Achte Scene.

[10] No. 5. Ensemble.


CHOR.

Dem Freier naht die Braut.[10]

So herrlich nie erschaut –

Herbei, herbei!

Wer jung gefreit,

Hat's nie bereut –

Herbei, herbei!

ARSENA.

Ein Freier meldet sich

Schon wieder, welche Tücke!

Noch hält der Schleier mich

Verborgen seinem Blicke,

Doch Sonnenlicht

Ist warm und hell,

Ein' schön' Gesicht

Bezaubert schnell!

CHOR.

Doch Sonnenlicht

Ist warm und hell,

Ein schön Gesicht

Bezaubert schnell!

BARINKAY bei Seite.

Wie der Schleier sie umwallt –

Interessant ist die Gestalt!

ARSENA.

Du bist der Erste nicht,

Der meine Hand begehret,

Bist auch der Letzte nicht,

Den da mein Spruch belehret!

Die Vorsicht spricht:

Gib' Acht, Gesell –

Ein schön' Gesicht

Bezaubert schnell!

CHOR.

Die Vorsicht spricht

Gib Acht, Gesell' –

Ein schön' Gesicht

Bezaubert schnell!

ARSENA bei Seite.

Fürwahr, gefall' ich ihm,

Das wär sehr schlimm, –[11]

Nein, nein, nein, nein, nein,

Alles nur nicht sein!

BARINKAY bei Seite.

Welch' famose Erscheinung!


Will den Schleier heben.


Erlaubt!

ZSUPÁN.

So thu' ihm endlich den Gefallen,

Und laß' den dummen Schleier fallen!

CARNERO.

Halt! Halt!

Nach Sittencommissions-Gesetzen

Dürft Ihr den Anstand nicht verletzen

ZSUPÁN sich erinnernd.

Erst muß der Brautschaukuchen d'ran! –

CARNERO.

Und dann kommt Ihr erst, junger Mann

BARINKAY.

Wohlan, es sei,

Bringt ihn herbei!

ZSUPÁN.

Ihm ist es neu, –

Bringt ihn herbei!

CHOR DER MÄDCHEN.

Der alten Sitte

Sind wir treu

Trallala, trallala, trallala –

Ja ja, der Kucken muß herbei!

Trallala, trallala, trallala!

ZSUPÁN.

Also den Kuchen bringt herbei!

CHOR DER MÄDCHEN.

Ja wir holen ihn herbei! –

Hochzeitskuchen

Bitte zu versuchen!

Kommt und schaut,

Hier die Braut! –

Hochzeitskuchen,[12] Bitte zu versuchen –

Schmeckt gar fein,

Beißt hinein! –

Wenn die Jugend schließt den Hochzeitsbund

Ist's des Lebens schönste Stund';

Geht man in die Eh' mit treuem Sinn,

Steckt viel Süßigkeit darin.

Hochzeitskuchen

Bitte zu versuchen –

Schmeckt gar fein,

Beißt hinein! –

BARINKAY.

Nachbar Zsupán

Ich melde mich als Freier an!

ZSUPÁN.

Dies ist Sándor Barinkay,

Herr dieser Güter, –

Aus der Fremde heimgekehrt!

ARSENA.

Wie? Hab' ich recht gehört?

Barinkay heimgekehrt? Ah! –

CARNERO.

Da, dem alten Brauche treu

Auch der Kuchen schon vorbei,

Mag, bevor wir Hochzeit feiern

Ihr Gesicht die Braut entschleiern.

ARSENA bei Seite.

Gefall' ich ihm, dann hilft kein Klagen,

Dann muß ich Ottokar entsagen!

BARINKAY bei Seite.

Der Schleier soll fallen,

Daß ich sie vor Allem

Zu sehen kriege!

CHOR DER MÄDCHEN.

Der Schleier soll fallen,

Damit vor uns Allen

Die Schönheit siege!

BARINKAY.

Ah!!![13]

Sieh da, ein herrlich Frauenbild,

Das ganz mit Staunen mich erfüllt,

Verlockend ist es anzuseh'n,

Perfect vom Kopf bis zu den Zeh'n!

Das Antlitz kann nicht schöner sein,

Das Auge strahlt wie Edelstein,

Der Mund kokett, pikant und klein –

Wie mag sein Kuß erfreu'n!

ZSUPÁN.

Was Dich mit Staunen so erfüllt,

Ist mein getreues Ebenbild.

Ja ganz und gar

So, bis auf's Haar,

War ich, da ich noch jünger war.

Bevor ich diese Breite fand,

War schlank ich, wie ein Lieutenant,

Auf zwanzig Meilen ringsumher

Gab's beim Civil und Militär

So einen feschen Kerl nicht mehr!

Gab's solchen feschen Kerl nicht mehr

MIRABELLA.

Schön wie Apoll

Und anmuthsvoll,

Ja ein Adonis jeder Zoll!

ZSUPÁN.

Ha, keinen gab es mehr!

BARINKAY.

Auch find ich die Gestalt famos,

Just nicht zu klein und nicht zu groß.

Und nicht zu schlank und nicht zu prall,

Kurzum, das Ganze ist mein Fall.

So weit ich in der Fremde kam,

Sah ich kein Weib so wundersam.

Gestattet mir, um Euch zu frei'n,

Dann werd' ich glücklich sein!

ARSENA bei Seite.

So lang er mich bewundert blos,

Ist mir die Sachetout même chose.

Doch schmeichelt mir's in jedem Fall,[14]

Daß ich dem jungen Mann gefall', –

Doch wenn er mich zu freien kam,

So schwör' ich, kriegt er mich nicht zahm –

Sein Weib, das will ich niemals sein,

Da sag' ich zehnmal »Nein«! –

ZSUPÁN, CARNERO, MIRABELLA UND CHOR.

Wenn man sie sieht,

Das Herz in Lieb' erglüht,

Wer sie erblickt,

Ist ganz von ihr entzückt,

Zu gratuliren ist dem Mann,

Der sie erringen kann!

BARINKAY bei Seite.

Wenn man sie sieht,

Das Herz in Lieb' erglüht, –

Wer sie erblickt,

Ist ganz von ihr entzückt, –

Zu gratuliren, zu gratuliren

Ist dem Mann

Der sie erringen kann!

ARSENA bei Seite.

Ach Gott behüt' –

Daß er für mich erglüht, –

Daß es ihm glückt,

Wonach er hoffend blickt! –

Zu gratuliren, zu gratuliren

Wäre dann

Ihm nie dem armen

Armen Mann!


Sortie.


ARSENA.

Ein Falter schwirrt um's Licht,

An der Flamme bleibt er hängen,

Und Rettung gibt es nicht,

Weil die Strahlen ihn versengen.

Sei nicht erpicht,

Gib Acht, Gesell

Ein schön' Gesicht

Bezaubert schnell![15]


Quelle:
Johann Strauß: Der Zigeunerbaron, von J. Schnitzer, Hamburg [o. J.], S. 10-16.
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