösten bis zum Kleinesten, beyderley Geschlechts, zumahlen, da man sahe, daß der Regente, als ein dem hunderten Jahre entgegen reisender Mann, diese Printzeßin in besondern Ehren hielt, da dieselbe an seiner Taffel ihm allezeit zur rechten Hand sitzen muste, zu seiner lincken aber saß mehrentheils die Frau Mag. Schmeltzerin Sen. jedoch in diesem Stücke, um eine die andere etwa nicht verdrießlich zu machen, wechselten die lieben Weibergen gar öffters mit einander um.

Von nun an aber war die Haupt-Sache diese, daß so wohl die Mirzamanda, als ihre Anna[402] zum wahrhafften Christenthume unterrichtet und angeführet wurden, weßwegen sich denn die Herren Geistlichen Tag vor Tag hierzu mit gröstem Ernste und Eifer bereit und willig finden liessen, so, daß so wohl die Mirzamanda, als ihre Anna binnen 3. bis 4. Wochen-Zeit Verlauf dahin gebracht wurden, daß man ihnen das Hochwürdige heilige Abendmahl ohne Bedencken und mit gutem Gewissen reichen konte, welches sie denn auch des nechsten Sonntags empfiengen.

Wie nun unser Frauenzimmer zu dieser beyder fremden Sünder Bekehrung ein nicht geringes beygetragen, indem sie beständig geistliche und christliche Gespräche mit ihnen führeten, so lerneten bey solcher Gelegenheit eine so wohl, als die andere, binnen einer fast unglaublichen kurtzen Frist, nicht allein unsere Felsenburgische Sprache vollkommen verstehen, sondern auch ziemlicher Massen reden; jedoch, was das letztere anbelangete, so muste man der alten Anna vor dißmahl in diesem Stücke den Preiß zuerkennen, daß sie viel deutlicher, geschwinder und hurtiger ausreden konte, als die Printzeßin, der, weilen sie zugleich in etwas schnarrete und lispelte, welches doch sonsten gantz angenehm zu hören war, unsere Sprache anfänglich etwas schwer fallen wolte, nunmehro aber redet sie dieselbe so deutlich und gut, als eine gebohrne und gezogene Felsenburgerin nur immer thun kan.

Hierbey aber muß ich zu melden nicht vergessen, daß ich nach dem Verlauff auf der den Klein-Felsenburgern bestimmten 8. Tage, mich abermahls[403] mit verschiedenen vertrauten Freunden, worunter sonderlich Herr Mag. Schmeltzer Jun. befindlich, auch 60. Mann der resolutesten Felsenburger, so wohl Männer als Junggesellen, in 3. Booten auf die Insul Klein-Felsenburg verfügte, und unsern daselbst zurück gelassenen Freunden nicht nur Lebens-Mittel im Uberflusse, sondern auch die allerbesten Erfrischungen zuführete, welche guten Freunde uns denn mit einem ausserordentlichen Vergnügen bewillkommeten: erstlich ihre Arbeit vorzeigten, die sie binnen der Zeit verrichtet hatten, welche in etliche 1000. Centnern der allerkostbarsten ausgehauenen Ertz-Stuffen bestunden, die alle von nicht geringer, sondern fast solcher erstaunlicher Grösse, so, daß wir zu zweiffeln begunten, ob es auch würde möglich seyn, dieselben in die Boote zu bringen; allein es gieng durch saure Bemühung endlich, da es zum Treffen kam, doch an. Ohngeachter aber der Freude, welche die Unserigen so wohl, als die Portugiesen über untere glückliche Zurückkunfft bezeugten, wolten sie sich doch von ihrer Arbeit nicht abhalten lassen, sondern waren dergestalt erpicht darauf, als ob der Himmel und die Seligkeit damit zu verdienen wäre. Wie nun dieses Herr Mag. Schmeltzer Jun. merckte, so war er zwar so neubegierig, das grosse Gebürge, wie auch den grossen Berg, und den darinnen befindlichen uralten Heyden-Tempel mit zu untersuchen und eigentlich zu betrachten; allein eben dieses verleitete ihn dahin, daß er uns allen, so viel nur unserer waren, alle Morgen, bey Aufgange der Sonnen Mittags und Abends aber nach der genossenen Mahlzeit[404] eine andächtige Betstunde hielte, so, daß wir jedes Tages 3. Betstunden abzuwarten hatten, woran sich die 5. Portugiesen dergestalt ergötzten, daß sie wünschten, unserer Religion zu seyn, indem sie durch des Herrn Mag. Schmeltzers hertzbrechende Worte und hauptsächlich durch die Krafft des Heiligen Geistes inniglich gerühret wurden.

Da diese 5. Mann nun eine brennende Begierde gegen Herrn Mag. Schmeltzern spüren liessen, um, sie in unsern Glaubens-Articuln des Christenthums vollkommen zu unterrichten, als nahm er sich nicht allein in denen darauf folgenden Tagen die grosse Mühe, etliche Stunden in dieser Arbeit mit ihnen im Sitzen zu zubringen, sondern er gieng auch sehr öffters mit ihnen spaziren; brachte ihnen also binnen kurtzer Frist die Glaubens-Articul unserer Felsenburgischen Protestantischen Religion dergestalt bey daß ihnen, nach ihrem hefftigen Verlangen, auf beschehene Beichte und Absolution, das Hochwurdige Abendmahl gereicht wurde, als worbey sich keiner andächtiger zeigte, als der gute Vincentius, dessen Augen man fast niemahls ohne Thränen sahe; wie ich aber noch bis diese Stunde vernommen, so erkennet Herr Mag. Schmeltzer den Vincentium vor einen bekehrten Sünder und aufrichtigen guten Christen, indem er denselben, sonderlich seiner Künste wegen, anfänglich zwar recht sehr scharff zugesetzt, endlich aber befunden, daß die meisten derselben erlaubte und in der vernünfftigen Philosophie gantz wohl gegründete Sachen wären, die dem Christenthume, wenn sonsten keine Bosheit darbey wäre, keinen Schaden thun könten.[405]

Binnen der Zeit nun, die wir uns selbst besti t hatten, auf Klein-Felsenburg zu verharren, schickten uns unsere Freunde von Groß-Felsenburg zu dreyen mahlen überflüßige Lebens–Mittel zu, und die Mannschafft lösete einander ohne Befehl, sondern recht gutwilliger Weise ab. Also konten wir recht vergnügt leben, zumahlen, da wir unsern Seelen-Sorger, als offtgemeldten Herrn Mag. Schmeltzern, so zu sagen, als einen Feld-Prediger bey uns hatten. Mittlerweile aber begab sich ein wunderlicher Streich, denn da dreyen dreusten Felsenburgern, welche mit dabey gewesen, die Hadscha zurück zu holen, die unordentliche Lust angekommen, um zu sehen, ob deren Cörper annoch auf selbiger Stelle läge, oder ob der Satan denselben etwa anders wohin geführet hätte, so sahen sie (ihrem Berichte nach) den Cörper noch auf derselben Stelle liegen, wo sie denselben zum letztenmahle liegen sehen, wurden aber gewahr, daß 5. oder 6. Kohlschwartze Vögel, fast in der Grösse einer Gans, auf demselben sassen, und ihm die Kleider vom Gerippe abrissen; diese schwartzen Vögel bissen sich selbsten unter einander, indem sie die Kleidungs-Stücke abrissen, und einander aus den Mäulern zerreten, wenn nun aber einer oder der andere ein gut Kleidungs-Stück, oder Lappen erhascht, schwung er sich damit in die Lufft, da denn die andern gleich aufflogen, und ihn so lange verfolgten, bis er den Lappen wieder zur Erden muste fallen lassen. Wir, (sagten unsere Reverenten ferner) bekamen zwar einen ziemlichen Abscheu vor diesem schändlichen Schauspiele, jedoch, da einer von uns im währenden Gehen[406] auf einen solchen Lappen, und zwar gantz von ohngefehr, trat, den ein Vogel aus der Lufft hatte fallen lassen, so fühlete er unter seinen Schuhsolen etwas hartes, weßwegen er weiter nachsuchte, und ein gantzes Bündlein der vortrefflichsten Diamanten und anderer Edelgesteine darinnen fand, welche man, weiln es noch heller-lichter Tag war, mehr als zu genau erkennen konte, zumahlen uns dergleichen Sachen nicht so gar unbekannt sind; Wie wir aber sahen, daß immer ein Vogel nach dem andern seinen Lappen wegen Verfolgung seiner Mit-Brüder herunter auf die Erde muste fallen lassen, so gaben wir etwas besser Achtung auf die Vögel, sonderlich aber auf die Lappen, so herunter fielen, da wir denn einen jeglichen mit Diamanten und Edelgesteinen beschweret befanden. Dieses reitzte uns an, zurück zu dem Cörper zu gehen, ohngeachtet derselbe schon einen ziemlich übeln Geruch unsern Nasen-Löchern eingeflösset hatte; Allein wir kehreten uns daran eben so gar viel nicht, sondern waren nur beschäfftiget, das Uberbleibsel von den Kleidungs-Stücken uns zu zueignen, den Cörper aber in GOttes Gewalt liegen zu lassen, und dieses geschahe, ehe die Sonne sich noch gantz völlig von unserem Horizonte zurück gezogen. Wie wir nun das hatten, was wir haben wolten, nemlich der Hadscha noch übrigen Kleidungs-Stücke, die wir ziemlich schwer zu tragen befanden, begaben wir uns auf den Weg nach unsern Hütten, um die Gesellschafft zu suchen. Es machte uns zwar, (ohnfehlbar ein böser Geist) unterweges allerhand Firlefanzereyen vor; allein wir verspotteten ihn mit Beten und Singen.[407]

Nachdem nun diese unsere Felsenburgischen hertzhafften Mit-Brüder ihre redliche Aussage gethan, und wir sie wohl gespeiset und getränckt hatten, warffen wir ihre mitgebrachten Lappen, wohl zusammen gebunden und verwahrt, in das allernächst bey uns vorbey rauschende Bächlein, und liessen dieselben bis andern Tages nach der Mittags-Stunde, nachdem wir alle mit gröstem Appetite gespeiset hatten, darinnen herum schwimmen; nachhero aber nahmen wir diese Lappen heraus, und fanden einen kleinen Schatz von Diamanten und andern der kostbarsten Edelgesteinen darinnen, als wormit sich nicht allein die Mahlzeit, sondern auch ihr hertzhaffter Gang vielfältig bezahlt befand.

Da aber der Monat zu Ende gelauffen, und unsere Groß-Felsenburger zum 4ten mahle uns alles in Menge zuschickten, was wir nur verlangen mochten, so waren doch noch viele Sachen abzuhandeln, welche Herr Mag. Schmeltzer reifflich überlegte, sich aber vor seine Person selbst anheischig machte, den Neu-bekehrten zu Gefallen annoch eine Zeitlang auf dieser Insul zu verharren. Demnach fasseten wir einen baldigen Entschluß, und fuhren, als wir uns abermahls mit den auserlesensten Ertz-Stuffen fast über die Gebühr beladen, nach unsrer Heymath zu, gelangeten auch glücklich daselbst an.

Mich und noch andere mehr wolte es fast verdriessen, daß man unsere mitgebrachten Sachen vor gantz gering-schätzig und unbedürfftig hielte, weiln wir Ertz, Silber und Gold genug auf unserer grossen Insul hätten; Mein, da Mons. Plager darzu[408] kam, und die Worte fliegen ließ: Verachtet nicht, meine Freunde! den besondern Segen des HErrn, welcher zuweilen reich machet ohne besondere Mühe; Sehet nicht allein auf diese, sondern in die zukünfftigen Zeiten; ich aber (sagte er weiter) will, wenn es mir erlaubt ist, mir nechsten hinüber kommen, und mit Beyhülffe des berühmren Vincentii ein Hütten-Werck anlegen, damit wir unsere Schätze zu Gute bringen können, denn was wil nicht brauchen, bedürffen vielleicht unsere Kinder und Nachkommen; wurden unsere Hertzen ziemlicher Massen wieder beruhiget.

Wie ich nun meine erste Aufwartung bey meiner lieben Ehefrau machte, so erzehlete mir dieselbe, daß sie in den unansehnlichen Kleidungs-Stücken der Mirzamanda und der Anna, als welche Kleidungs-Stücke sie dem sämtlichen Felsenburgischen Frauenzimmer, so zu sagen, Preiß gegeben, eine gewaltige Menge der auserlesensten und kostbarsten Diamanten und anderer sehr raren Edelgesteinen gefunden, so, daß man sich billig verwundern muste, wie diese beyden Leute, indem sie eine solche Last getragen, jedennoch dabey herum gehen und stehen können. Hierauf ließ ich mich zur Mirzamanda führen, und erzehlete derselben in Gegenwart vieler Anwesenden, sonderlich aber des meisten Felsenburgischen Frauenzimmers, was uns nur vor kurtzem annoch wegen des Cörpers ihrer Hadscha begegnet und sich zugetragen hätte; brachte ihr auch Diamanten und anderen Edelgesteine mit, welche[409] wir aus der Hadscha Kleidungs- Stücken erbeutet. Allein Mirzamanda sagte darauf: Mein Herr! es ist dennoch gut, daß nur das meiste und beste bey dieser Bestie gefunden worden, ich bitte aber inständig, man wolle sich um ihren vermaledeyeten Cörper nicht weiter bemühen, sondern denselben den bösen Geistern und den Raben zur Speise überlassen, weiln derselbe keines bessern Schicksals würdig ist. Die Diamanten und andern Steine aber, welche, ob sie gleich von Rechtswegen mit zukämen, verlange nicht wieder, sondern man lege sie zu den andern, welche in meiner und der Anna Kleidung gefunden worden, und thue sie hin, wo man will, denn mir ist doch vor jetzo dergleichen Zeug nichts nütze, solten sich aber meine Umstände verändern und verbessern, so will ich auch schon diejenigen Oerter wieder zu finden wissen, wo von mir und der Anna ein 100. mahl mehreres verscharret worden.


Wir legten also alle diese kostbaren Kleynodien, Diamanten und andere Edelgesteine in ein besonderes Kästlein, darbey auch eine auf Pergament geschriebene Schrifft hinein, bezeichneten und versiegelten das Kästlein, worauf es mit dem darauf geschriebenen Nahmen MIRZAMANDA in die Schatz-Cammer des Regenten zur Verwahrung hingesetzt wurde.


Da nun aber fast alle Insulaner so neugierig waren, die Lebens-Geschichte dieser Printzeßin zu wissen, so nahm mir kein besonderes Bedencken, sie darum anzureden, und zu bitten, uns dieselbe zu erzehlen. Sie war mit gröstem Vergnügen so gleich[410] willig und bereit darzu, zumahlen, da sie eben aus der Kirche gekommen, worbey ich gedencken muß, daß sie sich ungemein andächtig bey dem Gottesdienste aufführete, und sonderlich unter der Predigt, die sie schon der Aussprache nach, fast vollkommen verstehen konte, zu vielenmahlen Thränen vergoß, und ihre Hände runge, vornemlich aber, wenn nach der Predigt der Segen vor dem Altare gesprochen wurde, da sie denn gemeiniglich heisse Thränen fallen ließ. Auf mein Bitten aber, wegen Erzehlung ihres Lebens-Lauffs, gab sie mir folgende Worte zu vernehmen: Mein Herr! ihr höret und wisset, daß ich eine unförmliche und sehr schwere Ausrede habe, welcher Fehler an meiner Zunge liegt, weiln ich vielleicht schon in meiner Jugend daran verwahrloset worden, oder die Natur etwa einen mercklichen Fehler an mir stifften wollen; Derowegen habet die Güte, und redet der Anna zu, daß sie euch meine Begebenheit erzehle, denn diese hat nicht allein eine weit beredtere Zunge, als ich, sondern wird auch alles vom Anfange an, bis auf diesen Tag, was meine Geschichte anbelanget, besser vorzubringen wissen, als ich selbst zu thun vermögend wäre, da ich mich meiner Kinder-Jahren nicht so gar sonderlich mehr zurück erinnern kan; Jedoch will ich ihr, wenn sie ja dann und wann etwas vergessen oder übergehen solte, schon einzuhelffen, und sie auf dem rechten Wege der Geschichte fort zu bringen wissen.

Als demnach die Frau Anna dieserwegen angesprochen worden, ließ sie sich gleich bereit und willig darzu finden, sagte aber zum voraus: wenn ich die

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 4, Nordhausen 1743, S. 1-411.
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